Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-390/17

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

30. Mai 2018 ( *1 )

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Dienstbezüge – Familienzulagen – Erziehungszulage – Ablehnung der Erstattung der durch den Schulbesuch entstandenen Kosten – Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts der Beamten der Europäischen Union“

In der Rechtssache C‑390/17 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 28. Juni 2017,

Irit Azoulay, wohnhaft in Brüssel (Belgien),

Andrew Boreham, wohnhaft in Wansin-Hannut (Belgien),

Mirja Bouchard, wohnhaft in Villers-la-Ville (Belgien),

Darren Neville, wohnhaft in Ohain (Belgien),

Prozessbevollmächtigte: M. Casado García-Hirschfeld, advocate,

Rechtsmittelführer,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Europäisches Parlament, vertreten durch L. Deneys und E. Taneva als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. März 2018

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen Frau Irit Azoulay, Herr Andrew Boreham, Frau Mirja Bouchard und Herr Darren Neville die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 28. April 2017, Azoulay u. a./Parlament (T‑580/16, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2017:291), mit dem dieses ihre Klage auf Aufhebung der individuellen Entscheidungen des Europäischen Parlaments vom 24. April 2015, die Gewährung von Erziehungszulagen für das Jahr 2014/2015 abzulehnen, und, sofern erforderlich, auf Aufhebung der individuellen Entscheidungen des Parlaments vom 17. und 19. November 2015, soweit mit ihnen ihre Beschwerden vom 20. Juli 2015 teilweise zurückgewiesen worden waren, abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Art. 67 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Union in seiner auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) lautet:

„Die Familienzulagen umfassen:

c)

die Erziehungszulage.“

3

In Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts heißt es:

„Der Beamte erhält unter den Voraussetzungen der allgemeinen Durchführungsbestimmungen für jedes mindestens fünf Jahre alte unterhaltsberechtigte Kind, das regelmäßig und vollzeitlich eine gebührenpflichtige Primar- oder Sekundarschule bzw. eine Hochschule besucht, eine Erziehungszulage in Höhe der ihm durch den Schulbesuch entstandenen Kosten bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 260,95 [Euro] …

…“

4

Nach Maßgabe von Art. 110 des Statuts erließ das Parlament am 18. Mai 2004 die allgemeinen Durchführungsbestimmungen zur Gewährung der Erziehungszulage nach Art. 3 des Anhangs VII des Statuts (im Folgenden: ADB). Art. 3 ADB bestimmt:

„Im Rahmen der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 des Anhangs VII des Statuts vorgesehenen Höchstbeträge umfasst die Erziehungszulage B:

a)

die Aufnahmegebühr und die Schulgebühren der besuchten Lehranstalt,

b)

die Beförderungskosten,

unter Ausschluss aller anderen Kosten, insbesondere

der unumgänglichen Kosten, insbesondere für die Anschaffung von Büchern, Lehrmitteln und Sportausrüstung, der Kosten zur Deckung einer Schülerversicherung, der Arztkosten, der Prüfungsgebühren, der durch gemeinsame Schulaktivitäten außerhalb der Schule (Ausflüge, Besuche oder Schulfahrten, Sportkurse usw.) entstehenden Kosten sowie sonstiger Kosten im Zusammenhang mit dem Lehrprogramm der besuchten Lehranstalt,

der Kosten, die durch die Teilnahme des Kindes an einem Skilager oder einem Schullandheimaufenthalt am Meer oder auf dem Land oder die Teilnahme an vergleichbaren Aktivitäten entstehen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird im angefochtenen Urteil wie folgt dargestellt:

„1

Die erste Klägerin, Frau … Azoulay, hat ein Kind, das seit September 2014 am Athénée Ganenou (Gymnasium Ganenou) in Brüssel (Belgien) eingeschrieben ist. Die drei anderen Kläger, Herr … Boreham, Frau … Bouchard und Herr … Neville, haben Kinder, die an der École internationale Le Verseau (internationale Schule Le Verseau) in Bierges (Belgien) eingeschrieben sind. Den Klägern, deren Kinder schon vor 2014 an diesen Lehranstalten eingeschrieben waren, wurden bis zum Schuljahr 2014/2015 die durch den Schulbesuch entstandenen Kosten bis zu dem monatlichen Höchstbetrag erstattet.

2

Die École internationale Le Verseau ist eine konfessionsfreie Schule, die Mitglied der Fédération des établissements libres subventionnés indépendants (FELSI) (Vereinigung freier staatlich bezuschusster unabhängiger Lehranstalten) ist und von der Französischen Gemeinschaft bezuschusst wird. Der Unterricht wird vom Kindergarten an von muttersprachlichen Lehrkräften in französischer und in englischer Sprache erteilt. Die Schule wird jedoch nicht vollumfänglich durch diese Bezuschussung finanziert. Sie verfügt über eigene Mittel, die ihr insbesondere die gemeinnützige Vereinigung Les Amis du Verseau (Freunde der internationalen Schule Le Verseau) zur Verfügung stellt.

3

Das Athénée Ganenou ist eine konfessionelle Schule. Sie wird von der Französischen Gemeinschaft finanziell unterstützt und wendet deren offiziellen und umfassenden Lehrplan an, wobei sie mehrere Wochenstunden hinzufügt, um ab der Grundschulstufe die hebräische Sprache, die Geschichte des Judaismus, die Bibel und die englische Sprache zu unterrichten. Die Schule wird nicht vollumfänglich durch diese Bezuschussung finanziert. Sie verfügt über eigene Mittel, die ihr insbesondere die gemeinnützige Vereinigung Les Amis de Ganenou (Freunde des Gymnasiums Ganenou) zur Verfügung stellt.

4

Im Oktober und November 2014 stellten die Kläger Anträge auf Erstattung der ihnen durch den Schulbesuch ihrer unterhaltsberechtigten Kinder entstandenen Kosten und legten entsprechende von den Schulen erstellte Nachweise bei, die mit denen identisch waren, die sie ihren vorangegangenen Anträgen auf Erstattung dieser Kosten beigelegt hatten, denen stattgegeben worden war.

5

Am 24. April 2015 erhielten die Kläger die Mitteilung, dass ihre Anträge auf Erstattung der durch den Schulbesuch entstandenen Kosten endgültig abgelehnt worden waren …, mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts … nicht erfüllt seien, weil die beiden betreffenden Schulen keine gebührenpflichtigen Lehranstalten im Sinne dieser Vorschrift seien und sich die freiwilligen Beiträge der Kläger an die betreffenden gemeinnützigen Vereinigungen nicht im Rahmen des unentgeltlichen Pflichtschulunterrichts nach belgischem Recht bewegten.

6

Am 20. Juli 2015 legten die Kläger jeweils Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts ein. Mit … Entscheidungen … vom 17. und 19. November 2015 wurden diese Beschwerden zurückgewiesen … Gleichwohl entschied der Generalsekretär des Parlaments, den Klägern die Erziehungszulage für das Jahr 2014/2015 ‚ausnahms- und kulanterweise‘ zu gewähren, diese jedoch für die kommenden Schuljahre für einen Schulbesuch an der École internationale Le Verseau und am Athénée Ganenou nicht mehr zu bewilligen.“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

6

Die Rechtsmittelführer beantragten beim Gericht, die Entscheidungen vom 24. April 2015 aufzuheben, sofern erforderlich, die Entscheidungen vom 17. und 19. November 2015 aufzuheben, „jedoch mit Ausnahme der Entscheidung des Generalsekretärs des Parlaments, ihnen die Erziehungszulage für das Jahr 2014/2015 ausnahms- und kulanterweise zu bewilligen“, das Parlament zu verurteilen, ihnen die Erziehungszulage für das Jahr 2015/2016 nebst Zinsen ab den jeweiligen Fälligkeitsdaten dieser Beträge zu zahlen und dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

7

Sie machten drei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und drittens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der guten Verwaltung rügten. Das Gericht wies sämtliche dieser Klagegründe und damit den Antrag auf Aufhebung der Entscheidungen vom 24. April 2015 zurück. In Anbetracht dieser Zurückweisung stellte es fest, dass über den Antrag auf Verurteilung des Parlaments, den Rechtsmittelführern die Erziehungszulage für das Jahr 2015/2016 zu zahlen, nicht mehr entschieden zu werden brauchte.

Anträge der Parteien

8

Die Rechtsmittelführer beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben und

dem Parlament die gesamten Kosten aufzuerlegen.

9

Das Parlament beantragt,

das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und

den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

10

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführer gegen die Rn. 31 bis 36 und 38 des angefochtenen Urteils. Sie machen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es den Begriff der „durch den Schulbesuch entstandenen Kosten“ im Licht des Rundschreibens Nr. 4516 der Föderation Wallonie-Brüssel vom 29. August 2013 („Unentgeltlichkeit des Zugangs zum Pflichtschulunterricht“), das ein an die nationalen Behörden gerichtetes informatives Rundschreiben sei, ausgelegt habe.

11

Der im Statut verwendete Begriff der „durch den Schulbesuch entstandenen Kosten“ sei ein eigenständiger Begriff, der unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der Rechtsvorschriften, zu denen er gehöre, und seines Kontexts auszulegen sei. Der Zweck der Zulagen liege darin, der familiären Situation des Beamten Rechnung zu tragen, und zwar insbesondere durch die Zahlung von„Zuschüssen“ zu seinen Dienstbezügen, die durch die von ihm tatsächlich zu tragenden Kosten bedingt seien, ganz gleich, in welchem System sein Kind seine Ausbildung absolviere. Im vorliegenden Fall seien die von den Rechtsmittelführern gezahlten Gebühren zur Finanzierung der Ausbildung ihrer Kinder bestimmt und seien hinreichend begründet.

12

Wie das Gericht in Rn. 32 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, haben die Rechtsmittelführer nicht bestritten, dass die Nichtzahlung der in Rede stehenden Gebühren nicht zum Ausschluss ihrer Kinder von einer belgischen Pflichtschule führen kann. Jedoch könnten die Kinder, deren Eltern die Gebühren für ein spezifisches Bildungsprogramm nicht zahlten, von diesem Programm ausgeschlossen werden. Sie wären daher gezwungen, nationalen Lehrprogrammen zu folgen, obwohl sich die Muttersprache der Kinder der Rechtsmittelführer – ebenso wie ihr kulturelles Erbe – von denen bzw. dem des belgischen Volkes unterscheide.

13

Die Rechtsmittelführer machen zudem geltend, das Gericht habe die Tatsachen verfälscht, indem es in den Rn. 31 und 36 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten habe, dass die Inrechnungstellung von Schulgebühren durch eine von den Eltern von Schülern unterstützte gemeinnützige Vereinigung nicht mit dem nationalen Recht vereinbar wäre, obwohl die in Rede stehenden Vereinigungen nicht die Leistungen in Rechnung stellten, die die Schule unentgeltlich erbringen müsse, sondern vielmehr die Unterrichtsleistungen außerhalb des belgischen Pflichtprogramms. Mit anderen Worten dienten diese spezifischen Beiträge ausschließlich zur Finanzierung von Unterrichtsleistungen, die nicht von der Föderation Wallonie-Brüssel bezuschusst würden und die die Besonderheit der gewählten Schule und ihres Bildungskonzepts darstellten.

14

Schließlich wenden sich die Rechtsmittelführer gegen Rn. 40 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht festgestellt hat, „dass es sich bei den an die betreffenden gemeinnützigen Vereinigungen gezahlten Beiträgen, da sie nicht als durch den Schulbesuch entstandene Kosten anzusehen sind, um Kosten handelt, die durch die Erfordernisse und Aktivitäten in Verbindung mit der Durchführung des Lehrprogramms, nämlich der Teilnahme der Kinder am nicht staatlich bezuschussten spezifischen Bildungs- und Schulkonzept der betreffenden Schulen, entstehen und als ‚sonstige … Kosten im Zusammenhang mit dem Lehrprogramm der besuchten Lehranstalt‘ gemäß Art. 3 Satz 2 ADB anzusehen sind, die gemäß dieser Vorschrift nicht von der Erziehungszulage B gedeckt sind“.

15

Das Parlament tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführer entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

16

Das Gericht hat keinen Rechtsfehler begangen, als es in den Rn. 19 und 20 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass die in Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts vorgesehene Erziehungszulage dazu bestimmt sei, die einem Beamten für jedes unterhaltsberechtigte Kind, das regelmäßig und vollzeitlich „eine gebührenpflichtige Primar- oder Sekundarschule“ besuche, „durch den Schulbesuch entstandenen Kosten“ zu decken.

17

Die Rechtsmittelführer bestreiten nicht, dass der Begriff der „durch den Schulbesuch entstandenen Kosten“ ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts ist. Zur Auslegung dieses Begriffs sind u. a. sein Wortlaut und die mit der Rechtsvorschrift verfolgten Ziele zu berücksichtigen.

18

Aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts geht eindeutig hervor, dass die entstandenen Kosten den Besuch einer gebührenpflichtigen Lehranstalt ermöglichen müssen. Wie die Generalanwältin in Nr. 2 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sollte mit dem Erlass dieser Bestimmung die Erziehungszulage stärker an die Höhe der den Beamten entstandenen Ausgaben angepasst werden.

19

Ausgelegt im Licht von Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts, sieht Art. 3 ADB vor, dass die Erziehungszulage die Aufnahmegebühr und die Schulgebühren der besuchten gebührenpflichtigen Lehranstalten und die Beförderungskosten, unter Ausschluss aller anderen Kosten, umfasst.

20

In Anbetracht des eigenständigen Charakters des Begriffs der „durch den Schulbesuch entstandenen Kosten“ hängt die Einordnung dieses Begriffs von der Natur und den Bestandteilen des zu erstattenden Betrags ab (Urteil vom 8. September 2011, Bovagnet/Kommission, F‑89/10, EU:F:2011:129, Rn. 22).

21

Somit hat das Gericht rechtsfehlerfrei die Natur und die Bestandteile der von den Rechtsmittelführern geltend gemachten Kosten geprüft, um festzustellen, ob diese als „Aufnahmegebühr und Schulgebühren der besuchten [gebührenpflichtigen] Lehranstalt“ qualifiziert werden können.

22

Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Gericht auf das Rundschreiben Nr. 4516 verwiesen, das Informationen zu den in der Französischen Gemeinschaft Belgiens anwendbaren Rechtsvorschriften über die Unentgeltlichkeit des Zugangs zum Pflichtschulunterricht enthält.

23

Die Rechtsmittelführer haben insoweit nicht bestritten, dass die École internationale Le Verseau und das Athénée Ganenou keine Aufnahmegebühr oder Schulgebühren verlangen. Dies genügt, um auszuschließen, dass diese Schulen gebührenpflichtige Lehranstalten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts in Verbindung mit Art. 3 ADB darstellen. Das Gericht hat somit keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 36 des angefochtenen Urteils daraus abgeleitet hat, dass die von Dritten – wie gemeinnützigen Einrichtungen – verlangten Beitragszahlungen für die Teilnahme der Kinder am nicht staatlich bezuschussten spezifischen Bildungs- und Schulkonzept dieser Schulen keine Aufnahmegebühr und Schulgebühren dieser Schulen sind und nicht als „durch den Schulbesuch entstandene Kosten“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts in Verbindung mit Art. 3 ADB qualifiziert werden können.

24

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht in Rn. 40 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass die an die betreffenden gemeinnützigen Vereinigungen gezahlten Beiträge nicht als „durch den Schulbesuch entstandene Kosten“ anzusehen sind. Es handelt sich nämlich um Kosten, die durch die Erfordernisse und Aktivitäten in Verbindung mit dem nicht staatlich bezuschussten spezifischen Bildungs- und Schulkonzept der betreffenden Schulen entstehen und als „sonstige … Kosten im Zusammenhang mit dem Lehrprogramm der besuchten Lehranstalt“ gemäß Art. 3 Satz 2 ADB anzusehen sind, die gemäß dieser Vorschrift nicht von der Erziehungszulage B gedeckt sind.

25

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund unbegründet.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

26

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführer gegen die Rn. 45 und 46 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht erstens darauf hingewiesen hat, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes festgestellt werden könne, wenn die von einem Organ gegebenen präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen nicht mit den Bestimmungen des Statuts vereinbar seien, und zweitens vorsorglich ausgeführt hat, dass aus den Akten – insbesondere aus dem von der Verwaltung des Parlaments für die Schulen vorbereiteten spezifischen Formular – in keiner Weise hervorgehe, dass diese Verwaltung den Rechtsmittelführern präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen gegeben hätte.

27

Die Rechtsmittelführer machen geltend, dass eine inhaltliche Unrichtigkeit die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen beeinträchtige, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Frage gegangen sei, ob das in Rede stehende Formular den Nachweis für das Bestehen von Aufnahmegebühren hätte erbringen können, sondern darum, zu prüfen, ob die seit so vielen Jahren im Parlament bestehende und von den anderen Unionsorganen nicht beanstandete Praxis nicht vielmehr eine klare, übereinstimmende und nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherung von Seiten der Verwaltung gewesen sei.

28

Das Parlament ist der Ansicht, dass keine inhaltliche Unrichtigkeit vorliege.

Würdigung durch den Gerichtshof

29

Die Rechtsmittelführer wenden sich gegen einen nicht tragenden Grund des angefochtenen Urteils, ohne die Rechtsprechung in Frage zu stellen, nach der Zusagen, die die Verwaltung eines Organs einem Beamten gegeben hat, die den Bestimmungen des Statuts nicht Rechnung tragen, beim Adressaten kein berechtigtes Vertrauen begründen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. November 1983, Thyssen/Kommission, 188/82, EU:C:1983:329, Rn. 11, und vom 6. Februar 1986, Vlachou/Rechnungshof, 162/84, EU:C:1986:56, Rn. 6).

30

Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund, selbst wenn er begründet wäre, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte. Dieser Rechtsmittelgrund geht folglich ins Leere und ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

31

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführer gegen die Rn. 47 und 48 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht ihr Argument, die Änderung der Verwaltungspraxis verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, für unzulässig erklärt hat, weil dieses Argument nicht in der Beschwerde erhoben worden und mithin nicht mit dem Grundsatz der Übereinstimmung zwischen vorheriger Verwaltungsbeschwerde und Klage vereinbar sei. Die Rechtsmittelführer machen geltend, ihr Vorbringen sei eine Antwort auf eine Begründung gewesen, die das Parlament erstmals in der Antwort auf ihre Beschwerde gegeben habe.

32

Nach Ansicht des Parlaments wurde mit dem von den Rechtsmittelführern in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegrund der Änderung der Verwaltungspraxis ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gerügt. Die Entscheidungen vom 17. und 19. November 2015, in denen es zu diesem Beschwerdegrund Stellung genommen habe, stützten sich auf eine ständige Rechtsprechung, nach der der bloße Umstand, dass während mehrerer Jahre eine Erziehungszulage gezahlt worden sei, nicht genüge, um dem Personal eine Berufung auf diesen Grundsatz zu ermöglichen. Die für die Gewährung dieser Zulage geltenden Bestimmungen sähen nämlich ausdrücklich vor, dass sie Gegenstand einer jährlichen Beurteilung sei und somit von Jahr zu Jahr geändert oder sogar aufgehoben werden könne. Folglich handele es sich beim Hinweis auf die jährliche Beurteilung der Erziehungszulage nicht um ein neues Vorbringen, sondern um ein Argument in Beantwortung der Beanstandungen der Rechtsmittelführer, die über Informationen hierzu verfügt hätten, so dass es ihnen möglich gewesen sei, in ihrer Beschwerde einen Verstoß gegen die Rechtssicherheit zu rügen.

Würdigung durch den Gerichtshof

33

Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, diente die Erklärung des Parlaments, dass die Erziehungszulage einer jährlichen Beurteilung unterliege, der Stärkung des Vorbringens, dass es den Rechtsmittelführern keine präzisen und nicht an Bedingungen geknüpften Zusicherungen hinsichtlich der Gewährung der Erziehungszulage gemacht habe.

34

Diese Erklärung war somit eine Antwort auf den von den Rechtsmittelführern in ihrer Beschwerde geltend gemachten Beschwerdegrund des Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und stellte keine Begründung der Entscheidungen vom 17. und 19. November 2015 dar, die erst im Stadium der Beschwerdebeantwortung ersichtlich geworden wäre.

35

Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund unbegründet.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

36

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund wenden sich die Rechtsmittelführer gegen Rn. 56 des angefochtenen Urteils. Sie sind der Auffassung, das Gericht habe gegen seine Begründungspflicht verstoßen, indem es den ersten Teil ihres dritten Klagegrundes, mit dem sie geltend gemacht hätten, dass die Eltern, die Beamte anderer Organe seien, die Erstattung der durch den Schulbesuch von Kindern an der Schule, an der auch ihre Kinder eingeschrieben seien, entstandenen Kosten erhielten, für ins Leere gehend erklärt habe, aber auch, indem es zum Verstoß gegen Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht Stellung genommen habe, obwohl dieser vor dem Gericht geltend gemacht worden sei. Nach Art. 1a des Statuts hätten die Beamten bei der Anwendung des Statuts das Recht auf Gleichbehandlung, was erfordere, dass das Statut in der gesamten Union grundsätzlich autonom und einheitlich auszulegen sei. Das Parlament habe in den Entscheidungen vom 17. und 19. November 2015 indes ausgeführt, dass der Umstand, dass bei der Europäischen Kommission tätige Eltern stets die Erstattung der durch den Schulbesuch ihrer an der École internationale Le Verseau und am Athénée Ganenou eingeschriebenen Kinder entstandenen Kosten erhielten, nicht auf einer Ungleichbehandlung beruhe, sondern vielmehr darauf, dass „jedes Organ über eine Befugnis zur Selbstverwaltung verfügt, die es ihm ermöglicht, von seinem Auslegungsspielraum hinsichtlich der Bestimmungen des Statuts in eigenständiger Weise Gebrauch zu machen“.

37

Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es nicht geprüft habe, ob die vom Parlament gegebene Begründung zu seinem Ermessen bei der Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung im Statut vorgesehen sei und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Einklang stehe.

38

Das Parlament hält den vierten Rechtsmittelgrund für unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

39

Die Rechtsmittelführer beanstanden die Feststellung des Gerichts in Rn. 56 des angefochtenen Urteils, stellen aber nicht die Rechtsprechung in Frage, auf die das Gericht seine in Rn. 55 des angefochtenen Urteils wie folgt dargelegte Feststellung gestützt hat:

„Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Beamter oder Bediensteter auf Zeit jedoch nicht auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung berufen, um eine Vergünstigung zu erhalten. Die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung muss mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, EU:C:1985:297, Rn. 14, vom 2. Juni 1994, de Compte/Parlament, C‑326/91 P, EU:C:1994:218, Rn. 51 und 52, und vom 1. Juli 2010, Časta/Kommission, F‑40/09, EU:F:2010:74, Rn. 88).“

40

Der Verweis auf diese Rechtsprechung war jedoch ausreichend, um begründet auf den Klagegrund des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu antworten.

41

Er rechtfertigte auch die Entscheidungen vom 17. und 19. November 2015, da dieses Organ der Ansicht war, dass die Zahlung der von den Rechtsmittelführern begehrten Erziehungszulage gegen Art. 3 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts verstoße, was im Übrigen im vorliegenden Urteil bestätigt wird.

42

Zu Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführer in ihrer Anfechtungsklage lediglich eine Andeutung gemacht, aber keinen auf den Verstoß gegen diese Bestimmung gestützten Grund vorgetragen haben, zu dem das Gericht hätte Stellung nehmen müssen.

43

Somit ist der vierte Rechtsmittelgrund unbegründet.

44

Da alle Rechtsmittelgründe für unbegründet erklärt worden sind, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

45

Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

46

Da die Rechtsmittelführer mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Frau Irit Azoulay, Herr Andrew Boreham, Frau Mirja Bouchard und Herr Darren Neville tragen die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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Referenzen

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