Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-554/16

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

7. Juni 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Verordnung (EG) Nr. 73/2009 – Stützung für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe – Mutterkuhprämien – Art. 117 Abs. 2 – Übermittlung von Angaben – Entscheidung 2001/672/EG in der durch den Beschluss 2010/300/EU geänderten Fassung – Sommerweideauftrieb von Rindern in Berggebieten – Art. 2 Abs. 4 – Frist für die Meldung des Auftriebs – Berechnung – Verspätete Meldungen – Anspruch auf Prämienzahlung – Voraussetzung – Heranziehung der Absendefrist“

In der Rechtssache C‑554/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 10. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2016, in dem Verfahren

EP Agrarhandel GmbH

gegen

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und A. Sauka als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. Dezember 2017

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 117 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. 2009, L 30, S. 16) und von Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672/EG der Kommission vom 20. August 2001 mit besonderen Regeln für die Bewegungen von Rindern im Fall des Auftriebs auf die Sommerweide in Berggebieten (ABl. 2001, L 235, S. 23) in der durch den Beschluss 2010/300/EU der Kommission vom 25. Mai 2010 (ABl. 2010, L 127, S. 19) geänderten Fassung (im Folgenden: Entscheidung 2001/672).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der EP Agrarhandel GmbH und dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: Landwirtschaftsminister) wegen dessen Weigerung, der EP Agrarhandel die Mutterkuhprämie für bestimmte Kühe zu gewähren, weil der Auftrieb der Kühe auf die Sommerweide verspätet gemeldet worden sei.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 1760/2000

3

Die Erwägungsgründe 4 bis 7 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl. 2000, L 204, S. 1) lauten:

„(4)

Angesichts der Destabilisierung des Marktes für Rindfleisch und Rindfleischerzeugnisse aufgrund der Krise im Zusammenhang mit der Spongiformen Rinderenzephalopathie wurden die Produktions- und Vermarktungsbedingungen der betreffenden Erzeugnisse, insbesondere hinsichtlich der Herkunftssicherung, transparenter gestaltet, was sich auf den Verbrauch von Rindfleisch positiv ausgewirkt hat. Um das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität von Rindfleisch zu erhalten und zu stärken und um Irreführungen der Verbraucher zu vermeiden, muss der Rahmen entwickelt werden, in dem die Verbraucher durch eine angemessene und klare Etikettierung des Erzeugnisses informiert werden.

(5)

Zur Erreichung dieses Ziels ist es wichtig, dass einerseits für die Stufe der Erzeugung ein effizientes System zur Kennzeichnung und Registrierung für Rinder eingeführt und andererseits für die Stufe der Vermarktung eine besondere, auf objektiven Kriterien beruhende gemeinschaftliche Etikettierungsregelung für den Rindfleischsektor geschaffen wird.

(6)

Mit den Garantien, die dank dieser Verbesserungen gegeben werden können, wird auch bestimmten Forderungen im allgemeinen Interesse, insbesondere dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Tiergesundheit, entsprochen.

(7)

Damit wird das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen gestärkt, ein hohes Schutzniveau der öffentlichen Gesundheit erhalten und die Stabilität des Rindfleischmarktes dauerhaft verbessert.

(14)

Damit die Herkunft von Tieren im Rahmen der Kontrolle der gemeinschaftlichen Beihilferegelungen zügig und zuverlässig festgestellt werden kann, sollte in jedem Mitgliedstaat eine nationale elektronische Datenbank geschaffen werden, in der die Identität der Tiere, alle im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats ansässigen Betriebe und alle Tierumsetzungen erfasst werden, wie es in der Richtlinie 97/12/EG des Rates vom 17. März 1997 zur Änderung und Aktualisierung der Richtlinie 64/432/EWG zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen [(ABl. 1997, L 109, S. 1)] vorgesehen ist, die die viehseuchenrechtlichen Anforderungen festlegt, denen eine solche Datenbank genügen muss.“

4

Art. 3 dieser Verordnung bestimmt:

„Das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern beruht auf folgenden Elementen:

a)

Ohrmarken zur Einzelkennzeichnung von Tieren,

b)

elektronischen Datenbanken,

c)

Tierpässen,

d)

Einzelregistern in jedem Betrieb.

Die Kommission und die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats haben Zugang zu allen unter diesen Titel fallenden Informationen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission treffen geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass alle Betroffenen, einschließlich der einschlägigen von dem Mitgliedstaat anerkannten Verbraucherorganisationen, Zugang zu diesen Informationen erhalten können, sofern die Erfordernisse der Vertraulichkeit und des Datenschutzes gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleistet sind.“

5

Art. 7 Abs. 1 der Verordnung lautet:

„Tierhalter – mit Ausnahme der Transporteure – müssen folgende Anforderungen erfüllen:

Sie halten ein Register auf dem neuesten Stand,

sie teilen der zuständigen Behörde ab dem Zeitpunkt, zu dem die elektronische Datenbank voll betriebsfähig ist, die genauen Daten jeder Umsetzung von Tieren in den oder aus dem Betrieb sowie die Daten aller Tiergeburten und Todesfälle bei Tieren im Betrieb innerhalb einer vom Mitgliedstaat festgesetzten Frist von drei bis sieben Tagen nach dem betreffenden Ereignis mit. Die Kommission kann jedoch auf Antrag eines Mitgliedstaats nach dem Verfahren des Artikels 23 Absatz 2 festlegen, unter welchen Umständen die Mitgliedstaaten die Höchstfrist verlängern können, und spezifische Regeln für die Bewegungen von Rindern vorsehen, die im Sommer an verschiedenen Orten in den Bergen weiden sollen.“

Verordnung Nr. 73/2009

6

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 sieht vor:

„Ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, muss die Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Anhang II und die Vorschriften zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 6 erfüllen.

…“

7

Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Werden die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder das Kriterium des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands in einem bestimmten Kalenderjahr (nachstehend ‚betreffendes Kalenderjahr‘ genannt) zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt … und ist dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung, die unmittelbar dem Betriebsinhaber anzulasten ist, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Kalenderjahr gestellt hat, so wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der nach Anwendung der Artikel 7, 10 und 11 diesem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Artikel 24 gekürzt oder gestrichen.

…“

8

Art. 111 Abs. 1 und 2 der Verordnung lautet:

„(1)   Ein Betriebsinhaber, der in seinem Betrieb Mutterkühe hält, kann auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestands (Mutterkuhprämie) erhalten. Diese Prämie wird auf Jahresbasis je Kalenderjahr und Betriebsinhaber im Rahmen individueller Höchstgrenzen gewährt.

(2)   Die Mutterkuhprämie wird jedem Betriebsinhaber gewährt, der

a)

ab dem Tag der Beantragung der Prämie 12 Monate lang weder Milch noch Milcherzeugnisse aus seinem Betrieb abgibt.

Die direkte Abgabe von Milch oder Milcherzeugnissen vom Betrieb an den Verbraucher steht der Gewährung der Prämie jedoch nicht entgegen;

b)

Milch oder Milcherzeugnisse abgibt, wobei die einzelbetriebliche Quote gemäß Artikel 67 der Verordnung [EG] Nr. 1234/2007 [des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1)] jedoch insgesamt 120000 kg nicht überschreitet.

Die Mitgliedstaaten können jedoch auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien, die sie selbst festlegen, beschließen, diese Mengenbegrenzung zu ändern oder aufzuheben, sofern der Betriebsinhaber während mindestens sechs aufeinander folgenden Monaten ab dem Tag der Beantragung der Prämie eine Zahl Mutterkühe von mindestens 60 % und eine Zahl Färsen von höchstens 40 % der Anzahl Tiere hält, für die die Prämie beantragt wurde.

Um festzustellen, wie viele Tiere gemäß Unterabsatz 1 Buchstaben a und b prämienfähig sind, wird auf der Grundlage der am 31. März des betreffenden Kalenderjahres im Betrieb verfügbaren einzelbetrieblichen Milchquote des Begünstigten, ausgedrückt in Tonnen, und des durchschnittlichen Milchertrags festgestellt, ob es sich um Kühe eines Mutterkuhbestands oder um Kühe eines Milchkuhbestands handelt.“

9

Art. 117 der Verordnung Nr. 73/2009 sieht vor:

„Die Zahlungen im Rahmen dieses Abschnitts werden nur für Tiere gewährt, die entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 gekennzeichnet und registriert sind.

Ein Tier gilt jedoch auch dann als prämienfähig, wenn die Angaben gemäß Artikel 7 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 der zuständigen Behörde am ersten Tag des Haltungszeitraums des betreffenden Tieres gemäß der Bestimmung nach dem in Artikel 141 Absatz 2 genannten Verfahren mitgeteilt worden sind.“

10

Nach Anhang II („Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß den Artikeln 4 und 5“) Buchst. A („Gesundheit von Mensch und Tier“) Nr. 7 ist die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren unter Verweis auf die Art. 4 und 7 der Verordnung Nr. 1760/2000 vorgesehen.

Verordnung (EG) Nr. 1121/2009

11

Art. 61 der Verordnung (EG) Nr. 1121/2009 der Kommission vom 29. Oktober 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nach den Titeln IV und V der Verordnung (ABl. 2009, L 316, S. 27) bestimmt:

„Der Haltungszeitraum von sechs Monaten gemäß Artikel 111 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 beginnt am Tag nach dem Tag der Antragstellung.“

Verordnung (EG) Nr. 1122/2009

12

Art. 2 Nr. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 73/2009 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor (ABl. 2009, L 316, S. 65) enthält folgende Begriffsbestimmung:

„‚ermitteltes Tier‘: Tier, das allen in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen genügt“.

13

Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Außer in Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände nach Artikel 75 werden die Beihilfebeträge, auf die der Betriebsinhaber im Fall rechtzeitiger Einreichung Anspruch gehabt hätte, bei Einreichung eines Beihilfeantrags nach dem festgesetzten Termin um 1 % je Arbeitstag Verspätung gekürzt.

Unbeschadet jeglicher besonderer Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Notwendigkeit ergreifen, dass Nachweise rechtzeitig vorgelegt werden müssen, um wirksame Kontrollen planen und durchführen zu können, gilt Unterabsatz 1 auch für Unterlagen, Verträge oder Erklärungen, die der zuständigen Behörde nach den Artikeln 12 und 13 vorzulegen sind, sofern solche Unterlagen, Verträge oder Erklärungen anspruchsbegründend für die Gewährung der betreffenden Beihilfe sind. In diesem Fall wird die Kürzung auf den betreffenden Beihilfebetrag angewandt.

Beträgt die Verspätung mehr als 25 Kalendertage, so ist der Antrag als unzulässig anzusehen.“

14

Art. 63 Abs. 4 der Verordnung sieht vor:

„Werden Verstöße gegen die Vorschriften des Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern festgestellt, so gilt Folgendes:

a)

Ein Rind, das eine der beiden Ohrmarken verloren hat, gilt dennoch als ermittelt, wenn es durch die übrigen Elemente des Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern eindeutig identifiziert werden kann.

b)

Handelt es sich bei den festgestellten Verstößen um fehlerhafte Eintragungen in das Register oder die Tierpässe, so gilt das betreffende Tier erst dann als nicht ermittelt, wenn derartige Fehler bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb von 24 Monaten festgestellt werden. In allen anderen Fällen gelten die betreffenden Tiere nach der ersten Feststellung als nicht ermittelt.

Artikel 21 gilt für Meldungen und Eintragungen im System zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern.“

15

Art. 65 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1122/2009 lautet:

„Wird in Bezug auf Beihilfeanträge im Rahmen der Beihilferegelungen für Rinder eine Differenz zwischen der angegebenen und der gemäß Artikel 63 Absatz 3 ermittelten Zahl der Tiere festgestellt, so ist der Gesamtbetrag, auf den der Betriebsinhaber im Rahmen dieser Beihilferegelungen für den betreffenden Prämienzeitraum Anspruch hat, um den gemäß Absatz 3 dieses Artikels zu bestimmenden Prozentsatz zu kürzen, wenn bei höchstens drei Tieren Unregelmäßigkeiten festgestellt werden.“

Entscheidung 2001/672

16

Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 sah in seiner ursprünglichen Fassung vor:

„Die Daten der unter [Abs.] 2 genannten Liste werden spätestens sieben Tage nach dem Datum des Auftriebs auf die Weide in der nationalen Datenbank erfasst.“

Beschluss 2010/300

17

Die Erwägungsgründe 5 und 6 des Beschlusses 2010/300 lauten:

„(5)

Unter bestimmten Umständen dauert der Auftrieb der Tiere von verschiedenen Haltungsorten zu ein und derselben Sommerweide in einem Berggebiet länger als sieben Tage. Zur Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands sind daher die Fristen in der Entscheidung 2001/672/EG [in ihrer ursprünglichen Fassung] entsprechend anzupassen; dabei darf die Rückverfolgbarkeit der Bewegungen allerdings nicht beeinträchtigt werden.

(6)

Die Entscheidung 2001/672/EG soll daher entsprechend geändert werden.“

18

Gemäß Art. 1 Abs. 2 diese Beschlusses wurde Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 in ihrer ursprünglichen Fassung wie folgt geändert:

„Die Angaben für die in Absatz 2 genannte Liste sind der zuständigen Behörde gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 spätestens 15 Tage nach dem Datum des Auftriebs der Tiere auf die Weide zu übermitteln.“

Österreichisches Recht

19

Der dritte Abschnitt („Mutterkuh- und Milchkuhprämie“) der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung) (BGBl. II Nr. 491/2009) sieht vor:

„Antrag

§ 12. Die Angaben aus der elektronischen Datenbank für Rinder über die Haltung von Mutterkühen und Kalbinnen gelten als Antrag des Betriebsinhabers auf die Mutterkuhprämie.

Gemeinsame Bestimmungen

§ 13. (1) Als Antragsteller gilt der Betriebsinhaber, der prämienfähige Mutterkühe, Kalbinnen oder Milchkühe am 1. Jänner, 16. März oder 10. April hält und für dessen Betrieb ein Sammelantrag für das betreffende Jahr abgegeben wird.

…“

20

§ 6 („Meldungen durch den Tierhalter“) der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008) (BGBl. II Nr. 201/2008 idF BGBl. II Nr. 66/2010) bestimmt:

„(1)   Innerhalb von sieben Tagen sind zu melden:

1.

… Umsetzungen von Tieren in den oder aus dem Betrieb …

3.   der Auftrieb auf Almen/Weiden, wenn es zu einer Vermischung von Rindern mehrerer Tierhalter kommt,

4.   der Auftrieb auf Almen/Weiden in einer anderen Gemeinde, wenn für die Almen/Weiden eigene Betriebsnummern … vorhanden sind …

(5)   Die Alm/Weidemeldung ist unter Verwendung eines von der AMA [(Agrarmarkt Austria)] aufzulegenden Formblattes durchzuführen und postalisch oder online bei der AMA einzubringen. Die übrigen Meldungen nach Abs. 1 bis 4 sind telefonisch, schriftlich oder online unbeschadet des § 5 Abs. 1 bei der AMA einzubringen.

(6)   Für die Einhaltung der Frist ist der Eingang maßgeblich.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21

Mit Bescheid vom 28. März 2012 gewährte der Vorstand für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria der EP Agrarhandel für das Kalenderjahr 2011 Rinderprämien in Höhe von insgesamt 398,80 Euro. Für bestimmte Rinder wurde die Gewährung von Prämien für dieses Jahr jedoch verweigert.

22

Die EP Agrarhandel legte gegen diesen Bescheid Berufung beim Landwirtschaftsminister ein. Diese wurde mit Bescheid vom 6. Dezember 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine fehlende, fehlerhafte oder verspätete Meldung der für eine Prämiengewährung relevanten Daten an die Rinderdatenbank dazu führe, dass ein Tier nicht als „ermitteltes Tier“ im Sinne von Art. 2 Nr. 24 der Verordnung Nr. 1122/2009 gelte und keine Prämie gewährt werden könne, sofern die verspätete Meldung nicht vor Beginn des Haltungszeitraums liege.

23

Der Landwirtschaftsminister weist darauf hin, dass die Meldung hinsichtlich 37 Kühen und 6 Kalbinnen nicht innerhalb der in Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 vorgesehenen 15-Tages-Frist eingelangt sei, so dass die Mutterkuhprämien für diese Tiere unabhängig von der Anzahl der Tage des Postwegs nicht zu gewähren sei. Der Auftrieb der Tiere habe nämlich am 17. Juni 2011 stattgefunden, und die Meldung sei am 7. Juli 2011 bei der zuständigen Behörde eingelangt.

24

Die EP Agrarhandel legte gegen diesen Bescheid Revision beim vorlegenden Gericht ein. Sie macht geltend, dass Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 nicht auf den „Eingang“ bzw. das „Einlangen“ der Almauftriebsmeldung abstelle und die Übergabe der Meldung an die Post am letzten Tag der 15-Tages-Frist gemäß dieser Bestimmung und daher fristgerecht erfolgt sei.

25

Bei gegenteiliger Ansicht, dass die Frist nicht gewahrt worden sei, erweise sich die Sanktion, nämlich der Verlust der Prämien für die betreffenden Kühe und Kalbinnen allein wegen der aufgrund des verlängerten Postlaufs wenige Tage verspätet eingelangten, im Übrigen aber inhaltlich richtigen Meldung, als unverhältnismäßig.

26

Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof (Österreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift wie jener des § 6 Abs. 6 der Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008, die für die Einhaltung aller von dieser Bestimmung erfassten Fristen – und somit auch jener für die Meldung des Sommerweideauftriebs – den Eingang der entsprechenden Meldung als maßgeblich erklärt, entgegen?

2.

Welche Auswirkung hat Art. 117 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 auf die Prämienfähigkeit von Rindern, deren Auftrieb auf die Sommerweide verspätet im Sinne des Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 gemeldet wurde?

3.

Sind in dem Fall, dass die verspätete Mitteilung des Auftriebs auf die Sommerweide gemäß Art. 117 Abs. 2 der Verordnung Nr. 73/2009 nicht zum Verlust der Prämienfähigkeit führt, wegen der verspäteten Meldung Sanktionen zu verhängen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

27

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die für die Einhaltung der Frist für die Meldung des Sommerweideauftriebs den Eingang der Meldung als maßgeblich erklärt.

28

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 111 Abs. 1 der Verordnung Nr. 73/2009 die Gewährung einer sogenannten „Mutterkuhprämie“ für alle Betriebsinhaber vorsieht, die die Voraussetzungen des Art. 111 Abs. 2 dieser Verordnung erfüllen.

29

Gemäß Art. 117 dieser Verordnung wird diese Prämie nur für Tiere gewährt, die entsprechend der Verordnung Nr. 1760/2000 gekennzeichnet und registriert sind.

30

Was insbesondere die Registrierung von Rindern angeht, bestimmt Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1760/2000, dass Tierhalter „… der zuständigen Behörde … die genauen Daten jeder Umsetzung von Tieren in den oder aus dem Betrieb sowie die Daten aller Tiergeburten und Todesfälle bei Tieren im Betrieb innerhalb einer vom Mitgliedstaat festgesetzten Frist von drei bis sieben Tagen nach dem betreffenden Ereignis mit[teilen müssen]. Die Kommission kann jedoch auf Antrag eines Mitgliedstaats nach dem Verfahren des Artikels 23 Absatz 2 festlegen, unter welchen Umständen die Mitgliedstaaten die Höchstfrist verlängern können, und spezifische Regeln für die Bewegungen von Rindern vorsehen, die im Sommer an verschiedenen Orten in den Bergen weiden sollen“.

31

Nach Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 sind die Angaben, die die Liste der für eine Bewegung zu Weideplätzen vorgesehenen Rinder enthalten muss, „der zuständigen Behörde … spätestens 15 Tage nach dem Datum des Auftriebs der Tiere auf die Weide zu übermitteln“.

32

Dazu ist festzustellen, dass der Wortlaut dieser Bestimmung nicht angibt, ob diese Frist als Frist für den Eingang oder als Frist für die Absendung der verlangten Angaben anzusehen ist. Im ersten Fall müssen diese Angaben der zuständigen Behörde spätestens 15 Tage nach der Umsetzung der Rinder zugegangen sein, und im zweiten Fall müssen sie vor Ablauf dieser Frist abgesandt worden sein.

33

Nach dem Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 sind die Angaben der zuständigen nationalen Behörde spätestens 15 Tage nach dem Datum der Ankunft der Tiere auf der Weide zu „übermitteln“. Aus solchen Formulierungen würde sich ableiten lassen, dass sie vor Ablauf der Frist abgesendet werden müssen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. April 2004, Borgmann, C‑1/02, EU:C:2004:202, Rn. 23).

34

Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sind die verwendeten Begriffe aber allgemein gehalten und daher interpretationsoffen.

35

Außerdem sieht die portugiesische Sprachfassung von Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 vor, dass die Angaben innerhalb einer Frist von 15 Tagen nach der Umsetzung der Tiere auf die Weideplätze und nicht spätestens 15 Tage nach ihrer Ankunft gemeldet werden müssen.

36

Weichen aber die verschiedenen Sprachfassungen eines unionsrechtlichen Textes voneinander ab, so muss die fragliche Vorschrift nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 26. April 2012, DR und TV2 Danmark, C‑510/10, EU:C:2012:244, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Aus den Erwägungsgründen 4 bis 7 der Verordnung Nr. 1760/2000, auf die Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 gestützt ist, geht insoweit hervor, dass mit dieser Bestimmung das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen gestärkt, der Schutz der öffentlichen Gesundheit erhalten und die Stabilität des Rindfleischmarkts dauerhaft verbessert werden soll.

38

Der Gerichtshof hat zwar in Rn. 41 des Urteils vom 24. Mai 2007, Maatschap Schonewille-Prins (C‑45/05, EU:C:2007:296), in Bezug auf Schlachtprämien für Rinder festgestellt, dass es für die Erreichung dieser Ziele unabdingbar ist, dass das System der Kennzeichnung und Registrierung von Rindern jederzeit so vollkommen wirksam und zuverlässig ist, dass insbesondere die zuständigen Behörden im Fall einer Seuche die Herkunft eines Tieres rasch ausfindig machen und unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen treffen können, um eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit auszuschließen. Dies ist nicht möglich, wenn der Tierhalter Umsetzungen seiner Rinder der elektronischen Datenbank nicht innerhalb der nach Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1760/2000 vorgeschriebenen Frist meldet.

39

Allerdings ist eine Unterscheidung zu treffen zwischen einerseits der Meldung einer für den Viehbestand ganz grundlegenden Umsetzung von Tieren in den oder aus dem Betrieb, die im Fall der Schlachtung für die Rückverfolgung der Tiere besonders wichtig ist, da diese Tiere zum sofortigen Verbrauch bestimmt sind, und andererseits der bloßen Registrierung der Umsetzung von Tieren auf die und von den Weiden, die die Zugehörigkeit der Tiere zum Betrieb nicht in Frage stellt und keine unmittelbare Vorstufe zum Verbrauch darstellt.

40

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1760/2000, wie in Rn. 30 des vorliegenden Urteils ausgeführt, vorsieht, dass die Kommission festlegen kann, unter welchen Umständen die Mitgliedstaaten die Höchstfrist verlängern können, und dass sie spezifische Regeln für die Bewegungen von Rindern vorsehen kann, die im Sommer an verschiedenen Orten in den Bergen weiden sollen. Die Entscheidung 2001/672 sieht eine solche Abweichung von der in dieser Bestimmung festgelegten Frist vor.

41

Im Übrigen bestimmte Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 in seiner ursprünglichen Fassung zwar, dass die nach Art. 2 Abs. 2 dieser Entscheidung vorgesehenen Daten „spätestens sieben Tage nach dem Datum des Auftriebs auf die Weide in der nationalen Datenbank erfasst“ werden mussten. Daraus hätte sich somit ergeben, dass diese Daten erst als erfasst gelten konnten, wenn sie tatsächlich in der Datenbank gespeichert waren. Es genügte deshalb nicht, dass die Meldung innerhalb der festgesetzten Frist bei den Postdienststellen aufgegeben worden war (vgl. entsprechend Urteil vom 11. November 2004, Toeters und Verberk, C‑171/03, EU:C:2004:714, Rn. 43).

42

Im fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2010/300 heißt es jedoch, dass unter bestimmten Umständen der Auftrieb der Tiere von verschiedenen Haltungsorten zu ein und derselben Sommerweide in einem Berggebiet länger als sieben Tage dauert und dass zur Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands daher die Fristen in der Entscheidung 2001/672 in ihrer ursprünglichen Fassung entsprechend anzupassen sind, wobei die Rückverfolgbarkeit der Bewegungen allerdings nicht beeinträchtigt werden darf.

43

Um der Änderung des Wortlauts von Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 Rechnung zu tragen, ist somit davon auszugehen, dass die nach dieser Bestimmung vorgesehene Frist eingehalten wurde, wenn die verlangten Angaben spätestens 15 Tage nach der Ankunft der Tiere auf den Weiden an die zuständige Behörde abgeschickt wurden.

44

Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, würde eine engere Auffassung, die den fristgerechten Empfang der Meldung durch die zuständige Behörde verlangt, dem Ziel der Verlängerung bzw. Lockerung der Übermittlungsfrist zuwiderlaufen.

45

Weder der Zusammenhang noch der Zweck der Verordnung Nr. 1760/2000 und der Entscheidung 2001/672 widersprechen somit einem Verständnis der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Frist als Absendefrist mit der Folge, dass die zu übermittelnden Angaben der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats eventuell erst einige Tage nach der festgesetzten Frist zugehen.

46

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die für die Einhaltung der Frist für die Meldung des Sommerweideauftriebs den Eingang der Meldung als maßgeblich erklärt.

Zur zweiten und zur dritten Frage

47

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

48

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 2 Abs. 4 der Entscheidung 2001/672/EG der Kommission vom 20. August 2001 mit besonderen Regeln für die Bewegungen von Rindern im Fall des Auftriebs auf die Sommerweide in Berggebieten in der durch den Beschluss 2010/300/EU der Kommission vom 25. Mai 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die für die Einhaltung der Frist für die Meldung des Sommerweideauftriebs den Eingang der Meldung als maßgeblich erklärt.

 

Da Cruz Vilaça

Levits

Borg Barthet

Berger

Biltgen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juni 2018.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Fünften Kammer

J. L. da Cruz Vilaça


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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