Schlussantrag des Generalanwalts vom Europäischer Gerichtshof - C-497/17
Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
NILS WAHL
vom 20. September 2018(1)
Rechtssache C‑497/17
Œuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (OABA)
gegen
Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation,
Bionoor,
Ecocert France,
Institut national de l’origine et de la qualité (INAO)
(Vorabentscheidungsersuchen der Cour administrative d’appel de Versailles [Verwaltungsberufungsgericht Versailles, Frankreich])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung – Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 – Von religiösen Riten vorgeschriebene besondere Schlachtungsmethoden – Schlachtung ohne Betäubung – Vereinbarkeit mit der ökologischen/biologischen Tierproduktion im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 834/2007“
Einleitung
1. Lassen die anwendbaren unionsrechtlichen Vorschriften die Vergabe des europäischen Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ für Produkte, die von Tieren stammen, die unter den in der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009(2) festgelegten Voraussetzungen einer rituellen Schlachtung ohne vorherige Betäubung unterzogen wurden, zu oder verbieten sie sie vielmehr?
2. Dies ist im Kern die vom vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen der Cour administrative d’appel de Versailles (Verwaltungsberufungsgericht Versailles, Frankreich) aufgeworfene Frage.
3. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage des Œuvre d’assistance aux bêtes d’abattoirs (Hilfswerk für Schlachttiere, im Folgenden: OABA)(3) auf Aufhebung eines Urteils, mit dem das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil, Frankreich) seine wegen Befugnisüberschreitung erhobene Klage gegen die stillschweigende Ablehnung der Gesellschaft Ecocert France (im Folgenden: Ecocert), einer privatrechtlichen Zertifizierungsstelle, die nunmehr für das Institut national de l’origine et de la qualité (Nationales Institut für Herkunft und Qualität, im Folgenden: INAO) tätig ist, gemäß Art. 30 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007(4) Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Werbung für und die Vermarktung von als „halal“ zertifizierten und mit der Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ versehenen Waren der Marke „Tendre France“ beendet werden, abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 834/2007
4. In den Erwägungsgründen 1, 3, 5, 17 und 22 der Verordnung Nr. 834/2007 heißt es:
„(1) Die ökologische/biologische Produktion bildet ein Gesamtsystem der landwirtschaftlichen Betriebsführung und der Lebensmittelproduktion, das beste umweltschonende Praktiken, ein hohes Maß der Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen, die Anwendung hoher Tierschutzstandards und eine Produktionsweise kombiniert, die der Tatsache Rechnung tragen, dass bestimmte Verbraucher Erzeugnissen, die unter Verwendung natürlicher Substanzen und nach natürlichen Verfahren erzeugt worden sind, den Vorzug geben. Die ökologische/biologische Produktionsweise spielt somit eine doppelte gesellschaftliche Rolle, denn sie bedient einerseits auf einem spezifischen Markt die Verbrauchernachfrage nach ökologischen/biologischen Erzeugnissen und stellt andererseits öffentliche Güter bereit, die einen Beitrag zu Umwelt- und Tierschutz ebenso wie zur Entwicklung des ländlichen Raums leisten.
…
(3) Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für den ökologischen/biologischen Produktionssektor sollte dem Ziel dienen, einen fairen Wettbewerb und einen ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarkt für ökologische/biologische Erzeugnisse zu gewährleisten und das Vertrauen der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse zu wahren und zu rechtfertigen. Er sollte ferner auf die Schaffung von Voraussetzungen abzielen, unter denen sich dieser Sektor entsprechend den jeweiligen Produktions- und Marktentwicklungen fortentwickeln kann.
…
(5) Es ist daher angezeigt, die Ziele, Grundsätze und Regeln für die ökologische/biologische Produktion genauer zu formulieren, um so zu mehr Transparenz, Verbrauchervertrauen und einer harmonisierten Sichtweise in Bezug auf das ökologische/biologische Produktionskonzept beizutragen.
…
(17) Die ökologische/biologische Tierhaltung sollte hohe Tierschutzstandards achten sowie den tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnissen genügen, und die Gesunderhaltung des Tierbestands sollte auf der Krankheitsvorbeugung basieren. Besondere Aufmerksamkeit sollte in diesem Zusammenhang den Bedingungen der Stallunterbringung, den Haltungspraktiken und der Besatzdichte gelten. Darüber hinaus sollte bei der Wahl der Tierrassen deren Fähigkeit zur Anpassung an die lokalen Verhältnisse berücksichtigt werden. Die Durchführungsbestimmungen für die tierische Erzeugung und die Aquakultur sollten wenigstens die Befolgung der Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen und der sich daran anschließenden Empfehlungen seines Ständigen Ausschusses (T‑AP) gewährleisten.
…
(22) Es ist wichtig, das Vertrauen der Verbraucher in ökologische/biologische Erzeugnisse zu wahren. Daher sollten Ausnahmen von den Anforderungen an die ökologische/biologische Produktion unbedingt auf die Fälle begrenzt sein, in denen die Anwendung von Ausnahmeregelungen als gerechtfertigt anzusehen ist.“
5. Art. 1 („Ziel und Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 834/2007 bestimmt:
„(1) Diese Verordnung schafft die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung der ökologischen/biologischen Produktion, wobei gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts sichergestellt, ein fairer Wettbewerb gewährleistet, das Vertrauen der Verbraucher gewahrt und die Verbraucherinteressen geschützt werden.
In ihr sind allgemeine Ziele und Grundsätze festgelegt, um die Vorschriften dieser Verordnung zu untermauern und die Folgendes betreffen:
a) alle Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs ökologischer/biologischer Erzeugnisse und deren Kontrollen;
b) die Verwendung von Angaben in der Kennzeichnung und Werbung, die auf die ökologische/biologische Produktion Bezug nehmen.
(2) Diese Verordnung gilt für folgende Erzeugnisse der Landwirtschaft, einschließlich der Aquakultur, sofern sie in Verkehr gebracht werden oder dazu bestimmt sind, in Verkehr gebracht zu werden:
a) lebende oder unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse,
b) verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind,
c) Futtermittel,
d) vegetatives Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau.
…
(3) Diese Verordnung findet auf alle Unternehmer Anwendung, die auf irgendeiner Stufe der Produktion, der Aufbereitung oder des Vertriebs von Erzeugnissen im Sinne des Absatzes 2 tätig sind.
…
(4) Diese Verordnung gilt unbeschadet der sonstigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der nationalen Vorschriften, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf die in diesem Artikel definierten Erzeugnisse Anwendung finden, wie z. B. die Bestimmungen für die Produktion, Aufbereitung, Vermarktung, Etikettierung und Kontrolle dieser Erzeugnisse, einschließlich der lebens- und futtermittelrechtlichen Vorschriften.“
6. Art. 3 der Verordnung Nr. 834/2007 stellt die „Ziele“ dieser Verordnung wie folgt dar:
„Die ökologische/biologische Produktion verfolgt folgende allgemeine Ziele:
a) Errichtung eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems für die Landwirtschaft, das
…
iv) hohe Tierschutzstandards beachtet und insbesondere tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnissen nachkommt;
b) Produktion qualitativ hochwertiger Erzeugnisse;
…“
7. Unter der Überschrift „Spezifische Grundsätze für die landwirtschaftliche Erzeugung“ heißt es in Art. 5 Buchst. h der Verordnung Nr. 834/2007, dass der ökologische/biologische Landbau auf dem Grundsatz der „Beachtung eines hohen Tierschutzniveaus unter Berücksichtigung tierartspezifischer Bedürfnisse“ zu beruhen hat.
8. Art. 14 („Vorschriften für die tierische Erzeugung“) der Verordnung Nr. 834/2007 bestimmt:
„(1) Neben den allgemeinen Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung des Artikels 11 gelten für die ökologische/biologische tierische Erzeugung folgende Vorschriften:
…
b) Haltungspraktiken und Unterbringung der Tiere:
…
viii) Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten.
…“
Verordnung (EG) Nr. 889/2008
9. Im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 889/2008(5) heißt es:
„Die ökologische/biologische Tierhaltung sollte gewährleisten, dass die Tiere bestimmte Verhaltensbedürfnisse ausleben können, d. h. für alle Tierarten sollte bei der Unterbringung den Luft-, Licht-, Raum- und Komfortbedürfnissen der Tiere Rechnung getragen werden, und es sollte genügend Platz zur Verfügung stehen, damit sich jedes Tier frei bewegen und sein natürliches Sozialverhalten entwickeln kann. Für bestimmte Tiere, einschließlich Bienen, empfiehlt es sich, spezifische Vorschriften für Unterbringung und Haltungspraxis festzulegen. Diese spezifischen Unterbringungsvorschriften sollten ein hohes Tierschutzniveau gewährleisten, das bei der ökologischen/biologischen Tierhaltung Priorität hat und daher über die für die Landwirtschaft im Allgemeinen geltenden Tierschutznormen der Gemeinschaft hinaus gehen kann. Nach ökologischer/biologischer Haltungspraxis sollte Geflügel nicht zu schnell aufgezogen werden. Es sollten daher spezifische Vorschriften zur Vermeidung intensiver Aufzuchtmethoden festgelegt werden. Insbesondere Geflügel sollte bis zum Erreichen eines bestimmten Mindestalters aufgezogen werden oder von langsam wachsenden Rassen stammen, damit in keinem Fall ein Anreiz für intensive Aufzuchtmethoden gegeben ist.“
10. Art. 18 („Umgang mit Tieren“) der Verordnung Nr. 889/2008 bestimmt:
„(1) Eingriffe wie das Anbringen von Gummiringen an den Schwänzen von Schafen, das Kupieren von Schwänzen, das Abkneifen von Zähnen, das Stutzen der Schnäbel und Enthornung dürfen in der ökologischen/biologischen Tierhaltung nicht routinemäßig durchgeführt werden. Aus Sicherheitsgründen oder wenn sie der Verbesserung der Gesundheit, des Befindens oder der Hygienebedingungen der Tiere dienen, können einige dieser Eingriffe von der zuständigen Behörde jedoch fallweise genehmigt werden.
Jegliches Leid der Tiere ist auf ein Minimum zu begrenzen, indem angemessene Betäubungs- und/oder Schmerzmittel verabreicht werden und der Eingriff nur im geeigneten Alter und von qualifiziertem Personal vorgenommen wird.
(2) Die operative Kastration ist zulässig, um die Qualität der Erzeugnisse zu gewährleisten und traditionellen Produktionspraktiken Rechnung zu tragen, allerdings nur unter den in Absatz 1 Unterabsatz 2 vorgegebenen Bedingungen.
(3) Verstümmelungen wie das Beschneiden der Flügel von Weiseln sind verboten.
(4) Beim Ver- und Entladen von Tieren dürfen keine elektrischen Treibhilfen verwendet werden. Die Verabreichung allopathischer Beruhigungsmittel vor und während der Beförderung ist verboten.“
11. Art. 20 dieser Verordnung, der die „Futtermittel zur Deckung des ernährungsphysiologischen Bedarfs der Tiere“ betrifft, verbietet in seinem Abs. 5 die Zwangsfütterung.
Verordnung Nr. 1099/2009
12. In den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 1099/2009 heißt es u. a.:
„(2) Die Tötung kann selbst unter den besten technischen Bedingungen Schmerzen, Stress, Angst oder andere Formen des Leidens bei den Tieren verursachen. Bestimmte Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Tötung können Stress auslösen, und jedes Betäubungsverfahren hat Nachteile. Die Unternehmer oder jede an der Tötung von Tieren beteiligte Person sollten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten, wobei sie einschlägige bewährte Verfahren und die gemäß dieser Verordnung erlaubten Methoden beachten. Daher sollten Schmerzen, Stress oder Leiden als vermeidbar gelten, wenn ein Unternehmer oder eine an der Tötung von Tieren beteiligte Person gegen diese Verordnung verstößt oder erlaubte Verfahren einsetzt, sich aber keine Gedanken darüber macht, ob diese dem Stand der Wissenschaft entsprechen, und dadurch fahrlässig oder vorsätzlich Schmerzen, Stress oder Leiden für die Tiere verursacht.
…
(4) Der Tierschutz ist ein Gemeinschaftswert, der im Protokoll (Nr. 33) über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere festgeschrieben wurde, das dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (‚Protokoll (Nr. 33)‘) beigefügt ist. Der Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung bzw. Tötung ist im Interesse der Allgemeinheit und wirkt sich auf die Einstellung der Verbraucher gegenüber landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus. Darüber hinaus trägt die Verbesserung des Schutzes von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung zu einer besseren Fleischqualität bei und hat indirekt einen positiven Einfluss auf die Sicherheit am Arbeitsplatz im Schlachthof.
…
(18) Die Richtlinie 93/119/EG [des Rates vom 22. Dezember 1993 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung (ABl. 1993, L 340, S. 21)] sah im Fall der rituellen Schlachtung in einem Schlachthof eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Betäubung vor. Die Gemeinschaftsvorschriften über die rituelle Schlachtung wurden je nach den einzelstaatlichen Bedingungen unterschiedlich umgesetzt, und die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigen Faktoren, die über den Anwendungsbereich dieser Verordnung hinausgehen; daher ist es wichtig, dass die Ausnahme von der Verpflichtung zur Betäubung von Tieren vor der Schlachtung aufrechterhalten wird, wobei den Mitgliedstaaten jedoch ein gewisses Maß an Subsidiarität eingeräumt wird. Folglich wird mit dieser Verordnung die Religionsfreiheit sowie die Freiheit, seine Religion durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen, geachtet, wie dies in Artikel 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta] verankert ist.
…
(20) Viele Tötungsverfahren sind für die Tiere schmerzvoll. Daher ist eine Betäubung erforderlich, mit der vor oder während der Tötung eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit herbeigeführt wird. Die Messung der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit ist komplex und muss nach einer wissenschaftlich anerkannten Methodik erfolgen. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit sollte jedoch mittels Indikatoren überwacht werden, damit sich die praktische Effizienz der Methodik bewerten lässt.
(21) Die Überwachung der Betäubung auf ihre Wirksamkeit stützt sich hauptsächlich auf die Bewertung des Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögens der Tiere. Das Wahrnehmungsvermögen eines Tieres besteht im Wesentlichen in seiner Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und seine Bewegungen zu kontrollieren. Außer in Ausnahmefällen, etwa bei der Elektroimmobilisation oder einer anderen Art der bewusst herbeigeführten Lähmung, ist davon auszugehen, dass ein Tier dann wahrnehmungslos ist, wenn es seine natürliche stehende Haltung verliert, nicht wach ist und keine Anzeichen dafür vorliegen, dass es positive oder negative Gefühle wie Angst oder Aufregung spürt. Das Empfindungsvermögen eines Tieres besteht im Wesentlichen in seiner Fähigkeit, Schmerzen zu fühlen. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass ein Tier dann empfindungslos ist, wenn es auf Reize wie Schall, Geruch, Licht oder physischen Kontakt nicht reagiert oder keine entsprechenden Reflexe zeigt.
…
(33) Bei einer erfolglosen Betäubung kann es vorkommen, dass die Tiere leiden. Daher sollte diese Verordnung geeignete Ersatzgeräte zur Betäubung vorsehen, mit denen sich Schmerzen, Stress und Leiden auf ein Minimum begrenzen lassen.
…
(37) Die Gemeinschaft bemüht sich um einen hohen Tierschutzstandard in Tierpopulationen weltweit, insbesondere hinsichtlich des Handels. Sie unterstützt die spezifischen Standards und Empfehlungen der Weltorganisation für Tiergesundheit zum Tierschutz sowie zur Schlachtung von Tieren. …
…
(43) Bei der Schlachtung ohne Betäubung ist ein präziser Halsschnitt mit einem scharfen Messer erforderlich, damit das Tier nicht so lange leiden muss. Ferner ist bei Tieren, die nach dem Halsschnitt nicht mit mechanischen Mitteln ruhig gestellt werden, zu erwarten, dass sich die Entblutung verlangsamt, wodurch die Tiere unnötigerweise länger leiden müssen. Rinder, Schafe und Ziegen sind die Tierarten, die am häufigsten nach diesem Verfahren geschlachtet werden. Wiederkäuer, die ohne Betäubung geschlachtet werden, sollten daher einzeln und mit mechanischen Mitteln ruhig gestellt werden.
…“
13. Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1099/2009 enthält diese Verordnung Vorschriften über die Tötung von Tieren, die u. a. zur Herstellung von Lebensmitteln gezüchtet oder gehalten werden.
14. Gemäß Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1099/2009 bezeichnet der Ausdruck:
„…
f) ‚Betäubung‘ jedes bewusst eingesetzte Verfahren, das ein Tier ohne Schmerzen in eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt, einschließlich jedes Verfahrens, das zum sofortigen Tod führt;
g) ‚religiöser Ritus‘ eine Reihe von Handlungen im Zusammenhang mit der Schlachtung von Tieren, die in bestimmten Religionen vorgeschrieben sind;
…
j) ‚Schlachtung‘ die Tötung von Tieren zum Zweck des menschlichen Verzehrs;
…“
15. Art. 3 („Allgemeine Anforderungen in Bezug auf die Tötung und damit zusammenhängende Tätigkeiten“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1099/2009 lautet:
„Bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten werden die Tiere von jedem vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden verschont.“
16. Art. 4 („Betäubungsverfahren“) der Verordnung Nr. 1099/2009 sieht vor:
„(1) Tiere werden nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet. Die Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit muss bis zum Tod des Tieres anhalten.
Im Anschluss an die in Anhang I genannten Verfahren, die nicht zum sofortigen Tod führen …, wird so rasch wie möglich ein den Tod herbeiführendes Verfahren, wie z. B. Entblutung, Rückenmarkszerstörung, Tötung durch elektrischen Strom oder längerer Sauerstoffentzug, angewandt.
…
(4) Für Tiere, die speziellen Schlachtmethoden unterliegen, die durch bestimmte religiöse Riten vorgeschrieben sind, gelten die Anforderungen gemäß Absatz 1 nicht, sofern die Schlachtung in einem Schlachthof erfolgt.“
Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof
17. Am 24. September 2012 beantragte OABA beim Ministre de l’Agriculture, de l’Agroalimentaire et de la Forêt (Minister für Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft, im Folgenden: Landwirtschaftsminister) u. a., die Werbung für und Vermarktung von als „halal“ zertifizierten und mit der Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ versehenen Hacksteaks der Marke „Tendre France“ zu beenden. Am selben Tag beantragte sie beim INAO, Rindfleisch, das von ohne vorherige Betäubung geschlachteten Tieren stammt, vom Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ auszuschließen.
18. Da diese Anträge stillschweigend zurückgewiesen wurden, erhob OABA mit Klageschrift vom 23. Januar 2013 eine Klage wegen Befugnisüberschreitung beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich).
19. Mit Entscheidung Nr. 365447 vom 20. Oktober 2014 (FR:CESSR:2014:365447.20141020) entschied der Conseil d’État (Staatsrat), dass die Regelung der Europäischen Union die Vorschriften über die ökologische/biologische Erzeugung von Rindern abschließend festgelegt habe, ohne auf den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch die Mitgliedstaaten zu verweisen und ohne dass solche Bestimmungen für ihre volle Wirksamkeit erforderlich seien. Daher sei der Verordnungsgeber nicht dafür zuständig, nationale Bestimmungen zu erlassen, die diese wiederholten, präzisierten oder vervollständigten. Folglich wies der Conseil d’État (Staatsrat) die Anträge von OABA zurück, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Weigerung der nationalen Behörde gerichtet waren, die Verwendung der Angabe „ökologischer/biologischer Landbau“ für Rindfleischerzeugnisse, die von ohne vorherige Betäubung geschlachteten Tieren stammen, zu untersagen, da die Vergabe dieses Gütezeichens und seine Verwendung vollständig durch Unionsrecht geregelt seien. Der Conseil d’État (Staatsrat) verwies die Entscheidung über die übrigen Anträge der Klage, die auf die Nichtigerklärung der Weigerung von Ecocert, gemäß Art. 30 der Verordnung Nr. 834/2007 Maßnahmen zur Beendigung der Werbung für und Vermarktung von als „halal“ zertifizierten und mit der Angabe „ökologischer/biologischer Landbau“ versehenen Produkten der Marke „Tendre France“ zu ergreifen, gerichtet waren, an das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil).
20. Mit Urteil vom 21. Januar 2016 wies das Tribunal administratif de Montreuil (Verwaltungsgericht Montreuil) diesen Antrag zurück.
21. OABA legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein. Zur Begründung führt OABA an, Ecocert sei nach Art. 30 der Verordnung Nr. 834/2007 verpflichtet, die Werbung für und die Vermarktung der in Rede stehenden Waren zu beenden, da diese nicht den vom Unionsrecht für das Tragen dieser Angabe aufgestellten Anforderungen entsprächen.
22. Sowohl der Landwirtschaftsminister als auch Bionoor, die Waren aus ökologischem/biologischem Landbau vertreibt (im Folgenden: Bionoor), Ecocert und das INAO beantragen die Zurückweisung des von OABA eingelegten Rechtsmittels.
23. Für das vorlegende Gericht wird der rechtliche Rahmen der Rechtssache, was das Unionsrecht betrifft, erstens von Art. 13 AEUV, zweitens von den Erwägungsgründen 1 und 17 sowie Art. 3, Art. 14 Abs. 1 Buchst. b und Art. 22 der Verordnung Nr. 834/2007 und drittens von Art. 4 Abs. 1 und 4 sowie Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1099/2009 gebildet.
24. Die Cour administrative d’appel de Versailles (Verwaltungsberufungsgericht Versailles) weist jedoch darauf hin, dass weder in einer Bestimmung der Verordnung Nr. 1099/2009 noch in einer Bestimmung der Verordnung Nr. 889/2008 ausdrücklich definiert werde, welche Art oder Arten der Schlachtung von Tieren den so der ökologischen/biologischen Produktion zugewiesenen Zielen des Tierschutzes und der Verringerung des Leidens der Tiere gerecht würden.
25. Mangels einer Bestimmung, mit der ein Bezug zwischen der Verordnung Nr. 1099/2009 einerseits und den Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 andererseits hergestellt werde, lasse sich durch den bloßen Vergleich dieser Vorschriften nicht klären, ob die rituelle Schlachtung ohne vorherige Betäubung, die nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1099/2009 ausnahmsweise zulässig sei, sofern alle technischen Vorschriften, denen sie unterworfen sei, erfüllt seien, es ermögliche, den speziellen Zielen des Tierschutzes und der Verringerung des Leidens der Tiere gerecht zu werden, die dem ökologischen/biologischen Landbau von den Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 zugewiesen würden. Es stelle sich deshalb die Frage, ob diese Auslegung dieser Verordnungen mit Art. 13 AEUV vereinbar sei.
26. Das vorlegende Gericht ist daher der Auffassung, dass die Antwort auf das Angriffsmittel, wonach das europäische Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ nicht für Fleisch vergeben werden könne, das von Tieren stamme, die einer rituellen Schlachtung ohne vorherige Betäubung unterzogen worden seien, für den Ausgang des Rechtsstreits maßgebend sei und zu einer ernsthaften Schwierigkeit bei der Auslegung des Unionsrechts führe.
27. Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage vorzulegen:
Sind die einschlägigen Regeln des Unionsrechts, die sich insbesondere aus
– Art. 13 AEUV,
– der Verordnung Nr. 834/2007, deren Durchführungsmodalitäten in der Verordnung Nr. 889/2008 festgelegt werden,
– und der Verordnung Nr. 1099/2009
ergeben, dahin auszulegen, dass sie die Vergabe des europäischen Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ für Produkte, die von Tieren stammen, die unter den in der Verordnung Nr. 1099/2009 festgelegten Voraussetzungen einer rituellen Schlachtung ohne vorherige Betäubung unterzogen wurden, zulassen oder verbieten?
28. OABA, Bionoor, Ecocert sowie die Französische Republik, die Hellenische Republik, das Königreich Norwegen und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.
29. Eine mündliche Verhandlung, an der OABA, Bionoor sowie die Französische Republik, die Hellenische Republik und die Kommission teilgenommen haben, hat am 19. Juni 2018 stattgefunden.
Analyse
Problemverortung
30. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof aufgefordert, eine eigentlich ganz einfache Frage zu beantworten: Kann Fleisch, das von Tieren stammt, die ohne vorherige Betäubung geschlachtet wurden, als aus „ökologischem/biologischem Landbau“ zertifiziert werden?
31. Die Schwierigkeit kommt daher, dass die auf den Sachverhalt anwendbaren Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau – die im Wesentlichen aus den Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 bestehen – zwar die Einhaltung „hoher Tierschutzstandards“(6) während der gesamten Lebensdauer(7) sicherstellen sollen, was voraussetzt, dass „[e]in Leiden der Tiere, einschließlich bei der Schlachtung, … so gering wie möglich zu halten(8), aber nicht genau die Verfahren definieren, mit denen das Leiden der Tiere zum Zeitpunkt der Tötung auf ein Minimum reduziert werden kann.
32. Die Rechtssache betrifft somit nur die Auslegung der technischen Vorschriften, die bei der Schlachtung der Tiere für die Erteilung der Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ eingehalten werden müssen.
33. Aus den Gründen, die ich im Folgenden darstellen werde, ist es wichtig, klarzustellen, dass der Gerichtshof daher streng genommen nicht dazu aufgerufen ist, sich zur Frage eines Eingriffs in die Freiheit, seine Religion zu bekennen – wie die, um die es im Urteil des EGMR vom 27. Juni 2000, Cha’are Shalom Ve Tsedek/Frankreich (CE:ECHR:2000:0627JUD002741795), ging – zu äußern. Er ist auch nicht dazu aufgerufen, sich unmittelbar zur Vereinbarkeit zwischen dem Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ und der Zertifizierung als „halal“ zu äußern, die bisher keinem genauen Lastenheft entspricht, was die Frage anbelangt, ob die Tiere vor der Tötung zu betäuben sind oder nicht.
Die Rechtssache betrifft nicht unmittelbar eine Frage der Beeinträchtigung der freien Religionsausübung
34. Obwohl das vorlegende Gericht nicht beabsichtigte, sich auf dieses Terrain zu begeben, wird im Ausgangsverfahren die Frage der Freiheit der Religionsausübung u. a. unter dem Blickwinkel von Art. 10 der Charta aufgeworfen.
35. Insbesondere Bionoor hat in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, dass, sollten die Zertifizierungen „ökologischer/biologischer Landbau“ und „halal“ für miteinander unvereinbar erklärt werden, dies das kollektive Recht der Muslime auf freie Ausübung ihrer Religion, das von Art. 9 in Verbindung mit Art. 14 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) einerseits und Art. 10 der Charta andererseits garantiert werde, beeinträchtigen würde. Sie verweist insoweit u. a. auf das genannte Urteil Cha’are Shalom Ve Tsedek/Frankreich. Dadurch dass der europäische Gesetzgeber nicht verbiete, dass das Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ auf als „koscher“ oder „halal“ zertifizierten Erzeugnissen angebracht werde, habe er dem Bestreben, die wirksame Beachtung der Religionsfreiheit sicherzustellen, Ausdruck verleihen wollen.
36. Ich bin von diesem Vorbringen, das, was das Ausgangsverfahren betrifft, auf der Vorstellung beruht, dass Muslime in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt würden, falls man zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Zertifizierungen „halal“ und „ökologischer/biologischer Landbau“, nicht nebeneinander bestehen können, keineswegs überzeugt.
37. Meines Erachtens unterscheidet sich die uns vorgelegte Problematik deutlich von der, um die es im genannten Urteil Cha’are Shalom Ve Tsedek/Frankreich ging.
38. In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass „das innerstaatliche Recht durch die Einführung einer Ausnahme vom Grundsatz der vorherigen Betäubung der Tiere, die geschlachtet werden sollen, ein Bestreben des Staates konkretisiert hat, die tatsächliche Beachtung der Religionsfreiheit sicherzustellen“ (§ 76). „Es läge nur dann ein Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung vor, wenn das Verbot, diese Schlachtung legal durchzuführen, es den ultra-orthodoxen Gläubigen unmöglich machen würde, Fleisch zu essen, das von Tieren stammt, die gemäß den religiösen Vorschriften geschlachtet wurden, die nach ihrem Dafürhalten in diesem Bereich anwendbar sind“ (§ 80).
39. Im Unterschied zu der beim muslimischen Opferfest durchgeführten rituellen Schlachtung im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1099/2009, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a.(9), ergangen ist, geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht um die Möglichkeit für Muslime, einer religiösen Vorschrift nachzukommen. Die Möglichkeit, Erzeugnisse zu verzehren, die die Zertifizierungen „ökologischer/biologischer Landbau“ und „halal“ tragen, betrifft als solche nicht die Ausübung eines „religiösen Ritus“ und fällt daher als Ausdruck einer religiösen Überzeugung nicht unter die in Art. 10 der Charta und Art. 9 EMRK verankerte Ausübung der Religionsfreiheit.
40. Die Personen, die sich, um bestimmten religiösen Geboten nachzukommen, Erzeugnisse beschaffen möchten, die von Tieren stammen, die ohne vorherige Betäubung geschlachtet wurden, würden nämlich immer noch über eine Alternative verfügen, die ihren religiösen Glauben respektiert(10). Wenn man zu dem Ergebnis käme, dass die rituelle Schlachtung ohne vorherige Betäubung im Rahmen des ökologischen/biologischen Landbaus verboten ist, könnten sich die Bürger jüdischen oder muslimischen Glaubens immer noch koscheres oder Halal-Fleisch beschaffen, und der Wesensgehalt der Religionsfreiheit wäre daher nicht beeinträchtigt. Sie würden einfach daran gehindert, koscheres oder Halal-Fleisch zu verzehren, das als aus „ökologischem/biologischem Landbau“ zertifiziert ist. Die Tatsache, dass sie nicht über Fleisch verfügen, das das Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ trägt und aus Schlachtungen stammt, bei denen keine Betäubung vorgenommen wird, berührt als solche nicht die religiösen Vorschriften, die nicht vorschreiben, nur Erzeugnisse aus ökologischem/biologischem Landbau zu verzehren. Ebenso gibt es kein „Recht“ auf Zugang zu Erzeugnissen mit dem Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“. Ich stelle im Übrigen fest, dass die Beklagten im Ausgangsverfahren überhaupt nicht vorgetragen haben, dass das Verbot, das ihnen auferlegt würde, Erzeugnisse, die zugleich als „halal“ und aus „ökologischem/biologischem Landbau“ zertifiziert sind, herzustellen und zu vermarkten, für sich genommen mit den religiösen Überzeugungen der Konsumenten von als „halal“ gekennzeichneten Erzeugnissen unvereinbar wäre.
41. Diese Schlussfolgerung gilt meines Erachtens umso mehr, als die gestellte Frage bei genauerer Betrachtung nicht so sehr ist, ob die Zertifizierungen „ökologischer/biologischer Landbau“ und „halal“ miteinander vereinbar sind, sondern vielmehr, ob die Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse vergeben werden kann, die von Tieren stammen, die ohne vorherige Betäubung geschlachtet wurden, was mir letztendlich eine ganz andere Frage zu sein scheint.
Der Gerichtshof ist in dieser Rechtssache weder dazu aufgerufen, sich zur Frage der vorherigen Betäubung aus Sicht des Tierschutzes(11) noch zur Tragweite der Kennzeichnung „halal“ zu äußern
42. Neben der Tatsache, dass die vorliegende Rechtssache nicht direkt eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit zu betreffen scheint, betrifft sie auch nicht die Frage der vorherigen Betäubung aus Sicht des Tierschutzes und auch nicht die Frage der Vereinbarkeit im Allgemeinen der Zertifizierungen „ökologischer/biologischer Landbau“ und „halal“.
43. Erstens scheint es mir nunmehr anerkannt, dass, auch wenn jede Tötung aus Sicht des Tierschutzes problematisch ist, die Anwendung von Verfahren der vorherigen Betäubung bei der Schlachtung von Tieren, theoretisch zumindest und wie eine Reihe von wissenschaftlichen Studien(12) belegen, dazu beitragen kann, dieses Leiden zu minimieren, wenn sie unter guten Bedingungen durchgeführt wird.
44. Zweitens geht es, auch wenn das Ausgangsverfahren die Möglichkeit betraf, an als „halal“ gekennzeichnete Erzeugnisse eine Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ zu vergeben, in der vorliegenden Rechtssache letzten Endes um die Möglichkeit, dass Erzeugnisse, die von Tieren stammen, die ohne Betäubung geschlachtet wurden – was meines Erachtens die Frage ist, die aus Sicht des Tierschutzes wirklich problematisch ist –, die Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ tragen können(13).
45. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die Zertifizierung „halal“ bisher sehr wenig über die tatsächlich verwendete Schlachtungsmethode aussagt.
46. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, gibt es in Europa(14) und auf der Welt innerhalb der muslimischen Gemeinschaften abweichende Standpunkte zur Akzeptanz der reversiblen Betäubung oder der Betäubung unmittelbar nach dem Ausbluten der Tiere. Es gibt bisher zu der spezifischen Frage der Vereinbarkeit der rituellen Schlachtung mit der Anwendung bestimmter Betäubungsverfahren keine Einheitlichkeit bei den von den „Halal“-Zertifizierungsstellen in den Mitgliedstaaten befolgten Vorgehensweisen.
47. Insoweit ist leicht nachzuvollziehen, dass es, wenn es darum geht, religiöse Anforderungen umzusetzen, deren Akzeptanz und Tragweite definitionsgemäß unterschiedlich ausgelegt werden(15) und sich schwer für die Normung eignen, keine europäische Regelung mit spezifischen Vorschriften für rituelle Schlachtungen, ob koscher oder halal, gibt. Insbesondere scheint zwar ein Konsens darüber zu bestehen, dass gemäß den Vorschriften der muslimischen Religion das zu schlachtende Tier zum Zeitpunkt der Schlachtung „lebendig sein muss oder als lebendig gelten muss“, um als halal angesehen zu werden(16). Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass jede Form vorheriger Betäubung verboten ist.
48. Wie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens festgestellt werden konnte, sind einige Vertreter der muslimischen Gemeinschaft(17) der Auffassung, dass die Elektronarkose oder jedes andere Verfahren zur Betäubung vor der Schlachtung, das sich nicht auf die lebenswichtigen Funktionen des Tieres, vor allem auf dessen Blutzirkulation auswirkt (so dass es das Bewusstsein wiedererlangen könnte, wenn es nicht geschlachtet würde), im Einklang mit den Vorschriften der islamischen Religion stehen.
49. Die nationalen Vorschriften definieren den Begriff der rituellen Schlachtung auch nicht. Die Angaben zur Zertifizierung der Erzeugnisse als koscher oder halal unterliegen im Allgemeinen einem Rahmen und werden von Zertifizierungsstellen verwaltet, die mit bestimmten religiösen Autoritäten verbunden sind, und nicht von Regulierungsbehörden(18).
50. Die von den Zertifizierungsstellen befolgte Praxis variiert daher sehr. So weisen Zertifizierungsstellen in ihrem Lastenheft darauf hin, dass die Schlachtung mit vorheriger Betäubung durchzuführen ist, während andere lediglich ein hohes Tierschutzniveau ohne weitere Angabe zur Betäubung verlangen. Hinzu kommt, dass innerhalb ein und derselben Zertifizierungsstelle die Anwendung einer vorherigen Betäubung von einer Tierart zur anderen variiert.
51. Folglich gibt es aktuell auf dem Markt als „halal“ gekennzeichnete Erzeugnisse, die aus Schlachtungen von Tieren stammen, die vorher betäubt wurden. Ebenso konnte festgestellt werden, dass Fleisch von Tieren, die ohne Betäubung geschlachtet wurden, auf dem herkömmlichen Vertriebsweg vermarktet wurde, ohne dass die Verbraucher darüber informiert wurden(19). Letzten Endes sagt die Anbringung einer Kennzeichnung „halal“ auf Erzeugnissen sehr wenig über eine vorherige Betäubung bei der Schlachtung und gegebenenfalls über das gewählte Betäubungsverfahren aus.
Zur Beantwortung der Vorlagefrage
52. Wie das vorlegende Gericht sehr zutreffend festgestellt hat, gibt es keine Bestimmung, mit der ausdrücklich ein Bezug zwischen den Vorschriften über die ökologische/biologische Erzeugung auf der einen Seite und denen über die Schlachtung von Tieren auf der anderen Seite hergestellt wird.
53. Mangels eines solchen Bezugs sind zwei Auslegungen denkbar.
54. Die erste, die von Ecocert, Bionoor und der französischen Regierung vertreten wird, besteht darin, zu sagen, dass die einschlägigen Bestimmungen der Vergabe eines Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse von ohne Betäubung geschlachteten Tieren nicht entgegenstehen.
55. Zwar stelle die Verordnung Nr. 834/2007 das Erfordernis „höherer Tierschutzstandards“ für die ökologische/biologische Erzeugung auf, weder diese Verordnung noch ihre Durchführungsverordnung Nr. 889/2008 würden es jedoch ausdrücklich verbieten, im besonderen Rahmen der rituellen Schlachtung die Regel der vorherigen Betäubung nicht einzuhalten.
56. Rituelle Schlachtungen, die für die Einhaltung bestimmter religiöser Riten von der Verordnung Nr. 1099/2009 ausnahmsweise zugelassen würden, sofern sämtliche vorgesehenen technischen Vorgaben erfüllt würden, ermöglichten es, die Ziele des Tierschutzes und der Verringerung des Leidens der Tiere, die zu den von der ökologischen/biologischen Herstellung verfolgten Zielen gehörten, zu erreichen.
57. Die zweite Auslegung, die von OABA, der Kommission sowie von der griechischen und der norwegischen Regierung befürwortet wird, stützt sich auf eine teleologisch-systematische Auslegung. Sie beruht im Wesentlichen auf der Idee, dass es im Hinblick auf die Ziele des Tierschutzes und der Verringerung des Leidens der Tiere auch bei der Schlachtung vielmehr geboten sei, ein solches Gütezeichen nicht an Erzeugnisse zu vergeben, die aus rituellen Schlachtungen stammten.
58. Die Befürworter dieses zweiten Ansatzes machen u. a. geltend, dass der Tierschutz ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel darstelle, dessen Bedeutung in Art. 13 AEUV zum Ausdruck komme. Auf die Notwendigkeit, das Wohlergehen der Tiere zu achten, werde sowohl in der Verordnung Nr. 1099/2009, in der u. a. der Grundsatz der Betäubung vor der Tötung verankert sei, als auch in der Verordnung Nr. 834/2007, die aus der Verringerung des Leidens der Tiere eine wichtige Anforderung an den ökologischen/biologischen Landbau mache, hingewiesen.
59. Mit der von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1099/2009 eingeräumten Möglichkeit, rituelle Schlachtungen vorzunehmen, sollten gesundheitspolizeiliche Ziele und das Ziel der gleichberechtigten Achtung religiöser Konfessionen und Traditionen verfolgt werden, und sie sei davon abhängig. Diese Ausnahme sei nicht Teil der „höheren Tierschutzstandards“ und stehe mit diesen höheren Tierschutzstandards, die die Vergabe der Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ nach der Verordnung Nr. 834/2007 regeln sollten (u. a. ihre Art. 3 und 5), in keinem Zusammenhang. Die Vergabe einer Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse, die von ohne vorherige Betäubung geschlachteten Tieren stammten, verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauens der Verbraucher in ökologische/biologische Erzeugnisse, auf den diese Verordnung in ihrem Art. 1 und den Erwägungsgründen 3, 5 und 22 Bezug nehme.
60. Im Folgenden werde ich in einem ersten Schritt den Inhalt der Vorschriften über die ökologische/biologische Tierproduktion aus Sicht des Tierschutzes, wie sie sich aus dem Zusammenspiel der Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 ergeben, und ihr Verhältnis zu den Vorschriften im Bereich der Schlachtung von Tieren, wie sie sich u. a. aus der Verordnung Nr. 1099/2009 ergeben, darstellen. Im Licht dieser Darstellung werde ich in einem zweiten Schritt erläutern, aus welchen Gründen diese Vorschriften selbst im Licht des Erfordernisses der Beachtung hoher Tierschutzstandards meines Erachtens der Vergabe eines Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse, die aus der Schlachtung von Tieren ohne Betäubung stammen, nicht entgegenstehen.
Die Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau und ihr Verhältnis zu den Vorschriften im Bereich der Schlachtung von Tieren
61. Um die ständige Entwicklung des Marktes für ökologische/biologische Erzeugnisse(20) zu begleiten, macht die Union seit 1991 Gesetze im Bereich der ökologischen/biologischen Herstellung und fordert von den Wirtschaftsteilnehmern, dass sie sich einem ausgefeilten System von Normen und Kontrollen unterwerfen.
62. Wie die Vorgängerverordnungen (EWG) Nr. 2092/91(21) und (EG) Nr. 392/2004(22) soll mit der Verordnung Nr. 834/2007 ein Gesamtsystem der landwirtschaftlichen Betriebsführung und der Lebensmittelproduktion bereitgestellt werden, das die besten Verfahren in verschiedenen Bereichen (Umwelt, Artenvielfalt, Schutz der natürlichen Ressourcen und hohe Tierschutzstandards) kombiniert.
63. Genauso wie die Verordnung Nr. 834/2007 weist die neue Verordnung (EU) 2018/848(23), die ab dem 1. Januar 2021 anwendbar sein wird, in ihrem ersten Erwägungsgrund u. a. darauf hin, dass „[d]ie ökologische/biologische Produktion … eine doppelte gesellschaftliche Rolle [spielt], denn sie bedient einerseits auf einem spezifischen Markt die Verbrauchernachfrage nach ökologischen/biologischen Erzeugnissen und stellt andererseits öffentliche Güter bereit, die einen Beitrag zu Umwelt- und Tierschutz ebenso wie zur Entwicklung des ländlichen Raums leisten“.
64. Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass im Rahmen des Unionsrechts biologische Produkte und nichtbiologische Produkte unterschiedlichen Regelungen unterliegen, wobei für die Herstellung Ersterer strengere Vorgaben gelten als für Letztere(24).
65. Unter den verfolgten Zielen und den Prioritäten des ökologischen/biologischen Landbaus hat der Gerichtshof bereits die Bedeutung hervorgehoben, die der Lebensmittelsicherheit und dem Verbraucherschutz beizumessen ist. Es ist nämlich erforderlich, das Vertrauen der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnissezu schützen(25). Aus diesem Grund und wie ihr Art. 23 Abs. 1 klarstellt, gestattet die Verordnung Nr. 834/2007 in der Etikettierung und der Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse die Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion nur für Erzeugnisse, die im Einklang mit dieser Verordnung erzeugt worden sind.
66. Unter dem Blickwinkel des Tierschutzes ist unbestreitbar, dass die Verordnung Nr. 834/2007 darauf abzielt, den ökologischen/biologischen Landbau einer Reihe von Normen zu unterziehen, die ein höheres Tierschutzniveau sicherstellen, als im Rahmen der konventionellen Landwirtschaft gefordert werden kann. So bestimmt Art. 3 Buchst. a Ziff. iv dieser Verordnung, dass die ökologische/biologische Produktion auf die Errichtung eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems für die Landwirtschaft ausgerichtet ist, das … „hohe Tierschutzstandards beachtet“(26). In Art. 5 Buchst. h dieser Verordnung heißt es, dass der ökologische/biologische Landbau auf die „Beachtung eines hohen Tierschutzniveaus(27) unter Berücksichtigung tierartspezifischer Bedürfnisse“ abzielt.
67. Es ist jedoch festzustellen, dass die einschlägigen Vorschriften zwar relativ detailliert in Bezug auf die Bedingungen der Unterbringung (vgl. Art. 10 bis 12 der Verordnung Nr. 889/2008, die u. a. auf Anhang III dieser Verordnung verweisen) und der Haltung (vgl. u. a. Art. 18 dieser Verordnung über den „Umgang mit Tieren“) der Tiere sind, die der ökologische/biologische Landbau erfüllen muss, da sie Vorschriften aufstellen, die weit über die auf die sogenannte konventionelle Landwirtschaft anwendbaren europäischen Vorschriften hinausgehen, aber relativ wenig über die auf die Schlachtung von Tieren anwendbaren Vorschriften enthalten. Insbesondere verbietet keine Bestimmung dieser Verordnung die Schlachtung ohne Betäubung als solche.
68. In Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Ziff. viii der Verordnung Nr. 834/2007 heißt es lediglich, dass „[e]in Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, … während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung(28) so gering wie möglich zu halten [ist]“.
69. Dieses Schweigen der Verordnung Nr. 834/2007 sowie ihrer Durchführungsverordnung Nr. 889/2008 über die Modalitäten der Schlachtung kann meines Erachtens nur so interpretiert werden, dass bezüglich dieser Frage auf die allgemeinen Regeln verwiesen wird, die die Tötung von Tieren regeln, insbesondere diejenigen, die auf Tiere anwendbar sind, die zur Herstellung von Lebensmitteln gezüchtet oder gehalten werden, und von der Verordnung Nr. 1099/2009 vorgesehen werden(29).
70. Dies geht meines Erachtens implizit, aber notwendigerweise aus Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 834/2007 hervor, der bestimmt, dass diese Verordnung unbeschadet der anderen unionsrechtlichen Vorschriften betreffend die Erzeugnisse, die in ihren Anwendungsbereich fallen, gilt. Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1099/2009 gehören dazu.
71. Ich nehme vorweg, dass, wie es in ihrem Wortlaut heißt, mit dieser letztgenannten Verordnung gemeinsame Regeln für den Schutz des Wohlergehens der Tiere bei ihrer Tötung oder Schlachtung festgelegt werden sollen. Entgegen der Regelung, die Teil des „Hygienepakets“ von 2006(30) ist, betrifft die Verordnung Nr. 1099/2009 gerade den Schutz des Wohlergehens der Tiere bei ihrer Tötung.
72. Diese Verordnung stützt sich, wie es in ihrem vierten Erwägungsgrund heißt, auf die Idee, dass der Schutz der Tiere zum Zeitpunkt ihrer Schlachtung im Interesse der Allgemeinheit ist(31).
73. Ebenso stellt ihr Art. 3 Abs. 1 die allgemeine Anforderung auf, dass die Tiere bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten von jedem vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden verschont werden.
74. Anders gesagt betrifft und enthält die Verordnung Nr. 1099/2009 selbst Anforderungen an den Tierschutz. Mangels Klarstellungen in den Vorschriften, die speziell den ökologischen/biologischen Landbau betreffen, sind die allgemeinen Bestimmungen dieser Verordnung anwendbar.
75. Zwar gilt nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1099/2009 der Grundsatz der Schlachtung nach Betäubung gemäß den in Anhang I dieser Verordnung erläuterten Verfahren und Vorschriften, doch sieht Art. 4 Abs. 4 dieser Verordnung eine Ausnahme für die rituelle Schlachtung von Tieren ohne Betäubung in Schlachthöfen vor.
76. Wie aus dem 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1099/2009 hervorgeht, erlaubt ihr Art. 4 Abs. 4 dadurch, dass er eine Ausnahme von der in Abs. 1 dieses Artikels aufgestellten allgemeinen Regel vorsieht, wonach Tiere nur nach einer Betäubung getötet werden dürfen, rituelle Schlachtungen ohne Betäubung, sofern die Schlachtung in einem Schlachthof erfolgt, und zwar aus Rücksicht auf bestimmte religiöse Gebote.
77. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, „ist … der Schutz von Tieren das hauptsächliche Ziel, das mit der Verordnung Nr. 1099/2009 und speziell mit deren Art. 4 Abs. 4 verfolgt wird, wie sich bereits aus dem Titel der Verordnung und ihrem zweiten Erwägungsgrund ergibt“(32).
78. Diese Ausnahme bedeutet jedoch nicht, dass die auf die rituelle Schlachtung anwendbare abweichende Regelung den Tierschutz ignoriert.
79. Solche Schlachtungen müssen nämlich nach der Verordnung Nr. 1099/2009 unter Bedingungen durchgeführt werden, die eine Begrenzung des Leidens der Tiere sicherstellen.
80. So heißt es im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1099/2009, dass „[d]ie Unternehmer oder jede an der Tötung von Tieren beteiligte Person … die erforderlichen Maßnahmen ergreifen [sollten], um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten, wobei sie einschlägige bewährte Verfahren und die gemäß dieser Verordnung erlaubten Methoden beachten“. Im 43. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass „[b]ei der Schlachtung ohne Betäubung … ein präziser Halsschnitt mit einem scharfen Messer erforderlich [ist], damit das Tier nicht so lange leiden muss“. Außerdem sollten die Tiere gemäß Art. 9 Abs. 3 und Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung einzeln und erst dann ruhig gestellt werden, „wenn die mit der Betäubung oder Entblutung beauftragte Person bereitsteht, um die Tiere so rasch wie möglich zu betäuben oder zu entbluten“. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1099/2009 sieht schließlich vor: „Werden Tiere für die Zwecke des Artikels 4 Absatz 4 ohne vorherige Betäubung getötet, so müssen die für die Schlachtung zuständigen Personen systematische Kontrollen durchführen, um sicherzustellen, dass die Tiere keine Anzeichen von Wahrnehmung oder Empfindung aufweisen, bevor ihre Ruhigstellung beendet wird, und kein Lebenszeichen aufweisen, bevor sie zugerichtet oder gebrüht werden.“
81. Letztendlich stehen zwei Regelungen zum Tierschutz nebeneinander: Die Grundsatzregelung, die die vorherige Betäubung verlangt, und die Ausnahmeregelung (die durch den Wunsch geleitet ist, aus religiösen Gründen zu erlauben, auf die Betäubung zu verzichten). Innerhalb jeder dieser Regelungen ist es Sache der Unternehmer oder jeder an der Tötung von Tieren beteiligten Person, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Schmerzen zu vermeiden und den Stress und das Leiden für die Tiere beim Schlachten und bei der Tötung so gering wie möglich zu halten (vgl. den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1099/2009).
82. Es würde nämlich ein wenig widersprüchlich erscheinen, auf die Verordnung Nr. 1099/2009 zu verweisen – und zwar auch dann, wenn diese Regelung keinen Hinweis auf „hohe Tierschutzstandards“ enthalten würde – um die Auffassung zu vertreten, dass die Betäubung gemäß ihrem Art. 4 Abs. 1 als Grundsatz aufgestellt wurde, und gleichzeitig davon auszugehen, dass dieser Verweis keinen Sinn mehr hat, was die in Art. 4 Abs. 4 dieser Verordnung genannte Ausnahme von der vorherigen Betäubung betrifft.
83. Daraus folgt, dass das allgemeine Ziel der Einhaltung „hoher Tierschutzstandards“ unabhängig von dem gewählten Schlachtungsverfahren immer noch beachtet würde. Ich denke nicht, dass der von der Verordnung Nr. 1099/2009 aufgestellte Grundsatz der vorherigen Betäubung zu dem Schluss führt, dass das Erfordernis „hoher Tierschutzstandards“ zwangsläufig erfordert, dass die Schlachtung mit vorheriger Betäubung erfolgt.
84. Meines Erachtens kann die ökologische/biologische Herstellung mangels Angaben zu den den betreffenden Unternehmern obliegenden Pflichten wie den ziemlich präzisen, die der Gesetzgeber im Bereich der Unterbringung von Tieren zu definieren beabsichtigte (vgl. den zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 889/2008), im Bereich der Schlachtung von Tieren nicht strengeren Regeln als denjenigen unterworfen werden, die in den allgemeinen Vorschriften betreffend das Tierwohl zum Zeitpunkt ihrer Tötung vorgesehen sind.
85. Im Ergebnis legt keine Bestimmung der Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 ausdrücklich die Art oder die Arten der Schlachtung von Tieren fest, die geeignet sind, den Zielen des Tierschutzes oder der Verringerung des Leidens der Tiere zu genügen. Mangels einer Klarstellung hinsichtlich der von der Regelung über den ökologischen/biologischen Landbau empfohlenen Modalitäten der Schlachtung ist auf sämtliche Vorschriften zum Tierwohl zum Zeitpunkt ihrer Tötung zu verweisen, im vorliegenden Fall auf die Verordnung Nr. 1099/2009. In diesem Kontext sind die Vorschriften über rituelle Schlachtungen nicht auszuschließen.
Die Möglichkeit, gemäß den anwendbaren Regeln ein Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse zu vergeben, die aus Schlachtungen ohne Betäubung stammen
86. Da die Verordnungen Nrn. 834/2007 und 889/2008 für den Erhalt der Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ keine Bedingung hinsichtlich der Betäubung vor der Tötung aufstellen, können sie rituelle Schlachtungen nicht verbieten.
87. Da mit diesen Verordnungen präzise Regeln aufgestellt werden sollen, die Erzeugnisse für die Zertifizierung einhalten müssen, um als aus ökologischem/biologischem Landbau stammend zertifiziert werden zu können, kann ich mir schwerlich vorstellen, wie ernsthaft die Auffassung vertreten werden kann, dass das Schweigen dieser Regelung zur eventuellen Schlachtung ohne Betäubung rein zufällig sei. Meines Erachtens ist das Schweigen der Vorschriften zu diesem Punkt nicht das Ergebnis eines Versäumnisses, und ein einfacher Hinweis auf den Kontext ihres Zustandekommens(33) stützt nicht notwendigerweise die von OABA im Ausgangsverfahren vertretene Auslegung.
88. Mehrere ergänzende Gründe veranlassen mich zu dieser Schlussfolgerung.
89. Zunächst ist anknüpfend an meine obigen Ausführungen festzustellen, dass bestimmte Haltungspraktiken in den Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau, insbesondere Art. 18 der Verordnung Nr. 889/2008, ausdrücklich verboten oder begrenzt werden. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, dass bestimmte auf den Umgang mit Tieren abzielende Praktiken grundsätzlich verboten (Verstümmelungen) oder stark eingegrenzt sind (Anbringen von Gummiringen an den Schwänzen von Schafen, das Kupieren von Schwänzen, das Abkneifen von Zähnen, das Stutzen der Schnäbel und Enthornung, operative Kastration). In demselben Sinne verbietet Art. 20 dieser Verordnung, der die Fütterung der Tiere betrifft, deren Zwangsfütterung.
90. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass, auch wenn eine Pflicht zur vorherigen Betäubung für die in der Verordnung Nr. 1099/2009 genannten Nutztiere nicht vorgesehen ist, Art. 25h Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 710/2009 der Kommission vom 5. August 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates im Hinblick auf Durchführungsvorschriften für die Produktion von Tieren und Meeresalgen in ökologischer/biologischer Aquakultur(34) vorsieht, dass „[b]eim Schlachten … darauf geachtet [wird], dass die Tiere sofort betäubt sind und keinen Schmerz empfinden“.
91. Schließlich scheint das Schweigen der Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau zur Frage der rituellen Schlachtung umso weniger das Ergebnis eines Versäumnisses zu sein, als diese Frage seit langem(35) bekannt ist und in den Vorschriften über die Schlachtung von Tieren anerkannt wird und außerdem die „Schlachtung“ der Tiere an mehreren Stellen in diesen Vorschriften genannt wird(36).
92. Es wird darauf hingewiesen, dass, obwohl bestimmte Tierschutzvereinigungen u. a. bei der Ausarbeitung der Arbeitsunterlage der Kommission zum Vorschlag für eine Änderung der Verordnung Nr. 834/2007(37) eine Änderung der Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau im Sinne einer allgemeinen Verpflichtung zur Betäubung der Tiere vor ihrer Schlachtung gefordert haben(38), die kürzlich in Kraft getretene Verordnung 2018/848 zur Anwendung dieser Betäubung schweigt.
93. In Anbetracht der obigen Ausführungen bin ich der Auffassung, dass die Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ Erzeugnissen aus Schlachtungen von Tieren ohne Betäubung nicht verweigert werden darf.
94. Ich bin insoweit von den weiteren Argumenten teleologisch-systematischer Art, die im Rahmen der vorliegenden Rechtssache vorgebracht werden, um die gegenteilige Auffassung zu vertreten, nicht überzeugt.
95. Erstens kann meines Erachtens das Argument der Achtung des „Vertrauens der Verbraucher“ in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Produkte, auf das u. a. in den Erwägungsgründen 3, 5 und 22 sowie in Art. 1 der Verordnung Nr. 834/2007 Bezug genommen wird, keinen Erfolg haben. Dass es unzulässig sein soll, die Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ auf Erzeugnissen anzubringen, die von Tieren stammen, die ohne Betäubung geschlachtet wurden, geht aus der Regelung über die auf den ökologischen/biologischen Landbau anwendbaren Vorschriften nicht ausdrücklich hervor. Dann aber kann dieser Grundsatz nicht verletzt werden, wenn ein Gütezeichen in Einklang mit dem anwendbaren Recht vergeben wurde.
96. Gewiss verlangt der Schutz des Vertrauens der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Produkte, wie Art. 6 Buchst. c der Verordnung Nr. 834/2007 bestimmt, den Ausschluss von Stoffen und Herstellungsverfahren, die in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses irreführend sein könnten. Allerdings wird dieses Vertrauen nur im Fall einer Verkennung der klaren Anforderungen, denen der ökologische/biologische Landbau ausdrücklich unterliegt, erschüttert. Wie ich zuvor erläutert habe, scheint mir in Anbetracht der einschlägigen Vorschriften der Verzicht auf die Betäubung zum Zeitpunkt der Tötung der Tiere nicht automatisch zur Folge zu haben, dass die betreffenden Erzeugnisse von der Kennzeichnung „ökologischer/biologischer Landbau“ ausgeschlossen sind.
97. Außerdem ist festzustellen, dass nach dem gegenwärtigen Stand und trotz des steigenden Interesses der Verbraucher an den Bedingungen, unter denen Tiere geschlachtet werden(39), die Unionsvorschriften betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel derzeit keine spezielle Angabe zu den Bedingungen, unter denen Tiere geschlachtet werden, vorsehen(40).
98. Käme man zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf das Unionsrecht die Zertifizierung als „koscher“ und „halal“ mit dem Gütezeichen „ökologischer/biologischer Landbau“ unvereinbar ist, liefe dies unter diesen Umständen darauf hinaus, eine Voraussetzung hinzuzufügen, die das positive Recht nicht vorsieht. Dies würde dazu führen, praktizierenden Juden und Muslimen, die dies wünschen, den Zugang zu ökologischen/biologischen Erzeugnissen zu verweigern und es ihnen zu verwehren, in den Genuss der Garantien zu kommen, die diese in Bezug auf die Qualität und Lebensmittelsicherheit aufweisen.
99. Können die Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ und die Kennzeichnungen als „koscher“ oder „halal“ nicht kumuliert werden, dann ist dies aus der Sicht der Ausübung der Religionsfreiheit zwar nicht unmittelbar problematisch. Mir scheint jedoch, dass es den Konsumenten von koscheren oder Halal-Produkten dadurch erschwert wird, sich Erzeugnisse zu beschaffen, die in den Genuss der Garantien kommen, die die Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ bietet.
100. Zweitens kann, wie der Gerichtshof im Urteil vom 5. November 2014, Herbaria Kräuterparadies (C‑137/13, EU:C:2014:2335, Rn. 46), entschieden hat, zwar nicht geleugnet werden, dass „[d]as Unionsrecht … nicht [garantiert], dass ein Wirtschaftsteilnehmer seine Produkte mit allen Bezeichnungen, die er als für ihre Vermarktung vorteilhaft ansieht, in Verkehr bringen kann“, doch kann es einem Wirtschaftsteilnehmer, der sämtliche Anforderungen der anwendbaren Vorschriften eingehalten hat, nicht entgegengehalten werden.
101. In diesem Zusammenhang kann man sich nicht der u. a. von Ecocert vorgetragenen Argumentation verschließen, wonach eine Zertifizierungsstelle für den Erhalt einer Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“ keine Bedingungen stellen kann, die nicht in den einschlägigen Vorschriften vorhanden sind. Insbesondere ist die Zertifizierungsstelle, sofern die Bestimmungen über die Modalitäten der Haltung und Schlachtung der Tiere für den Erhalt des Gütezeichens „ökologischer/biologischer Landbau“ eingehalten werden, grundsätzlich verpflichtet, dieses Gütezeichen zu verleihen, ohne Bedingungen hinzuzufügen, die vom positiven Recht nicht vorgesehen sind. Wenn sie es nicht täte, wäre dies sowohl unter dem Gesichtspunkt des in Art. 34 der Verordnung Nr. 834/2007 genannten freien Warenverkehrs für ökologische/biologische Erzeugnisse innerhalb der Union als auch unter dem der Handels- und Gewerbefreiheit problematisch.
102. Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen Art. 13 AEUV.
103. Es steht zwar fest, dass der Tierschutz ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel darstellt, dessen Bedeutung u. a. im Erlass des Protokolls (Nr. 33) über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere im Anhang des EG-Vertrags zum Ausdruck kommt, wonach die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft u. a. in den Bereichen Landwirtschaft und Verkehr den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung tragen müssen. Diesem Protokoll entspricht nunmehr Art. 13 AEUV, eine allgemein anwendbare Bestimmung in dem diese Grundsätze betreffenden ersten Teil des AEU-Vertrags(41).
104. Ich bin jedoch der Auffassung, dass der Gesetzgeber durch den Erlass der in Rede stehenden Vorschriften, insbesondere der Verordnung Nr. 1099/2009, die die Vorschriften über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung regelt, die Religionsfreiheit und den Tierschutz miteinander abwägen wollte. Wie ich zuvor ausgeführt habe, ist es nicht nur so, dass diese Verordnung das Tierwohl nicht ignoriert, sondern sie erlaubt rituelle Schlachtungen auch nur ausnahmsweise und unter den in ihrem Art. 4 Abs. 4 eng definierten Bedingungen.
Ergebnis
105. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage der Cour administrative d’appel de Versailles (Verwaltungsberufungsgericht Versailles, Frankreich) wie folgt zu beantworten:
Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und die Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sind im Licht von Art. 13 AEUV dahin auszulegen, dass sie die Vergabe des europäischen Gütesiegels „ökologischer/biologischer Landbau“ an Erzeugnisse, die von Tieren stammen, die Gegenstand einer rituellen Schlachtung ohne vorherige Betäubung waren, die unter den von der Verordnung Nr. 1099/2009 festgelegten Bedingungen durchgeführt wurde, nicht verbieten.
1 Originalsprache: Französisch.
2 Verordnung des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. 2009, L 303, S. 1).
3 Dieser 1961 gegründete französische Verband hat gemäß seiner Satzung zum Ziel, „Tieren, die für die Fleisch- und Wurstverarbeitung und die Tierkörperverwertung bestimmt sind, sowie Geflügel, Kaltblütern und im weiteren Sinne allen Tieren, deren Fleisch für den Verzehr bestimmt ist, in ihren verschiedenen Lebensabschnitten, u. a. der Aufzucht, der Unterbringung, des Transports und der Tötung, mit allen geeigneten gesetzlich erlaubten Mitteln beizustehen, sie zu verteidigen und zu schützen“.
4 Verordnung des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2007, L 189, S. 1).
5 Verordnung der Kommission vom 5. September 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle (ABl. 2008, L 250, S. 1).
6 Vgl. u. a. Erwägungsgründe 1 und 17 sowie Art. 3 Buchst. a Ziff. iv und Art. 5 Buchst. h der Verordnung Nr. 834/2007.
7 Vgl. u. a. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 834/2007.
8 Vgl. u. a. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Ziff. viii und Art. 15 Abs. 1 Buchst. b Ziff. vi der Verordnung Nr. 834/2007.
9 Urteil vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 45).
10 Vgl. allgemeiner zu religiös begründeten Ernährungsvorschriften EGMR, Urteile vom 7. Dezember 2010, Jakóbski/Polen (CE:ECHR:2010:1207JUD001842906), und vom 17. Dezember 2013, Vartic/Rumänien (CE:ECHR:2013:1217JUD001415008).
11 Vgl. u. a. Erklärungen von Bionoor, S. 8 bis 12.
12 Unter den zahlreichen von den Beteiligten angeführten Studien sind u. a. der Bericht von 2004 des Wissenschaftlichen Gremiums der Europäischen Union für Tiergesundheit und Tierschutz (Scientific Panel on Animal Health and Welfare [AHAW]) „Welfare aspects of the main systems of stunning and killing the main commercial species of animals“, The EFSA Journal (2004), 45, S. 1 bis 29; die Stellungnahme der Europäischen Tierärztevereinigung von 2002, „Slaughter of Animals Without Prior Stunning“, abrufbar unter: http://www.fve.org/uploads/publications/docs/fve_02_104_slaughter_prior_stunning.pdf),sowie die im Rahmen des europäischen Projekts Dialrel („Encouraging Dialogue on issues of Religious Slaughter“) durchgeführte Studie von 2010 „Report on Good and Adverse practices – Animal Welfare Concerns in Relation to Slaughter Practices from the Viewpoint of Veterinary Sciences“, abrufbar unter: http://www.dialrel.eu/dialrel-results/veterinary-concerns.html, zu nennen.
13 Die Kommission hat erklärt, dass ihrem Kenntnisstand nach Ecocert die einzige Stelle sei, die ausdrücklich die rituelle Schlachtung ohne irgendeine Form der Betäubung akzeptiere.
14 Die allgemeine Verwendung der Betäubung scheint somit in Dänemark und in Schweden gesichert. In Belgien haben das wallonische und das flämische Parlament im Jahr 2007 beschlossen, dass die Betäubung in irgendeiner Form für rituelle Schlachtungen verpflichtend ist.
15 Der Begriff „halal“ bezeichnet im Allgemeinen das, was nach den religiösen Geboten „zulässig“ oder „erlaubt“ ist.
16 Vgl. u. a. die allgemeinen Leitlinien der Codex-Alimentarius-Kommission für die Verwendung des Begriffs „halal“ (CAC/GL 24-1997), abrufbar unter: http://www.fao.org/docrep/005/y2770f/y2770f08.htm#fn26. Diese Leitlinien wurden an alle Mitgliedstaaten und assoziierten Mitglieder der Food and Agriculture Organization of the United Nations (Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft [FAO]) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Text mit konsultativem Charakter gerichtet, und es ist Sache jeder Regierung, zu entscheiden, wie sie sie zu verwenden beabsichtigen.
17 Nach Angaben von OABA ist dies in Frankreich der Standpunkt der Moscheen von Paris, Lyon und Évry. Nach einer Prüfung lassen diesen Moscheen angeschlossene „Halal“-Zertifizierungsstellen (wie die Société française de contrôle de viande halal [SFCVH], die Association rituelle de la Grande Mosquée de Lyon [ARGML] oder die Association culturelle des musulmans d’Île-de-France [ACMIF]) offenbar tatsächlich Formen von Betäubung vor der Schlachtung der Tiere (wie die sogenannte. ,reversible“ Elektronarkose) zu.
18 In Frankreich haben die von der Association française de normalisation (AFNOR) unternommenen Versuche der Definition einer „Halal“-Norm, die 2017 versuchsweise für verarbeitete Lebensmittel ausgearbeitet worden war, zu keinem Ergebnis geführt.
19 Vgl. z. B. Bericht im Namen der Enquete-Kommission der französischen Nationalversammlung über die Bedingungen der Schlachtung von Schlachttieren in französischen Schlachthöfen vom 20. September 2016, S. 117 bis 118 (http://www2.assemblee-nationale.fr/14/autres-commissions/commissions-d-enquete/conditions-d-abattage-des-animaux-de-boucherie-dans-les-abattoirs-francais/).
20 Während des letzten Jahrzehnts verzeichnete der Markt für ökologische/biologische Erzeugnisse eine dynamische Entwicklung, die durch einen starken Anstieg der Nachfrage begünstigt wurde. Der Weltmarkt für ökologische/biologische Ernährung hat sich seit 1999 vervierfacht. Vgl. u. a. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Zusammenfassung der Folgenabschätzung als Begleitunterlage zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. XXX/XXX des Europäischen Parlaments und des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates“ vom 24. März 2014 (COM[2014] 180 final, S. 11, mit weiteren Nachweisen).
21 Verordnung des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1991, L 198, S. 1).
22 Verordnung des Rates vom 24. Februar 2004 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 (ABl. 2004, L 65, S. 1).
23 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (ABl. 2018, L 150, S. 1).
24 Vgl. Urteil vom 4. Juni 2015, Andechser Molkerei Scheitz/Kommission (C‑682/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:356, Rn. 36).
25 Vgl. u. a. Urteile vom 5. November 2014, Herbaria Kräuterparadies (C‑137/13, EU:C:2014:2335, Rn. 42), und vom 12. Oktober 2017, Kamin und Grill Shop (C‑289/16, EU:C:2017:758, Rn. 30).
26 Hervorhebung nur hier.
27 Hervorhebung nur hier.
28 Hervorhebung nur hier.
29 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1099/2009.
30 Vgl. in diesem Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2017:926, Nrn. 35 und 64 bis 68).
31 Vgl. auch Erwägungsgründe 24, 37 und 43 dieser Verordnung.
32 Urteil vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 63).
33 Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2017, Vion Livestock (C‑383/16, EU:C:2017:783).
34 ABl. 2009, L 204, S. 15.
35 Der Wunsch des Unionsgesetzgebers, den Schutz der Religionsfreiheit mit dem Tierschutz in Einklang zu bringen, kam bereits mit dem Erlass der Richtlinie 74/577/EWG des Rates vom 18. November 1974 über die Betäubung von Tieren vor dem Schlachten (ABl. 1974, L 316, S. 10) zum Ausdruck und findet sich immer noch in der Verordnung Nr. 1099/2009 wieder, die zur Zeit in Kraft ist.
36 Vgl. Art. 2 Ziff. i und Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Ziff. viii der Verordnung Nr. 834/2007, sowie Art. 12 Abs. 5 und Art. 76 Buchst. b der Verordnung Nr. 889/2008.
37 Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Zusammenfassung der Folgenabschätzung als Begleitunterlage zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. XXX/XXX des Europäischen Parlaments und des Rates (Verordnung über amtliche Kontrollen) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007“ vom 24. März 2014 (COM[2014] 180 final/SWD[2014] 66 final, S. 91).
38 Im vorliegenden Fall ist interessant, dass OABA zwar die von Ecocert vergebene Zertifizierung „ökologischer/biologischer Landbau“, die den Vorschriften über den ökologischen/biologischen Landbau zuwiderlaufe, rügt, gleichzeitig aber offenbar eine Änderung der bestehenden Vorschriften fordert.
39 Zahlreiche Tierschutzorganisationen kämpfen daher für eine verpflichtende Kennzeichnung, auf der angegeben wird, wie das Tier geschlachtet wurde. Die Tauglichkeit einer solchen Kennzeichnung ist jedoch umstritten (vgl. Schlussfolgerungen des in Fn. 19 angeführten Untersuchungsberichts, S. 118 bis 120).
40 Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18). Im 50. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1169/2011 heißt es allerdings, dass „im Rahmen einer künftigen Strategie der Union für den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere die Durchführung einer Studie in Betracht gezogen werden [sollte], in der untersucht wird, ob den Verbrauchern einschlägige Informationen über die Betäubung von Tieren zur Verfügung gestellt werden sollten“ (Hervorhebung nur hier). Die Ergebnisse dieser Studie, die schließlich auf Ersuchen der Generaldirektion „Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ der Kommission durchgeführt wurde und deren Schlussfolgerungen am 23. Februar 2015 veröffentlicht wurden (https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/animals/docs/aw_practice_slaughter_fci-stunning_report_en.pdf), zeigen u. a., dass für die meisten Verbraucher die Information über die Betäubung vor der Schlachtung keine bedeutsame Frage ist, solange sie nicht darauf aufmerksam gemacht werden.
41 Vgl. u. a. Urteile vom 23. April 2015, Zuchtvieh-Export (C‑424/13, EU:C:2015:259, Rn. 35), und vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
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Referenzen
- 2007 und 889/20 6x (nicht zugeordnet)