Urteil vom Europäischer Gerichtshof - T-266/17
URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
20. September 2018 ( *1 )
„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke UROAKUT – Ältere nationale Bildmarke und ältere internationale Bildmarke UroCys – Relatives Eintragungshindernis – Keine Verwechslungsgefahr – Abänderungsbefugnis – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EU] 2017/1001)“
In der Rechtssache T‑266/17
Kwizda Holding GmbH mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Wiltschek und D. Plasser sowie Rechtsanwältin K. Majchrzak,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:
Dermapharm GmbH mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Kunz-Hallstein und R. Kunz-Hallstein,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 7. März 2017 (Sache R 1221/2016‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Dermapharm und Kwizda Holding
erlässt
DAS GERICHT (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter V. Valančius und U. Öberg (Berichterstatter),
Kanzler: E. Coulon,
aufgrund der am 9. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 5. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,
aufgrund der am 18. Juli 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 |
Am 20. März 2015 meldete die Klägerin, die Kwizda Holding GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an. |
2 |
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen UROAKUT. |
3 |
Die Marke wurde für „diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel; medizinische und veterinärmedizinische Präparate und Artikel“ in Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet. |
4 |
Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2015/058 vom 26. März 2015 veröffentlicht. |
5 |
Am 26. Juni 2015 erhob die Streithelferin, die Dermapharm GmbH, nach Art. 41 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren. |
6 |
Der Widerspruch war auf folgende ältere Marken gestützt:
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7 |
Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) geltend gemacht. |
8 |
Am 3. Mai 2016 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch vollumfänglich statt, wies die Anmeldung zurück und erlegte der Klägerin die Kosten auf. |
9 |
Am 4. Juli 2016 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. |
10 |
Mit Entscheidung vom 7. März 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück und bestätigte die Zurückweisung der Anmeldung. Nach der Feststellung, die maßgeblichen Verkehrskreise bestünden aus dem deutschsprachigen allgemeinen Publikum in Deutschland und Österreich, das durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig sei, sowie aus dem Fachverkehr im medizinischen und pharmazeutischen Bereich, der eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag lege, bestätigte die Beschwerdekammer die Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der fraglichen Waren. Sodann pflichtete sie der Feststellung der Widerspruchsabteilung bei, dass die fraglichen Zeichen aufgrund des gemeinsamen Anfangsbestandteils „uro“, ihrer übereinstimmenden Struktur und ihrer ähnlichen Länge in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht eine durchschnittliche Ähnlichkeit aufwiesen. In begrifflicher Hinsicht hätten die Zeichen in ihrer Gesamtheit für die maßgeblichen Verkehrskreise keine Bedeutung, so dass es der übereinstimmende Zeichenanfang sei, der eine „gewisse begriffliche Ähnlichkeit“ begründe. Folglich sei angesichts der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marken eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, und zwar auch für die Fachverkehrskreise mit erhöhter Aufmerksamkeit. |
Anträge der Parteien
11 |
Die Klägerin beantragt,
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12 |
Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,
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Rechtliche Würdigung
13 |
Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. |
14 |
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise die Gefahr von Verwechslungen zwischen den älteren Marken und der angemeldeten Marke bestehe. |
15 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
16 |
Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. |
17 |
Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Gemäß dieser Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr nach der Wahrnehmung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls, vor allem der Wechselbeziehung zwischen Zeichenähnlichkeit und Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen, umfassend zu beurteilen (vgl. Urteile vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. September 2016, Sun Cali/EUIPO – Abercrombie & Fitch Europe [SUN CALI], T‑512/15, EU:T:2016:527, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
18 |
Für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und Identität oder Ähnlichkeit der durch sie erfassten Waren oder Dienstleistungen besteht. Hierbei handelt es sich um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteile vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. September 2016, SUN CALI, T‑512/15, EU:T:2016:527, Rn. 45). |
19 |
Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer zu Recht eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 festgestellt hat. |
Zum maßgeblichen Gebiet
20 |
Aus Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung geht klar hervor, dass die Beschwerdekammer als maßgebliches Gebiet Deutschland und Österreich angesehen hat, d. h. die Gebiete, in denen die älteren Marken Schutz genießen. Diese Beurteilung, die im Übrigen nicht beanstandet wird, ist zu bestätigen. |
Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen und dem Grad ihrer Aufmerksamkeit
21 |
Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten sowie angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (Urteil vom 3. September 2009, Aceites del Sur-Coosur/Koipe, C‑498/07 P, EU:C:2009:503, Rn. 74, vgl. auch Urteil vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
22 |
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 12 und 21 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, die maßgeblichen Verkehrskreise bestünden aus den deutschsprachigen Verkehrskreisen in Deutschland und Österreich, und die verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 5 richteten sich zum einen an das als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig anzusehende allgemeine Publikum, das eine durchschnittliche Aufmerksamkeit aufbringe, zum anderen an den Fachverkehr im medizinischen und pharmazeutischen Bereich, dessen Aufmerksamkeitsgrad erhöht sei. |
23 |
Auch wenn die Klägerin die Definition der maßgeblichen Verkehrskreise nicht in Frage stellt, beanstandet sie doch die Beurteilung der Beschwerdekammer, dass der betroffene Durchschnittsverbraucher zum „breiten Publikum“ mit durchschnittlichem Aufmerksamkeitsgrad gehöre. Tatsächlich richteten sich medizinische oder diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel an Menschen mit besonderen Diätbedürfnissen, so dass sowohl der Fachverkehr als auch der Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der betroffenen Waren einen erhöhten bis hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag legten, unabhängig davon, ob sie verschreibungspflichtig seien oder nicht. |
24 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
25 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bei Arzneimitteln oder pharmazeutischen Produkten die maßgeblichen Verkehrskreise zum einen aus den Fachleuten der Medizin und zum anderen aus den Patienten als den Endverbrauchern dieser Produkte bestehen (vgl. Urteile vom 15. Dezember 2010, Novartis/HABM – Sanochemia Pharmazeutika [TOLPOSAN], T‑331/09, EU:T:2010:520, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. Oktober 2017, Forest Pharma/EUIPO – Ipsen Pharma [COLINEB], T‑36/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:690, Rn. 49). Diese von der Beschwerdekammer vorgenommene Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise ist also zu bestätigen. |
26 |
Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung zum einen, dass medizinische Fachleute bei der Verschreibung von Arzneimitteln einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legen. Zum anderen ist ihr zu entnehmen, dass hinsichtlich der Endverbraucher im Fall des rezeptfreien Verkaufs pharmazeutischer Produkte davon auszugehen ist, dass diese Produkte Verbraucher interessieren, von denen zu erwarten ist, dass sie angemessen gut informiert, aufmerksam und verständig sind, da diese Produkte ihren gesundheitlichen Zustand beeinflussen, und dass diese Verbraucher die verschiedenen Produktkategorien weniger leicht verwechseln werden. Selbst im Fall der Rezeptpflicht werden die Verbraucher, da es sich um pharmazeutische Produkte handelt, bei deren Verschreibung einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit aufbringen. Damit kann bei Arzneimitteln, ob verschreibungspflichtig oder nicht, angenommen werden, dass ihnen die normal informierten sowie angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit widmen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2010, TOLPOSAN, T‑331/09, EU:T:2010:520, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
27 |
Nach der Rechtsprechung gelten diese Erwägungen auch, wenn die fraglichen pharmazeutischen Produkte zur Behandlung geringfügiger Leiden und Beschwerden dienen (Urteil vom 13. Mai 2015, Ferring/HABM – Kora [Koragel], T‑169/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:280, Rn. 31), was bei bestimmten Harnwegsleiden der Fall ist. |
28 |
Gleiches gilt für diätetische Erzeugnisse allgemein sowie für Nahrungsergänzungsmittel, die keine Arzneimittel im engeren Sinne sind, aber dennoch, da sie im Allgemeinen zur Verbesserung des Gesundheitszustands bestimmt sind, zum Gesundheitsbereich gehörende Produkte darstellen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass die normal informierten sowie angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher ihnen einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit widmen (Urteil vom 26. November 2015, Bionecs/HABM – Fidia farmaceutici [BIONECS], T‑262/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:888, Rn. 19, vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Dezember 2009, Trubion Pharmaceuticals/HABM – Merck [TRUBION], T‑412/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:507, Rn. 28). |
29 |
Im vorliegenden Fall haben die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 5 gemeinsam, dass sie in erster Linie dazu bestimmt sind, auf Empfehlung oder Vermittlung eines Angehörigen der Gesundheitsberufe, verschreibenden Arztes, Apothekers oder Tierarztes vertrieben zu werden. In Anbetracht ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Gesundheit des Anwenders und der Spezifik der Leiden, die sie behandeln sollen, ist davon auszugehen, dass die Verbraucher in der Regel gut informiert und besonders aufmerksam und verständig sein werden, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legen werden, gleich ob es sich um das allgemeine Publikum oder um Fachleute handelt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. April 2014, Farmaceutisk Laboratorium Ferring/HABM – Tillotts Pharma [OCTASA], T‑501/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:194, Rn. 32, und vom 13. Dezember 2017, Laboratorios Ern/EUIPO – Ascendo Medienagentur [SLIMDYNAMICS], T‑700/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:896, Rn. 24). |
30 |
Demzufolge hat die Beschwerdekammer in Rn. 21 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht befunden, dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise nur eine durchschnittliche Aufmerksamkeit aufbringe. |
Zum Vergleich der Waren
31 |
Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese zueinander stehen. Hierzu gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Auch andere Faktoren wie die Vertriebswege der betreffenden Waren können berücksichtigt werden (vgl. Urteile vom 21. Januar 2016, Hesse/HABM, C‑50/15 P, EU:C:2016:34, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
32 |
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 14 und 15 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die angefochtenen Waren in Klasse 5 seien mit den von den älteren Marken erfassten Waren teils identisch, teils ihnen hochgradig ähnlich. |
33 |
Diesen Erwägungen, die von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandet werden, ist beizupflichten. |
Zum Vergleich der Zeichen
34 |
Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
35 |
Zur Bestimmung der Kennzeichnungskraft eines Markenbestandteils ist zu beurteilen, inwieweit er dazu beitragen kann, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei sind insbesondere die Eigenschaften des fraglichen Bestandteils darauf zu prüfen, ob er in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, beschreibend ist oder nicht (Urteile vom 13. Juni 2006, Inex/HABM – Wiseman [Darstellung einer Kuhhaut], T‑153/03, EU:T:2006:157, Rn. 35, und vom 12. Juli 2012, Winzer Pharma/HABM – Alcon [BAÑOFTAL], T‑346/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:368, Rn. 78). |
36 |
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer festgestellt, die einander gegenüberstehenden Zeichen wiesen eine durchschnittliche schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit sowie eine „gewisse begriffliche Ähnlichkeit“ auf. In Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung hat sie hinzugefügt, die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marken sei durchschnittlich, und es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesamtbegriff „urocys“ beschreibende Anklänge aufweise. |
37 |
Die Klägerin tritt dieser Feststellung entgegen und verweist auf den rein beschreibenden Charakter des Bestandteils „uro“ sowie auf erhebliche schriftbildliche, klangliche und begriffliche Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen. |
38 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
39 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Verbraucher, auch wenn er eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten achtet, dennoch ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile zerlegen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 6. September 2013, Eurocool Logistik/HABM – Lenger [EUROCOOL], T‑599/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:399, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
40 |
Ferner haben die einander gegenüberstehenden Zeichen zwar den Anfangsbestandteil „uro“ gemeinsam, jedoch darf sich die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Zeichen nach ständiger Rechtsprechung nicht darauf beschränken, dass nur ein Bestandteil eines zusammengesetzten Zeichens berücksichtigt und mit einem anderen Zeichen verglichen wird. Vielmehr sind die fraglichen Zeichen jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein könnten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
41 |
Der Umstand, dass einer der Bestandteile einer zusammengesetzten Marke mit einer anderen Marke identisch ist, lässt nur dann auf die Ähnlichkeit dieser Marken schließen, wenn dieser Bestandteil das dominierende Element in dem von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck ist (vgl. Urteil vom 13. Mai 2015, easyGroup IP Licensing/HABM – TUI [easyAir-tours], T‑608/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:282, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nur wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind, kann es für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 42). |
42 |
Im vorliegenden Fall verweist der Bestandteil „uro“ unstreitig auf den Bereich der Urologie. Wie das EUIPO im Wesentlichen geltend macht, wird er, da die maßgeblichen Verkehrskreise ihn als Bezugnahme auf die Urologie erkennen werden, nicht als für die betreffenden Waren unmittelbar beschreibend, sondern allenfalls als anspielend wahrgenommen werden. Folglich hat die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass der Bestandteil „uro“ einen anspielenden Hinweis auf den Bereich der Urologie darstellt. |
43 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sogenannte „sprechende Marken“ im Arzneimittelsektor üblich sind. Bezugnahmen auf den Anwendungsbereich und die Wirkstoffe der Erzeugnisse sind nämlich im pharmakologischen Bereich gängiger (Urteil vom 14. Juli 2011, Winzer Pharma/HABM – Alcon [OFTAL CUSI], T‑160/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:379, Rn. 80). Die maßgeblichen Verkehrskreise werden verstehen, dass die Präparate und Arzneimittel, deren Bezeichnung mit dem Wortbestandteil „uro“ beginnt, zur Behandlung von Harnwegsleiden bestimmt sind. Folglich werden sie diesen Bestandteil eher als eine Bezugnahme auf die Bestimmung des Produkts denn als einen Hinweis auf dessen betriebliche Herkunft wahrnehmen. Der Anfangsbestandteil „uro“ ist also insofern schwach kennzeichnungskräftig, als er auf die Merkmale der betreffenden Produkte anspielt. |
44 |
Was den weiteren Bestandteil „akut“ der angemeldeten Marke angeht, ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass er nicht als ein anspielender Hinweis angesehen werden kann, der einen erheblichen Interpretationsaufwand erfordert. Für die maßgeblichen deutschsprachigen Verkehrskreise ist dieser beschreibende, im Deutschen geläufige Ausdruck im Sinne von „dringend, unmittelbar bevorstehend, heftig“ zu verstehen. |
45 |
Was den Bestandteil „cys“ der älteren Marken anbelangt, ist davon auszugehen, dass er zumindest vom medizinischen und pharmazeutischen Fachverkehr als anspielender Hinweis auf den Begriff „Cystitis“ oder den Begriff „Cystein“ verstanden werden wird. Somit hat die Beschwerdekammer in Rn. 22 der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marken durchschnittlich sei und der Begriff „urocys“ in seiner Gesamtheit keine ersichtlichen beschreibenden Anklänge aufweise. |
46 |
Nach alledem sind für den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen die Zeichen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, einschließlich der zusätzlichen Bestandteile „akut“ der angemeldeten Marke und „cys“ der älteren Marken. |
Zum schriftbildlichen Vergleich
47 |
Zum schriftbildlichen Vergleich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass gegen eine Prüfung, ob zwischen einer Wortmarke und einer Bildmarke bildliche Ähnlichkeit besteht, nichts einzuwenden ist, da beide Markenarten Gegenstand einer grafischen Gestaltung sind, die einen optischen Eindruck vermitteln kann (vgl. Urteil vom 4. Mai 2005, Chum/HABM – Star TV [STAR TV], T‑359/02, EU:T:2005:156, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
48 |
Die Beschwerdekammer hat in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, das deutschsprachige Publikum nehme die einander gegenüberstehenden Zeichen als Kombination des Anfangsbestandteils „uro“ und des weiteren Elements „akut“ bzw. „cys“ wahr. Der Anfangsbestandteil könne nicht vernachlässigt werden, zumal er am Anfang der Zeichen stehe und den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck wesentlich mitbestimme. Trotz der Unterschiede zwischen den Bestandteilen „akut“ und „cys“ im Hinblick auf Buchstaben- und Silbenzahl stimmten die Zeichen im Gesamteindruck im Anfangsbestandteil und in der Struktur überein und seien von etwa gleicher Länge, woraus sich eine durchschnittliche schriftbildliche Ähnlichkeit ergebe. |
49 |
Die Klägerin tritt dieser Beurteilung entgegen. Die Bestandteile „cys“ der älteren Marken und „akut“ der angemeldeten Marke hätten keinen einzigen Buchstaben gemeinsam und wiesen Unterschiede in der Länge, der Buchstabenanzahl und ‑abfolge sowie in der Silbenstruktur auf. Zudem habe die Beschwerdekammer übersehen, dass die älteren Marken Wort-Bild-Marken seien, und habe die grafische Besonderheit des Großbuchstabens „C“ in der Wortmitte der älteren Marken unberücksichtigt gelassen, die das Zeichen „urocys“ optisch teile, während der Begriff „uroakut“ als einheitlicher Begriff wahrgenommen werde. |
50 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
51 |
Insoweit ist zwar bereits entschieden worden, dass der Anfangsbestandteil einer Marke in bildlicher Hinsicht üblicherweise eine stärkere Wirkung entfaltet als ihr hinterer Teil (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2010, Companhia Muller de Bebidas/HABM – Missiato Industria e Comercio [61 A NOSSA ALEGRIA], T‑472/08, EU:T:2010:347, Rn. 62, und vom 20. November 2017, Stada Arzneimittel/EUIPO – Urgo recherche innovation et développement [Immunostad], T‑403/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:824, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), so dass der Verbraucher dem Anfang einer Marke im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit widmet als deren Ende (vgl. Urteil vom 19. Mai 2011, PJ Hungary/HABM – Pepekillo [PEPEQUILLO], T‑580/08, EU:T:2011:227, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung); jedoch kann diese Erwägung nicht in allen Fällen gelten (vgl. Urteil vom 16. Mai 2007, Trek Bicycle/HABM – Audi [ALLTREK], T‑158/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:143, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
52 |
Im vorliegenden Fall kann allein aus der Existenz des gemeinsamen Bestandteils „uro“ nicht auf die schriftbildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen geschlossen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Februar 2018, International Gaming Projects/EUIPO – Zitro IP [TRIPLE TURBO], T‑210/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:91, Rn. 51). |
53 |
Im Übrigen weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen in schriftbildlicher Hinsicht einige Unterschiede auf. Da die Bestandteile „akut“ der angemeldeten Marke und „cys“ der älteren Marken sehr unterschiedlich sind, ziehen sie die Aufmerksamkeit des Verkehrs besonders auf sich und sind für den schriftbildlichen Vergleich dieser Zeichen nicht vernachlässigbar. |
54 |
Erstens haben die Begriffe „akut“ und „cys“ keinen einzigen Buchstaben gemeinsam. Zweitens besteht der Ausdruck „urocys“ zur Hälfte aus dem Bestandteil „uro“, wohingegen der Bestandteil „akut“ der angemeldeten Marke länger als der Anfangsbestandteil „uro“ ist und vier der sieben Buchstaben des Ausdrucks „uroakut“ in sich vereint. Drittens führt der aus dem Großbuchstaben „C“ in der Wortmitte bestehende Bildbestandteil der älteren Marken zu einer Trennung im Schriftbild, während der Ausdruck „uroakut“ als einheitlich wahrgenommen werden wird. |
55 |
Folglich sind die einander gegenüberstehenden Zeichen zwar teilweise identisch, weil sie den Anfangsbestandteil „uro“ gemeinsam haben – was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet –, aber ihre schriftbildliche Ähnlichkeit beschränkt sich auf diesen gemeinsamen Bestandteil. Die sich aus den weiteren Bestandteilen „akut“ und „cys“ ergebenden Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen tragen in einem nicht zu vernachlässigenden Maße zum Gesamteindruck bei, den die einander gegenüberstehenden Marken hervorrufen. |
56 |
Nach alledem ist die Feststellung der Beschwerdekammer zu bestätigen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche schriftbildliche Ähnlichkeit aufweisen. |
Zum klanglichen Vergleich
57 |
Was den klanglichen Vergleich angeht, hat sich die Beschwerdekammer auf dieselben Erwägungen gestützt wie die oben in Rn. 48 dargelegten. |
58 |
Die Klägerin trägt vor, der Wortklang der älteren Marken sei vom kennzeichnungskräftigen Bestandteil „cys“ geprägt, der mit dem Wortelement „akut“ nichts gemeinsam habe. Die Behauptung, der Buchstabe „c“ werde wie ein „k“ ausgesprochen, sei unrichtig. Hervorzuheben sei der Unterschied in der Silbenanzahl zwischen den dreisilbigen älteren Marken und der viersilbigen angemeldeten Marke, deren Sprachmelodie völlig anders sei. |
59 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
60 |
Es ist festzustellen, dass die älteren Marken aus drei Silben bestehen, nämlich „u“, „ro“ und „cys“, während die angemeldete Marke aus vier Silben besteht, nämlich „u“, „ro“, „a“ und „kut“, so dass Länge, Rhythmus und Sprachmelodie unterschiedlich sind und die einander gegenüberstehenden Zeichen klanglich nur in den ersten beiden Silben übereinstimmen. Überdies verstärkt die Möglichkeit, den Buchstaben „c“ des Bestandteils „cys“ der älteren Marken als Zischlaut auszusprechen, den klanglichen Unterschied zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen. |
61 |
Allerdings ist bereits entschieden worden, dass die unterschiedliche Anzahl der Silben nicht genügt, um eine klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2011, PEPEQUILLO, T‑580/08, EU:T:2011:227, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sind aber die ersten beiden Silben der einander gegenüberstehenden Zeichen, „u“ und „ro“, identisch. Im Übrigen ist unstreitig, dass sie gleich ausgesprochen werden. |
62 |
Angesichts der sich aus dem gemeinsamen Bestandteil „uro“ ergebenden klanglichen Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Zeichen sind folglich die oben in Rn. 60 festgestellten Unterschiede nicht ausreichend, um beim maßgeblichen Verbraucher den Eindruck auszuschließen, dass diese Marken in der Gesamtbetrachtung eine gewisse klangliche Ähnlichkeit aufweisen. |
63 |
Die Beschwerdekammer hat im vorliegenden Fall nur eine durchschnittliche klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen festgestellt, nämlich gerade wegen einer Abweichung in der Aussprache der übrigen Bestandteile der angemeldeten Marke, was demnach zu bestätigen ist. |
Zum begrifflichen Vergleich
64 |
Zur begrifflichen Ähnlichkeit hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die relevanten Verkehrskreise – sowohl der medizinische Fachverkehr als auch die angesprochenen Endverbraucher – den Bestandteil „uro“ als anspielenden Hinweis darauf wahrnähmen, dass die fraglichen Waren den Bereich der Urologie beträfen. Sie hat anerkannt, dass es Unterschiede zwischen den Bestandteilen „akut“ und „cys“ gebe, da der erstgenannte Bestandteil etwas unvermittelt Auftretendes, schnell und heftig Verlaufendes beschreibe, und der letztgenannte zumindest von den Fachkreisen als anspielender Hinweis auf den Begriff „Cystitis“ oder den Begriff „Cystein“ wahrgenommen werden könne. Trotz ihrer Feststellung in Rn. 19 der angefochtenen Entscheidung, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrer Gesamtheit für die deutschsprachigen Verkehrskreise keine Bedeutung hätten, ist die Beschwerdekammer jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass angesichts des übereinstimmenden Anfangsbestandteils „uro“ eine „gewisse begriffliche Ähnlichkeit“ bestehe. |
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Die Klägerin tritt dieser Beurteilung entgegen. Es bestünden deutliche begriffliche Unterschiede zwischen dem Bestandteil „akut“ der angemeldeten Marke, der kein glatt beschreibender, sondern ein anspielender Hinweis darauf sei, dass das Erzeugnis insbesondere für Krankheiten eingesetzt werden könne, die unvermutet aufträten bzw. rasch und heftig verliefen, und dem Bestandteil „cys“ der älteren Marken, der auf vorbeugend eingesetzte Präparate hinweise. Zur angemeldeten Marke sei zu ergänzen, dass das deutschsprachige Publikum den Sinn des Ausdrucks „akut“ verstehe, im Gegensatz zum Bestandteil „cys“, da der Durchschnittsverbraucher mit den Begriffen „Cystitis“ oder „Cystein“ nicht vertraut sei. |
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Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
67 |
Zu bestätigen ist die – von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandete – Beurteilung der Beschwerdekammer, dass der Bestandteil „uro“, den die einander gegenüberstehenden Zeichen gemeinsam haben, aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise als Hinweis auf die Urologie verstanden werden kann. |
68 |
Ebenfalls zu Recht hat die Beschwerdekammer in Rn. 18 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Bestandteil „cys“ zumindest von den Fachkreisen als anspielender Hinweis auf den Begriff „Cystitis“ oder den Begriff „Cystein“ verstanden werden kann, was die Klägerin im Übrigen nicht bestreitet. Ferner ist der Wortbestandteil „akut“ der angemeldeten Marke, wie bereits oben in Rn. 44 festgestellt, ein geläufiger deutscher Ausdruck, der im Sinne von „dringend, unmittelbar bevorstehend, heftig“ zu verstehen ist. |
69 |
Aufgrund der unterschiedlichen Sinngehalte, die durch die weiteren Bestandteile „akut“ und „cys“ vermittelt werden, weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen jedenfalls nur eine geringe begriffliche Ähnlichkeit auf. |
70 |
Die Beschwerdekammer hat im vorliegenden Fall nur eine „gewisse begriffliche Ähnlichkeit“ für die betroffenen Verkehrskreise festgestellt, was demnach zu bestätigen ist. |
Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr
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Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17, und vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, EU:T:2006:397, Rn. 74). |
72 |
Nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt der elfte Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001) hängt das Vorliegen von Verwechslungsgefahr von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem fraglichen Markt. Da die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je stärker sich die Kennzeichnungskraft der Marke darstellt, genießen Marken, die, von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit beim Publikum, eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. entsprechend Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24, vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 18, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, EU:C:1999:323, Rn. 20). |
73 |
Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdekammer nach der Feststellung, dass die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marken als durchschnittlich anzusehen sei, in Rn. 23 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise, einschließlich der Fachverkehrskreise mit erhöhter Aufmerksamkeit, eine Verwechslungsgefahr bestehe. Diese Schlussfolgerung hat sie auf die durchschnittliche bildliche und klangliche sowie eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und auf die Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der verfahrensgegenständlichen Waren gestützt. |
74 |
Die Klägerin trägt vor, allein aus der Übereinstimmung im beschreibenden Bestandteil „uro“ könne in Ermangelung weiterer Ähnlichkeiten nicht auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr geschlossen werden, zumal die einander gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht erhebliche Unterschiede aufwiesen. |
75 |
Zudem „schwäch[e]“ der glatt beschreibende Charakter des Bestandteils „uro“ die Kennzeichnungskraft der älteren Marken, was zur Folge habe, dass ihr Schutzumfang reduziert sei. |
76 |
Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
77 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass zum einen die fraglichen Waren der Klasse 5 identisch bzw. hochgradig ähnlich sind und zum anderen, wie oben in den Rn. 34 bis 70 dargelegt, die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrer Gesamtheit einen gewissen Grad an Ähnlichkeit in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht aufweisen. |
78 |
Nach der Rechtsprechung kommt bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr den bildlichen, klanglichen oder begrifflichen Aspekten der einander gegenüberstehenden Zeichen nicht immer gleiches Gewicht zu. Das Gewicht der Ähnlichkeiten oder Unterschiede zwischen diesen Zeichen kann von deren Eigenschaften abhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2004, New Look/HABM – Naulover [NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection], T‑117/03 bis T‑119/03 und T‑171/03, EU:T:2004:293, Rn. 49). |
79 |
Wenn die Ähnlichkeiten zwischen zwei Zeichen darauf beruhen, dass die Zeichen einen Bestandteil von geringer Kennzeichnungskraft gemeinsam haben, ist der Einfluss dieser Ähnlichkeiten auf die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr seinerseits gering (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 2007, Cabrera Sánchez/HABM – Industrias Cárnicas Valle [el charcutero artesano], T‑242/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:391, Rn. 85, vom 13. Juli 2012, Caixa Geral de Depósitos/HABM – Caixa d’Estalvis i Pensions de Barcelona [la Caixa], T‑255/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:383, Rn. 79, und vom 4. März 2015, FSA/HABM – Motokit Veículos e Acessórios [FSA K-FORCE], T‑558/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:135, Rn. 49 bis 52). |
80 |
Im vorliegenden Fall ist aber bereits oben in Rn. 43 festgestellt worden, dass der Anfangsbestandteil „uro“, den die einander gegenüberstehenden Zeichen gemeinsam haben, eine geringe Kennzeichnungskraft aufweist. |
81 |
Zudem sind die bildlichen, klanglichen und begrifflichen Unterschiede in Bezug auf die weiteren Bestandteile „akut“ und „cys“ der einander gegenüberstehenden Zeichen, wie sich namentlich aus den obigen Rn. 53, 60 und 69 ergibt, in dem Gesamteindruck, den die maßgeblichen Verkehrskreise von den Zeichen haben, nicht vernachlässigbar, sondern sie kompensieren die bildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten, die sich ausschließlich aus dem gemeinsamen Bestandteil „uro“ und dem Gedanken, auf den er verweist, ergeben, was umso mehr gilt, als die maßgeblichen Verkehrskreise einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legen werden. |
82 |
Somit ist zu folgern, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrem Gesamteindruck für die maßgeblichen Verkehrskreise insgesamt unterschiedlich sind, so dass die Beschwerdekammer zu Unrecht befunden hat, dass für die maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich der mit diesen Zeichen gekennzeichneten Waren der Klasse 5 die Gefahr von Verwechslungen bestehe. |
83 |
Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. |
Zum Abänderungsantrag
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Zum Antrag der Klägerin auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung des Widerspruchs ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin mit diesem Antrag im Wesentlichen das Gericht ersucht, die Entscheidung zu erlassen, die das EUIPO ihrer Ansicht nach hätte treffen müssen, nämlich eine Entscheidung, mit der festgestellt wird, dass die Voraussetzungen dafür, dem Widerspruch der Streithelferin stattzugeben, nicht erfüllt sind. Demnach ersucht die Klägerin das Gericht, seine in Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001) vorgesehene Abänderungsbefugnis auszuüben. |
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Die dem Gericht nach Art. 65 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 zustehende Abänderungsbefugnis bewirkt nicht, dass es dazu ermächtigt wäre, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat. Die Ausübung der Abänderungsbefugnis ist daher grundsätzlich auf Situationen zu beschränken, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die die Beschwerdekammer hätte erlassen müssen (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72). |
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Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Ausübung der Abänderungsbefugnis des Gerichts erfüllt. Aus den oben in den Rn. 21 bis 83 dargelegten Erwägungen folgt nämlich, dass die Beschwerdekammer hätte feststellen müssen, dass entgegen der Auffassung der Widerspruchsabteilung im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr besteht. Folglich ist der Widerspruch zurückzuweisen. |
Kosten
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Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
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Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Klägerin seinen eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. |
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Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung hat die Streithelferin ihre eigenen Kosten zu tragen. |
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Die Klägerin hat außerdem beantragt, dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Verfahren vor der Beschwerdekammer entstanden sind. Insoweit folgt aus Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung, dass die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten; dieser Antrag der Klägerin ist daher zulässig. |
91 |
Dies gilt jedoch nicht für die Aufwendungen für das Verfahren vor der Widerspruchsabteilung. Der Antrag der Klägerin betreffend die Kosten des Verfahrens vor der Widerspruchsabteilung, die keine erstattungsfähigen Kosten sind, ist daher unzulässig. |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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Pelikánová Valančius Öberg Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2018. Der Kanzler E. Coulon Die Präsidentin I. Pelikánová |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.
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Referenzen
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