Urteil vom Europäischer Gerichtshof - C-679/17
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
22. November 2018 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Kapitalverkehrsfreiheit – Beschränkungen – Steuerrecht – Erbschaftsteuer – Nachhaltige Forstwirtschaft – Befreiung – Schutz von Waldflächen“
In der Rechtssache C‑679/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van beroep te Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen, Belgien) mit Entscheidung vom 21. November 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2017, in dem Verfahren
Vlaams Gewest, vertreten durch die Vlaamse regering in Person des Vlaamse Minister van Begroting, Financiën en Energie,
Vlaams Gewest, vertreten durch die Vlaamse regering in Person des Vlaamse Minister van Omgeving, Natuur en Landbouw,
gegen
Johannes Huijbrechts
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
von Herrn Huijbrechts, vertreten durch A. Visschers und P. Heeren, advocaten, |
– |
der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.‑C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von G. Van Calster, advocaat, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und W. Roels als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV. |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vlaams Gewest (Flämische Region, Belgien), vertreten durch die Vlaamse regering (Flämische Regierung, Belgien) in Person des Vlaamse Minister van Begroting, Financiën en Energie (Flämischer Minister für Haushalt, Finanzen und Energie) und in Person des Vlaamse Minister van Omgeving, Natuur en Landbouw (Flämischer Minister für Umwelt, Natur und Landwirtschaft), und Herrn Johannes Huijbrechts wegen der Befreiung von der Erbschaftsteuer, die er für in den Niederlanden belegene Wälder in Anspruch nehmen möchte. |
Rechtlicher Rahmen
3 |
Art. 15 des Vlaams wetboek der successierechten (Flämisches Erbschaftsteuergesetzbuch, im Folgenden: Erbschaftsteuergesetzbuch) sieht vor, dass die Steuer auf Erbschaften auf der Grundlage des steuerbaren Wertes des gesamten Vermögens des Erblassers nach Abzug der Schulden festgesetzt wird, unabhängig davon, wo es sich befindet. |
4 |
Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs, jetzt Art. 2.7.6.0.3 des Vlaamse Codex Fiscaliteit (Flämisches Steuergesetzbuch), bestimmt, dass Liegenschaften, die nach belgischem Recht als „Wald“ anzusehen sind, von der Erbschaftsteuer befreit sind, wenn für den Wald ein nachhaltiger Bewirtschaftungsplan gilt, der den von der flämischen Regelung aufgestellten und von der flämischen Forstverwaltung genehmigten Kriterien entspricht. |
5 |
In Art. 13a des Bosdecreet (Forstdekret) vom 13. Juni 1990 in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung heißt es: „Die Erbschaftsteuern, die für den nach Art. 2.7.6.0.3 des Flämischen Steuergesetzbuchs befreiten Betrag geschuldet worden wären, werden als gewährte Subvention angesehen. Diese Subvention gilt als auf 30 Jahre ab Eröffnung des Nachlasses, für den die Befreiung erteilt wurde, zu einem Anteil von 1/30 pro Jahr gewährt. Diese Subvention gilt als unter folgenden Bedingungen, die während des in Abs. 1 genannten Zeitraums von 30 Jahren erfüllt sein müssen, gewährt:
Falls diese Bedingungen nicht erfüllt werden, hat der Eigentümer oder Nießbraucher des Waldes die Subvention für den restlichen Zeitraum, für den sie als gewährt gilt, zu erstatten …“ |
6 |
Nach Art. 41 Abs. 2 des Forstdekrets legt die Flämische Regierung „die Kriterien für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder“ fest und bestimmt im Einklang mit Art. 7 dieses Dekrets, „für welche Wälder diese Kriterien gelten“. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
7 |
Mit Testament vom 24. Mai 2012 setzte Frau Oyen, die in Belgien wohnte, Herrn Huijbrechts, wohnhaft in den Niederlanden, als Einzelvermächtnisnehmer der Liegenschaften des Anwesens „Klein Zundertse Heide“ in Klein Zundert (Niederlande) ein. Dieses Anwesen von rund 156 ha umfasst ein Waldgebiet, das unter die niederländische Gesetzgebung über den Naturschutz fällt und für das Auflagen zur nachhaltigen Bewirtschaftung entsprechend dem dazu aufgestellten Plan der niederländischen Behörden gelten. |
8 |
Nach dem Tod von Frau Oyen am 1. April 2013 nahm Herr Huijbrechts das Vermächtnis an, und es steht fest, dass die Abwicklung des Nachlasses belgischem Recht unterliegt. |
9 |
Herr Huijbrechts beantragte bei der belgischen Verwaltung die Befreiung von der Erbschaftsteuer auf die in Rede stehende Immobilie nach Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs, wonach „Wald“, für den ein von der flämischen Forstverwaltung genehmigter nachhaltiger Bewirtschaftungsplan gilt, von der Erbschaftsteuer befreit ist. |
10 |
Dieser Antrag wurde mit der Begründung verweigert, dass sich die Liegenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien befindet. |
11 |
Herr Huijbrechts erhob bei der Rechtbank van eerste aanleg van Antwerpen (Gericht erster Instanz Antwerpen, Belgien) eine Klage gegen die Ablehnung seines Antrags und machte geltend, dass Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs gegen den freien Kapitalverkehr verstoße, da diese Bestimmung nicht für nachhaltig bewirtschaftete Wälder gelte, wenn diese sich auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem Königreich Belgien befänden. |
12 |
Dieses Gericht gab der Klage statt, nachdem es festgestellt hatte, dass für das in Rede stehende Anwesen ein nachhaltiger Bewirtschaftungsplan gelte, der demjenigen entspreche, der nach belgischem Recht für die Befreiung nach Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs verlangt werde, und dass Herr Huijbrechts eine Bestätigung vorgelegt habe, die ebenfalls der nach dieser Bestimmung verlangten Bestätigung entspreche. Dieses Gericht war der Ansicht, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Wäldern, die sich in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Belgien befänden, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs sei, die nicht gerechtfertigt sei, da die niederländischen Behörden um Amtshilfe hätten ersucht werden können, um die Einhaltung der Kriterien für eine nachhaltige Forstwirtschaft zu kontrollieren. |
13 |
Die belgische Verwaltung hat gegen dieses Urteil Berufung an den Hof van beroep te Antwerpen (Berufungsgericht Antwerpen, Belgien) eingelegt, der beschlossen hat, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
14 |
Mit diesen Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach für Wälder, die durch Vererbung erworben werden, unter der Voraussetzung eine Steuerbegünstigung gewährt wird, dass sie entsprechend dem nationalen Recht nachhaltig bewirtschaftet werden, aber diese Begünstigung auf Wälder beschränkt wird, die sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden. |
15 |
Nach Art. 63 Abs. 1 AEUV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern verboten. |
16 |
Nach ständiger Rechtsprechung fällt die steuerliche Behandlung von Erbschaften unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr des AEU-Vertrags; ausgenommen sind die Fälle, die mit keinem der wesentlichen Elemente der betreffenden Transaktionen über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen (Urteile vom 17. Januar 2008, Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 25, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 27). |
17 |
Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vermächtnis von einer in Belgien wohnhaften Person zugunsten eines in den Niederlanden wohnhaften Steuerpflichtigen gemacht worden ist und ein Anwesen betrifft, das aus Wald besteht und sich in den Niederlanden befindet. |
18 |
Eine solche Situation fällt demnach in den Anwendungsbereich von Art. 63 Abs. 1 AEUV. |
19 |
Nach ständiger Rechtsprechung stellt es im Bereich der Erbschaftsteuer eine durch Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen davon abhängig gemacht wird, dass der übertragene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist (Urteile vom 17. Januar 2008, Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 35, und vom 18. Dezember 2014, Q, C‑133/13, EU:C:2014:2460, Rn. 20). |
20 |
Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt außerdem „Artikel 63 … nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“. Nach Art. 65 Abs. 3 AEUV dürfen die in Abs. 1 genannten nationalen Bestimmungen jedoch „weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 63“ darstellen. |
21 |
Daher ist zwischen einer nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubten Ungleichbehandlung und einer nach Abs. 3 dieses Artikels verbotenen willkürlichen Diskriminierung zu unterscheiden. Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber, dass eine nationale Steuerregelung wie die im Ausgangsverfahren streitige, die für die Zwecke der Berechnung der Erbschaftsteuer zwischen in einem anderen Mitgliedstaat belegenem Vermögen und im Gebiet des Königreichs Belgien belegenem Vermögen unterscheidet, nur dann als mit den Vertragsvorschriften über den freien Kapitalverkehr vereinbar angesehen werden kann, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom 17. Januar 2008, Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 42) und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit der in Rede stehenden Maßnahme verfolgten Ziels erforderlich ist (Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, EU:C:2006:568, Rn. 32, vom 17. Januar 2008, Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 41, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 41). |
22 |
Für die Beurteilung, ob die ungleiche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, ist auf den Zweck und den Inhalt der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Bestimmungen abzustellen (Urteil vom 18. Dezember 2014, Q, C‑133/13, EU:C:2014:2460, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
23 |
Im vorliegenden Fall geht aus dem Wortlaut von Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs, jetzt Art. 2.7.6.0.3 des Flämischen Steuergesetzbuchs, und der Vorlageentscheidung hervor, dass die nach dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung ein ökologisches Ziel verfolgt, nämlich die nachhaltige Bewirtschaftung der in der Flämischen Region des Königreichs Belgien belegenen Wälder und bewaldeten Gebiete. |
24 |
Außerdem soll nach Angabe der belgischen Regierung mit der Steuerbefreiung eine Zerstückelung der Wälder verhindert werden, die sich aus Verkäufen zur Entrichtung der Erbschaftsteuer ergeben könnte. |
25 |
Ein solch ökologisches Ziel, das in der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder und bewaldeten Gebiete besteht, kann grundsätzlich nur auf das Gebiet einer Region eines Mitgliedstaats oder auf das nationale Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschränkt werden, da ein Waldgebiet nur eine einzelne Masse oder Gesamtheit darstellen kann, auch wenn sich dieses Gebiet auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt und es rechtlich und administrativ in die Zuständigkeit dieser Mitgliedstaaten fällt. |
26 |
Der wirksame Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und Forste ist nämlich ein typisch grenzübergreifendes Umweltproblem, das gemeinsame Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten mit sich bringt (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Juli 2007, Kommission/Österreich, C‑507/04, EU:C:2007:427, Rn. 87, und vom 26. Januar 2012, Kommission/Polen, C‑192/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:44, Rn. 23). |
27 |
In diesem Zusammenhang ist es künstlich und entspricht keinem objektiven Unterschied, eine Unterscheidung zwischen den angrenzenden Teilen desselben Waldes oder desselben Forstes vorzunehmen, je nachdem, ob sie sich in der Flämischen Region des Königreichs Belgien oder im Königreich der Niederlande befinden. |
28 |
Demnach befindet sich ein Steuerpflichtiger, der durch Vererbung Forste oder Wälder erwirbt, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, der an die Flämische Region des Königreichs Belgiens angrenzt, und die den Anforderungen nach Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzes, jetzt Art. 2.7.6.0.3 des Flämischen Steuergesetzbuchs, entsprechend nachweislich nachhaltig bewirtschaftet werden, im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerbefreiung in einer Situation, die mit der Situation eines Steuerpflichtigen vergleichbar ist, der durch Vererbung Forste oder Wälder erwirbt, für die ein dieser Bestimmung entsprechender nachhaltiger Bewirtschaftungsplan gilt und die sich im Hoheitsgebiet dieser Region befinden (vgl. entsprechend Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, EU:C:2006:568, Rn. 40, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 48 bis 50). |
29 |
Daraus folgt, dass der somit festgestellte Unterschied in der steuerlichen Behandlung eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 Abs. 1 AEUV schafft. |
30 |
Eine solche Beschränkung kann gleichwohl dann zulässig sein, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht (Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 52). |
31 |
Dazu trägt die belgische Regierung vor, dass die Beschränkung der Befreiung auf in der Flämischen Region belegene Forste durch Erwägungen im Zusammenhang mit dem Umweltschutz gerechtfertigt sei, insbesondere durch die Notwendigkeit einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Forste und der Natur in der Flämischen Region des Königreichs Belgien, wo Waldgebiete u. a. wegen der Bevölkerungsdichte, der Industrialisierung und des guten Ackerlands sehr stark nachgefragt werden. |
32 |
Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass der Umweltschutz eines der wesentlichen Ziele der Gemeinschaft ist (Urteil vom 11. Dezember 2008, Kommission/Österreich, C‑524/07, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:717, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
33 |
Im vorliegenden Fall unterliegen die Gewährung und die Aufrechterhaltung der Steuerbefreiung nach Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs, jetzt Art. 2.7.6.0.3 des Flämischen Steuergesetzbuchs, tatsächlich der Einhaltung der ökologischen Anforderungen während eines Zeitraums von 30 Jahren. |
34 |
Es ist jedoch festzustellen, dass, soweit diese Steuerbefreiung auch der Bedingung unterliegt, dass sich der durch Vererbung übergegangene Wald oder Forst im Gebiet der Flämischen Region des Königreichs Belgien befindet, diese Befreiung keine Maßnahme ist, die zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele geeignet ist, da die nachhaltige Bewirtschaftung eines Waldgebiets, das sich in einem Gebiet befindet, das – wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende – an zwei Mitgliedstaaten grenzt, eine grenzüberschreitende ökologische Problematik darstellt, die nicht nur auf das Gebiet eines dieser Mitgliedstaaten oder eines Teils davon beschränkt werden kann. |
35 |
Die belgische Regierung trägt auch vor, dass die Beschränkung der Befreiung auf in der Flämischen Region belegene Forste durch die Schwierigkeit, in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Belgien zu überprüfen, ob Forste tatsächlich die nach der nationalen Regelung verlangten Anforderungen erfüllten, um die Befreiung und ihre Beibehaltung zu ermöglichen, sowie durch die Unmöglichkeit, die Kontrolle der tatsächlichen Einhaltung dieser Anforderungen – wie nach dieser Regelung verlangt – 30 Jahre lang zu gewährleisten, gerechtfertigt sei. |
36 |
Das Erfordernis, die Wirksamkeit der Steueraufsicht zu gewährleisten, ist zwar ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann. Jedoch muss eine solche beschränkende Maßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, also geeignet sein, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 52). |
37 |
Aus der ständigen Rechtsprechung geht in diesem Zusammenhang hervor, dass praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob Voraussetzungen für die Erteilung einer Steuerbegünstigung erfüllt sind, die schlichte Weigerung, sie zu gewähren, nicht rechtfertigen können. Die zuständigen Steuerbehörden eines Mitgliedstaats können nämlich vom betreffenden Steuerpflichtigen verlangen, stichhaltige Belege vorzulegen, die es ihnen ermöglichen, die Einhaltung der Anforderungen in Bezug auf die nachhaltige Bewirtschaftung der in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Forste zu überprüfen, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der in Rede stehenden Steuerbefreiung erfüllt sind (vgl. u. a. entsprechend Urteile vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, EU:C:2006:568, Rn. 48, vom 25. Oktober 2007, Geurts und Vogten, C‑464/05, EU:C:2007:631, Rn. 28, vom 17. Januar 2008, Jäger, C‑256/06, EU:C:2008:20, Rn. 54 und 55, sowie vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 53 bis 55). |
38 |
Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es dem Steuerpflichtigen völlig unmöglich macht, den Nachweis zu führen, dass durch Vererbung erworbene Forste einem nachhaltigen Bewirtschaftungsplan unterliegen, der im Einklang mit den Gesetzen des Mitgliedstaats, in dem sie sich befinden, ausgearbeitet wurde und identischen Anforderungen genügen wie denjenigen nach Art. 55c des Erbschaftsteuergesetzbuchs, kann nicht mit der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2005, Laboratoires Fournier, C‑39/04, EU:C:2005:161, Rn. 25, vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C‑386/04, EU:C:2006:568, Rn. 48, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 60). |
39 |
Was die von der belgischen Regierung behauptete Unmöglichkeit angeht, die Einhaltung eines solchen Plans über einen Zeitraum von 30 Jahren, wie nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung für im Gebiet der Flämischen Region belegene Forste verlangt, in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Belgien zu überprüfen, geht jedoch aus dem Vorstehenden hervor, dass dieses Argument in abstracto nicht wirksam entgegengehalten werden kann und dass es voraussetzt, dass die Steuerbehörden des besteuernden Mitgliedstaats nachweisen, dass sie tatsächlich nicht über die Möglichkeit verfügen, während eines solchen Zeitraums die erforderlichen Informationen von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem sich die Forste befinden, zu erhalten. |
40 |
In dem Fall, dass der Mitgliedstaat, in dem sich die Wälder befinden, eine gleichartige Steuerbegünstigung gewährt wie die im Ausgangsverfahren streitige, die gleichwertigen Bedingungen unterliegt und insbesondere der Geltung eines Bewirtschaftungsplans, der dem nach der belgischen Regelung vorgesehenen vergleichbar ist, kann keineswegs von vornherein ausgeschlossen werden, dass der besteuernde Mitgliedstaat im Rahmen der unionsrechtlich eingerichteten gegenseitigen Amtshilfe die Informationen erhält, die notwendig sind, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung und die Beibehaltung der nach dieser Regelung vorgesehenen Steuervergünstigung erfüllt sind (vgl. insbesondere in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 68). |
41 |
Jedenfalls sind die zuständigen Steuerbehörden durch nichts daran gehindert, bei Nichtvorlage der Nachweise, die sie für die zutreffende Steuerfestsetzung als erforderlich ansehen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Steuerbefreiung zu verweigern (vgl. insbesondere in diesem Sinne Urteil vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
42 |
Zur von der belgischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen aufgeworfenen Frage, ob diese Analyse auch für in Drittländern belegene Wälder gilt, ist klarzustellen, dass eine Antwort auf eine solche Frage nicht nur für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht notwendig ist, sondern auch, dass es jedenfalls gerechtfertigt ist, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung einer solchen Steuervergünstigung ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittlands zur Erteilung von Auskünften, als unmöglich erweist, die erforderlichen Auskünfte von diesem Land zu erhalten (Urteile vom 18. Dezember 2007, A, C‑101/05, EU:C:2007:804, Rn. 63, und vom 27. Januar 2009, Persche, C‑318/07, EU:C:2009:33, Rn. 70). |
43 |
Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach für Wälder, die durch Vererbung erworben werden, unter der Voraussetzung eine Steuerbegünstigung gewährt wird, dass sie entsprechend dem nationalen Recht nachhaltig bewirtschaftet werden, aber diese Begünstigung auf Wälder beschränkt wird, die sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden. |
Kosten
44 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wonach für Wälder, die durch Vererbung erworben werden, unter der Voraussetzung eine Steuerbegünstigung gewährt wird, dass sie entsprechend dem nationalen Recht nachhaltig bewirtschaftet werden, aber diese Begünstigung auf Wälder beschränkt wird, die sich im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befinden. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.
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Referenzen
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