Schlussantrag des Generalanwalts vom Europäischer Gerichtshof - C-43/18
Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 24. Januar 2019(1)
Rechtssache C‑43/18
Compagnie d’entreprises CFE SA
gegen
Région de Bruxelles-Capitale
(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Staatsrat, Belgien])
Rechtssache C‑321/18
Terre wallonne ASBL
gegen
Région wallonne
(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Staatsrat, Belgien])
„Vorabentscheidungsersuchen – Umwelt – Richtlinie 2001/42/EG – Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Maßnahmen zur Verwaltung von Schutzgebieten – Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets – Begriff der Pläne und Programme – Verpflichtung, eine Umweltprüfung durchzuführen – Festlegung der Erhaltungsziele für die Region Wallonien“
I. Einleitung
1. In welchem Verhältnis stehen die SUP-Richtlinie (SUP steht für strategische Umweltprüfung)(2) und die Habitatrichtlinie(3) zueinander? Diese Frage werfen die beiden Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État (Staatsrat, Belgien) auf, die ich gemeinsam untersuche.
2. Hintergrund sind die verschiedenen Prüfungen von Umweltauswirkungen, die das Unionsrecht vorsieht, im vorliegenden Fall insbesondere die in Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie geregelte Verträglichkeitsprüfung von Plänen und Projekten, die Natura-2000-Gebiete beeinträchtigen können, und die Umweltprüfung von Plänen und Programmen nach der SUP-Richtlinie. Dagegen spielt die bekannteste Prüfung, die Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten nach der UVP-Richtlinie(4), im vorliegenden Fall keine besondere Rolle.
3. Dabei geht es in der Rechtssache CFE um die Umsetzung der Habitatrichtlinie im Wege der innerstaatlichen Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets, die den Erlass verschiedener Schutzregelungen mit sich bringt, und in der Rechtssache Terre wallonne um die Festlegung von Erhaltungszielen für alle Natura-2000-Gebiete der Region Wallonien, womit ebenfalls die Habitatrichtlinie durchgeführt werden soll. Gegen beide Rechtsakte wird eingewandt, dass vor ihrem Erlass eine Umweltprüfung gemäß der SUP-Richtlinie hätte durchgeführt werden müssen.
4. Insofern ist insbesondere zu klären, ob Maßnahmen, die unmittelbar mit der Verwaltung von Natura-2000-Gebieten in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind, vorliegend die Ausweisung eines Schutzgebiets und die Festlegung von Erhaltungszielen, grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie, ausgeschlossen sind. Für dieses Ergebnis wird vor allem vorgetragen, dass derartige Maßnahmen ausdrücklich nicht der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie unterliegen. Doch was bedeutet das für die Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie?
5. Daneben ist zu erörtern, ob die genannten Maßnahmen konkret die Voraussetzungen für eine Umweltprüfung erfüllen. Insoweit ist vor allem zu klären, ob sie einen Rahmen für die spätere Genehmigung von Projekten setzen.
6. Hervorzuheben ist die praktische Bedeutung der vorliegenden Verfahren. Natura 2000 umfasst etwa 18 % der Landfläche sowie 6 % der Meeresfläche der Europäischen Union in vielen Tausenden Einzelgebieten. Da bislang Verwaltungsmaßnahmen anscheinend häufig ohne eine Umweltprüfung getroffen werden, könnte eine Verpflichtung zur Umweltprüfung von Maßnahmen zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten dieses Netzwerk in Frage stellen.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. SUP-Richtlinie
7. Die Ziele der SUP-Richtlinie ergeben sich insbesondere aus Art. 1:
„Ziel dieser Richtlinie ist es, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden.“
8. Pläne und Programme werden durch Art. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie definiert:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) ‚Pläne und Programme‘ Pläne und Programme, einschließlich der von der Europäischen Gemeinschaft mitfinanzierten, sowie deren Änderungen,
– die von einer Behörde auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene ausgearbeitet und/oder angenommen werden oder die von einer Behörde für die Annahme durch das Parlament oder die Regierung im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden und
– die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden müssen“.
9. Für die Ausgangsfälle ist insbesondere die Verpflichtung zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 1 bis 5 der SUP-Richtlinie von Interesse:
„(1) Die unter die Abs. 2 bis 4 fallenden Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, werden einer Umweltprüfung nach den Art. 4 bis 9 unterzogen.
(2) Vorbehaltlich des Abs. 3 wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen,
a) die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der [UVP-Richtlinie] aufgeführten Projekte gesetzt wird oder
b) bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkungen auf Gebiete eine Prüfung nach Art. 6 oder 7 der [Habitatrichtlinie] für erforderlich erachtet wird.
(3) Die unter Abs. 2 fallenden Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen, sowie geringfügige Änderungen der unter Absatz 2 fallenden Pläne und Programme bedürfen nur dann einer Umweltprüfung, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
(4) Die Mitgliedstaaten befinden darüber, ob nicht unter Abs. 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
(5) Die Mitgliedstaaten bestimmen entweder durch Einzelfallprüfung oder durch Festlegung von Arten von Plänen und Programmen oder durch eine Kombination dieser beiden Ansätze, ob die in den Abs. 3 und 4 genannten Pläne oder Programme voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Zu diesem Zweck berücksichtigen die Mitgliedstaaten in jedem Fall die einschlägigen Kriterien des Anhangs II, um sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, von dieser Richtlinie erfasst werden.“
2. Habitatrichtlinie
10. Natura 2000, das Netz europäischer Schutzgebiete, wird in Art. 3 Abs. 1 der Habitatrichtlinie definiert:
„Es wird ein kohärentes europäisches ökologisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung ‚Natura 2000‘ errichtet. Dieses Netz besteht aus Gebieten, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I sowie die Habitate der Arten des Anhang[s] II umfassen, und muss den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.
…“
11. Art. 4 der Habitatrichtlinie enthält die konkreten Regelungen zur Gebietsausweisung:
„(1) Anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. …
…
(2) Auf der Grundlage der in Anhang III (Phase 2) festgelegten Kriterien und im Rahmen der neun in Art. 1 Buchst. c) Ziffer iii) erwähnten biogeographischen Regionen sowie des in Art. 2 Abs. 1 genannten Gesamtgebietes erstellt die Kommission jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten aus den Listen der Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, …
…
Die Liste der Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewählt wurden und in der die Gebiete mit einem oder mehreren prioritären natürlichen Lebensraumtyp(en) oder einer oder mehreren prioritären Art(en) ausgewiesen sind, wird von der Kommission nach dem Verfahren des Art. 21 festgelegt.
(3) …
(4) Ist ein Gebiet aufgrund des in Abs. 2 genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so weist der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich – spätestens aber binnen sechs Jahren – als besonderes Schutzgebiet aus und legt dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach fest, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.
(5) Sobald ein Gebiet in die Liste des Abs. 2 Unterabs. 3 aufgenommen ist, unterliegt es den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2, 3 und 4.“
12. Der Gebietsschutz ist in Art. 6 Abs. 1 bis 3 der Habitatrichtlinie wie folgt geregelt:
„(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.
(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.
(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Abs. 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“
B. Innerstaatliches Recht
1. Die Ausweisungsentscheidung der Region Brüssel-Hauptstadt für das Gebiet Forêt de Soignes
13. Gegenstand des Verfahrens, das zur Rechtssache CFE geführt hat, ist der Arrêté du Gouvernement de la Région de Bruxelles-Capitale portant désignation du site Natura 2000 – BE1000001: « La Forêt de Soignes avec lisières et domaines boisés avoisinants et la Vallée de la Woluwe – complexe Forêt de Soignes – Vallée de la Woluwe » du 14 avril 2016 (Erlass der Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt vom 14. April 2016 über die Ausweisung des Natura-2000-Gebiets BE1000001 „Wald von Soignes mit Randbeständen und benachbarten Waldgebieten und Woluwe-Tal. Komplex Wald von Soignes – Woluwe-Tal“)(5).
14. Dieser Erlass bestimmt im Wesentlichen, welche Flächen Teil des besonderen Schutzgebiets sind, welche Lebensraumtypen und Arten dort vorkommen, in welchem Erhaltungszustand sie sich bei der Identifizierung des Gebiets befanden, welcher Erhaltungszustand erreicht werden soll und warum das Gebiet geschützt wird.
15. Art. 15 des Erlasses enthält bestimmte Verbote zum Schutz des Gebiets:
„(1) Gemäß Art. 47 Abs. 2 der [Naturschutzverordnung vom 1. März 2012] legt dieser Artikel allgemeine Verbote für das durch diesen Erlass ausgewiesene Natura 2000-Gebiet fest.
(2) Vorbehaltlich besonderer Bestimmungen, die eine Freistellung oder Abweichung zulassen, ist sie für Projekte, die weder der Erlaubnis noch der Genehmigung im Sinne von Art. 47 Abs. 2 [der Naturschutzverordnung vom 1. März 2012] unterliegen, verboten:
1. einheimische Pflanzenarten, einschließlich Moose, Pilze und Flechten, zu entfernen, zu entwurzeln, zu beschädigen oder zu zerstören und den Pflanzenbestand zu zerstören, zu verschlechtern oder zu verändern;
2. …“
2. Die Festlegung der Erhaltungsziele in der Region Wallonien
16. Im Ausgangsverfahren zu der Rechtssache Terre wallonne geht es um den Erlass der Wallonischen Regierung vom 1. Dezember 2016 zur Festlegung der Erhaltungsziele für das Natura 2000-Netz(6). Darin werden quantitative und qualitative Erhaltungsziele für Lebensraumtypen und Arten in der gesamten Region festgelegt.
17. Die Grundlage für den Erlass liegt in Art. 25bisdes Gesetzes vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur:
„Art. 25bis. § 1. Die Regierung legt auf der Ebene der Wallonischen Region Erhaltungsziele für jeden natürlichen Lebensraumtyp und jeden Artentyp fest, für die Gebiete auszuweisen sind.
Die Erhaltungsziele werden auf der Grundlage des Erhaltungszustands der natürlichen Lebensraumtypen und der Arten, für die Gebiete auszuweisen sind, auf der Ebene der Wallonischen Region bestimmt und sollen die natürlichen Lebensraumtypen und die Arten, für die Gebiete auszuweisen sind, erhalten oder gegebenenfalls wiederherstellen.
Diese Erhaltungsziele sind Richtwerte.
§ 2. Auf der Grundlage der in § 1 erwähnten Erhaltungsziele legt die Regierung Erhaltungsziele fest, die auf der Ebene der Natura 2000-Gebiete anwendbar sind.
Diese Erhaltungsziele haben den Charakter von Vorschriften. Sie sind anhand der in Art. 26 § 1 Abs. 2, 2° und 3° genannten Angaben auszulegen.“
18. In den Erwägungsgründen des Erlasses wird die Zielsetzung insbesondere wie folgt dargestellt:
„…
Gemäß Art. 1bis, 21bis, und Art. 25bis § 1 Abs. 1 des Gesetzes [vom 12. Juli 1973 über die Erhaltung der Natur] sind auf der Ebene des gesamten wallonischen Gebiets (und nicht nur für das Natura 2000-Netz) Erhaltungsziele festzulegen, um einen Gesamtüberblick darüber zu haben, was zu erhalten ist oder was in der Wallonischen Region gegebenenfalls wiederherzustellen ist, damit die Lebensräume und Arten, für die das Natura 2000-Netz geschaffen wird, in einem günstigen Erhaltungszustand bewahrt werden oder ein solcher wiederhergestellt wird; diese Ziele sind Richtwerte.
Die Erhaltungsziele auf Gebietsebene sind auf der Grundlage der auf der Ebene des gesamten wallonischen Territoriums festgelegten Erhaltungsziele festzulegen; diese Ziele haben den Charakter von Vorschriften. …
…
Diese Ziele sind in einem bestimmten Natura 2000-Gebiet nur dann anwendbar, wenn dieses Gebiet für diese Art oder diesen Lebensraum ausgewiesen wird.“
III. Sachverhalte und Vorabentscheidungsersuchen
A. Rechtssache C‑43/18 – CFE
19. Die Aktiengesellschaft C.F.E. (im Folgenden: CFE) ist seit 1983 Eigentümerin eines Grundstücks, das den größten Teil des Plateau de la Foresterie in Watermael-Boitsfort, einer Gemeinde im Süden der Region Brüssel-Hauptstadt in Belgien, umfasst.
20. Am 7. Dezember 2004 verabschiedete die Europäische Kommission in Anwendung der Habitatrichtlinie die erste Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region, in der das Natura-2000-Gebiet BE1000001 „La Forêt de Soignes avec lisières et domaines boisés avoisinants et la Vallée de la Woluwe. Complexe Forêt de Soignes – Vallée de la Woluwe“(Wald von Soignes mit Randbeständen und benachbarten Waldgebieten und Woluwe-Tal. Komplex Wald von Soignes – Woluwe-Tal) enthalten war(7). Das Grundstück von CFE ist Teil dieses Gebiets.
21. CFE erhob gegen diese Entscheidung der Kommission eine Klage, die mit Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 19. September 2006 zurückgewiesen wurde(8).
22. CFE gibt an, erstmals am 9. Oktober 2007 davon erfahren zu haben, dass ein erheblicher Teil ihres Grundstücks von 1937 bis 1987 durch die Gemeinde Watermael-Boitsfort als illegale Deponie genutzt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe ihr nämlich das I.B.G.E. (Institut Bruxellois pour la Gestion de l’Environnement, Brüsseler Institut für Umweltmanagement, Belgien) einen Warnhinweis übermittelt, verbunden mit der Aufforderung, ein Sanierungskonzept für ihr Grundstück vorzulegen.
23. Am 9. Juli 2015 genehmigte die Regierung der Region Brüssel-Hauptstadt in erster Lesung den Vorentwurf des Erlasses zur Ausweisung des genannten Natura-2000-Gebiets. Eine öffentliche Anhörung zu diesem Vorentwurf des Erlasses fand vom 24. September bis zum 7. November 2015 statt. Sie führte zu 202 Beschwerden, darunter eine der CFE. Gleichwohl verabschiedete die Regierung den Erlass zur Ausweisung des genannten Natura-2000-Gebiets am 14. April 2016.
24. Mit einer am 12. Juli 2016 eingereichten Klage begehrt CFE nunmehr die Nichtigerklärung des Erlasses vom 14. April 2016. Dabei beanstandet sie insbesondere, dass keine Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie durchgeführt worden sei.
25. In diesem Verfahren richtet der Conseil d’État (Staatsrat) daher die folgenden Fragen an den Gerichtshof:
1. Stellt ein Erlass, mit dem eine Einrichtung eines Mitgliedstaats gemäß der Habitatrichtlinie ein besonderes Schutzgebiet ausweist und der Erhaltungsziele und allgemeine Präventivmaßnahmen mit Regelungscharakter enthält, einen Plan oder ein Programm im Sinne der SUP-Richtlinie dar?
2. Wird ein solcher Erlass insbesondere von Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie als Plan oder Programm erfasst, durch den oder das der Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten gesetzt wird, so dass die Mitgliedstaaten unter Beachtung von Abs. 5 darüber befinden müssen, ob der Plan oder das Programm voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen hat?
3. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie dahin auszulegen, dass der genannte Erlass zur Schutzgebietsausweisung der Anwendung ihres Art. 3 Abs. 4 entzogen ist?
26. Schriftlich haben sich die Compagnie d’entreprises CFE, die Region Brüssel-Hauptstadt, Irland, die Tschechische Republik und die Europäische Kommission geäußert.
B. Rechtssache C‑321/18 – Terre wallonne
27. Am 8. November 2012 begann das Verfahren zur Annahme eines Erlasses zur Festlegung der Erhaltungsziele für das Natura-2000-Netz für die Region Wallonien. Vom 10. Dezember 2012 bis zum 8. Februar 2013 fand eine öffentliche Untersuchung in den 218 vom Natura-2000-Netz betroffenen Gemeinden statt. Am 1. Dezember 2016 erließ die wallonische Regierung den Erlass.
28. Mit einer am 9. Februar 2017 eingereichten Klageschrift beantragt die Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht (A.S.B.L.) Terre wallonne die Nichtigerklärung des Erlasses vom 1. Dezember 2016.
29. In diesem Verfahren richtet der Conseil d’État (Staatsrat) nunmehr die folgenden Fragen an den Gerichtshof:
1. Ist der Erlass, mit dem ein Organ eines Mitgliedstaats im Einklang mit der Habitatrichtlinie die Erhaltungsziele für das Natura 2000-Netz festlegt, ein Plan oder Programm im Sinne der SUP-Richtlinie und insbesondere im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie?
2. Wenn ja, ist ein solcher Erlass dann einer Umweltprüfung gemäß der SUP-Richtlinie zu unterziehen, obwohl es einer solchen Prüfung nach der Habitatrichtlinie, auf deren Grundlage der Erlass ergangen ist, nicht bedarf?
30. Schriftlich haben sich Terre wallonne, das Königreich Belgien, Irland, die Tschechische Republik und die Europäische Kommission geäußert.
C. Gemeinsame mündliche Verhandlung
31. Der Gerichtshof führte am 13. Dezember 2018 eine gemeinsame mündliche Verhandlung durch, an der sich CFE, die Region Brüssel-Hauptstadt, Belgien und die Kommission beteiligten.
IV. Rechtliche Würdigung
32. Die beiden Vorabentscheidungsersuchen sollen klären, ob Maßnahmen, die im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie unmittelbar mit der Verwaltung von Natura-2000-Gebieten in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind, als Pläne oder Programme einer Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie bedürfen.
33. Konkret geht es in der Rechtssache CFE um einen Rechtsakt, der für ein bereits vorläufig geschütztes Gebiet einen spezifischen innerstaatlichen Schutzstatus begründet, und in der Rechtssache Terre wallonne um eine Maßnahme, mit der die Erhaltungsziele für alle Natura-2000-Gebiete der Region Wallonien zusammengefasst werden.
34. Der Staatsrat geht zutreffend davon aus, dass diese Maßnahmen unmittelbar mit der Verwaltung von Natura-2000-Gebieten in Verbindung stehen und hierfür notwendig sind. Die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets begründet den innerstaatlichen Schutzstatus des Gebiets und setzt den Rahmen für die Gebietsverwaltung. Die Zusammenfassung der Erhaltungsziele aller Natura-2000-Gebiete der Region Wallonien stellt den jeweiligen gebietsspezifischen Rahmen in einen größeren Zusammenhang.
35. Es steht außer Streit, dass diese beiden Maßnahmen die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der SUP-Richtlinie erfüllen. Sie wurden von Behörden auf regionaler Ebene angenommen und mussten aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften erstellt werden, nämlich aufgrund der Habitatrichtlinie und des jeweiligen Umsetzungsrechts.
36. Die Fragen des Staatsrats richten sich auf zwei andere Problemkomplexe, nämlich primär, ob Maßnahmen zum Schutz und zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten in jedem Fall von der strategischen Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie ausgeschlossen sind, und falls nicht, ob sie die übrigen Voraussetzungen einer strategischen Umweltprüfung nach Art. 3 der SUP-Richtlinie erfüllen, insbesondere, ob sie einen Rahmen für die spätere Genehmigung von Projekten setzen.
A. Die strategische Umweltprüfung von Maßnahmen zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten
37. Brüssel, Belgien, Irland und die Kommission gehen davon aus, dass Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie und die Ausnahme für Maßnahmen der Gebietsverwaltung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie die strategische Umweltprüfung im Zusammenhang mit Natura-2000-Gebieten auf die Prüfung von Plänen und Projekten beschränken, die auch einer Verträglichkeitsprüfung nach der Habitatrichtlinie unterliegen. Maßnahmen zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten bedürften danach niemals einer Umweltprüfung.
38. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie wird eine Umweltprüfung bei Plänen und Programmen vorgenommen, bei denen angesichts ihrer voraussichtlichen Auswirkungen auf Gebiete eine Prüfung nach Art. 6 oder 7 der Habitatrichtlinie für erforderlich erachtet wird. Diese Prüfung soll alle Umweltauswirkungen der jeweiligen Maßnahme darstellen, doch die SUP-Richtlinie verbindet mit diesen Auswirkungen keine Rechtsfolgen.
39. Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie schließt jedoch Pläne oder Projekte, die unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür notwendig sind, von der dort vorgesehenen Verträglichkeitsprüfung aus. Die zuständigen innerstaatlichen Stellen dürfen dagegen andere Pläne und Projekte nur zulassen, wenn die Verträglichkeitsprüfung zeigt, dass sie das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen.
40. Da die streitgegenständlichen Maßnahmen unmittelbar mit der Verwaltung von Natura-2000-Gebieten in Verbindung stehen, unterliegen sie nicht der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie und bedürfen daher auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie einer Umweltprüfung.
41. Doch damit ist noch nicht entschieden, ob eine Umweltprüfung aufgrund von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie ausgeschlossen ist.
42. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie wird eine Umweltprüfung bei allen Plänen und Programmen vorgenommen, die in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung ausgearbeitet werden und durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung der in den Anhängen I und II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projekte gesetzt wird.
43. Die Zweifel verschiedener Beteiligte, ob die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets oder die Festlegung von Erhaltungszielen für die Natura-2000-Gebiete einer Region einem dieser Bereiche zugeordnet werden kann, sind gut nachvollziehbar.
44. Dies muss jedoch nicht weiter vertieft werden, denn gemäß Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie befinden die Mitgliedstaaten ferner darüber, ob nicht unter Abs. 2 fallende Pläne und Programme, durch die der Rahmen für die künftige Genehmigung von (anderen) Projekten gesetzt wird, voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben(9). Ist dies der Fall, so muss ebenfalls eine Umweltprüfung durchgeführt werden.
45. Zwar betonen die oben genannten Beteiligten zutreffend, dass der Unionsgesetzgeber Maßnahmen zur Gebietsverwaltung in Art. 3 der SUP-Richtlinie nicht erwähnt hat. Doch andererseits besagt auch keine der genannten Bestimmungen ausdrücklich, dass Maßnahmen der Gebietsverwaltung von der strategischen Umweltprüfung ausgeschlossen sind.
46. Wenn allerdings die Ausnahme für die Gebietsverwaltung nicht auch für die SUP-Richtlinie gelten sollte, könnte auf den ersten Blick ein Wertungswiderspruch zwischen den beiden Richtlinien entstehen. Warum sollte der Unionsgesetzgeber die Maßnahmen zur Gebietsverwaltung ausdrücklich von der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie ausnehmen, sie aber zugleich der Pflicht zur Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie unterwerfen?
47. Tatsächlich besteht aber kein solcher Widerspruch, denn die beiden Prüfungen haben unterschiedliche Funktionen.
48. Die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie soll klären, ob ein Plan oder ein Projekt nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 oder Abs. 4 genehmigt werden kann. Denn die zuständigen Stellen dürfen einem Plan oder Programm nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 nur zustimmen, wenn die Verträglichkeitsprüfung vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen, die das betreffende Schutzgebiet beeinträchtigen könnten(10). Und die Ausnahme von diesen strengen Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie kommt erst zur Anwendung, nachdem die Auswirkungen eines Plans oder Projekts gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie analysiert worden sind(11).
49. Insbesondere die Anforderungen an eine Zustimmung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie schließen eine Anwendung auf Maßnahmen zur Gebietsverwaltung aus. Denn bei der Gebietsverwaltung wird es oft unmöglich sein, die jeweiligen Maßnahmen so zu strukturieren, dass jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel an einer Beeinträchtigung von Erhaltungszielen ausgeschlossen werden kann. Speziell für die Ausweisung von besonderen Schutzgebieten verlangt Art. 4 Abs. 4 der Habitatrichtlinie sogar ausdrücklich, dass die zuständigen Stellen insbesondere bei der Gebietsausweisung Prioritäten setzen müssen, also bestimmten Zielen gegenüber anderen den Vorrang einräumen(12).
50. Beispielsweise verlangt der Schutz von Offenlandlebensraumtypen, also insbesondere von Wiesen, in der Regel, dass Büsche oder Bäume beseitigt werden, die ihrerseits Lebensraum für geschützte Arten bieten könnten oder sich zu anderen geschützten Lebensraumtypen entwickeln könnten.
51. Darüber hinaus wird es oft notwendig sein, bestimmte Maßnahmen zum Schutz von Lebensraumtypen und Arten zu treffen, obwohl nicht jeder vernünftige wissenschaftliche Zweifel an damit verbundenen Nachteilen für die Erhaltungsziele des Gebiets ausgeschlossen werden kann. So geht man davon aus, dass viele Lebensraumtypen auf bestimmte Formen der Bewirtschaftung angewiesen sind(13), ohne aber Beeinträchtigungen durch eine solche Bewirtschaftung in jedem Fall ausschließen zu können.
52. Im Gegensatz zur Habitatrichtlinie enthält die SUP-Richtlinie selbst keine materiell-rechtlichen Anforderungen an die Genehmigung eines Projekts(14). Sie soll vor allem sicherstellen, dass Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen bei ihrer Annahme berücksichtigt werden.
53. Eine solche Berücksichtigung muss zwar in jedem Fall die Beachtung zwingender umweltrechtlicher Vorgaben einschließen, doch diese können sich nur aus anderen Regelungen als der SUP-Richtlinie ergeben, etwa aus der Habitatrichtlinie oder der Wasserrahmenrichtlinie(15).
54. Insbesondere Irland und die Kommission stützen sich allerdings auch darauf, dass Maßnahmen zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten ihrer Natur nach keine nachteiligen Umweltauswirkungen hätten, während die SUP-Richtlinie darauf abzielt, solche Auswirkungen zu identifizieren und zu berücksichtigen.
55. In der Tat ist die strategische Umweltprüfung nach dem vierten Erwägungsgrund der SUP-Richtlinie ein Instrument, um den Schutz der Umwelt in andere Aktivitäten zu integrieren. Sie zielt dagegen nicht vorrangig darauf ab, Maßnahmen zum Umweltschutz einer Prüfung zu unterwerfen.
56. Wie allerdings bereits in der mündlichen Verhandlung angesprochen wurde, hat der Gerichtshof bereits im Urteil Terre wallonne aus dem Jahr 2010(16) entschieden, dass auch eine Maßnahme zum Umweltschutz eine Umweltprüfung erfordern kann. Dabei ging es um das Aktionsprogramm der Region Wallonien zur Durchführung der Nitratrichtlinie(17).
57. In Bezug auf Maßnahmen zur Verwaltung von Natura-2000-Gebieten zeigt schon die Möglichkeit von Zielkonflikten bei Maßnahmen zur Gebietsverwaltung, dass diese die Umwelt nicht zwangsläufig schützen oder verbessern, sondern auch beeinträchtigen können.
58. Hinzu kommt das Risiko, dass Maßnahmen zur Gebietsverwaltung schlecht oder unzureichend gestaltet werden und daher entweder selbst die Gebiete beeinträchtigen oder drohende Beeinträchtigungen nicht verhindern. Außerdem ist die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Gebietsverwaltung häufig nicht zweifelsfrei geklärt.
59. Solche Zweifel an der Qualität des Erlasses der Region Wallonien haben vermutlich die Umweltvereinigung Terre wallonne dazu veranlasst, im vorliegenden Verfahren gegen diesen Erlass vorzugehen.
60. Folglich zwingt das abstrakte Ziel von Maßnahmen der Gebietsverwaltung, den Gebietsschutz nach der Habitatrichtlinie zu verwirklichen, nicht zu der Schlussfolgerung, dass diese Maßnahmen keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt haben können.
61. Vor diesem Hintergrund liegt ein Wertungswiderspruch eher in der Habitatrichtlinie selbst. Sie unterwirft im Zusammenhang mit Natura-2000-Gebieten die Genehmigung von Plänen und Projekten einer strengen Prüfung, die auf der Basis der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgenommen werden muss(18). Dagegen erfordert die Gebietsverwaltung – zumindest nach dem Wortlaut der Habitatrichtlinie – keine wissenschaftlichen Grundlagen.
62. Aber auch daraus kann nicht geschlossen werden, dass der Unionsgesetzgeber die Gebietsverwaltung von jeglicher Umweltprüfung ausschließen wollte. Vielmehr zeigt dieser Widerspruch vor allem, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Habitatrichtlinie keine Notwendigkeit sah, diese Frage abschließend und detailliert zu regeln. Er ging offenbar davon aus, dass die Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung die nötigen Maßnahmen ergreifen würden.
63. Solche Maßnahmen sind notwendig, denn die Gebietsverwaltung kann die Erhaltungsziele der Gebiete ebenfalls erheblich beeinträchtigen und sollte daher wissenschaftlich mindestens genauso gut abgesichert werden wie Entscheidungen über andere Pläne und Projekte(19). Der Umstand, dass die zuständigen Stellen beim Erlass der streitgegenständlichen Maßnahmen die Öffentlichkeit beteiligten, bestätigt im Übrigen diese Einschätzung.
64. Wenn aber der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Habitatrichtlinie Regelungen über die Umweltprüfung und die Öffentlichkeitsbeteiligung im Zusammenhang mit der Gebietsverwaltung nicht für notwendig erachtete, bedeutet das noch nicht, dass er beim späteren Erlass von allgemeinen Regeln für die Umweltprüfung die Verwaltung von Natura-2000-Gebieten ausschließen wollte.
65. Vielmehr können die Umweltprüfung nach der SUP-Richtlinie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der UVP-Richtlinie oder für sonstige Fälle eine Öffentlichkeitsbeteiligung mit Prüfung der Umweltauswirkungen nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens von Aarhus(20) die Regeln der Habitatrichtlinie zur Gebietsverwaltung in Bezug auf die Prüfung möglicher Umweltauswirkungen und die Öffentlichkeitsbeteiligung sinnvoll ergänzen.
66. Diese Überlegungen sind schließlich auch dem Argument entgegenzuhalten, eine Anwendung der SUP-Richtlinie würde die Durchführung der Habitatrichtlinie unerträglich verzögern. Denn es birgt erhebliche Risiken, Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Effizienz zu opfern. Welchen Nutzen hat Natura 2000, wenn die Gebiete zwar der Form nach zügig festgelegt werden, der tatsächliche Schutz von Arten und Lebensraumtypen aber unzureichend ist, weil die einzelnen Maßnahmen ohne hinreichende Fundierung und Beteiligung der Öffentlichkeit getroffen wurden?
67. Somit stehen Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie und die Ausnahme für Maßnahmen der Gebietsverwaltung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie einer Verpflichtung zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nicht entgegen.
B. Zu den Begriffen Plan und Programm im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 der SUP-Richtlinie
68. Aufgrund der bisherigen Überlegungen steht fest, dass die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets und die Festlegung von Erhaltungszielen für die Natura-2000-Gebiete einer Region nicht aufgrund von Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden müssen. Wie oben in den Nrn. 42 und 44 gezeigt, könnte eine Verpflichtung zur Umweltprüfung jedoch insbesondere aus Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie folgen.
69. Diese Verpflichtung – genau wie die Prüfungspflicht nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie – hängt davon ab, dass der jeweilige Plan oder das Programm den Rahmen für die künftige Genehmigung von Projekten setzt.
70. Dazu hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Begriff „Pläne und Programme“ sich auf jeden Rechtsakt bezieht, der dadurch, dass er die in dem betreffenden Bereich anwendbaren Regeln und Verfahren zur Kontrolle festlegt, eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte aufstellt, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben(21). In dieser Hinsicht ist der Begriff „signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten“ qualitativ und nicht quantitativ zu verstehen. Es sollen nämlich mögliche Strategien zur Umgehung der in der SUP-Richtlinie genannten Verpflichtungen, die die Maßnahmen zerstückeln und so die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie verringern könnten, vermieden werden(22).
1. Zur Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets
71. Die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets, wie sie Gegenstand der Rechtssache CFE ist, kann auf zweierlei Art und Weise einen Rahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder Abs. 4 der SUP-Richtlinie setzen. Erstens kann bereits die Festlegung eines Schutzgebiets mit bestimmten Erhaltungszielen einen Rahmen für die Genehmigung von Vorhaben setzen, und zweitens können mit der Ausweisung spezifische Schutzregelungen verbunden sein, die einen solchen Rahmen enthalten.
a) Zur Festlegung eines Schutzgebiets mit bestimmten Erhaltungszielen
i) Die Ausweisung als solche
72. Die Festlegung eines Schutzgebiets mit bestimmten Erhaltungszielen setzt zweifelsohne einen strengen Rahmen für die Genehmigung von Projekten innerhalb und in der Umgebung des Schutzgebiets. Denn solche Vorhaben – unabhängig davon, ob sie der UVP-Richtlinie unterliegen oder nicht(23) – können nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie zugelassen werden. Maßstab für die notwendige Prüfung sind die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele.
73. Vorhaben innerhalb dieses Rahmens sind zwar bereits Gegenstand von Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der SUP-Richtlinie. Doch das schließt es nicht aus, die Festlegung des Rahmens selbst Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 4 der Richtlinie zuzuweisen.
74. Somit ergibt sich aus der Festlegung eines besonderen Schutzgebiets im Zusammenspiel mit Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie eine qualitativ signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte.
75. Allerdings entsteht dieser Rahmen nicht zwangsläufig erst mit der Ausweisung des besonderen Schutzgebiets. Zwar sind Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie, wenn man sie isoliert liest, nur auf besondere Schutzgebiete anzuwenden, doch Art. 4 Abs. 5 sieht vor, dass ein Gebiet den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 bereits unterliegt, sobald es in die Gemeinschaftsliste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 aufgenommen ist. In diese Liste nimmt die Kommission nach Art. 4 Abs. 2 der Habitatrichtlinie die Gebiete auf, die sie aus den Gebietsvorschlägen auswählt, die die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 vorlegen. Die in die Liste aufgenommenen Gebiete müssen die Mitgliedstaaten zwar als besondere Schutzgebiete ausweisen, doch dafür haben sie nach Art. 4 Abs. 4 bis zu sechs Jahre Zeit. Der Schutz durch Art. 6 Abs. 3 und 4 erfasst die Natura-2000-Gebiete daher in der Regel schon lange, bevor sie den Status eines besonderen Schutzgebiets erhalten.
76. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste werden zwar noch nicht ausdrücklich bestimmte Erhaltungsziele festgelegt, doch diese ergeben sich aus der Gesamtheit der Lebensräume und Arten, für die das Gebiet nach den Angaben des Mitgliedstaats beim Vorschlag des Gebiets geschützt wurde(24). Der durch die Festlegung des Schutzgebiets gesetzte Rahmen für die Genehmigung von Projekten entsteht somit regelmäßig lange vor der Ausweisung des besonderen Schutzgebiets. Wenn die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets diesen Rahmen nur bestätigt, verpflichtet sie somit nicht zur Durchführung einer Umweltprüfung.
ii) Änderung der Erhaltungsziele aus Anlass der Ausweisung
77. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Gebietsausweisung als Änderung eines Plans oder Programms einer Umweltprüfung bedarf.
78. Nach Art. 2 Buchst. a der SUP-Richtlinie schließt der Begriff der „Pläne und Programme“ auch ihre Änderung ein. Wie Art. 3 Abs. 3 zeigt, kommt es für eine Prüfungspflicht außerdem darauf an, ob die Änderungen voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
79. Die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets kann insbesondere die Erhaltungsziele des Gebiets beeinflussen. So verlangt Art. 4 Abs. 4 der Habitatrichtlinie, dass bei der Ausweisung Prioritäten gesetzt werden. Daneben ist es vorstellbar, dass die Liste der geschützten Lebensraumtypen und Arten bei der Ausweisung oder dass der räumliche Umfang des Gebiets geändert wird.
80. Vergleichsmaßstab, ob es Änderungen gibt, sind die Lebensräume und Arten, für die das Gebiet bei der Aufnahme in die Gemeinschaftsliste geschützt wurde, sowie die ursprünglich in dem Gebiet enthaltenen Flächen, falls die Lebensräume, Arten und Flächen nicht bereits zwischenzeitlich gemäß Art. 4 Abs. 1 der Habitatrichtlinie geändert wurden(25).
81. Eine Änderung der Erhaltungsziele ändert den Rahmen, den das Schutzgebiet für Projekte setzt. Wenn bestimmte Lebensraumtypen, Arten oder auch Flächen in den Schutz einbezogen oder dort herausgenommen werden, ändern sich zwangsläufig die Bedingungen für die Zulassung von Vorhaben, die Auswirkungen auf das Gebiet haben können.
82. In der Rechtssache CFE wäre insbesondere zu prüfen, ob die Einbeziehung von Lebensraumtypen und Arten von regionalem Interesse in den Schutz des Gebiets durch die Art. 8 und 9 und Anhang 4 des Erlasses den Rahmen für die Genehmigung von Projekten hinreichend verändert hat. Ihr Schutz ergibt sich nicht aus der Habitatrichtlinie, sondern nur aus dem Recht der Region Brüssel-Hauptstadt. Auch sind die betreffenden Vorkommen für die Aufnahme des Gebiets in die Gemeinschaftsliste ohne Bedeutung. Daher ist nicht auszuschließen, dass der entsprechende Gebietsvorschlag vor der Ausweisung des besonderen Schutzgebiets noch nicht den Schutz dieser Lebensraumtypen und Arten einschloss.
iii) Teleologische Reduktion der Umweltprüfung in Bezug auf den von Art. 6 Abs. 3 und 4 gesetzten Rahmen?
83. Man könnte sich speziell für den durch Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie gesetzten Rahmen zwar fragen, ob die Ziele der SUP-Richtlinie tatsächlich eine Umweltprüfung verlangen. Doch letztlich steht auch diese Überlegung der Umweltprüfung nicht entgegen.
84. Neben dem bereits erwähnten Ziel der Integration von Umwelterwägungen in die Entscheidung ist ein strukturelles Ziel der SUP-Richtlinie zu nennen, das sich daraus ergibt, dass sie die mehr als zehn Jahre ältere UVP-Richtlinie ergänzt, die die Berücksichtigung von Umweltauswirkungen bei der Genehmigung von Projekten zum Gegenstand hat. Bei der Anwendung der UVP-Richtlinie zeigte sich nämlich, dass zum Zeitpunkt der Prüfung von Projekten wichtige Umweltauswirkungen oft bereits aufgrund früherer Planungsmaßnahmen feststehen(26). Diese Auswirkungen können daher zwar in der Umweltverträglichkeitsprüfung untersucht, aber bei der Genehmigung des Vorhabens nicht mehr umfassend berücksichtigt werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, derartige Umweltauswirkungen bereits bei vorbereitenden Planungsmaßnahmen zu untersuchen und ihnen in diesem Zusammenhang Rechnung zu tragen(27).
85. Aus dieser Zielsetzung könnte man schließen, dass die Umweltprüfung nicht nötig ist, wenn alle Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit der Projektgenehmigung geprüft und dabei umfassend berücksichtigt werden können. Und im Prinzip verlangt Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie eine umfassende Berücksichtigung der Auswirkungen von Plänen und Projekten auf die Erhaltungsziele der jeweiligen Gebiete.
86. Das Risiko nachteiliger Umweltauswirkungen bei Festlegung von Natura-2000-Gebieten und der Änderung des Schutzumfangs liegt allerdings gerade in der Festlegung unzureichender Erhaltungsziele. Ihm kann auf der Ebene der Zulassung von Plänen und Projekten nicht mehr ausreichend begegnet werden.
iv) Zwischenergebnis
87. Somit bedarf die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets einer Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 oder nach Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie, wenn sie mit Änderungen des Schutzumfangs des betreffenden Schutzgebiets verbunden ist, insbesondere Änderungen der Erhaltungsziele oder der geschützten Flächen, welche die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie oder weiter reichender innerstaatlicher Schutzbestimmungen berühren, wenn diese Änderungen erhebliche Umweltauswirkungen haben können.
b) Zur Festlegung besonderer Schutzregelungen in der Gebietsausweisung
88. Neben den Schutzbestimmungen, die sich aus Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie ergeben, können in einer Gebietsausweisung auch spezielle Schutzregelungen festgelegt werden, um etwa besonderen Risiken zu begegnen, denen das Gebiet unterliegt.
89. So enthält Art. 15 des Erlasses, der Gegenstand des Verfahrens C‑43/18 ist, bestimmte Verbote, z. B. in Abs. 2 Nr. 1 das Verbot, einheimische Pflanzenarten, einschließlich Moose, Pilze und Flechten, zu entfernen, zu entwurzeln, zu schädigen oder zu vernichten sowie den Pflanzenbestand zu zerstören, zu verschlechtern oder zu verändern.
90. Im Prinzip können derartige Verbote zusätzlich zu den Vorgaben von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie eine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte enthalten, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, also einen Rahmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder Abs. 4 der SUP-Richtlinie setzen.
91. Nach dem Wortlaut des Art. 15 des Erlasses haben die dort aufgestellten Verbote allerdings nicht diese Wirkung, denn sie gelten nur für Aktivitäten, die keiner Genehmigung bedürfen. Der für eine Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder Abs. 4 der SUP-Richtlinie notwendige Rahmen muss dagegen für die Genehmigung von Projekten gelten.
92. Andere Verbote, die im Zusammenhang mit Genehmigungen zu beachten wären, sind aber nicht ersichtlich.
93. Also bedarf die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets einer Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a oder nach Art. 3 Abs. 4 der SUP-Richtlinie, wenn sie spezielle Schutzregelungen festlegt, die neben Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie anzuwenden sind und einen Rahmen für die Genehmigung von Projekten setzen, die der UVP-Richtlinie unterliegen, oder wenn diese speziellen Schutzregelungen einen Rahmen für die Genehmigung von anderen Projekten setzen und voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
2. Zur Festlegung der regionalen Erhaltungsziele
94. Der Erlass der Wallonischen Regierung vom 1. Dezember 2016 zur Festlegung der Erhaltungsziele für das Natura 2000-Netz, d. h. der Rechtsakt, der Gegenstand der Rechtssache Terre wallonne ist, betrifft zwar auch die Durchführung der Habitatrichtlinie, hat aber eine ganz andere Funktion und Wirkungsweise als die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets. Er legt nicht die Erhaltungsziele für bestimmte Gebiete fest, sondern fasst sie gewissermaßen für die gesamte Region Wallonien zusammen. So summiert er die in der gesamten Region und in den verschiedenen Natura-2000-Gebieten bereits vorhandenen Flächen bestimmter Lebensraumtypen und legt fest, ob die Flächen dieser Lebensraumtypen in den Natura-2000-Gebieten im Umfang erhalten oder vergrößert werden sollen. Der Erlass enthält aber keine Vorgaben, wie und in welchen Gebieten der Region diese Erhaltungsziele verwirklicht werden sollen.
95. Damit zeigt der Erlass zweifelsohne im untechnischen Sinn den Rahmen für alle Pläne und Projekte auf, die irgendein Gebiet des Natura-2000-Netzes berühren könnten.
96. Allerdings sieht die Habitatrichtlinie keine regionalen Erhaltungsziele vor, sondern ausschließlich Erhaltungsziele für die einzelnen Gebiete.
97. Dementsprechend sind die regionalen Erhaltungsziele nach Art. 25bis § 1 des Gesetzes vom 12. Juli 1973 lediglich Richtwerte. Nur die für die einzelnen Gebiete festgelegten Erhaltungsziele haben nach Art. 25bis § 2 den Charakter von Vorschriften.
98. Der achte Erwägungsgrund des Erlasses erläutert die Funktion der regionalen Erhaltungsziele dahin gehend, dass sie einen Gesamtüberblick darüber ermöglichen sollen, was zu erhalten ist oder was in der Wallonischen Region gegebenenfalls wiederherzustellen ist, damit die Lebensräume und Arten, für die das Natura-2000-Netz geschaffen wird, in einem günstigen Erhaltungszustand bewahrt werden oder ein solcher wiederhergestellt wird.
99. Somit kommt den regionalen Erhaltungszielen des Erlasses vor allem eine informierende und koordinierende Funktion für die Verwaltung der Natura-2000-Gebiete in der Region zu. Sie enthalten aber keine signifikante Gesamtheit von Kriterien und Modalitäten für die Genehmigung und Durchführung eines oder mehrerer Projekte, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
100. Ein Erlass, mit dem ein Organ eines Mitgliedstaats im Einklang mit der Habitatrichtlinie die Erhaltungsziele für das Natura-2000-Netz in seinem Zuständigkeitsbereich insgesamt, aber nicht für einzelne Natura-2000-Gebiete festlegt und somit keine Vorgaben für die Genehmigung von Projekten macht, ist daher kein Plan oder Programm im Sinne der SUP-Richtlinie.
C. Schlussbemerkung
101. Abschließend ist anzumerken, dass der hier verfolgte Ansatz darauf hinausläuft, dass die Festlegung eines Natura-2000-Gebiets bzw. bestimmte Änderungen seiner Erhaltungsziele oder seines Umfangs im Prinzip einer Umweltprüfung bedürfen, wenn sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
102. Zwar ist anzunehmen, dass die Aufnahme vieler Gebiete in die Gemeinschaftsliste und vermutlich auch einige zwischenzeitliche Änderungen ihres Schutzumfangs zeitlich noch nicht in den Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie fallen. Jedoch dürfte es mittlerweile auch eine große Zahl von Gebietsfestlegungen und Änderungen geben, die im Prinzip einer Umweltprüfung bedurften, aber dieser nicht unterzogen wurden. Wenn solche Festlegungen und Änderungen noch nicht bestandskräftig, d. h. unanfechtbar, geworden sind, besteht somit das Risiko, dass sie vor Gericht in Frage gestellt werden.
103. Gleichwohl dürfen etwaige Anfechtungen wegen einer fehlenden Umweltprüfung nicht dazu führen, den Schutzumfang für Natura-2000-Gebiete einzuschränken. Vielmehr erscheint es zwingend, in solchen Fällen die Wirkung der Mitteilung an die Kommission aufrechtzuerhalten, bis der Mangel geheilt wurde(28). Lediglich bei Änderungen, die eine Einschränkung des Gebietsschutzes bewirken, kommt eine Aufhebung oder Aussetzung bis zur Heilung des Mangels in Betracht.
104. Im Übrigen wird in jedem Fall zu prüfen sein, ob den Anforderungen der SUP-Richtlinie nicht dennoch genügt wurde(29). So wurde in den vorliegenden Fällen zumindest eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Ob auch ein Umweltbericht oder äquivalente Dokumente vorgelegt wurden, ergibt sich aus der Akte dagegen nicht.
V. Ergebnis
105. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, in der Rechtssache C‑43/18, CFE, wie folgt zu entscheiden:
Die Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets bedarf einer Umweltprüfung nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 oder Abs. 4 der SUP-Richtlinie,
– wenn sie mit Änderungen des Schutzumfangs des betreffenden Schutzgebiets verbunden ist, insbesondere Änderungen der Erhaltungsziele oder der geschützten Flächen, welche die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie oder weiter reichender innerstaatlicher Schutzbestimmungen berühren, falls diese Änderungen erhebliche Umweltauswirkungen haben können, oder
– wenn sie spezielle Schutzregelungen festlegt, die neben Art. 6 Abs. 3 und 4 der Habitatrichtlinie anzuwenden sind und einen Rahmen für die Genehmigung von Projekten setzen und voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben.
106. In der Rechtssache C‑321/18, Terre wallonne, schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu antworten:
Ein Erlass, mit dem ein Organ eines Mitgliedstaats im Einklang mit der Habitatrichtlinie die Erhaltungsziele für das Natura-2000-Netz in seinem Zuständigkeitsbereich insgesamt, aber nicht für einzelne Natura-2000-Gebiete festlegt und somit keine Vorgaben für die Genehmigung von Projekten macht, ist kein Plan oder Programm im Sinne der SUP-Richtlinie.
1 Originalsprache: Deutsch.
2 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. 2001, L 197, S. 30).
3 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 193) geänderten Fassung.
4 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1).
5 Moniteur belge Nr. 136 vom 13. Mai 2016, S. 31558.
6 Moniteur belge Nr. 340 vom 22. Dezember 2016, S. 88148.
7 Entscheidung 2004/813/EG (ABl. 2004, L 387, S. 1).
8 Beschluss vom 19. September 2006, CFE/Kommission (T‑100/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:260).
9 Vgl. Urteile vom 22. September 2011, Valčiukienė u. a. (C‑295/10, EU:C:2011:608, Rn. 45 bis 47), und vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus (C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 52 bis 54).
10 Urteile vom 11. April 2013, Sweetman u. a. (C‑258/11, EU:C:2013:220, Rn. 44), vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 50), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 114).
11 Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 189).
12 Urteil vom 4. März 2010, Kommission/Frankreich (C‑241/08, EU:C:2010:114, Rn. 53). Siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑241/08, EU:C:2009:398, Nrn. 43, 44 sowie 71).
13 Vgl. Halada, L., Evans, D., Romão, C., Petersen, J. E., „Which habitats of European importance depend on agricultural practices?“, Biodiversity and Conservation 20 (2011), 2365 bis 2378.
14 Siehe zur UVP-Richtlinie Urteile vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland (C‑418/04, EU:C:2007:780, Rn. 231), und vom 14. März 2013, Leth (C‑420/11, EU:C:2013:166, Rn. 46).
15 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1).
16 Urteil vom 17. Juni 2010, Terre wallonne und Inter-Environnement Wallonie (C‑105/09 und C‑110/09, EU:C:2010:355).
17 Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. 1991, L 375, S. 1).
18 Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 51), vom 26. April 2017, Kommission/Deutschland (Moorburg) (C‑142/16, EU:C:2017:301, Rn. 57), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 113).
19 Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Frankreich (C‑241/08, EU:C:2009:398, Nrn. 70 und 71).
20 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten von 1998 (ABl. 2005, L 124, S. 4), angenommen mit Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1). Siehe dazu Urteile vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK (C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 57 und 59), sowie vom 20. Dezember 2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (C‑664/15, EU:C:2017:987, Rn. 38 und 39).
21 Urteile vom 27. Oktober 2016, D’Oultremont u. a. (C‑290/15, EU:C:2016:816, Rn. 49), und vom 7. Juni 2018, Inter-Environnement Bruxelles u. a. (C‑671/16, EU:C:2018:403, Rn. 53) sowie Thybaut u. a. (C‑160/17, EU:C:2018:401, Rn. 54).
22 Urteile vom 7. Juni 2018, Inter-Environnement Bruxelles u. a. (C‑671/16, EU:C:2018:403, Rn. 55) sowie Thybaut u. a. (C‑160/17, EU:C:2018:401, Rn. 55).
23 Vgl. Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 65 und 66).
24 Urteil vom 7. November 2018, Holohan u. a. (C‑461/17, EU:C:2018:883, Rn. 37), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:60, Nr. 97).
25 Siehe zu einer Gebietsverkleinerung Urteil vom 19. Oktober 2017, Vereniging Hoekschewaards Landschap (C‑281/16, EU:C:2017:774, Rn. 16 bis 20 und 30).
26 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (KOM(96) 511 endg., S. 6).
27 Vgl. meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Terre wallonne und Inter-Environnement Wallonie (C‑105/09 und C‑110/09, EU:C:2010:120, Nrn. 31 und 32).
28 Vgl. Urteile vom 28. Februar 2012, Inter-Environnement Wallonie und Terre wallonne (C‑41/11, EU:C:2012:103, Rn. 42 ff.), und vom 28. Juli 2016, Association France Nature Environnement (C‑379/15, EU:C:2016:603, Rn. 29 ff.).
29 Urteil vom 11. August 1995, Kommission/Deutschland (Großkrotzenburg) (C‑431/92, EU:C:1995:260, Rn. 43 bis 45).
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