Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 9 K 43/01

Tatbestand

 
(Überlassen von Datev)
Die Kläger sind Eheleute. Der Ehemann ... (Kl) gehört keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an. Die Ehefrau ... (Klin) war bis August 1999 Mitglied der ..., der Beigeladenen. Die Eheleute werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
In der Einkommensteuererklärung 1998 ist als ausgeübter Beruf des Ehemannes ... angeführt, bei der Ehefrau: Hausfrau.
Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kl betrug im Veranlagungszeitraum 1998 176.980 DM. Die Einkünfte wurden ausschließlich vom Ehemann erzielt.
Im Bescheid für 1998 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer des beklagten Finanzamts (Beklagter - Bekl -) vom 9.9.1999, der an die Kläger adressiert ist, findet sich auf dem Frontblatt eingangs des Abrechnungsteils neben der Rubrik Einkommensteuer und der Rubrik Solidaritätszuschlag eine weitere Rubrik: "Kirchensteuer ev. Ehefrau".
Der dort ausgewiesene Betrag an festgesetzter Kirchensteuer i.H. von 1.200 DM ist unter der Rubrik "Abrechnung" vermindert durch Verrechnung mit Überzahlung an Steuerabzug vom Lohn i.H. von 822 DM und Solidaritätszuschlag i.H. von 45,43 DM, so dass ein Betrag an noch offener Kirchensteuer i.H. von 332,57 DM verblieb.
Unter der Überschrift Besteuerungsgrundlagen zur Steuerfestsetzung 1998 im vorgenannten Bescheid heißt es zur Berechnung der Kirchensteuer:
Festgesetzte Einkommensteuer
47.674,00
auf den kirchenangehörigen Ehegatten entfallen
0,00
mindestens festzusetzendes ev. Kirchgeld
1.200,00
In den Erläuterungen zu vorgenanntem Bescheid heißt es, dass die Kirchensteuer für die Ehefrau festgesetzt wird. Weiter ist angeführt, dass bei Fragen zur Berechnung der ... Kirchensteuer auch die Kirche Auskunft unter ... erteilt.
10 
Am 5.10.1999 ging beim Bekl ein Schreiben ein, das im Kopf den Kl als Absender anführt.
11 
Eingangs des Schreibens heißt es: "Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 9.9.1999 erhebe ich hiermit fristgerecht Einspruch!" Das Schreiben ist von dem Kl unterzeichnet. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Akten (Einkommensteuerakten 1998 Bl. 22/23) Bezug genommen.
12 
Auch für den Veranlagungszeitraum 1999 wurden die Kläger zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Bescheid für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer des Bekl vom 6.9.2000, der ebenfalls an die Kläger adressiert ist, ist hinsichtlich der .... Kirchensteuer ausgestaltet wie vorstehend geschildert im vorhergehenden Bescheid vom 9.9.1999 für den VZ 1998. Es wurde ... Kirchensteuer in Form des Kirchgeldes i.H. von ebenfalls 1.200 DM festgesetzt. Auch hier findet sich im Abrechnungsteil eine Verrechnung der festgesetzten Kirchensteuer mit überzahlten Steuerabzug vom Lohn i.H. von 1.200 DM, so dass kein offener Betrag an Kirchensteuer verblieb.
13 
Mit Schreiben vom 17.9.2000, das beim Bekl am 18.9.2000 eingegangen ist, wurde Einspruch eingelegt. Auch dieses Schreiben nennt als Absender den Kl. Eingangs dieses Schreibens heißt es: "Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 6.9.2000 für das Jahr 1999 erhebe ich hiermit fristgerecht Einspruch!" Der Einspruch richtet sich u.a. auch gegen die Festsetzung von Kirchensteuer in Form des Kirchgeldes. Das Schreiben ist vom Kl unterschrieben. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf dieses Bezug genommen (Einkommensteuerakten 1999 Bl. 24/25).
14 
Mit gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 6.10.2000 wurde die Einkommensteuer auf 48.364,00 DM ermäßigt und die Kirchensteuerfestsetzung auf 800 DM.
15 
Mit Schreiben vom 9.11.2000 an den Kl führte der Bekl unter anderem unter Hinweis auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 26.5.2000 9 K 131/00 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 1094) aus, bei der Lektüre des Urteils könne der Kl feststellen, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Klage des Ehemannes gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes für seine Ehefrau als unzulässig angesehen habe. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der Kl die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 auch im Namen seiner Ehefrau eingelegt habe.
16 
Der Kl äußerte mit Schreiben vom 26.11.2000 an den Bekl, dass er seine Einsprüche weiterhin im Namen seiner Frau und in seinem Namen aufrechterhalte. Er betone ausdrücklich, dass er die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 auch im Namen seiner Frau eingelegt habe.
17 
Mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 wies der Bekl die Einsprüche der Kläger, soweit sie die Kirchensteuerfestsetzung betrafen, als unbegründet zurück.
18 
Am 29.1.2001 erhoben die Kläger Klage. Sie machen im Wesentlichen folgendes geltend:
19 
Die Klin habe keinerlei Einkommen. Die ... habe daher kein Recht von ihr ein Pseudo-Kirchgeld zu fordern, da es der Kl sei, der für das gegenüber der Klin festgesetzte Kirchgeld aufkommen müsse.
20 
Die Kläger hätten keinerlei Information darüber gehabt, dass ab 1998 ein besonderes Kirchgeld erhoben werde. Eine Reaktion, z.B. durch Kirchenaustritt - der dann später erfolgt sei - sei dadurch rechtzeitig, um dieser "Kirchgeldzahlung" auszuweichen, nicht möglich gewesen.
21 
Nach Reklamation und Anfragen seitens der Kläger hätte dann eine Woche vor Erhalt des Einkommensteuerbescheids für 1998 im September 1999 die Eheleute eine entsprechende Information von der ... erreicht.
22 
Nach einem Brief vom November 1999 hätten dann die Eheleute von der ... in ... erfahren, dass ab 1.1.1998 nun auch hier ein besonderes Kirchgeld "zwangseingezogen" werde. Auch hier sei der Zeitpunkt einer Gegenreaktion (Kirchenaustritt) durch die Informationspolitik seitens der Kirche und des Finanzamts genommen worden. Eine Begründung seitens der Kirche sei gewesen, dass es aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, die betroffenen Personen einzeln von dieser Neuregelung zu informieren.
23 
Es sei ein Bruch des Datenschutzes, wenn sich die Kirche für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen der Hilfe des Finanzamts bediene und die dort vorliegenden Daten über die Einkommensverhältnisse der Eheleute dem Kirchgeld zugrunde lege.
24 
Wegen des weiteren Vortrags der Kläger wird auf die Klageschrift vom 26.1.2001 sowie die Schriftsätze vom 4.2.2001 vom 27.12.2002 sowie den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 11.03.2004 Bezug genommen.
25 
Die Kläger beantragen
26 
die Festsetzung von Kirchensteuer für 1998 vom 9.9.1999 und für 1999 vom 6.10.2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
27 
Der Bekl beantragt,
28 
die Klage abzuweisen.
29 
Zur Begründung bezieht er sich auf die Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 und das Senatsurteil vom 26.5.2000 9 K 131/00, EFG 2000, 1094.
30 
Die Beigeladene beantragt,
31 
die Klage abzuweisen.
32 
Mit Beschluss vom 29.9.2003 wurde die ... zum Verfahren beigeladen.
33 
Den Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung der Kirchensteuerfestsetzung 1998 und 1999 hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 4.7.2002 9 V 6/01 mangels Vorliegens der besonderen Zugangsvoraussetzungen gemäß § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig abgelehnt.
34 
Die Klin ... hat weiterhin Klage gegen die ... in ... auf Erlass des für 1998 und 1999 festgesetzten Kirchgelds erhoben. Diese Klage ist beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az.: 9 K 1/03 anhängig.

Entscheidungsgründe

 
35 
1. Die Klage des Kl ist zulässig. Denn der Bekl hat mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 seinen Einspruch (als unbegründet) zurückgewiesen.
36 
Die Klage des Kl ist auch begründet. Zu Unrecht hat der Bekl gegenüber dem Kl als nicht einer steuererhebenden Kirche Angehörigen für die Veranlagungszeiträume 1998 wie 1999 (ebenfalls) Kirchensteuer in der Form des Kirchgeldes festgesetzt.
37 
Freilich wollte der Bekl nur gegenüber der Klin Kirchensteuer festsetzen, was er durch die Formulierung in den Erläuterungen sowohl des Bescheides für 1998 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9.9.1999 wie auch des geänderten Bescheides 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 6.10.2000, nämlich: "Die Kirchensteuer wird für die Ehefrau festgesetzt", zum Ausdruck zu bringen glaubte.
38 
Der erkennende Senat hat in seiner ständigen Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluss vom 30. August 1982 1 BvR 1109/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 73; Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 27. September 1996 I B 22/96, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1997, 311; Finanzgericht - FG - Hamburg, Urteil vom 15. Dezember 1995 II 81/94, EFG 1996, 498) angesichts vorgenannten Hinweises die Auffassung vertreten, die Kirchensteuerfestsetzung sei nur gegenüber der Ehefrau erfolgt, der Ehemann sei nicht beschwert (Senatsurteil vom 26.5.2000 9 K 131/00, EFG 2000, 1094). Der Senat folgt dem für die im Streitfall gegebene Konstellation nicht.
39 
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt Verwaltungsakt ist und welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist im Zweifel nicht das, was die Behörde gewollt oder gedacht hat, vielmehr wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, die Erklärung verstehen durfte bzw. musste (Tipke/Kruse, AO, FGO, § 118 AO Tz. 51; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 118 AO Rdnr. 391; Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 6).
40 
Im Streitfall ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die Festsetzung der ... Kirchensteuern sowohl formularmäßig als auch hinsichtlich des Ansatzes der Besteuerungsgrundlagen in einem Zusammenhang mit Einkommensteuerbescheiden steht, die sich gegen den Kl und die Klin als Eheleute richten. Angesichts dessen, dass es im Deckblatt heißt: "Bescheid für 1998 (bzw. 1999) über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer" und auf demselben Blatt die Adressierung die Eheleute ausweist, muss sich aus der Urkunde eine Abweichung in der Adressierung hinsichtlich der Kirchensteuerfestsetzung klar und eindeutig ergeben. Ist unklar, gegen wen sich die Festsetzung der .... Kirchensteuer richtet (entweder nur gegen die Klin oder aber gegen beide Kläger), ist auch der Kl zumindest wegen des erzeugten Rechtsscheins einspruchsbefugt (BFH-Urteil vom 29.6.1994 I R 132/93, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 510; Beschluss vom 6.4.1994 I B 192/93, BFH/NV 1995, 272 Urteil vom 29.6.1994 I R 131/93, BFH/NV 1995, 439; FG Köln, Urteil vom 15.12.1995 II 81/94, EFG 1996, 498, 499 r. Sp. vorletzter Absatz; Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz 30 a.E.).
41 
Die im Streitfall in den Erläuterungen der vorgenannten Steuerbescheide verwandte Formulierung: "Die Kirchensteuer wird für die Ehefrau festgesetzt" ist mehrdeutig. Das, was der Bekl mit dieser (nicht nur, vgl. FG Hamburg, a.a.O., EFG 1996, 498) in der baden-württembergischen Finanzverwaltung formularmäßig benutzten Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, wird vom Wortlaut nicht eindeutig abgedeckt. Denn die Kirchensteuer wird nicht für die Ehefrau, sondern vielmehr für die Kirche erhoben; diese ist Gläubigerin. Was der Bekl wollte, war in Wahrheit, die Kirchensteuer "gegen" die Klin festzusetzen (vgl. FG Hamburg, a.a.O., EFG 1996, 498, 500). Dass es für den Bürger unmissverständlich geht, zeigt die Handhabung etwa der schleswig-holsteinischen Finanzverwaltung, wo es bei vergleichbarer Konstellation formularmäßig in den Erläuterungen heißt: "Die Festsetzung der Kirchensteuer und das unter Abrechnung ggf. enthaltene Leistungsgebot zur Kirchensteuer richtet sich ausschließlich gegen die Ehefrau."
42 
Die im Streitfall verwendete Formulierung "für die Ehefrau" lässt auch Raum für die Interpretation, dass es sich zwar um die Kirchensteuer der Ehefrau handelt, diese Kirchensteuer aber sowohl gegen die Ehefrau als auch gegen den Ehemann festgesetzt wird. Die Formulierung im Abrechnungsteil "Kirchensteuer ev. Ehefrau" geht mit beiden angesprochenen Interpretationsmöglichkeiten konform.
43 
Hier durfte der Kl den behördlichen Akt bei Würdigung der gesamten Erklärungsurkunde so verstehen, wie er ihn auch verstanden hat, dass die Kirchensteuer auch ihm gegenüber festgesetzt worden ist. Denn dadurch, dass der Bekl im auf dem Frontblatt befindlichen Abrechnungsteil die für 1998 wie auch 1999 festgesetzte Kirchensteuer verrechnet hat mit dem durch Abzug von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag beim Kl entstandenen Guthaben, durfte dieser den Eindruck gewinnen, dass die Kirchensteuerfestsetzung 1998 und 1999 auch ihm gegenüber vorgenommen worden ist.
44 
Übersteigt nämlich wie hier für die Streitjahre 1998 und 1999, die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer die festgesetzte Einkommensteuer, so steht der verbleibende Betrag ausschließlich dem Ehegatten zu, bei dem der Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist (BFH-Beschluss vom 12.3.1991 VII S 30/90, BFH/NV 1992, 145), im Streitfall also dem Kl. Die vom Bekl für beide Streitjahre vorgenommene Verrechnung mit der Kirchgeldforderung gegen den Erstattungsanspruch aus Lohnsteuerabzug, die, wie in den beiden Bescheiden ausgewiesen, zum Erlöschen der Kirchensteuerschuld der Ehefrau geführt hat, setzt aber - wenn sie eine Rechtsgrundlage haben soll - voraus, dass der Ehemann Gesamtschuldner (§ 44 Abgabenordnung - AO), hinsichtlich der Kirchensteuer ist. Eine solche Gesamtschuldnerschaft wird aber durch eine Kirchensteuerfestsetzung auch gegenüber dem Kl begründet. Denn eine, wenn auch rechtswidrige Steuerfestsetzung, bleibt wirksam, solange sie nicht aufgehoben worden ist (§ 124 Abs. 2 AO).
45 
Die Kirchensteuerfestsetzung in Form des Kirchgeldes gegenüber dem Kl ist rechtswidrig und demgemäß nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben, weil der Kl in den Streitjahren nicht Mitglied der ... war. Einer Kirche steht kein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zu (BFH-Urteil vom 29. Juni 1994 I R 132/93, BStBl II 1995, 510; Urteil vom 29. Juni 1994 I R 131/93, BFH/NV 1995, 439).
46 
2. Die Klage der Klin ist zulässig. Denn der Bekl hat mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 ihren Einspruch ebenfalls (als unbegründet) zurückgewiesen.
47 
Die Klage ist jedoch unbegründet.
48 
a) Die Klin hat innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides für 1998 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9.9.1999 bzw. des Bescheides für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 6.9.2000 Einspruch eingelegt.
49 
Das Einspruchsschreiben des Kl vom 17.9.2000 gegen die Steuerfestsetzung VZ 1998 ist zugleich als Einspruch der Klin zu werten.
50 
Freilich spricht der Kopf des Schreibens sowie die Namensangabe unter dem Schreiben für eine Einspruchseinlegung allein durch den Kl. Die Wertung des Schreibens als Einspruch der Ehefrau setzt voraus, dass der Kl damit zugleich im Namen der Klin und damit als Vertreter den Einspruch eingelegt hat. Hierbei ist ohne Belang, dass der Kl mit Schreiben vom 26.11.2000 an den Bekl erklärt hat, dass er die Einsprüche gegen die Bescheide VZ 1998 und 1999 auch im Namen seiner Frau eingelegt habe. Denn die Angabe, wer Einspruch einlegt, kann nicht nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nachgeholt werden (BFH-Beschluss vom 8.9.2000 VII B 92/00, BFH/NV 2001, 605).
51 
Nach der Rechtsprechung des BFH muss ein Einspruchsführer, der persönlich in eigenem Namen und zugleich für seinen Ehegatten Einspruch einlegen will, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, für den Ehegatten zu handeln (BFH-Urteil vom 27.11.1984 VIII R 73/82, BStBl II 1985, 296; Urteil vom 24. September 1985 IX R 22/85, BFH/NV 1986, 733; Urteil vom 30. Oktober 1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942; Brockmeyer in Klein, AO, 8. Aufl., § 357 Rdnr. 5). Denn nur so lässt sich eine Abgrenzung von Handeln in eigenem und Handeln in fremden Namen treffen. Hierbei ist jedoch einmal zu berücksichtigen, dass die Feststellung, eine Erklärung sei eindeutig, selbst einen Auslegungsvorgang voraussetzt (Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Tz. 222). Zum anderen gilt der aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (BFH-Urteil vom 11.12.1992 VI R 162/88, BStBl II 1993, 306) nicht nur für die Fragestellung, ob ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist und welcher Rechtsbehelf eingelegt worden ist, sondern auch für die hier einschlägige Frage, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat (vgl. BFH-Urteil vom 8.1.1991 VII R 61/88, BFH/NV 1991, 795 Urteil vom 6.11.2002 XI R 85/00, BFH/NV 2003, 585; Beschluss vom 1.7.2003 IX B 208/02, BFH/NV 2003, 1535).
52 
Im Streitfall war zu berücksichtigen, dass der Kl in seinem Einspruchsschreiben vom 3.10.1999 nicht nur in Ich-Form redet, vielmehr ausdrücklich auch anführt: "Meine Frau verdient kein eigenes Geld, sie nimmt und nahm die Dienste der Kirche nicht in Anspruch! ... Meine Frau hat keine Information persönlich erhalten, dass ihre Zugehörigkeit zur ... Kirche ab Zeitpunkt X zur Kirchgeldpflicht führt! ... Wir haben von dieser Zwangseintreibung des Kirchgeldes nicht gewusst ... dann hätten wir sofort mit Austritt agieren können. Das hat meine Frau jetzt nachgeholt ...". Diese ausdrückliche Bezugnahme auf die Klin und die Benutzung des Subjekts "Wir" im Zusammenhang mit der gegebenen Begründung, soweit sie auf eine rechtswidrige Kirchgeldpflicht der Klin abhebt, zeigt eindeutig, dass der Kl auch die Rechte der Klin wahren wollte und damit den Einspruch zugleich im Namen der Klin eingelegt hat.
53 
Das gleiche Auslegungsergebnis folgt hinsichtlich des Einspruchschreibens des Kl vom 17.9.2000 gegen die Steuerfestsetzung VZ 1999.
54 
Dass der Kl hier (auch) namens der Klin Einspruch eingelegt hat, folgt daraus, dass in dem Schreiben im Einzelnen angeführt ist, wogegen sich der Einspruch richtet und es schließlich unter e. heißt, gegen "den verfassungswidrigen Zwangseinzug des unberechtigten Kirchgeldes gegen eine nichtverdienende Bürgerin - nämlich meine Frau ..."
55 
Der Bekl als Erklärungsempfänger hat denn auch die beiden Einspruchsschreiben vom 22.8.1999 und 17.9.2000 in der Weise verstanden, dass er von Einsprüchen sowohl des Kl als auch der Klin ausging und in seiner Einspruchsentscheidung beide Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen hat.
56 
Die Kirchensteuerbescheide für 1998 vom 9.9.1999 und vom 6.10.2000 für 1999, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001, sind rechtmäßig und verletzen die Klin nicht in ihren Rechten.
57 
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist das (staatliche) Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz - KiStG -) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (Gesetzblatt - GBl. - für Baden-Württemberg 1978, 370, BStBl I 1978, 401) geändert durch das Gesetz zur Änderung des KiStG vom 21.7.1997 (GBl. für Baden-Württemberg 1997, 316), der Kirchensteuerordnung der ... in ... (KiStO) vom 17.9.1971 (Amtsblatt - ABl. - der ... in ... 45 S. 81), geändert durch Kirchengesetz vom 13.9.1994 (ABl. der ... 56 S. 272) sowie das Kirchliche Gesetz über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 vom 26. November 1997 (ABl. der ... 58 S. 47 f) und für das Rechnungsjahr 1999 vom 25.11.1998 (ABl. der ... 58 S. 185 f).
58 
Nach den vorgenannten Rechtsvorschriften wird in glaubensverschiedenen Ehen, also von Gemeindemitgliedern, deren Ehegatte keiner kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört, ein besonderes Kirchgeld erhoben (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG), sofern das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Eheleute nach § 2 Abs. 5 EStG 54.001 DM erreicht (§ 2 Abs. 2 des Kirchlichen Gesetzes über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 wie 1999). Das Kirchgeld wird nach der Höhe des Einkommens in 10-fach gestaffelten festen Beträgen von 216 bis 4.500 DM jährlich erhoben, wobei der zuletzt genannte Betrag für Einkommen von 400.000 DM und mehr gilt. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist das Einkommen in allen Fällen des § 32 EStG um den Kinderfreibetrag zu vermindern. Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt wird der sich hierbei ergebende höhere Betrag (§ 2 Abs. 2 Kirchliches Gesetz über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 wie 1999).
59 
Nach vorgenannten Vorschriften ist hier das besondere Kirchgeld für den VZ 1998 bei einem zu versteuernden Einkommen der Klin und des Kl i.H. von 168.934 DM zutreffend mit 1.200 DM (für ein zu versteuerndes Einkommen zwischen 150.000 bis 199.999 DM) und für den VZ 1999 bei einem zu versteuernden Einkommen der Klin und des Kl. i.H. von 170.838 DM zutreffend mit 800 DM, nämlich 1.200 DM umgerechnet auf acht Monate festgesetzt worden.
60 
Die vorgenannten staatlichen und kirchlichen Rechtsnormen stehen mit dem Grundgesetz in Einklang. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf den anliegend als Bestandteil des Urteils beigefügten Abdruck in EFG 2000, 1094 sub 2 a, aa bis 2 e seines rechtskräftigen Urteils vom 26.05.2000, 9 K 131/00 sowie den weiter beigefügten Abdruck in Juris seines Urteils vom 15.12.2000 9 K 258/00. Die gegen letztere Entscheidung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 22.1.2002 I B 18/01 (BFH/NV 2002, 674) als unbegründet zurückgewiesen.
61 
Soweit die Kläger vortragen, sie seien von der Einführung des besonderen Kirchgeldes durch die ... überrumpelt worden, ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Prinzip der formellen Festsetzungsverkündung für das Inkrafttreten eines Gesetzes nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich allgemein bekannt geworden ist. Es genügt, dass es in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich ist, die es dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verkündung von Bundesgesetzen im Bundesgesetzblatt gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfGE 16, 6, 18), für Gesetze des Landes Baden-Württemberg entsprechend im Gesetzblatt für Baden-Württemberg. Nach diesen Grundsätzen genügte im Streitfall die Verkündung des für das Kirchgeld maßgeblichen kirchlichen Gesetzes über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 im Amtsblatt der ...
62 
Ein Verstoß gegen Grundsätze des Datenschutzes durch eine nach Auffassung der Kläger "gesetzeswidrige Weitergabe persönlicher Daten durch die Finanzämter an die Kirche" scheidet - unabhängig von der Frage, ob ein unterstellter Verstoß Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Kirchensteuerfestsetzung hat - aus. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44, 103, 104; 20, 40, 43) hat festgestellt, dass die Kirchensteuerverwaltung durch staatliche Finanzämter in Einklang mit der nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV zulässigen Abhängigkeit der Kirchensteuer von der staatlichen Einkommensteuer stehe. Dem folgt der erkennende Senat.
63 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135, 136 FGO. Die Kostenaufteilung lehnt sich an die sogenannte Baumbach'sche Formel an (vgl. hierzu näher, Gruber, Der Steuerberater 1999, 308, 313; 1992, 166, 169). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO (BFH-Beschluss vom 15. April 1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402). Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch das Finanzamt hält der Senat nicht für erforderlich (Hinweis auf Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 26. Februar 1991 4 K 23/90, EFG 1991, 338; aus anderen Gründen vom BFH aufgehoben durch Urteil vom 17. Dezember 1991 VII R 367 VII R 36/91, BFH/NV 1992, 569).
64 
4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
65 
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz.

Gründe

 
35 
1. Die Klage des Kl ist zulässig. Denn der Bekl hat mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 seinen Einspruch (als unbegründet) zurückgewiesen.
36 
Die Klage des Kl ist auch begründet. Zu Unrecht hat der Bekl gegenüber dem Kl als nicht einer steuererhebenden Kirche Angehörigen für die Veranlagungszeiträume 1998 wie 1999 (ebenfalls) Kirchensteuer in der Form des Kirchgeldes festgesetzt.
37 
Freilich wollte der Bekl nur gegenüber der Klin Kirchensteuer festsetzen, was er durch die Formulierung in den Erläuterungen sowohl des Bescheides für 1998 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9.9.1999 wie auch des geänderten Bescheides 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 6.10.2000, nämlich: "Die Kirchensteuer wird für die Ehefrau festgesetzt", zum Ausdruck zu bringen glaubte.
38 
Der erkennende Senat hat in seiner ständigen Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluss vom 30. August 1982 1 BvR 1109/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 73; Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 27. September 1996 I B 22/96, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1997, 311; Finanzgericht - FG - Hamburg, Urteil vom 15. Dezember 1995 II 81/94, EFG 1996, 498) angesichts vorgenannten Hinweises die Auffassung vertreten, die Kirchensteuerfestsetzung sei nur gegenüber der Ehefrau erfolgt, der Ehemann sei nicht beschwert (Senatsurteil vom 26.5.2000 9 K 131/00, EFG 2000, 1094). Der Senat folgt dem für die im Streitfall gegebene Konstellation nicht.
39 
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt Verwaltungsakt ist und welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist im Zweifel nicht das, was die Behörde gewollt oder gedacht hat, vielmehr wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, die Erklärung verstehen durfte bzw. musste (Tipke/Kruse, AO, FGO, § 118 AO Tz. 51; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, § 118 AO Rdnr. 391; Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 6).
40 
Im Streitfall ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass die Festsetzung der ... Kirchensteuern sowohl formularmäßig als auch hinsichtlich des Ansatzes der Besteuerungsgrundlagen in einem Zusammenhang mit Einkommensteuerbescheiden steht, die sich gegen den Kl und die Klin als Eheleute richten. Angesichts dessen, dass es im Deckblatt heißt: "Bescheid für 1998 (bzw. 1999) über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer" und auf demselben Blatt die Adressierung die Eheleute ausweist, muss sich aus der Urkunde eine Abweichung in der Adressierung hinsichtlich der Kirchensteuerfestsetzung klar und eindeutig ergeben. Ist unklar, gegen wen sich die Festsetzung der .... Kirchensteuer richtet (entweder nur gegen die Klin oder aber gegen beide Kläger), ist auch der Kl zumindest wegen des erzeugten Rechtsscheins einspruchsbefugt (BFH-Urteil vom 29.6.1994 I R 132/93, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 510; Beschluss vom 6.4.1994 I B 192/93, BFH/NV 1995, 272 Urteil vom 29.6.1994 I R 131/93, BFH/NV 1995, 439; FG Köln, Urteil vom 15.12.1995 II 81/94, EFG 1996, 498, 499 r. Sp. vorletzter Absatz; Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz 30 a.E.).
41 
Die im Streitfall in den Erläuterungen der vorgenannten Steuerbescheide verwandte Formulierung: "Die Kirchensteuer wird für die Ehefrau festgesetzt" ist mehrdeutig. Das, was der Bekl mit dieser (nicht nur, vgl. FG Hamburg, a.a.O., EFG 1996, 498) in der baden-württembergischen Finanzverwaltung formularmäßig benutzten Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, wird vom Wortlaut nicht eindeutig abgedeckt. Denn die Kirchensteuer wird nicht für die Ehefrau, sondern vielmehr für die Kirche erhoben; diese ist Gläubigerin. Was der Bekl wollte, war in Wahrheit, die Kirchensteuer "gegen" die Klin festzusetzen (vgl. FG Hamburg, a.a.O., EFG 1996, 498, 500). Dass es für den Bürger unmissverständlich geht, zeigt die Handhabung etwa der schleswig-holsteinischen Finanzverwaltung, wo es bei vergleichbarer Konstellation formularmäßig in den Erläuterungen heißt: "Die Festsetzung der Kirchensteuer und das unter Abrechnung ggf. enthaltene Leistungsgebot zur Kirchensteuer richtet sich ausschließlich gegen die Ehefrau."
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Die im Streitfall verwendete Formulierung "für die Ehefrau" lässt auch Raum für die Interpretation, dass es sich zwar um die Kirchensteuer der Ehefrau handelt, diese Kirchensteuer aber sowohl gegen die Ehefrau als auch gegen den Ehemann festgesetzt wird. Die Formulierung im Abrechnungsteil "Kirchensteuer ev. Ehefrau" geht mit beiden angesprochenen Interpretationsmöglichkeiten konform.
43 
Hier durfte der Kl den behördlichen Akt bei Würdigung der gesamten Erklärungsurkunde so verstehen, wie er ihn auch verstanden hat, dass die Kirchensteuer auch ihm gegenüber festgesetzt worden ist. Denn dadurch, dass der Bekl im auf dem Frontblatt befindlichen Abrechnungsteil die für 1998 wie auch 1999 festgesetzte Kirchensteuer verrechnet hat mit dem durch Abzug von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag beim Kl entstandenen Guthaben, durfte dieser den Eindruck gewinnen, dass die Kirchensteuerfestsetzung 1998 und 1999 auch ihm gegenüber vorgenommen worden ist.
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Übersteigt nämlich wie hier für die Streitjahre 1998 und 1999, die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer die festgesetzte Einkommensteuer, so steht der verbleibende Betrag ausschließlich dem Ehegatten zu, bei dem der Lohnsteuerabzug vorgenommen worden ist (BFH-Beschluss vom 12.3.1991 VII S 30/90, BFH/NV 1992, 145), im Streitfall also dem Kl. Die vom Bekl für beide Streitjahre vorgenommene Verrechnung mit der Kirchgeldforderung gegen den Erstattungsanspruch aus Lohnsteuerabzug, die, wie in den beiden Bescheiden ausgewiesen, zum Erlöschen der Kirchensteuerschuld der Ehefrau geführt hat, setzt aber - wenn sie eine Rechtsgrundlage haben soll - voraus, dass der Ehemann Gesamtschuldner (§ 44 Abgabenordnung - AO), hinsichtlich der Kirchensteuer ist. Eine solche Gesamtschuldnerschaft wird aber durch eine Kirchensteuerfestsetzung auch gegenüber dem Kl begründet. Denn eine, wenn auch rechtswidrige Steuerfestsetzung, bleibt wirksam, solange sie nicht aufgehoben worden ist (§ 124 Abs. 2 AO).
45 
Die Kirchensteuerfestsetzung in Form des Kirchgeldes gegenüber dem Kl ist rechtswidrig und demgemäß nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben, weil der Kl in den Streitjahren nicht Mitglied der ... war. Einer Kirche steht kein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zu (BFH-Urteil vom 29. Juni 1994 I R 132/93, BStBl II 1995, 510; Urteil vom 29. Juni 1994 I R 131/93, BFH/NV 1995, 439).
46 
2. Die Klage der Klin ist zulässig. Denn der Bekl hat mit Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001 ihren Einspruch ebenfalls (als unbegründet) zurückgewiesen.
47 
Die Klage ist jedoch unbegründet.
48 
a) Die Klin hat innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides für 1998 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 9.9.1999 bzw. des Bescheides für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 6.9.2000 Einspruch eingelegt.
49 
Das Einspruchsschreiben des Kl vom 17.9.2000 gegen die Steuerfestsetzung VZ 1998 ist zugleich als Einspruch der Klin zu werten.
50 
Freilich spricht der Kopf des Schreibens sowie die Namensangabe unter dem Schreiben für eine Einspruchseinlegung allein durch den Kl. Die Wertung des Schreibens als Einspruch der Ehefrau setzt voraus, dass der Kl damit zugleich im Namen der Klin und damit als Vertreter den Einspruch eingelegt hat. Hierbei ist ohne Belang, dass der Kl mit Schreiben vom 26.11.2000 an den Bekl erklärt hat, dass er die Einsprüche gegen die Bescheide VZ 1998 und 1999 auch im Namen seiner Frau eingelegt habe. Denn die Angabe, wer Einspruch einlegt, kann nicht nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nachgeholt werden (BFH-Beschluss vom 8.9.2000 VII B 92/00, BFH/NV 2001, 605).
51 
Nach der Rechtsprechung des BFH muss ein Einspruchsführer, der persönlich in eigenem Namen und zugleich für seinen Ehegatten Einspruch einlegen will, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, für den Ehegatten zu handeln (BFH-Urteil vom 27.11.1984 VIII R 73/82, BStBl II 1985, 296; Urteil vom 24. September 1985 IX R 22/85, BFH/NV 1986, 733; Urteil vom 30. Oktober 1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942; Brockmeyer in Klein, AO, 8. Aufl., § 357 Rdnr. 5). Denn nur so lässt sich eine Abgrenzung von Handeln in eigenem und Handeln in fremden Namen treffen. Hierbei ist jedoch einmal zu berücksichtigen, dass die Feststellung, eine Erklärung sei eindeutig, selbst einen Auslegungsvorgang voraussetzt (Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Tz. 222). Zum anderen gilt der aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (BFH-Urteil vom 11.12.1992 VI R 162/88, BStBl II 1993, 306) nicht nur für die Fragestellung, ob ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist und welcher Rechtsbehelf eingelegt worden ist, sondern auch für die hier einschlägige Frage, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat (vgl. BFH-Urteil vom 8.1.1991 VII R 61/88, BFH/NV 1991, 795 Urteil vom 6.11.2002 XI R 85/00, BFH/NV 2003, 585; Beschluss vom 1.7.2003 IX B 208/02, BFH/NV 2003, 1535).
52 
Im Streitfall war zu berücksichtigen, dass der Kl in seinem Einspruchsschreiben vom 3.10.1999 nicht nur in Ich-Form redet, vielmehr ausdrücklich auch anführt: "Meine Frau verdient kein eigenes Geld, sie nimmt und nahm die Dienste der Kirche nicht in Anspruch! ... Meine Frau hat keine Information persönlich erhalten, dass ihre Zugehörigkeit zur ... Kirche ab Zeitpunkt X zur Kirchgeldpflicht führt! ... Wir haben von dieser Zwangseintreibung des Kirchgeldes nicht gewusst ... dann hätten wir sofort mit Austritt agieren können. Das hat meine Frau jetzt nachgeholt ...". Diese ausdrückliche Bezugnahme auf die Klin und die Benutzung des Subjekts "Wir" im Zusammenhang mit der gegebenen Begründung, soweit sie auf eine rechtswidrige Kirchgeldpflicht der Klin abhebt, zeigt eindeutig, dass der Kl auch die Rechte der Klin wahren wollte und damit den Einspruch zugleich im Namen der Klin eingelegt hat.
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Das gleiche Auslegungsergebnis folgt hinsichtlich des Einspruchschreibens des Kl vom 17.9.2000 gegen die Steuerfestsetzung VZ 1999.
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Dass der Kl hier (auch) namens der Klin Einspruch eingelegt hat, folgt daraus, dass in dem Schreiben im Einzelnen angeführt ist, wogegen sich der Einspruch richtet und es schließlich unter e. heißt, gegen "den verfassungswidrigen Zwangseinzug des unberechtigten Kirchgeldes gegen eine nichtverdienende Bürgerin - nämlich meine Frau ..."
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Der Bekl als Erklärungsempfänger hat denn auch die beiden Einspruchsschreiben vom 22.8.1999 und 17.9.2000 in der Weise verstanden, dass er von Einsprüchen sowohl des Kl als auch der Klin ausging und in seiner Einspruchsentscheidung beide Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen hat.
56 
Die Kirchensteuerbescheide für 1998 vom 9.9.1999 und vom 6.10.2000 für 1999, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.1.2001, sind rechtmäßig und verletzen die Klin nicht in ihren Rechten.
57 
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist das (staatliche) Gesetz über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg (Kirchensteuergesetz - KiStG -) in der Fassung vom 15. Juni 1978 (Gesetzblatt - GBl. - für Baden-Württemberg 1978, 370, BStBl I 1978, 401) geändert durch das Gesetz zur Änderung des KiStG vom 21.7.1997 (GBl. für Baden-Württemberg 1997, 316), der Kirchensteuerordnung der ... in ... (KiStO) vom 17.9.1971 (Amtsblatt - ABl. - der ... in ... 45 S. 81), geändert durch Kirchengesetz vom 13.9.1994 (ABl. der ... 56 S. 272) sowie das Kirchliche Gesetz über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 vom 26. November 1997 (ABl. der ... 58 S. 47 f) und für das Rechnungsjahr 1999 vom 25.11.1998 (ABl. der ... 58 S. 185 f).
58 
Nach den vorgenannten Rechtsvorschriften wird in glaubensverschiedenen Ehen, also von Gemeindemitgliedern, deren Ehegatte keiner kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft angehört, ein besonderes Kirchgeld erhoben (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KiStG), sofern das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Eheleute nach § 2 Abs. 5 EStG 54.001 DM erreicht (§ 2 Abs. 2 des Kirchlichen Gesetzes über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 wie 1999). Das Kirchgeld wird nach der Höhe des Einkommens in 10-fach gestaffelten festen Beträgen von 216 bis 4.500 DM jährlich erhoben, wobei der zuletzt genannte Betrag für Einkommen von 400.000 DM und mehr gilt. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist das Einkommen in allen Fällen des § 32 EStG um den Kinderfreibetrag zu vermindern. Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt wird der sich hierbei ergebende höhere Betrag (§ 2 Abs. 2 Kirchliches Gesetz über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 wie 1999).
59 
Nach vorgenannten Vorschriften ist hier das besondere Kirchgeld für den VZ 1998 bei einem zu versteuernden Einkommen der Klin und des Kl i.H. von 168.934 DM zutreffend mit 1.200 DM (für ein zu versteuerndes Einkommen zwischen 150.000 bis 199.999 DM) und für den VZ 1999 bei einem zu versteuernden Einkommen der Klin und des Kl. i.H. von 170.838 DM zutreffend mit 800 DM, nämlich 1.200 DM umgerechnet auf acht Monate festgesetzt worden.
60 
Die vorgenannten staatlichen und kirchlichen Rechtsnormen stehen mit dem Grundgesetz in Einklang. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf den anliegend als Bestandteil des Urteils beigefügten Abdruck in EFG 2000, 1094 sub 2 a, aa bis 2 e seines rechtskräftigen Urteils vom 26.05.2000, 9 K 131/00 sowie den weiter beigefügten Abdruck in Juris seines Urteils vom 15.12.2000 9 K 258/00. Die gegen letztere Entscheidung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss vom 22.1.2002 I B 18/01 (BFH/NV 2002, 674) als unbegründet zurückgewiesen.
61 
Soweit die Kläger vortragen, sie seien von der Einführung des besonderen Kirchgeldes durch die ... überrumpelt worden, ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Prinzip der formellen Festsetzungsverkündung für das Inkrafttreten eines Gesetzes nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich allgemein bekannt geworden ist. Es genügt, dass es in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich ist, die es dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verkündung von Bundesgesetzen im Bundesgesetzblatt gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfGE 16, 6, 18), für Gesetze des Landes Baden-Württemberg entsprechend im Gesetzblatt für Baden-Württemberg. Nach diesen Grundsätzen genügte im Streitfall die Verkündung des für das Kirchgeld maßgeblichen kirchlichen Gesetzes über den landeskirchlichen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1998 im Amtsblatt der ...
62 
Ein Verstoß gegen Grundsätze des Datenschutzes durch eine nach Auffassung der Kläger "gesetzeswidrige Weitergabe persönlicher Daten durch die Finanzämter an die Kirche" scheidet - unabhängig von der Frage, ob ein unterstellter Verstoß Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Kirchensteuerfestsetzung hat - aus. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44, 103, 104; 20, 40, 43) hat festgestellt, dass die Kirchensteuerverwaltung durch staatliche Finanzämter in Einklang mit der nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV zulässigen Abhängigkeit der Kirchensteuer von der staatlichen Einkommensteuer stehe. Dem folgt der erkennende Senat.
63 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135, 136 FGO. Die Kostenaufteilung lehnt sich an die sogenannte Baumbach'sche Formel an (vgl. hierzu näher, Gruber, Der Steuerberater 1999, 308, 313; 1992, 166, 169). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO (BFH-Beschluss vom 15. April 1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402). Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch das Finanzamt hält der Senat nicht für erforderlich (Hinweis auf Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 26. Februar 1991 4 K 23/90, EFG 1991, 338; aus anderen Gründen vom BFH aufgehoben durch Urteil vom 17. Dezember 1991 VII R 367 VII R 36/91, BFH/NV 1992, 569).
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4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz.

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