Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 11 K 269/99

Tatbestand

 
Streitig ist, ob Aufwendungen für die Sanierung eines Hausgrundstücks mit Kinderspielwiese als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.
Die Kläger sind Eigentümer des Gesamtgrundstücks Flurstücke Lagebuchnummern 3 und 1 auf Gemarkung R. Auf dem erstgenannten Flurstück befanden sich im Streitjahr 1997 das Wohnhaus der Kläger mit daran anschließender Garage und einer befestigten Gartenterrasse, befestigter Einfahrt, Rasenfläche, Gartenteich und Sträuchern (Bodendecker). Auf dem daran anschließenden Flurstück Nr. 1 befanden sich eine große Rasenfläche mit Obstbäumen (Obstwiese) und Sträuchern sowie  einer Holzhütte und Spielgeräten für Kinder (Schaukelgestell, Sandkasten). Auf dem Grundstück spielten die Kinder der Kläger von damals 9 und 7 Jahren sowie Kinder aus der Nachbarschaft.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 18. August und 20. September 1994 wurden die Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass auf dem Flurstück Nr. 3 eine Dioxinbelastung von 204 ng I-TEq/kg Boden bei einer Tiefe von 0-100 cm sowie ein Oberbodenwert von 441 ng I-TEq/kg Boden und auf dem Flurstück Nr. 1 eine Dioxinbelastung von 2638 ng I-TEq/kg Boden bezogen auf eine Tiefe von 0-100 cm sowie ein Oberbodenwert von 721 ng I-TEq/kg Boden festgestellt worden seien. Zugleich wies das Landratsamt auf das Merkblatt "Gesundheitliche Vorsorgeempfehlungen des Umweltministeriums Baden-Württemberg bei der Nutzung dioxinbelasteter Böden (Stand: Januar 1992)" hin. Darin werden Empfehlungen zur Bodenabdeckung und Bodensanierung gegeben: Der sicherste Weg zum Schutz von im Freien spielenden Kindern sei der Bodenaustausch ab einer bestimmten Dioxinbelastung oder eine dichte Bodenabdeckung. Ab einer Bodenbelastung von 100ng I-TEq/kg Boden sei ein Bodenaustausch bei Kinderspielplätzen angezeigt. In privaten Gärten sollten offene Bodenflächen, mit denen besonders Kleinkinder in Berührung kommen können, abgedeckt werden. Ausreichenden Schutz böten eine dichte Grasnarbe oder dichtes Buschwerk. Diese Maßnahmen reichten auf privaten Grundstücken aus, da dort die Grasnarbe nicht so intensiv beansprucht werde, wie auf Kinderspielplätzen. Ab einer Belastung von 1000 ng I-TEq/kg Boden sei zum Schutz von Kindern in Siedlungsgebieten ein Bodenaustausch erforderlich.
Gemäß §§ 9 und 10 Bodenschutzgesetz Baden-Württemberg in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift "Organische Schadstoffe" vom 10. Dezember 1995 war dementsprechend hinsichtlich des Flurstücks Nr. 1 eine Bodensanierung durch Austausch des belasteten Bodens verpflichtend. Demgegenüber bestand für das Flurstück Nr. 3 aufgrund der geringeren gemessenen Belastung kein Sanierungsbedarf. Das Landratsamt empfahl jedoch im Anschluss an die gesundheitlichen Vorsorgeempfehlungen des Umweltministeriums, zum Schutz spielender Kinder für eine dichte Grasnarbe oder dichtes Buschwerk auf dem Grundstücksteil zu sorgen.
Der Vertrag vom 23. Dezember 1996 über die Sanierung des Flurstücks 1 sieht einen Bodenaustausch vor. Als Anlage zum Vertrag nahmen die Vertragsparteien die Empfehlung des Landratsamts Lörrach auf, trotz fehlenden Sanierungsbedarfs eine Oberflächensicherung des Flurstücks Nr. 3 z. B. durch Auftrag von 20 cm unbelastetem Erdmaterial und erneuter Raseneinsaat vorzunehmen. Nachdem sich die Kläger jedoch  entschlossen hatten, auch  bezüglich des Flurstücks Nr. 3 einen Bodenaustausch durchführen zu lassen, wurde der Vertrag mit Ergänzungsvertrag vom 20. März 1997 entsprechend erweitert und 1997 im Zuge der Sanierung des Flurstücks 1 auch das Flurstück 3 saniert.
Anlässlich der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen wurde festgestellt, dass sich in beiden Flurstücken ein etwa 0,3 Meter mächtiges Schlackeband in etwa 0,4 bis 0,7 Metern Tiefe hinzog. Das Schlackeband wies einen Dioxingehalt von etwa 1600 ng I -TEq/kg Boden auf. Ein Bodenaustausch unter dem Wohnhaus  konnte aus gebäudestatischen Gründen nicht vorgenommen werden. Die restlichen Grundstücksteile beider Flurstücke galten nach der Sanierung als unbelastet.
Für die Sanierung des Flurstücks 1 hatten die Kläger infolge öffentlicher Zuschüsse nur 3.715 DM und für die Sanierung des Flurstücks Nr. 3 25.809,19 DM aufzubringen. Die Wiederherstellungskosten für das Flurstück Nr.1 von 7.179,28 DM (Wert der abgerissenen Gartenhütte), 506 DM (Wert der versehentlich entfernten Verbundsteine des Gartenwegs) und 1.729,29 DM (Kosten der Wiedererrichtung einer Gartenhütte), zusammen 9.414,57 DM, wurden den Klägern vergütet.
Mit Einkommensteuerbescheiden 1997 vom 9. Juni 1998 lehnte das beklagte Finanzamt (FA) den Abzug der Aufwendungen für die Sanierung des Grundstücks als außergewöhnliche Belastungen ab.
Der Einspruch der Kläger wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10. September 1999 als unbegründet zurückgewiesen. Die Aufwendungen für die Sanierung des Flurstücks Nr. 3 seien nicht zwangsläufig gewesen, da sie weit über die empfohlenen und ausreichenden Vorsorgemaßnahmen hinausgingen. Sie seien von den Klägern nicht zwangsläufig, sondern freiwillig aufgebracht worden. Die Sorge um das Wohl der Kinder sei verständlich, als Veranlassungsgrund indessen nicht außergewöhnlich. Die Sanierungskosten für das Flurstück Nr. 1 seien demgegenüber aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstanden. Die Aufwendungen in Höhe von 3.715 DM seien in Höhe von 90% (3.348 DM) dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung abziehbar, der Abzug werde indessen infolge einer zumutbaren Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG i. H. v. 6.240 DM verhindert.
10 
Mit ihrer Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Aufwendung der Sanierungskosten hätten insgesamt 42.752,38 DM betragen. Sie seien notwendig gewesen, um eine gesundheitliche Gefährdung der Bewohner des Grundstücks, nämlich der Kläger und der Kinder zu vermeiden. Nach der Empfehlung des Umweltministeriums Baden-Württemberg sei ab 100 ng I-TEq/kg Boden bei Kinderspielplätzen ein Bodenaustausch vorzunehmen. Der private Garten der Kläger sei als Kinderspielplatz für die eigenen sowie die Nachbarskinder genutzt worden. Die ursprüngliche Feststellung einer vergleichsweise geringen Dioxinbelastung des Flurstücks Nr. 3 beruhe darauf, dass die Kläger nach Fertigstellung des Terrassenanbaus an den Wintergarten und die Garage das Flurstück rund um die Terrasse mit etwa 30 m² neuem (unbelastetem) Erdreich aufgefüllt hätten. Bei Abschluss des Ergänzungsvertrags vom 20. März 1997 seien die Kläger aufgrund der früheren Terrassenbaumaßnahmen davon ausgegangen, dass die Dioxinbelastung des Flurstücks Nr. 3 weit höher als der gutachtlich festgestellte Oberbodenwert von 441 ng I-TEq/kg Boden gewesen sei. Sie seien hierin durch die später festgestellte Dioxinbelastung von 1600 ng I-TEq/kg Boden bestätigt worden.
11 
Die Dioxinbelastung des Schlackebands von 1.600 ng I-TEq/kg Boden habe zu einer Sanierungspflicht geführt. Die Sanierungskosten hätten deshalb  von den Klägern nicht nur für das Flurstück Nr. 1, sondern auch für das Flurstück Nr. 3 zwangsläufig aufgewandt werden müssen. Hinsichtlich des zuletzt genannten Flurstücks habe zumindest eine sittliche Verpflichtung zur Sanierung durch Bodenaustausch gegenüber den Kindern der Kläger sowie den ebenfalls im Garten spielenden Nachbarskindern bestanden, auch wenn eine behördliche Auflage zur Sanierung diesbezüglich nicht ausgesprochen worden sei.
12 
Die Kläger beantragen,
13 
den ESt-Bescheid 1997 vom 9. Juni 1998 sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. September 1999 abzuändern und die Einkommensteuer unter Ansatz außergewöhnlicher Belastungen i. H. v. 42.752,38 DM abzüglich der zumutbaren Eigenbelastung von 6.240 DM herabzusetzen.
14 
Das FA beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Bei Abschluss des Ergänzungsvertrags vom 20. März 1997 habe bezüglich des Flurstücks Nr. 3 keine Sanierungspflicht bestanden. Die von den Klägern gleichwohl veranlasste Sanierung des Grundstücks bzw. der Aufwand der dadurch verursachten Kosten seien deshalb nicht zwangsläufig i. S. d. § 32 EStG angefallen. Die fehlende Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Sanierung des Flurstücks 3 entfalle nicht infolge der erst später erkannten tatsächlich höheren Belastung von 1.600 ng I-TEq/kg Boden. Soweit hierin gleichwohl außergewöhnliche Belastungen zu sehen seien, seien diese um die den Klägern vergüteten Beträgen von 7.179,28 DM (Wert der auf dem Flurstück 1 abgerissenen und nicht wieder aufgebauten Gartenhütte) zu kürzen. Außerdem könnten die auf das Flurstück 3 entfallenden bezahlten Schuldzinsen in Höhe von 789 DM als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.
17 
Mit Beschluss des Senats vom 9. März 2004 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
18 
Am 26. März 2004 wurde der Rechtsstreit mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
19 
I. Die Klage ist zulässig, sie ist indessen nicht begründet.
20 
Nach § 33 Abs. 1 EStG können nur zwangsläufig anfallende Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen sein. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dies bedeutet im Einzeln:
21 
Der Steuerpflichtige kann sich den Aufwendungen aus rechtlichen Gründen vor allem dann nicht entziehen, wenn er sie aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung machen muss.
22 
Nichtentziehbarkeit aus sittlichen Gründen liegt erst vor, wenn die Aufwendungspflicht den Steuerpflichtigen individuell trifft, nicht hingegen bereits aufgrund einer allgemeinen, d.h. prinzipiell alle treffenden sittlichen Verpflichtung. Die Pflicht muss einer rechtlichen Verpflichtung gleichkommen; ihre Nichtbefolgung muss als gesellschaftlich oder  moralisch anstößig erscheinen. Die durch die Aufwendungen Begünstigten müssen sich in einer akuten Notlage befinden.
23 
Diese Gründe müssen ursächlich für die Aufwendungen sein. Kann der Steuerpflichtige den Aufwendungen ausweichen oder wendet er sie bewusst und aus freier Entscheidung auf, so sind die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, weil er sich ihnen entziehen kann.
24 
Flurstück Nr.  3:
25 
Für dieses Flurstück bestand keine rechtliche, insbesondere keine gesetzliche Sanierungspflicht, da ein Wert von lediglich 204 ng I-TEq/kg Boden bei einer Tiefe von 0 - 100 cm sowie ein Oberbodenwert von 441 ng I - TEq/kg Boden  gemessen wurde. Die Sanierungspflicht wird  gemäß §§ 8 und 9 Bodenschutzgesetz in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift "Organische Schadstoffe" vom 10. Dezember 1995 erst ab 1.000 ng  I -TEq/kg Boden  ausgelöst. Dementsprechend sieht der ursprüngliche Sanierungsvertrag vom 23. Dezember 1996 eine Sanierung des Hausgrundstücks Flurstück Nr. 3 nicht vor. In der Anlage zu dem Vertrag wird bezüglich dieses Flurstücks darauf hingewiesen, ein Sanierungsbedarf bestehe dort nicht, allerdings werde empfohlen, bei der Sanierungsvorplanung eine Oberflächensicherung (z.B. Auftrag von 20 cm unbelastetem Erdmaterial und erneute Raseneinsaat) zu berücksichtigen. Auch das Landratsamt stellt mit Schreiben vom 20. Januar 2000 fest, es habe kein Sanierungsbedarf bestanden.
26 
Die später anlässlich der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen gemachte Entdeckung der starken Dioxinbelastung von ca. 1600 ng I - TEq/kg Boden  hätte zwar ex nunc eine Sanierungspflicht auch für das Flurstück Nr.  3 erzeugt, kann aber für die hier betroffenen Aufwendungen keine für die Sanierungsaufwendungen ursächliche rechtliche Verpflichtung begründen, da es hierzu auf den Zeitpunkt des Abschlusses  des Ergänzungsvertrags am 20. März 1997 ankommt. Der von den Klägern vorgetragene Grund für die zunächst festgestellte geringe Belastung des Flurstücks, nämlich das frühere Auffüllen des Flurstücks rund um den Wintergarten- und Garagenterrassenanbau mit ca. 30 Kubikmeter neuem (unbelasteten) Erdreich, erlaubt es gleichfalls nicht, an die zunächst unerkannte Belastung von ca. 1.600 ng anzuknüpfen und damit von einer Rechtspflicht zur Sanierung des Flurstücks auszugehen.
27 
Eine Sanierungs-Rechtspflicht kann schließlich nicht aus den Vorsorgeempfehlungen des Umweltministeriums Baden-Württemberg hergeleitet werden. Die Empfehlungen  betrachten als Vorsorgemaßnahmen bei einer Belastung ab 100 ng I -TEq/kg Boden einen "Bodenaustausch bei Kinderspielplätzen". Aus den Unterlagen der Firma T und Partner GmbH ("Wiederherstellungsarbeiten Flurstück Nr. 1" und "Wiederherstellungsarbeiten Flurstück Nr. 3" jeweils vom 12. November 1996) ergibt sich, dass als "Kinderspielplatz" allenfalls das Flurstück Nr. 1 angesehen werden kann, da sich auf diesem - durch Bodenaustausch voll sanierten - Flurstück die Spielgeräte der Kinder (Schaukelgestell, Sandkasten, eventuell Holzhütte) befanden, während das Flurstück Nr. 3 - wie die von den Klägern vorgelegten Fotografien zeigen - lediglich den Gartenteich, Sträucher und in der Nähe des Wohngebäudes Rasenflächen aufweist. Die Sträucher (Bodendecker) sowie der Gartenteich  kommen als Spielfläche für Kleinkinder kaum in Betracht. Der Gartenteich hatte ohnehin einen geschlossenen Plastikboden, so dass darin planschende Kinder geschützt waren. Die verbleibende Rasenfläche auf Flurstück Nr. 3 entspricht für sich gesehen einem "Kinderspielplatz" nicht. Das Flurstück erscheint vielmehr als "privater Garten" im Sinne Vorsorgeempfehlung des Umweltministeriums: wie erwähnt böten danach in privaten Gärten  eine dichte Grasnarbe oder dichtes Buschwerk ausreichenden Schutz. Diese Maßnahmen reichten aus, da dort die Grasnarbe nicht so intensiv beansprucht werde, wie auf Kinderspielplätzen.
28 
Auch eine sittliche Pflicht zur Bodensanierung bestand nicht. Die berechtigte Sorge der Kläger um das Wohl und die Gesundheit der auf dem Flurstück spielenden Kinder entspricht zwar bezüglich der eigenen Kinder der allgemeinen rechtlichen und bezüglich der fremden Kinder einer allgemeinen sittlichen Fürsorgepflicht, die Kläger hätten indessen der Erfüllung dieser  - als hinreichend individualisiert unterstellten - Verpflichtungen bereits genügt, wenn sie sich wie bei Abschluss des ursprünglichen Sanierungsvertrags vorgesehen auf die als ausreichend empfohlene Oberflächensicherung durch Auftragung von unbelastetem Erdmaterial und Ansäen einer neuen Grasnarbe beschränkt hätten. Dies wäre von der Allgemeinheit nicht als anstößig empfunden worden. Überdies befanden sich die Kinder bei Zugrundelegung der gesetzlichen Vorgaben (Belastung unter 1.000 ng I - TEq/kg Boden) nicht in einer akuten Notlage. Der Entschluss der Kläger zur vollen Sanierung des Flurstücks bewirkte danach keine zwangsläufigen, sondern nicht abziehbare freiwillige - wenn auch durch die Verantwortung für und die Sorge um das Wohlergehen der eigenen und der fremdem Kinder nahegelegte -  Aufwendungen. Die Aufwendungen für die Sanierung des Flurstücks in Höhe von 25.809,19 DM sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
29 
Flurstück Nr.1:
30 
Aufgrund der ab einem Dioxingehalt von 1000 ng I-TEq/kg Boden bestehenden Sanierungspflicht musste angesichts des gemessenen Werts von 2.638 ng I-TEq/kg Boden bezogen auf eine Tiefe von 0 - 100 cm ein Bodenaustausch stattfinden. Die Kläger konnten sich demnach den anfallenden Sanierungsaufwendungen von 3.715 DM aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Das FA hat deshalb zu Recht diesen Aufwand dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Hinzu kommt allerdings der Sachaufwand in Gestalt der abgerissenen und nicht wieder errichteten Gartenhütte von 7.179,28 DM sowie der versehentlich entfernten Verbundsteine des Gartenweges i. H. v. 506 DM. Diese Beträge sind den Klägern zwar rechnerisch vergütet worden, wurden aber zugleich laut Schreiben der städtischen Wohnungsbaugesellschaft vom 17. April 2000 bei der Preisgestaltung des Sanierungsvertrags berücksichtigt. Die - sonst höheren - Sanierungskosten von 3.715 DM sind deshalb um den Sachaufwand von (7.179,28 + 506 =) 7.685,28 DM auf insgesamt 11.400,28 DM zu erhöhen. Hiervon abzuziehen ist lediglich die Vergütung des Betrags von 1.729,29 DM für die Wiedererrichtung einer Gartenhütte, da die Hütte nicht wiedererrichtet wurde, die Vergütung also den Aufwand der Kläger vermindert hat. Der danach verbleibende Aufwand  von (11.400,28 - 1.729,29 =) 9.670,99 DM zuzüglich des Zinsaufwands von 789 DM ergibt einen Gesamtaufwand der Kläger von 10.459,99 DM. Abzüglich zumutbaren Eigenbelastung von 6.240 DM verbleibt eine abziehbare außergewöhnliche Belastung von 4.219,99 DM.
31 
Die ESt ist danach wie folgt neu zu berechnen:
32 
Zu versteuerndes Einkommen laut Einspruchsentscheidung: 145.892 DM
33 
abzügl. außergewöhnliche Belastung            4.220 DM
34 
zu versteuerndes Einkommen  141.672 DM
35 
ESt laut Splittingtabelle     36.710 DM.
36 
Im Übrigen kann die Klage keinen Erfolg haben.
37 
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 1 FGO. Der Kläger erstrebt mit seiner Klage eine Steuerminderung von bisher 38.326 DM auf 25.214 DM. Der Streitwert beträgt danach 13.112 DM. Der Kläger obsiegt i. H. v. (38.326 - 36.710 =) 1.616 DM, bezogen auf den Streitwert von 13.112 DM mithin i. H. v. 12%. Sie unterliegen dementsprechend zu 88%. Dem entspricht die Kostenverteilung.
38 
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 2, 151 Abs. 3 FGO sowie § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
39 
IV. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
19 
I. Die Klage ist zulässig, sie ist indessen nicht begründet.
20 
Nach § 33 Abs. 1 EStG können nur zwangsläufig anfallende Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen sein. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dies bedeutet im Einzeln:
21 
Der Steuerpflichtige kann sich den Aufwendungen aus rechtlichen Gründen vor allem dann nicht entziehen, wenn er sie aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung machen muss.
22 
Nichtentziehbarkeit aus sittlichen Gründen liegt erst vor, wenn die Aufwendungspflicht den Steuerpflichtigen individuell trifft, nicht hingegen bereits aufgrund einer allgemeinen, d.h. prinzipiell alle treffenden sittlichen Verpflichtung. Die Pflicht muss einer rechtlichen Verpflichtung gleichkommen; ihre Nichtbefolgung muss als gesellschaftlich oder  moralisch anstößig erscheinen. Die durch die Aufwendungen Begünstigten müssen sich in einer akuten Notlage befinden.
23 
Diese Gründe müssen ursächlich für die Aufwendungen sein. Kann der Steuerpflichtige den Aufwendungen ausweichen oder wendet er sie bewusst und aus freier Entscheidung auf, so sind die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, weil er sich ihnen entziehen kann.
24 
Flurstück Nr.  3:
25 
Für dieses Flurstück bestand keine rechtliche, insbesondere keine gesetzliche Sanierungspflicht, da ein Wert von lediglich 204 ng I-TEq/kg Boden bei einer Tiefe von 0 - 100 cm sowie ein Oberbodenwert von 441 ng I - TEq/kg Boden  gemessen wurde. Die Sanierungspflicht wird  gemäß §§ 8 und 9 Bodenschutzgesetz in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift "Organische Schadstoffe" vom 10. Dezember 1995 erst ab 1.000 ng  I -TEq/kg Boden  ausgelöst. Dementsprechend sieht der ursprüngliche Sanierungsvertrag vom 23. Dezember 1996 eine Sanierung des Hausgrundstücks Flurstück Nr. 3 nicht vor. In der Anlage zu dem Vertrag wird bezüglich dieses Flurstücks darauf hingewiesen, ein Sanierungsbedarf bestehe dort nicht, allerdings werde empfohlen, bei der Sanierungsvorplanung eine Oberflächensicherung (z.B. Auftrag von 20 cm unbelastetem Erdmaterial und erneute Raseneinsaat) zu berücksichtigen. Auch das Landratsamt stellt mit Schreiben vom 20. Januar 2000 fest, es habe kein Sanierungsbedarf bestanden.
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Die später anlässlich der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen gemachte Entdeckung der starken Dioxinbelastung von ca. 1600 ng I - TEq/kg Boden  hätte zwar ex nunc eine Sanierungspflicht auch für das Flurstück Nr.  3 erzeugt, kann aber für die hier betroffenen Aufwendungen keine für die Sanierungsaufwendungen ursächliche rechtliche Verpflichtung begründen, da es hierzu auf den Zeitpunkt des Abschlusses  des Ergänzungsvertrags am 20. März 1997 ankommt. Der von den Klägern vorgetragene Grund für die zunächst festgestellte geringe Belastung des Flurstücks, nämlich das frühere Auffüllen des Flurstücks rund um den Wintergarten- und Garagenterrassenanbau mit ca. 30 Kubikmeter neuem (unbelasteten) Erdreich, erlaubt es gleichfalls nicht, an die zunächst unerkannte Belastung von ca. 1.600 ng anzuknüpfen und damit von einer Rechtspflicht zur Sanierung des Flurstücks auszugehen.
27 
Eine Sanierungs-Rechtspflicht kann schließlich nicht aus den Vorsorgeempfehlungen des Umweltministeriums Baden-Württemberg hergeleitet werden. Die Empfehlungen  betrachten als Vorsorgemaßnahmen bei einer Belastung ab 100 ng I -TEq/kg Boden einen "Bodenaustausch bei Kinderspielplätzen". Aus den Unterlagen der Firma T und Partner GmbH ("Wiederherstellungsarbeiten Flurstück Nr. 1" und "Wiederherstellungsarbeiten Flurstück Nr. 3" jeweils vom 12. November 1996) ergibt sich, dass als "Kinderspielplatz" allenfalls das Flurstück Nr. 1 angesehen werden kann, da sich auf diesem - durch Bodenaustausch voll sanierten - Flurstück die Spielgeräte der Kinder (Schaukelgestell, Sandkasten, eventuell Holzhütte) befanden, während das Flurstück Nr. 3 - wie die von den Klägern vorgelegten Fotografien zeigen - lediglich den Gartenteich, Sträucher und in der Nähe des Wohngebäudes Rasenflächen aufweist. Die Sträucher (Bodendecker) sowie der Gartenteich  kommen als Spielfläche für Kleinkinder kaum in Betracht. Der Gartenteich hatte ohnehin einen geschlossenen Plastikboden, so dass darin planschende Kinder geschützt waren. Die verbleibende Rasenfläche auf Flurstück Nr. 3 entspricht für sich gesehen einem "Kinderspielplatz" nicht. Das Flurstück erscheint vielmehr als "privater Garten" im Sinne Vorsorgeempfehlung des Umweltministeriums: wie erwähnt böten danach in privaten Gärten  eine dichte Grasnarbe oder dichtes Buschwerk ausreichenden Schutz. Diese Maßnahmen reichten aus, da dort die Grasnarbe nicht so intensiv beansprucht werde, wie auf Kinderspielplätzen.
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Auch eine sittliche Pflicht zur Bodensanierung bestand nicht. Die berechtigte Sorge der Kläger um das Wohl und die Gesundheit der auf dem Flurstück spielenden Kinder entspricht zwar bezüglich der eigenen Kinder der allgemeinen rechtlichen und bezüglich der fremden Kinder einer allgemeinen sittlichen Fürsorgepflicht, die Kläger hätten indessen der Erfüllung dieser  - als hinreichend individualisiert unterstellten - Verpflichtungen bereits genügt, wenn sie sich wie bei Abschluss des ursprünglichen Sanierungsvertrags vorgesehen auf die als ausreichend empfohlene Oberflächensicherung durch Auftragung von unbelastetem Erdmaterial und Ansäen einer neuen Grasnarbe beschränkt hätten. Dies wäre von der Allgemeinheit nicht als anstößig empfunden worden. Überdies befanden sich die Kinder bei Zugrundelegung der gesetzlichen Vorgaben (Belastung unter 1.000 ng I - TEq/kg Boden) nicht in einer akuten Notlage. Der Entschluss der Kläger zur vollen Sanierung des Flurstücks bewirkte danach keine zwangsläufigen, sondern nicht abziehbare freiwillige - wenn auch durch die Verantwortung für und die Sorge um das Wohlergehen der eigenen und der fremdem Kinder nahegelegte -  Aufwendungen. Die Aufwendungen für die Sanierung des Flurstücks in Höhe von 25.809,19 DM sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
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Flurstück Nr.1:
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Aufgrund der ab einem Dioxingehalt von 1000 ng I-TEq/kg Boden bestehenden Sanierungspflicht musste angesichts des gemessenen Werts von 2.638 ng I-TEq/kg Boden bezogen auf eine Tiefe von 0 - 100 cm ein Bodenaustausch stattfinden. Die Kläger konnten sich demnach den anfallenden Sanierungsaufwendungen von 3.715 DM aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Das FA hat deshalb zu Recht diesen Aufwand dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Hinzu kommt allerdings der Sachaufwand in Gestalt der abgerissenen und nicht wieder errichteten Gartenhütte von 7.179,28 DM sowie der versehentlich entfernten Verbundsteine des Gartenweges i. H. v. 506 DM. Diese Beträge sind den Klägern zwar rechnerisch vergütet worden, wurden aber zugleich laut Schreiben der städtischen Wohnungsbaugesellschaft vom 17. April 2000 bei der Preisgestaltung des Sanierungsvertrags berücksichtigt. Die - sonst höheren - Sanierungskosten von 3.715 DM sind deshalb um den Sachaufwand von (7.179,28 + 506 =) 7.685,28 DM auf insgesamt 11.400,28 DM zu erhöhen. Hiervon abzuziehen ist lediglich die Vergütung des Betrags von 1.729,29 DM für die Wiedererrichtung einer Gartenhütte, da die Hütte nicht wiedererrichtet wurde, die Vergütung also den Aufwand der Kläger vermindert hat. Der danach verbleibende Aufwand  von (11.400,28 - 1.729,29 =) 9.670,99 DM zuzüglich des Zinsaufwands von 789 DM ergibt einen Gesamtaufwand der Kläger von 10.459,99 DM. Abzüglich zumutbaren Eigenbelastung von 6.240 DM verbleibt eine abziehbare außergewöhnliche Belastung von 4.219,99 DM.
31 
Die ESt ist danach wie folgt neu zu berechnen:
32 
Zu versteuerndes Einkommen laut Einspruchsentscheidung: 145.892 DM
33 
abzügl. außergewöhnliche Belastung            4.220 DM
34 
zu versteuerndes Einkommen  141.672 DM
35 
ESt laut Splittingtabelle     36.710 DM.
36 
Im Übrigen kann die Klage keinen Erfolg haben.
37 
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 136 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 1 FGO. Der Kläger erstrebt mit seiner Klage eine Steuerminderung von bisher 38.326 DM auf 25.214 DM. Der Streitwert beträgt danach 13.112 DM. Der Kläger obsiegt i. H. v. (38.326 - 36.710 =) 1.616 DM, bezogen auf den Streitwert von 13.112 DM mithin i. H. v. 12%. Sie unterliegen dementsprechend zu 88%. Dem entspricht die Kostenverteilung.
38 
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 2, 151 Abs. 3 FGO sowie § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
39 
IV. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

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