Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 5 K 311/01

Tenor

1. Der Bescheid vom 11. Oktober 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.1990 wird dahingehend geändert, dass bei der Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs ein Entnahmebetrag von 1.412.181 DM statt 4.236.845 DM zugrunde gelegt wird.

Dem Beklagten wird aufgegeben, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31.12.1990 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu festzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden bis zur Stellung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung zu 2/3 dem Beklagten und zu 1/3 dem Kläger und für die Zeit danach dem Kläger in vollem Umfang auferlegt.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss errechneten Betrages Sicherheit leistet.

Tatbestand

 
Der Kläger (Kl) betreibt seit Jahrzehnten in X einen Groß- und Einzelhandel mit Teppichen. Er unterhielt auch eine Filiale in Y.
In der Zeit von 23. November 1990 bis 7. Januar 1991 ließ er einen Räumungsverkauf durchführen. Dazu hatte er Herrn A beauftragt, mit dem er am 28. November 1990 einen in ... Sprache abgefassten Vertrag abgeschlossen hatte. Mit einer weiteren Vereinbarung am 5. Dezember 1990 wurde dieser Vertrag ergänzt. Der Vertrag hatte nach der in einem Zivilrechtsstreit zwischen dem Kl und Herrn A vorgelegten Übersetzung folgenden Wortlaut:
1. Herr ... übergibt alle Möglichkeiten zur Durchführung dieses Vertrages an Herrn A, dass dieser nach seiner Art und Weise diese Arbeit bis zum Schluss durchführen kann.
2. Herr Z und Herr K in Y, Frau S und Herr R sind Verkäufer dieser Geschäfte von Herrn .... Während dieser Zeit erhalten sie vom Verkauf, der durch sie getätigt wurde, 3 % Provision.
3. Durch Herrn ... wird eine Person in X und eine Person in Y als Kassenführer eingestellt, dass jeden Tag nach Beendigung der Arbeit mit dem Vertreter Herr A nach dem Tagesverkauf Auszahlungen der Rechnungen vorgenommen wird.
4. Während der Durchführung dieses Vertrages wird die Hälfte der Geschäftskosten und die Lohnzahlung der Arbeiter und Angestellten von Herrn ... in Betrachtung genommen.
5. Herr A rechnet die Kosten der Werbung sowie die Provision an die Verkäufer, die er anstellt, vom erhaltenen Etat.
6. Der Versteigerer wird von Herrn A bestellt und wird mit ihm abrechnen.
7. Herr ... ist einverstanden, dass der Etat der Durchführung dieser Arbeit „Totalausverkauf“ und zusätzlichen schriftlichen Verkauf nach dem Räumungsverkauf 18 % vom Rohverkauf sein wird.
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8. Jeden Tag nach der Arbeit wird der Verkauf zusammengezählt und mit dem Vertreter von Herrn A die Rechnungen geprüft und bezahlt.
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9. Aus diesem Vertrag gehen keine steuerlichen Verpflichtungen hervor, wenn ja, hat Herr ... diese zu tragen.
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Ergänzungen vom 5. Dezember 1990:
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1. Verbesserung der Bedingung Nr. 5 des Vertrages:
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Herr A übernimmt die Werbekosten, die seit 20. 11. 1990 von Herrn ... getragen wurden.
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2. Verbesserung zur Bedingung Nr. 7.
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Herr ... ist mit der Erhöhung des Honorars von Herr A um 1 % ab Beginn des Ausverkaufs einverstanden, das heißt, die tägliche Auszahlung und Abrechnung werden auf der Basis von 19 % erfolgen.
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3. Alle anderen Bedingungen bleiben bestehen.
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Der vom Zivilgericht beigezogene Dolmetscher wies darauf hin, dass das in Nr. 5 des ursprünglichen Vertrages mit „Etat“ übersetzte Wort mit „Anteil“ übertragen werden müsse. Der Dolmetscher übersetzte diesen Absatz des Vertrages folgendermaßen:
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5. Herr A übernimmt die Kosten der Werbung und die Bezahlung der Verkäufer, die seinerzeit die Arbeit durchführen, von seinem Anteil.
20 
Während des Räumungsverkaufs, und zwar am 20. Dezember 1990, kam es zwischen dem Kl und Herrn A zu einer heftigen Auseinandersetzung. Sie führte dazu, dass Herr A am Abend dieses Tages seine Tätigkeit für den Kl unter Mitnahme der Tageskasse einstellte und der Kl deshalb am 22. Dezember 1990 bei der Polizeidienststelle in Y gegen Herrn A Anzeige wegen Unterschlagung und Nötigung erstattete. Er gab dabei an, dass Herr A für die Räumungsverkaufsaktion von ihm bisher Bargeld und Schecks von schätzungsweise 700.000 DM erhalten und er darüber hinaus Herrn A wegen dessen Drohungen die Tageseinnahmen von schätzungsweise 140.000 DM bis 150.000 DM überlassen habe. Der bei dem Vorfall anwesende Neffe des Kl, Herr M, bestätigte in einer polizeilichen Vernehmung am 5. Januar 1991 diese Angaben des Kl. Am 27. Februar 1991 vernahm die Kriminalpolizei in Y den Kl. Hierbei machte der Kl u.a. noch folgende Angaben:
21 
„...
Herr A erhielt von mir aufgrund dieses Vertrags insgesamt DM 805.000,-- DM bar ausbezahlt.
22 
Auf Frage: Hierbei handelt es sich um die vereinbarten 18 % des Gesamtumsatzes.
23 
...
Auf Frage: Ich schätze, dass in Y und X im fraglichen Zeitraum ein Umsatz von effektiv ca. 3,5 Mio. DM erzielt wurde.
...“
24 
Wegen des Inhalts der Anzeige des Kl am 22. Dezember 1990, seiner Vernehmung am 27. Februar 1991 sowie der Vernehmung seines Neffen am 5. Januar 1991 bei der Polizei in Y wird auf die Fotokopien der Vernehmungsprotokolle (Finanzgerichts-FG-Akten Band I, 160 bis 170) Bezug genommen.
25 
In der Folgezeit kam es zu einem langwierigen zivilrechtlichen Prozess zwischen dem Kl und Herrn A sowie anderen in den Räumungskauf involvierten Personen über verschiedene Streitpunkte. Der Rechtsstreit zwischen dem Kl und Herrn A führte infolge Berufungen und einer Revision zu folgenden Gerichtsurteilen:
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Landgericht (LG) ... vom 31. Oktober 1991 ...
27 
Oberlandesgericht (OLG) ... vom 24. November 1992 ....
28 
LG ... vom 10. März 1995 ...
29 
OLG ... vom 12. November 1996...
30 
Bundesgerichtshof (BGH) vom 7. Mai 1988 .... (FG-Akten Band I, 18 bis 30)
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OLG ... vom 30. November 1999 .... (FG-Akten Band I, 45 bis 76)
32 
In diesem im Jahre 1991 begonnenen Prozess trugen der Kl und Herr A übereinstimmend vor, dass der Kl an Herr A 805.000 DM für die Durchführung des Räumungsverkauf bezahlt habe. Herr A behauptete in seiner Klage, dass während des Räumungsverkaufes in Y Teppiche laut seiner Abrechnung im Gesamtwert von 5.360.000 DM (Schriftsatz des Rechtsanwalts .... vom 6. Juni 1991 an das Landgericht ..., Az: ..., LG-Akten Band I, 41, 45) verkauft worden seien. Für das Geschäft in X bezifferte Herr A laut Urteil des OLG ... vom 3. November 1992.... (LG-Akten Band II, 296, 310) den Umsatz des Räumungsverkaufs mit 1.337.721 DM. Über die Höhe seiner Umsatzerwartungen und des tatsächlich erzielten Umsatzes in seinem X Geschäft nahm der Kl in seinem Schriftsatz vom 31. Juli 1991, (LG-Akten Band I, 83, 88) wie folgt Stellung:
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„Im X Geschäft war eine realistische Umsatzerwartung von DM 7.000.000,-- bis DM 8.000.000,-- gegeben. Tatsächlich wurden lediglich etwa DM 1.300.000 umgesetzt.“
34 
Im Schriftsatz vom 29. August 1991 widersprach der Kl den von Herrn A angegebenen Verkaufszahlen in Y und widerrief die von ihm für X angegebene Umsatzhöhe (LG-Akten Band I, 111, 117). Er führte aus, er schätze die Umsätze auf die Hälfte. Eigene Angaben könne er nicht machen, weil die Unterlagen bei Herrn A seien. Die Abrechnung des Herrn A könne er deshalb nicht anerkennen. Im Schriftsatz vom 20. November 1992 (LG-Akten. Band II, 289) teilte der Kl mit, er hab die Anregung des Senats aufgegriffen und anhand von Bank- und Kassenbelegen die Umsätze ermittelt, die in beiden Häusern während des Räumungsverkaufes gemacht worden seien. Diese Ermittlungen, die die Zeugen, Frau S (später verheiratete E) und Herr R durchgeführt hätten, hätten einen Umsatz von 3.464.215 DM einschließlich Mehrwertsteuer ergeben. In der mündlichen Verhandlung vom 3. November 1992 des OLG ... hat der Kl „die tatsächliche Umsatzhöhe unter Berücksichtigung behaupteter Retouren und rückabgewickelter Verkäufe“ mit 3,5 Mio DM angegeben (Urteil des OLG ... vom 3. November 1992...., LG-Akten Band II, 296, 310).
35 
Nach Zurückverweisung an das LG ... übergab in einer mündlichen Verhandlung am 25. Mai 1993 Herr A dem Anwalt des Kl, ..., die Verkaufsunterlagen sowie eine Zusammenstellung der Umsätze in der Art eines Journals (LG-Akten Band II, 343, 345). In dem Schriftsatz vom 16. Juni 1993 (LG-Akten Band III, 350) trug der Kl u. a. vor, die von Herrn A gefertigte Auflistung der Umsätze enthalte nicht die Retouren. Er (der Kl) stelle die Zahlungseingänge mit 3.464.215 DM fest.
36 
In der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme des LG am 19. April 1994 (LG-Akten Band IV, 482 f) fasste das LG den Beschluss, dass weiterer Beweis über die Behauptung des Herrn A
37 
„Bei den Räumungsverkäufen in Y und X seien in Y 3.739.702,00 DM und in X 1.543.761,80 DM umgesetzt worden und an den Beklagten (-Hinweis des Finanzgerichts -FG-: gemeint ist der Kl im finanzgerichtlichen Verfahren-) auch abgeführt worden“
38 
zu erheben sei. In der Beweisaufnahme am 21. Juni 1994 (LG-Akten Band IV, 495 ff) sagten die Zeugen u.a. Folgendes aus:
39 
1. Zeuge Z: (S. 3. des Vernehmungsprotokolls)
„...
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Auf die Frage nach den bei den Verkäufen insgesamt erzielten Umsätzen:
41 
Es war so, daß die Sache in Y am 07.01. beendet war. Wir haben das Haus ausgeräumt und die restliche Ware nach X verbracht. Ich bin in der Folge beim Beklagten (-Hinweis des FG: gemeint ist der Kl im finanzgerichtlichen Verfahren-) ausgeschieden, habe aber noch Kontakt gehalten. Mich interessierte der erzielte Umsatz, insbesondere in Y. Die Zahlen, die sie (-Hinweis durch das Finanzgericht: gemeint ist die Zeugin S, nunmehr verheiratete E-) mir nannte, bedeuteten für mich eine gewisse Enttäuschung. Sie gab für Y den Umsatz bis 20. 12. 1990 mit 1,73777 Mio an und bis 07.01.1991 mit weiteren 0,697805 Mio., für X nannte sie 1,028 Mio. Das mäßige Ergebnis erklärte sie mir mit einer beachtlichen Zahl von Stornofällen, die ich aus einer Liste auch ersehen konnte.
42 
...“
2. Zeugin S, nunmehr verheiratete E: (S. 7 f des Vernehmungsprotokolls)
„...
43 
Auf Frage nach den Umsätzen:
44 
Nachdem die Aktion vorbei war, haben wir die Umsätze ermittelt, und zwar danach, was wir an Geldern von Herrn N aus dem Geschäft X und von ... aus Y erhalten hatten. Die Gelder aus Y hatte Herr ... ja von Herrn A oder dessen Mitarbeitern.
45 
Auf Frage:
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Neben diesen Barbeträgen haben wir dann eben noch die Banküberweisungen von Kunden erfaßt.
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Auf die Frage nach den Zahlen, die sich ergeben hätten:
48 
Ich habe mir in meinem Kalender seinerzeit als Umsatz beider Häuser bis zum 20. 12. 2.766.410 Mio DM notiert. Danach kam aus dem sog. Verwertungsverkauf bis zum 7. Januar noch ein Betrag von 697.805,-- DM. Dieser Betrag betraf praktisch ausschließlich Umsätze in Y, weil in X das Geschäft zu war.
49 
Auf Frage von Rechtsanwalt ... nach einer Aufteilung auf die beiden Geschäfte:
50 
Die Zeugin:
51 
Bis 7. Januar ergab sich für Y ein Betrag von 2.435.575 DM und X von 1.028.640 Mio. DM.
52 
Auf Frage von Rechtsanwalt ...:
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Dies ist der Abschluß, also unter Berücksichtigung vorgenommener Retouren.
54 
Auf die Frage von Rechtsanwalt .... (-Hinweis des FG: Rechtsanwalt des Herrn A-), wann nun dieses Resultat erzielt worden sei:
55 
Das nahm schon noch eine gewisse Zeit in Anspruch, es gingen noch durch den ganzen Januar hindurch Retouren ein. Ich meine, es lief in dieser Hinsicht auch noch im Februar etwas. Wir haben das dann im März ermittelt.
56 
Auf weitere Frage von Rechtsanwalt ....;
57 
Was ich vor mir liegen habe, ist der Kalender, den ich für das Jahr 1991 geführt habe und in dem ich das festgehalten habe.
58 
Auf die weitere Frage von Rechtsanwalt ...., anhand welchen Materials denn die von der Zeugin notierten Zahlen entstanden seien:
59 
Wie schon gesagt, eben aufgrund der Gelder, die, wie anfangs erwähnt, hereingekommen sind.
...“
60 
3. Zeuge R, Neffe des Beklagten (-Hinweis des FG: gemeint ist der Kl im finanzgerichtlichen Verfahren-)
„...
61 
Auf die Frage nach den Umsätzen:
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Dazu kann ich nur sagen, daß jeden Tag abgerechnet worden ist, was umgesetzt worden war. Zum Schluß haben wir nur die Unterlagen darüber gehabt, was uns an Geld zugeflossen ist und was die Kunden durch Banküberweisung bezahlt haben. Hieraus sind dann die ca. 3,5 Mio. DM am Ende ermittelt worden.
63 
Auf die Frage, wer mit wir gemeint gewesen ist:
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Eben Frau S, Herr Z, ich und auch ....
65 
Auf die Frage, ob der Zeuge selbst mit der erwähnten rechnerischen Ermittlung befaßt gewesen sei:
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Das hat Frau S gemacht, und ich habe sie dabei unterstützt.
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Auf die Frage von Rechtsanwalt ..., worin im einzelnen die Mitwirkung des Zeugen bestanden habe:
68 
Ich habe Zahlungen zusammengerechnet, die vorhandenen Unterlagen sortiert und mit Kunden abgerechnet, die noch etwas zurückgaben.
69 
Auf Frage von Rechtsanwalt ...:
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Die abschließenden Zahlungen sind unter meiner Mitwirkung entstanden. Ich kann nicht sagen, ob ich jede Minute bei diesem Rechenwerk zugegen gewesen bin.
71 
Auf die weitere Frage von Rechtsanwalt ..., ob es somit ein Gemeinschaftswerk gewesen sei:
72 
So kann man es sagen, es war ja auch Herr Z beteiligt.
73 
Auf den Vorhalt von Rechtsanwalt ...., daß Herr Z seinen Angaben zufolge an der Ausrechnung nicht mitgewirkt habe:
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Wir haben häufig mit ihm telefoniert. Insofern war auch eine Mitwirkung von seiner Seite gegeben.
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Auf die Frage von Rechtsanwalt ...., was für Unterlagen zum Rechenwerk zur Hand gewesen seien:
76 
Bankbelege und Belege über die Zahlung von Herrn N und Herrn A.
...“
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Wegen der weiteren nicht oben einzeln zitierten Aussagen der vor dem LG ... vernommenen Zeugen wird auf das Vernehmungsprotokoll des LG vom 21. Juni 1994 (LG-Akten Band IV, 495 bis 512) Bezug genommen. Nachdem das LG in seinen Entscheidungsgründen in dem Urteil vom 10. März 1995... (LG-Akten Band IV, 541-557) den von Herrn A anhand dessen Umsatzliste (blaues Heft) dargelegten Umsatz von insgesamt 5.292.463,80 DM zugrundegelegt hatte, stellte der Kl in der erneuten Berufung auf Seite 11 seines Schriftsatzes an das OLG ... vom 14. November 1995 (LG-Akten Band IV, 586) unstreitig, dass dieser Betrag als maßgeblicher Umsatz anzunehmen sei.
78 
Im seinem Schriftsatz vom 25. Juni 1996 (LG-Akten Band V, 649 ff) machte der Kl dennoch geltend, die Umsatzliste (blaues Heft) des Herrn A sei falsch, weil dort nachträglich stornierte Lieferungen aufgeführt seien. Er lege seinerseits eine Auflistung mit Stornovermerken vor. Danach ergebe sich ein
79 
behaupteter Umsatz von
 5.292.463,80 DM
Stornofälle X
449.947,00 DM
Stornofälle Y
1.091.808,00 DM
somit verblieben nur
3.750.708,80 DM
80 
Er führte dazu aus, es solle damit nicht zum Ausdruck kommen, dass er diesen Betrag bekommen habe. Tatsächlich habe er lediglich 2.766.410 DM und aus dem anschließenden Verwertungsverkauf nochmals 697.805 DM erhalten. Herr A legte demgegenüber dar, er habe stornierte Verträge in seiner Umsatzliste von Anfang an nicht erfasst und der Berechnung seiner Provisionsforderung nur die Umsatzerlöse zugrunde gelegt, die tatsächlich erzielt und dem Kl zugeleitet worden seien.
81 
Das OLG ... hat dann seinerseits in weiteren Beweisterminen am 7. Oktober 1996 und am 8. November 1999 mehrere Zeugen, darunter auch wieder die Zeugen E und R vernommen. Auf die Vernehmungsprotokolle dieser Beweistermine (LG-Akten Band V, 664 bis 695 und 806 bis 817) wird Bezug genommen.
82 
Nachdem auf Revision der BGH mit Urteil vom 7. Mai 1998 .... (FG-Akte, 18 bis 30) das Urteil des OLG ... vom 7. Oktober 1996... teilweise aufgehoben und im Übrigen an das OLG ... zurückverwiesen hatte, machte der Kl mit Schriftsatz vom 20. August 1998 beim OLG ... (LG-Akten Band V, 737 bis 747) geltend, die Stornofälle X in Höhe von 449.947 DM und Y in Höhe von 1.091.808 DM seien umsatzmindernd zu berücksichtigen. Diese Stornofälle ergäben sich aus den Stornovermerken auf den Lieferscheinen. Darüber hinaus gäbe es noch eine Serie weiterer Stornofälle, die bisher nicht mit Deutlichkeit vorgetragen worden seien. Stornofälle seien im Geschäftsbetrieb in der Regel so gehandhabt worden, dass auf dem rosa Lieferschein ein Stornovermerk aufgebracht worden sei. Dazu sei notwendig gewesen, aus den abgelegten rosa Lieferscheinen den jeweiligen Lieferschein herauszusuchen, um auf ihm die Stornierung zu vermerken. Bei den Ordnern mit den rosa Lieferscheinen, die Herr A erst nach langer Zeit wieder zurückgegeben habe, sei die Nummernfolge der Lieferscheine nicht mehr lückenlos gewesen. Deshalb müsse Herr A die Lieferscheine, als sie in dessen Besitz gewesen seien, entfernt haben. Bei der Mitnahme der Ordner sei die Nummernfolge lückenlos gewesen. Es gebe 317 Lückennummern, die er mit jeweils 4.309 DM veranschlage, so dass sich daraus ein Stornobetrag von 1.365.953 DM ergebe. Vorsichtshalber setze er die Hälfte des Wertes, somit 682.976 DM an. Außerdem habe eine Überprüfung der Aufzeichnungen des Herrn A im Vergleich mit den zugehörigen Lieferscheinen weitere Fehler ergeben. Diese führte der Kl in seinem Schriftsatz im einzelnen auf. Richtigerweise sei der Umsatz, den Herr A zugrunde legen könne, folgendermaßen zu berechnen:
83 
Ausgangsbetrag (blaues Heft)
5.292.463,80 DM
abzüglich:
Stornofälle nach Lieferscheinen in X
- 449.947,00 DM
Stornofälle nach Lieferscheinen in Y
- 1.091.808,00 DM
Stornofälle nach Lücken in der Nummerierung
- 682.976,50 DM
Differenzen Lieferscheine/Liste im Heft
- 129.690,00 DM
Seidenteppiche Frau N
- 84.800,00 DM
maßgeblicher Umsatz
2.853.242,30 DM
84 
In seinem Urteil vom 8. November 1999... hat das OLG ... die Provision des Herr A wie folgt berechnet:
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Umsatzerlöse
5.292.463,80 DM
./. Teppiche Frau N
- 84.800,00 DM
./. Differenzen Lieferscheine/Liste blaues Heft
- 16.000,00 DM
maßgeblicher Umsatz
5.191.663,80 DM
86 
Der Kl reichte seine Einkommensteuer-(ESt)-Erklärungen für das Jahr 1990 am 2. Dezember 1992 und für 1991 am 13. Mai 1994 ein. Hierbei erklärte er bei seinen Einkünften aus dem Teppichhandel Verluste, und zwar für das Jahr 1990 in Höhe von 2.496.552 DM und für das Jahr 1991 in Höhe von 276.308 DM. In den Gewinn- und Verlustrechnungen 1990 und 1991 hatte er Umsatzerlöse von 1.772.191,79 DM bzw. 1.078.031,56 DM ausgewiesen. Dementsprechend erließ der Bekl ESt-Bescheide für das Jahr 1990 am 13. Januar 1993 und für das Jahr 1991 am 18. Juli 1994 sowie mit den jeweilig gleichen Daten Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt mit verbleibenden Verlustabzügen in Höhe von 4.714.152 DM für das Jahr 1990 und in Höhe von 4.855.219 DM für das Jahr 1991. Alle Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
87 
Für den Monat November 1990 hatte der Kl einen Umsatz in Höhe von 79.924 DM und für den Monat Dezember 1990 einen Umsatz in Höhe von 981.565 DM angemeldet. Nach einer von seinem Steuerberater an den Bekl am 16. August 2000 übersandten Übersicht über die Erlöse 1990 belaufen sich für den Räumungsverkauf im November 1990 die Erlöse auf 93.891,23 DM und im Dezember auf 1.502.102,15 DM.
88 
In der Zeit vom 10. Februar bis 23. August 1993 führte der Bekl eine Betriebsprüfung (Bp) für den Veranlagungszeitraum 1988 bis 1990 durch. In Abschnitt B des Bp-Bericht vom 30. August 1993 ist u. a. Folgendes ausgeführt:
89 
„Kasse: Obwohl die Kasse im Mittelpunkt der geschäftlichen Betätigung steht, wurde der Kassenbestand nicht täglich aufgezeichnet.
90 
Inventur: Bei Prüfungsbeginn wurde eine unvollständige, nicht aufaddierte Inventur vorgelegt. Eine vollständige Inventur wurde im Verlauf der Besprechungen vorgelegt. Zukünftig sind die vollständigen Inventuren mit den entsprechenden Grundaufzeichnungen bei Prüfungsbeginn vorzulegen.“
91 
Unter Tz 107 wird ausgeführt. „nach dem einvernehmlich erzielten Ergebnis der Schlussbesprechung ist zum 31. 12. 1990 noch eine sonstige Forderung an Herrn A in Höhe von 580.000 DM zu aktivieren.“
92 
Der Bekl übernahm die Feststellung der Bp in dem nach § 164 Abs. 2 AO ergangenen ESt-Änderungsbescheid vom 10. Februar 1994 für das Jahr 1990. Hierbei hob der Bekl den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Als Folge hiervon änderte der Bekl ebenfalls am 10. Februar 1994 gemäß § 10 d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der damals geltenden Fassung den Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug.
93 
Zwischen November 1996 und Herbst 1999 fand eine weitere Außenprüfung mit dem Prüfungszeitraum 1992 bis 1994 statt, bei der aufgrund einer weiteren Prüfungsanordnung vom 15. Oktober 1998 auf die Prüfungszeiträume 1990 und 1991 erweitert wurde.
94 
Der Betriebsprüfer beanstandete in dem Bp-Bericht vom 31. Januar 2000 auch bei dieser Prüfung die Kassenbuchführung. Im Verlauf der Bp erhielt der Betriebsprüfer Kenntnis von dem mit Herr A geführten Zivilprozess mit Urteil des OLG ... vom 7. Oktober 1996... sowie dessen Schreiben an den Kl vom 22. Februar und 17. April 1991 mit den Abrechnungen über den Ausverkauf in Y in Höhe von 5.360.000 DM und in X in Höhe von 1.337.721 DM. Da aus dem Urteil des OLG ... hervorging, dass der Umsatz aus dem Räumungsverkauf in Höhe von 5.292.463,80 DM unstreitig gestellt war, ging die Bp von bisher nicht erklärten Umsätzen in dieser Höhe im Veranlagungszeitraum 1990 aus und behandelte einen Betrag von 5.292.463 DM als Entnahmen (Bp-Bericht vom 31. Januar 2000, Tz 1.04, Bp-Berichtsakte..., S. 19). Aufgrund des dementsprechend gefertigten Bp-Berichts erließt der Bekl am 23. Februar 2000 entsprechende geänderte ESt-Bescheide und Verlustfeststellungsbescheide, die der Bekl für die ESt 1990 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, für die ESt 1991 auf § 164 Abs. 2 AO und für die Feststellungsbescheide des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf § 10 d Abs. 3 Sätze 4 und 5 EStG stützte. Die ESt wurde mit jeweils 0 DM festgesetzt. Der verbleibende Verlustabzug zum 31. 12. 1990 wurde auf 272.209 DM und zum 31. 12. 1991 auf 413.398 DM festgestellt.
95 
Sein dagegen eingelegter Einspruch hatte insoweit Erfolg, als in der Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2001 der verbleibende Verlustabzug zur ESt auf den 31.12.1990 nunmehr auf 997.722 DM und derjenige auf den 31.12.1991 auf 1.138.911 DM festgestellt wurde. Dieser Feststellung liegt die Annahme des Bekl zugrunde, dass die an Herrn A ausgezahlte Provision von 805.000 DM gemäß dem zwischen ihm und dem Kl abgeschlossenen Vertrag 19 % des Umsatzes der Räumungsverkaufs entsprechen. Hieraus entwickelte er nachstehende Berechnung:
96 
Provision von 805.000 DM ohne Umsatzsteuer (USt) =
706.141 DM
hochgerechnet auf 100 % =
 3.716.531 DM
+ 14 % USt
 510.314 DM
Entnahmen brutto
4.236.845 DM
97 
Mit seiner dagegen erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, das Veranlagungsjahr 1990 sei bereits Gegenstand einer Bp im Jahr 1993 gewesen. Die aufgrund dieser Bp ergangenen Bescheide seien bestandskräftig geworden. Inzwischen sei für diese Bescheide Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Steuerhinterziehung liege nicht vor, da dem damaligen Betriebsprüfer, dem Zeugen B, sämtliche Unterlagen vorgelegen und er auch darin Einsicht genommen habe. Mit ihm und dem Sachgebietsleiter der Bp, dem Zeugen Herrn D, sei der gesamte Sachverhalt erörtert worden. Aus diesem Grunde sei es zu der Erfassung einer Forderung an Herrn A in der Bilanz in Höhe von 580.000 DM gekommen. Die Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide aus, weil von einer neuen Tatsache im Sinne des § 173 Abs.1 Nr. 2 AO deshalb keine Rede sein könne. Da auch der Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO nicht vorliege, seien die Bescheide nicht mehr abänderbar.
98 
Herr A habe den Räumungsverkauf organisiert und durchgeführt. Wegen seines (des Kl) Gesundheitszustandes sei er damals nicht in der Lage gewesen, die Sachherrschaft über die Kasse auszuüben. Er sei in dieser Zeit immer wieder einmal im Betrieb gewesen, wie häufig, wisse er nicht mehr. Wenn er auf den Beinen habe sein können, sei er im Geschäft gewesen, um zu wissen, was geschehe. Dies sei aber immer nur ein paar Minuten gewesen. Nur kurzfristig habe er sich am 20. Dezember 1990 im Ladengeschäft aufgehalten. Die täglichen Einnahmen habe Herr A bzw. sein Vertreter am Abend in X und Y entgegengenommen bzw. aus der Kasse genommen und gezählt. Es sei nicht mit ihm (dem Kl) oder seinem (des Kl) Vertreter abgerechnet worden. Er habe den Ablauf der Geschäfte nicht durch seine Angestellten kontrollieren lassen. Er habe seinen Angestellten nur gesagt, dass sie kassieren und am Abend mit Herrn A abrechnen sollten. Abendliche Abrechnungen der Tageseinnahmen habe es nicht gegeben. Seine Angestellten hätten nicht notiert. Die Zeugin S bzw. E habe die Verkaufsbeleg-Rechnungen in die Hand genommen, zusammengezählt und die paar Sachen, die retour gekommen seien, davon abgezogen. Ihm und seinem Neffen sei nicht bekannt gewesen, welche Beträge Herr A entnommen habe. Am 20. Dezember 1990 habe er vormittags Herrn A gekündigt und abends die Belege prüfen wollen. An diesem Abend sei Herr A nochmals erschienen und habe unrechtmäßig Geld gefordert. Er habe Herrn A auf dessen Drohung hin ca. 140.000 DM übergeben. Er (der Kl) sei sehr aufgeregt gewesen und habe das Geld schnell gezählt. Herr A habe eine Quittung ausgestellt. Eine korrekte Abrechnung seitens des Herrn A, der sich nicht mehr in Deutschland aufhalte und nicht mehr auffindbar sei, liege ihm bis heute nicht vor. Die Provision habe Herr A nicht vom ihm bekommen, sondern dieser habe die Beträge über die Entnahme aus der Kasse einbehalten. Den einbehaltenen Betrag von 700.000 DM habe ihm Herr A genannt. Bei den 1991 verbuchten Beträgen handele es sich um Gelder, die er im Rahmen der Auseinandersetzung mit Herrn A an diesen ausbezahlt habe.
99 
Die eingenommen Gelder seien in der Kasse erfasst und auf sein Geschäftskonto bei der .... eingezahlt worden. Die gesamten Buchhaltungsunterlagen seien dem Bekl ausgehändigt gewesen, so dass dieser in der Lage gewesen sei, die eingegangenen Zahlungen nachzuvollziehen. Der Bekl könne nicht den im Zivilprozess unstreitig gestellten Umsatzbetrag heranziehen. Der damalige Prozessvertreter ... habe schriftlich dargelegt, dass dies aus prozesstaktischen Gründen geschehen sei. Er verweise insoweit auf die Schreiben des .... vom 13. Oktober 2000 an seinen Prozessvertreter Herrn ... und vom 5. Oktober 2001 an den Bekl (FG-Akten Band II, 274 bis 276). Weiter seien 317 Lieferscheine nicht vorhanden. Es sei davon auszugehen, dass Herr A neue Belege ausgefüllt und nicht in die Buchhaltungsunterlagen weitergereicht habe.
100 
Zu dem Vorwurf der vorsätzlichen Steuerhinterziehung bemerke er, dass er die gemachten Umsatzangaben von rund 4,4 Mio. DM bzw. 3,5 Mio. DM aus den von Herrn A sich selbst ausbezahlten Provisionen errechnet habe. Er sei ursprünglich davon ausgegangen, dass bei einer berechtigten Provision von rund 700.000 DM sich ein Umsatz von 3,5 Mio. DM ergebe. Ihm sei zu jenem Zeitpunkt nicht klargewesen, dass die Stornierungen nicht mit einbezogen gewesen seien. Er weise darauf hin, dass die Stornierungen beträchtlich gewesen seien. Im Zusammenhang mit dem Schlussverkauf habe es eine Kampagne in der Presse und im Rundfunk gegeben, bei der vor den angeblich überhöhten Preisen gewarnt worden sei. Seine Mitarbeiter seien aus diesem Grunde gezwungen gewesen, die Teppiche auch zur Ansicht mit möglichem Rückgaberecht zu verkaufen. Wegen der Veröffentlichungen seien die Käufer sehr verunsichert gewesen und hätten von ihrem Rückgaberecht in großem Umfang Gebrauch gemacht.
101 
Die von ihm gemeldeten Umsätze entsprächen den tatsächlich erzielten Umsätzen und die Umsatzsteuervoranmeldungen seien von seiner Angestellten, der Zeugin S, nach den damals vorgelegten Verkaufsbelegen zusammengestellt worden. Es läge damit weder der objektive noch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO vor. Dies habe auch bereits der 9. Senat des FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 22. Oktober 2003 12 K 388/01 wegen USt 1990, 1991, 1992 festgestellt. Er habe jedenfalls wissentlich keine widersprüchlichen Angaben zur Höhe der im Schlussverkauf im Jahr 1990 erzielten Erlöse gemacht.
102 
Der Kl beantragt,
103 
den Bescheid vom 11. Oktober 2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31.12.1990 aufzuheben,
104 
Der Bekl beantragt,
105 
den Feststellungsbescheid vom 11. Oktober 2001 über den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum 31.12.1990 dahingehend zu ändern, dass von einem Entnahmewert von 1.412.181,00 DM ausgegangen und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.
106 
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, er bestreite, dass der Kl keine Sachherrschaft über die Kasse und Aufzeichnungen gehabt habe und die Einnahmen nach Zahlung durch Herrn A gebucht worden seien. Dies ergebe sich schon aus den polizeilichen Protokollen der Anzeige des Kl vom 22. Dezember 1990. Der Kl habe in der weiteren polizeilichen Vernehmung am 27. Februar 1991 den „im fraglichen Zeitraum“ in Y und X erzielten Umsatz mit „effektiv“ 3,5 Mio. DM beziffert. Dies komme dem in der Einspruchsentscheidung veranschlagten Betrag ziemlich nahe. Der Kl habe nach diesem Protokoll auch angegeben, dass er an Herrn A 805.000 DM bezahlt habe, was 18 % des Gesamtumsatzes entspreche. Dies ergebe hochgerechnet einen Gesamtumsatz von 4.472.222,22 DM. Die Lösung des Widerspruch zu dem vom Kl geschätzten „effektiven“ Umsatz von 3.5 Mio DM sehe er (der Bekl) darin, dass der Kl bei der letzteren Zahl bereits die Retouren berücksichtigt habe.
107 
Er trete weiter der Behauptung des Kl entgegen, wonach Umsätze der Monate November und Dezember 1990 in den Umsätzen Januar bis Mai 1991 enthalten seien.
108 
Selbst wenn der Kl den genauen Umsatz nicht gekannt habe, weil ihm die Unterlagen möglicherweise entwendet worden seien, so habe er dennoch bei der Erstellung der USt-Voranmeldungen für November und Dezember 1990, die 79.924 DM bzw. 1.061.580 DM auswiesen, gewusst, dass der dort angegebene Umsatz in Millionenhöhe von dem abweiche, was nach seinem Wissen während dieses Zeitraums tatsächlich an Umsätzen angefallen sei. Hätte der Kl lediglich vorsichtig geschätzt, z.B. in Höhe von 2,5 Mio. DM, also erheblich unter seinen Angaben bei der Polizei, so könnte man ihm dies wohl kaum als Steuerhinterziehung anlasten. Von einer vorsichtigen Schätzung des Kl könne angesichts des erheblichen Unterschiedsbetrages jedoch keine Rede sein. Es stehe deshalb für ihn (den Bekl) fest, dass der Kl trotz besserem Wissen den Löwenanteil der anlässlich des Ausverkaufs erzielten Umsätze bei der Erstellung der USt-Voranmeldungen bzw. der Steuererklärungen bewusst außen vorgelassen und somit die Steuerverkürzung zumindest billigend in Kauf genommen habe. Da die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahr betrage, sei im Zeitpunkt der Erteilung der geänderten Steuerbescheide diese noch nicht abgelaufen gewesen. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO greife ebenfalls nicht, weil ein Fall der Steuerhinterziehung vorliege.
109 
Mit Verfügung vom 12. März 2002 wurden die Akten des Landgerichts ... ... beigezogen.
110 
Aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 18. März und 7. April 2004 sind die Herren B, D und Frau E als Zeugen vernommen worden. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf die Tonaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
111 
1. Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als entsprechend dem Klageantrag des Bekl der streitbefangene Feststellungsbescheid vom 11. Oktober 2001 über den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum 31. 12. 1990 dahingehend zu ändern ist, dass hinsichtlich des Räumungsverkaufs des klägerischen Teppichhandels in X und Y in der Zeit vom 23. November bis 21. Dezember 1990 von einem Entnahmewert in Höhe von 1.412.181 DM auszugehen ist.
112 
2. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
113 
Der vom Bekl in seinem Klageantrag zugrunde gelegte Entnahmewert, der sich wie nachstehend errechnet:
114 
angenommene Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf
115 
Y (vom 23. November - 20. Dezember 1990)
1.737.770 DM
X (vom 23. November - 20. Dezember 1990)
1.028.640 DM
Restverkauf Y (2/3 von 697.805 x 2/3 =)
465.203 DM
insgesamt von 23. November bis 31. Dezember 1990
3.231.613 DM
abzüglich der möglicherweise schon in der Steuererklärung
enthaltenen Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf
(93.891 DM + 1.502.102 DM) x 1,14 =
1.819.432 DM
 1.412.181 DM
116 
überschreitet nicht die tatsächlichen diesbezüglichen Entnahmen. Die aus dem Räumungsverkauf erzielten Einnahmen sind dem Bekl auch erst nach Erlass des auf Grund der im Jahre 1993 durchgeführten Bp ergangenen geänderten Bescheide über die ESt 1990 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31. 12. 1990, beide vom 10. Februar 1994, bekannt geworden. Da wegen Nichtangabe der tatsächlichen Einnahmen (Umsätze) eine Steuerhinterziehung gegeben ist, stand einer Bescheidänderung weder die Sperre gemäß § 173 Abs. 2 AO noch die Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO entgegen.
117 
a) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf in der Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 zuzüglich Verwertungsverkauf vom 21. bis 31. Dezember 1990 abzüglich Stornierungen sich auf mindestens 4.115.111 DM beliefen.
118 
aa) Die Umsätze in der Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 sind nicht mehr sicher feststellbar. Zwar soll der Umsatz nach Aussage der langjährigen Mitarbeiterin des Kl, der Zeugin E, für den gesamten Räumungsverkauf unter Berücksichtung von Retouren und rückabgewickelter Verkäufe nur 3.464.215 DM betragen haben. Hiervon sollen 2.766.410 DM in die Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 und 697.805 DM in die Zeit vom 21. Dezember 1990 bis 7. Januar 1991 gefallen sein. Die Zeugin hatte diese Umsatzzahlen in ihren Vernehmungen vor den Zivilgerichten genannt und erklärt, dass sie die Umsatzzahlen anhand der von den Verkaufsstellen in X und Y erhaltenen Gelder und der Banküberweisungen von Kunden in einem Kalender notiert habe. Davon seien die Stornofälle, die sie anhand von Lieferscheinen zusammengestellt habe, abgezogen worden. Bei der Errechnung dieser Umsatzzahlen bis etwa im Monat März 1991 sollen auch die im Zivilprozess als Zeugen aufgetretenen Herren R, Neffe des Kl, und Z, Angestellter des Kl, sowie der Kl selbst beteiligt gewesen sein. In dem gegen Herrn A geführten Zivilprozess hat der Kl auch den Betrag vom 3.464.215 DM, bevor er später den von Herrn A genannten Betrag von 5.292.463 DM unstreitig stellte, als den zutreffenden Umsatz für den Räumungsverkauf behauptet. An der Richtigkeit dieser von der Zeugin E genannten Höhe des Umsatzes des Räumungsverkaufes zweifelt der Senat jedoch. Zum einen war sich die Zeugin schon in dem Zivilprozess nicht gewiss, ob sie alle Tagesumsätze in ihren Notizen hat erfassen können. Zum anderen wich ihre doch sehr unsichere und teilweise unkonkrete Aussage vor dem erkennenden Senat hinsichtlich der Erfassung der täglichen Umsatzzahlen von der Aussage vor den Zivilgerichten ab. Vor dem erkennenden Senat bekundete sie nicht, dass sie die Umsatzzahlen anhand der von den Verkaufsstellen erhaltenen Gelder, sondern anhand der Lieferscheine notiert habe.
119 
Der Senat hält den von Herrn A
120 
in dem Zivilprozess aufgelisteten Umsatz in Höhe von
 5.292.463 DM
abzüglich der im Urteil des OLG ... vom 30. November 1999
1999... erfolgten Korrekturen in Höhe von
100.800 DM
zuzüglich des Umsatzes des Restverkaufs vom
21. bis. 31 Dezember 1990von 2/3 von 697.805 DM somit
465.203 DM
abzüglich der vom Kl in seinem Schriftsatz vom 25. Juni 1966
(LG-Akten Band V, 649 ff) behaupteten Retouren in Höhe von
1.541.755 DM
somit
4.155.111 DM
121 
als die Untergrenze der in dem Räumungsverkauf in der Zeit vom 23. November bis 31. Dezember 1990 erzielten Einnahmen. Für die annähernde Richtigkeit des von Herrn A aufgelisteten Umsatzes spricht, dass der Kl nach Durchsicht der Originalverkaufsunterlagen dagegen in erster Linie nur den Einwand erhob, die Umsatzliste des Herrn A sei falsch, weil darin nachträglich stornierte Lieferungen nicht aufgeführt seien. Daraus ist zu schließen, dass auch der Kl ansonsten den von Herrn A entsprechend der Umsatzliste errechneten Umsatz in der Zeit bis 20. Dezember 1990 für zutreffend hält. Aus der Äußerung des Prozessbevollmächtigten des Kl im Zivilprozess in dem vorgelegten Schreiben vom 13. Oktober 2000 (FG-Akte Band II, 274 - 276) geht nichts Gegenteiliges hervor. Auch dort wird neben den Ausführungen zur Prozesstaktik nur davon gesprochen, dass die Stornierungsfälle erst vorgetragen worden seien, als der Kl die Gelegenheit gehabt habe, die Originalunterlagen durchzusehen. Abgesehen von den Stornierungen wird der von Herrn A behauptete Umsatz nicht in Frage gestellt.
122 
bb) Zugunsten des Kl ist diese Umsatzzahl um 100.800 DM aus den in dem Urteil des OLG ... vom 30. November 1999... genannten Gründen zu kürzen. Hinzuzurechnen sind jedoch die in der Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 erzielten Umsätze des sogenannten Restverkaufs. Da Herr A nur bis zum 20. Dezember 1990, dem Tag der Auseinandersetzung mit dem Kl, Zugriff auf die Geschäftsunterlagen hatte, hat er nur die Verkäufe bis zu diesem Tage in seine Umsatzliste aufnehmen können. Über den Umsatz in der Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 hat der Kl keine ausdrücklichen Angaben gemacht. Es liegt nur die von der Zeugin E genannte Umsatzzahl von 697.805 DM für die Zeit von 21. Dezember 1990 bis 7. Januar 1991 vor. Der Senat geht davon aus, dass diese Umsatzzahl, die die Zeugin E unter Mitwirkung des Kl ermittelt hat, nicht den damals tatsächlich erzielten Umsatz unterschreitet. Diese Umsatzzahl ist noch aufzuteilen auf die Zeit zwischen 21. bis 31. Dezember (7 Verkaufstage) und auf die Zeit zwischen 1. bis 7. Januar 1991 (5 Verkaufstage). Da anzunehmen ist, dass die Tage vor Weihnachen wesentlich umsatzstärker sind als die Tage in der ersten Woche im Neuen Jahr, erscheint eine Aufteilung von 2/3 für die Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 und 1/3 für die Zeit vom 1. bis 7. Januar am wirklichkeitsnächsten. Da bei der von der Zeugin genannten Umsatzzahl für den Restverkauf schon Stornierungen einbezogen sind, haben insoweit keine Kürzungen mehr zu erfolgen.
123 
cc) Der Senat berücksichtigt weiter einnahmemindernd zu Gunsten des Kl die von ihm in dem Zivilprozess behaupteten Stornierungen in Höhe von insgesamt 1.541.111 DM, die, so der Kl, Herr A in seiner Umsatzliste nicht aufgeführt habe. Nicht dagegen sind die Einnahmen deshalb zu mindern, weil nach Angabe des Kl 317 Lieferscheine in den von ihm geprüften Originalunterlagen gefehlt haben sollen. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus den Lücken in der fortlaufenden Nummerierung der Lieferscheine auf Stornierungen zu schließen ist. Nach Darlegung des Kl in dem Zivilprozess sind die in der fortlaufenden Nummernfolge fehlenden Lieferscheine in der Umsatzliste des Herrn A nicht erfasst. Damit können sie auch nicht in dem über diese Liste ermittelten Umsatz von 5.292.463 DM enthalten sein. Weiter kann auch nicht ohne konkrete Anhaltspunkte angenommen werden, dass Herr A 317 Teppiche oder die Erlöse aus dem Verkauf von 317 Teppichen unterschlagen hat. Allein die Andeutung des Kl in dem Erörterungstermin am 20. Januar 2004, dass „er das nur am Rande gehört habe, dass dies vermutet worden sei“ genügt nicht, Herrn A eine Straftat zu unterstellen.
124 
dd) Es kann dahinstehen, ob überhaupt und wie viel der Kl von diesem dem Jahre 1990 zuzuordnenden Betrag an Einnahmen aus Räumungsverkauf in Höhe von 4.155.111 DM als Umsatzerlöse in seiner Gewinn- und Verlustrechnung 1990 aufgenommen hatte, die die Grundlage für die Angabe seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb bildete. Selbst wenn entsprechend der mit Schriftsatz vom 16. August 2000 von dem Prozessbevollmächtigten ... dem Bekl übersandten Kopie des Erlöskontos 1990 (FG-Akte Band I, 123) ein Betrag von (Räumungsverkauf November 93.8911 DM + Räumungsverkauf Dezember 1.502.102 DM + USt =) 1.819.432 DM in die Gewinn- und Verlustrechnung 1990 enthalten gewesen sein sollte und dann dieser Betrag von dem Entnahmewert abzuziehen wäre, verbliebe immer noch ein Betrag von (4.155.111 DM - 1.819.432 DM =) 2.334.679 DM, der weit über dem vom Bekl nunmehr angesetzten Entnahmewert von 1.412.181 DM liegt.
125 
b) Der Bekl war befugt und verpflichtet, den ESt-Bescheid vom 10. Februar 1994 und infolgedessen auch den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31. 12. 1990 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 10 d EStG in dem nun von ihm beantragten Ausmaß zu ändern.
126 
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. So verhält es sich im Streitfall. Die für die Bearbeitung des Streitfalles organisatorisch berufene Dienststelle des Bekl erhielt erst im Jahre 2000 durch den Bp-Bericht vom 21. Januar 2000 Kenntnis von der Größenordnung des Räumungsverkaufs und somit erst nach dem Erlass der genannten Steuerbescheide vom 10. Februar 1994. Selbst dann aber, wenn die Kenntnis der Betriebsprüfer, die die Bp in der Zeit vom 10. Februar bis 23. August 1993 durchgeführt hatten, der organisatorisch berufenen Dienststelle des Bekl zuzurechnen oder dieser Umstand für den Bekl ein Hinderungsgrund für eine Bescheidänderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wäre, ergäbe sich im Streitfall kein anderes Ergebnis. Denn es ist nach der Vernehmung der damaligen Betriebsprüfer, den Zeugen B und D sowie der langjährigen Angestellten des Kl, der Zeugin E, davon auszugehen, dass den Betriebsprüfern die Größenordnung des Umsatzes des Räumungsverkaufes seinerzeit nicht bekannt gewesen ist. Zwar konnte dies nicht bei dem Zeugen D, der damals Sachgebietsleiter der Bp war, positiv festgestellt werden. Er konnte sich an den Streitfall kaum mehr, geschweige denn daran erinnern, dass ihm ein OLG-Urteil vorgelegen haben soll, aus dem die Umsätze des Räumungsverkaufes hervorgehen. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Zeuge D als Sachgebietsleiter eine umfassendere und detailliertere Kenntnis von dem Betrieb des Kl hatte als der Zeuge B, der mit der eigentlichen Prüfungstätigkeit im Betrieb des Kl betraut war.
127 
Der Zeuge B hat fest versichert, dass er von einem Sachverhalt, wie er in dem Urteil des OLG ... vom 24. November 1992.... niedergelegt ist, nichts wusste. Er bekundete, das Urteil nicht gekannt zu haben. Er erläuterte hierbei, dass, wenn ihm dieses Urteil zugänglich gemacht worden wäre, er bestimmt die gleichen Schlüsse gezogen hätte, wie es der Bekl getan habe. Schon daraus könne er schließen, dass er das Urteil nicht gesehen habe. Die „sonstige Forderung A“ in Höhe von 580.000 DM, die in Ziffer 107 des Bp-Berichts aufgeführt sei, sei einvernehmlich eingebucht worden. Dies habe daraus resultiert, dass im inneren Betriebsvergleich über drei Jahre die Werbekosten im Jahre 1990 im Verhältnis zu den Vorjahren extrem von 46.000 DM bzw. 33.000 DM auf 1.071.000 DM gestiegen seien. Dies sei der Sachverhalt gewesen, den er überprüft habe. Dies habe nicht ohne weiteres mit irgendwelchen Umsätzen oder Umsatzzuschätzungen im Zusammenhang gestanden. Der Sachverhalt mit den Werbekosten und der „sonstige Forderung A“ sei in einer Besprechung mündlich vorgetragen worden. Dass er den vorgetragenen Sachverhalt nicht aufgeschrieben habe, sei darin begründet, dass er sehr komplex gewesen sei und man sich schließlich geeinigt habe. Er weise darauf hin, dass es ohnehin schwierig gewesen sei, von dem Kl Unterlagen zu erhalten. So habe er nur z. B. längere Zeit zur Überprüfung der Inventur mit Strichlisten die Teppiche gezählt. Im Verlaufe der Bp habe sich dann in einer Besprechung herausgestellt, dass er nicht die richtige Inventur erhalten habe. Man habe ihm dann gesagt, dass die reguläre Inventur sich auf dem Spielcomputer des Sohnes eines Angestellten befinde. Er habe überhaupt immense Probleme gehabt, die Sachverhalte zu ermitteln. Bei derartigen Fällen werde er nicht mit seiner Arbeit fertig, wenn er noch über Einigungen einen Aufsatz schreiben müsse. Er müsse aus einer Masse von Informationen das Wesentliche in möglichst kurzer Zeit herausfiltern. In der Angelegenheit habe es außerdem mindestens zwei Besprechungen gegeben. Es habe ja alles sowieso schon viel zu lange gedauert und die Statistik habe gedrückt. Der Senat glaubt dem Zeugen, der den Eindruck eines engagierten Betriebsprüfers hinterlassen hat. Es ist anzunehmen, dass er bei Kenntnis des Inhalts des genannten Urteils des OLG ... diesen bei der Bp berücksichtigt hätte. Auch in den Akten, insbesondere in der Handakte des Prüfers, findet sich nichts über die Besonderheiten des über Herrn A durchgeführten Räumungsverkaufes. Für den Senat ist es bei Einbezug der Persönlichkeit des Kl außerdem sehr gut nachvollziehbar, wie zäh sich die Betriebsprüfung bei dem Kl gestaltet hatte. Da der Kl wohl seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 90 AO bei der Ermittlung der Sachverhalte in einer ihm eigenen Weise eher sehr zurückhaltend nachgekommen war, liegt der Schluss nahe, dass er, wenn für ihn nicht ein augenscheinlicher Nutzen auf der Hand gelegen hatte, nicht von sich aus dem Betriebsprüfer Unterlagen zur Durchsicht dargeboten hatte. Der Senat glaubt deshalb auch nicht an die Richtigkeit der Aussage der Zeugin E, nach der der Kl zu ihr gekommen sein will mit der Bitte, ihm die Akte über den Räumungskauf, in der das genannte OLG-Urteil aufbewahrt worden sei, auszuhändigen, um sie dem Betriebsprüfer zu übergeben, wobei sie dann die Übergabe der Akte an den Zeugen B gesehen haben will.
128 
c) Der Bekl war an einer Bescheidänderung weder durch die Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO noch durch die Änderungssperre gemäß § 173 Abs. 2 AO gehindert. Die Festsetzungsfrist bei Erlass der das Jahr 1990 betreffenden Änderungsbescheide am 23. Februar 2000 war noch nicht abgelaufen, da der Kl Steuern hinterzogen hatte und somit die Festsetzungsfrist nicht vier, sondern gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre beträgt. Wegen dieser Steuerhinterziehung greift trotz der am 10. Februar 1994 aufgrund der im Jahre 1993 durchgeführten Bp erlassenen Bescheide zur ESt 1990 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. 12. 1990 auch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO nicht.
129 
Im Streitfall ist der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO offenkundig. Der Kl hat bei seiner ESt-Erklärung für das Jahr 1990 nicht die zutreffenden Einnahmen aus dem Räumungsverkauf erklärt und damit dem Bekl über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1990, in der als Umsatzerlöse lediglich 1.772.191,79 DM ausgewiesen sind. Dadurch wurden über einen zu hohen verbleibenden Verlustabzug im Rahmen von Verlustvorträgen gemäß 10 d EStG Steuern verkürzt.
130 
Aber auch an dem subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung bestehen keinerlei Zweifel. Zwar ist es durchaus möglich, dass der Kl nicht die genaue Höhe der Umsatzerlöse bei Abgabe der ESt-Erklärung 1990 am 2. Dezember 1992 kannte. Ein Vorsatz, Steuer zu hinterziehen, entfällt nicht schon dann, wenn ein Steuerpflichtiger sein Einkommen nicht genau kennt und es deshalb nicht exakt in der Steuererklärung angeben kann. Wenn dem so ist, dass er seine Einkünfte wegen besonderer Umstände nicht genau ermitteln, aber in etwa schätzen kann, so hat er diese schätzungweise anzugeben und dem Finanzamt unter Angabe der Gründe die Schätzung zu offenbaren. Es liegt auf der Hand, dass es jedenfalls für die Annahme des Vorsatzes einer Steuerhinterziehung dann genügt, wenn ein Steuerpflichtiger weiß, dass die Angaben über seine Einkünfte in der Steuererklärung zu niedrig sind und er dadurch Steuern hinterzieht. So verhält es sich im Streitfall. Nach Aussagen der Zeugen E, R und Z in dem Zivilprozess hatten diese zusammen mit dem Kl bis März 1991 Umsatzerlöse unter Berücksichtigung von Retouren von ca. 3,5 Mio. DM ermittelt. Der Kl selbst schätzte bei seiner Vernehmung am 27. Februar 1991 den Umsatz aus dem Räumungsverkauf bis 20. Dezember 1990 auf „effektiv ca. 3,5 Mio. DM“. Diesen Umsatz trug er auch in dem Zivilprozess mit Herrn A vor, bis er einen höhere Umsatzzahl für unstreitig erklärte. Obwohl der Kl wusste, dass die Umsatzerlöse sich mindestens auf einen Betrag in dieser Größenordnung beliefen, legte er in seiner ESt-Erklärung 1990 die Umsatzerlöse seiner Gewinn- und Verlustrechnung 1990 von nur 1.772.191,79 DM zugrunde, wobei diese Umsatzerlöse sogar das gesamte Jahr 1990 und nicht nur den Räumungsverkauf vom 23. November bis 31. Dezember 1990 betreffen. Diese ESt-Erklärung 1990 basiert damit auf Umsatzerlösen, von denen der Kl wusste, dass sie unrichtig, weil weit zu niedrig waren und zu einer Steuerverkürzung führen mussten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl darüber geirrt haben könnte, dass er seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu niedrig erklärt hat und dass daraus eine Steuerverkürzung folgt, sind nicht erkennbar.
131 
3. Die Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. 12. 1990 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe unter Ziffer 1 gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Bekl übertragen.
132 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 1 FGO. Im Einklang mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 6. Juni 1984 II R 184/81 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1985, 261) hat der Senat von der Berechnung einer einheitlichen Kostenquote abgesehen und unterschiedliche Quoten für die Zeitabschnitte vor und nach der Stellung des Klageantrags festgelegt.
133 
5. Wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt wird auf § 151 Abs. 3 und § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO hingewiesen (Beschluss des BFH vom 15. April 1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402). Wegen der Frage, ob bei der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Sicherheitsleistung auch dem Fiskus obliegt, folgt der Senat der Auffassung des FG Baden-Württemberg im Urteil vom 26. Februar 1991 4 K 23/90 (Entscheidungen des Finanzgerichte -EFG- 1991, 338), auf das wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird.

Gründe

 
111 
1. Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als entsprechend dem Klageantrag des Bekl der streitbefangene Feststellungsbescheid vom 11. Oktober 2001 über den verbleibenden Verlustabzug zur ESt zum 31. 12. 1990 dahingehend zu ändern ist, dass hinsichtlich des Räumungsverkaufs des klägerischen Teppichhandels in X und Y in der Zeit vom 23. November bis 21. Dezember 1990 von einem Entnahmewert in Höhe von 1.412.181 DM auszugehen ist.
112 
2. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
113 
Der vom Bekl in seinem Klageantrag zugrunde gelegte Entnahmewert, der sich wie nachstehend errechnet:
114 
angenommene Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf
115 
Y (vom 23. November - 20. Dezember 1990)
1.737.770 DM
X (vom 23. November - 20. Dezember 1990)
1.028.640 DM
Restverkauf Y (2/3 von 697.805 x 2/3 =)
465.203 DM
insgesamt von 23. November bis 31. Dezember 1990
3.231.613 DM
abzüglich der möglicherweise schon in der Steuererklärung
enthaltenen Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf
(93.891 DM + 1.502.102 DM) x 1,14 =
1.819.432 DM
 1.412.181 DM
116 
überschreitet nicht die tatsächlichen diesbezüglichen Entnahmen. Die aus dem Räumungsverkauf erzielten Einnahmen sind dem Bekl auch erst nach Erlass des auf Grund der im Jahre 1993 durchgeführten Bp ergangenen geänderten Bescheide über die ESt 1990 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31. 12. 1990, beide vom 10. Februar 1994, bekannt geworden. Da wegen Nichtangabe der tatsächlichen Einnahmen (Umsätze) eine Steuerhinterziehung gegeben ist, stand einer Bescheidänderung weder die Sperre gemäß § 173 Abs. 2 AO noch die Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO entgegen.
117 
a) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Einnahmen (Umsätze) aus dem Räumungsverkauf in der Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 zuzüglich Verwertungsverkauf vom 21. bis 31. Dezember 1990 abzüglich Stornierungen sich auf mindestens 4.115.111 DM beliefen.
118 
aa) Die Umsätze in der Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 sind nicht mehr sicher feststellbar. Zwar soll der Umsatz nach Aussage der langjährigen Mitarbeiterin des Kl, der Zeugin E, für den gesamten Räumungsverkauf unter Berücksichtung von Retouren und rückabgewickelter Verkäufe nur 3.464.215 DM betragen haben. Hiervon sollen 2.766.410 DM in die Zeit vom 23. November bis 20. Dezember 1990 und 697.805 DM in die Zeit vom 21. Dezember 1990 bis 7. Januar 1991 gefallen sein. Die Zeugin hatte diese Umsatzzahlen in ihren Vernehmungen vor den Zivilgerichten genannt und erklärt, dass sie die Umsatzzahlen anhand der von den Verkaufsstellen in X und Y erhaltenen Gelder und der Banküberweisungen von Kunden in einem Kalender notiert habe. Davon seien die Stornofälle, die sie anhand von Lieferscheinen zusammengestellt habe, abgezogen worden. Bei der Errechnung dieser Umsatzzahlen bis etwa im Monat März 1991 sollen auch die im Zivilprozess als Zeugen aufgetretenen Herren R, Neffe des Kl, und Z, Angestellter des Kl, sowie der Kl selbst beteiligt gewesen sein. In dem gegen Herrn A geführten Zivilprozess hat der Kl auch den Betrag vom 3.464.215 DM, bevor er später den von Herrn A genannten Betrag von 5.292.463 DM unstreitig stellte, als den zutreffenden Umsatz für den Räumungsverkauf behauptet. An der Richtigkeit dieser von der Zeugin E genannten Höhe des Umsatzes des Räumungsverkaufes zweifelt der Senat jedoch. Zum einen war sich die Zeugin schon in dem Zivilprozess nicht gewiss, ob sie alle Tagesumsätze in ihren Notizen hat erfassen können. Zum anderen wich ihre doch sehr unsichere und teilweise unkonkrete Aussage vor dem erkennenden Senat hinsichtlich der Erfassung der täglichen Umsatzzahlen von der Aussage vor den Zivilgerichten ab. Vor dem erkennenden Senat bekundete sie nicht, dass sie die Umsatzzahlen anhand der von den Verkaufsstellen erhaltenen Gelder, sondern anhand der Lieferscheine notiert habe.
119 
Der Senat hält den von Herrn A
120 
in dem Zivilprozess aufgelisteten Umsatz in Höhe von
 5.292.463 DM
abzüglich der im Urteil des OLG ... vom 30. November 1999
1999... erfolgten Korrekturen in Höhe von
100.800 DM
zuzüglich des Umsatzes des Restverkaufs vom
21. bis. 31 Dezember 1990von 2/3 von 697.805 DM somit
465.203 DM
abzüglich der vom Kl in seinem Schriftsatz vom 25. Juni 1966
(LG-Akten Band V, 649 ff) behaupteten Retouren in Höhe von
1.541.755 DM
somit
4.155.111 DM
121 
als die Untergrenze der in dem Räumungsverkauf in der Zeit vom 23. November bis 31. Dezember 1990 erzielten Einnahmen. Für die annähernde Richtigkeit des von Herrn A aufgelisteten Umsatzes spricht, dass der Kl nach Durchsicht der Originalverkaufsunterlagen dagegen in erster Linie nur den Einwand erhob, die Umsatzliste des Herrn A sei falsch, weil darin nachträglich stornierte Lieferungen nicht aufgeführt seien. Daraus ist zu schließen, dass auch der Kl ansonsten den von Herrn A entsprechend der Umsatzliste errechneten Umsatz in der Zeit bis 20. Dezember 1990 für zutreffend hält. Aus der Äußerung des Prozessbevollmächtigten des Kl im Zivilprozess in dem vorgelegten Schreiben vom 13. Oktober 2000 (FG-Akte Band II, 274 - 276) geht nichts Gegenteiliges hervor. Auch dort wird neben den Ausführungen zur Prozesstaktik nur davon gesprochen, dass die Stornierungsfälle erst vorgetragen worden seien, als der Kl die Gelegenheit gehabt habe, die Originalunterlagen durchzusehen. Abgesehen von den Stornierungen wird der von Herrn A behauptete Umsatz nicht in Frage gestellt.
122 
bb) Zugunsten des Kl ist diese Umsatzzahl um 100.800 DM aus den in dem Urteil des OLG ... vom 30. November 1999... genannten Gründen zu kürzen. Hinzuzurechnen sind jedoch die in der Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 erzielten Umsätze des sogenannten Restverkaufs. Da Herr A nur bis zum 20. Dezember 1990, dem Tag der Auseinandersetzung mit dem Kl, Zugriff auf die Geschäftsunterlagen hatte, hat er nur die Verkäufe bis zu diesem Tage in seine Umsatzliste aufnehmen können. Über den Umsatz in der Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 hat der Kl keine ausdrücklichen Angaben gemacht. Es liegt nur die von der Zeugin E genannte Umsatzzahl von 697.805 DM für die Zeit von 21. Dezember 1990 bis 7. Januar 1991 vor. Der Senat geht davon aus, dass diese Umsatzzahl, die die Zeugin E unter Mitwirkung des Kl ermittelt hat, nicht den damals tatsächlich erzielten Umsatz unterschreitet. Diese Umsatzzahl ist noch aufzuteilen auf die Zeit zwischen 21. bis 31. Dezember (7 Verkaufstage) und auf die Zeit zwischen 1. bis 7. Januar 1991 (5 Verkaufstage). Da anzunehmen ist, dass die Tage vor Weihnachen wesentlich umsatzstärker sind als die Tage in der ersten Woche im Neuen Jahr, erscheint eine Aufteilung von 2/3 für die Zeit vom 21. bis 31. Dezember 1990 und 1/3 für die Zeit vom 1. bis 7. Januar am wirklichkeitsnächsten. Da bei der von der Zeugin genannten Umsatzzahl für den Restverkauf schon Stornierungen einbezogen sind, haben insoweit keine Kürzungen mehr zu erfolgen.
123 
cc) Der Senat berücksichtigt weiter einnahmemindernd zu Gunsten des Kl die von ihm in dem Zivilprozess behaupteten Stornierungen in Höhe von insgesamt 1.541.111 DM, die, so der Kl, Herr A in seiner Umsatzliste nicht aufgeführt habe. Nicht dagegen sind die Einnahmen deshalb zu mindern, weil nach Angabe des Kl 317 Lieferscheine in den von ihm geprüften Originalunterlagen gefehlt haben sollen. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus den Lücken in der fortlaufenden Nummerierung der Lieferscheine auf Stornierungen zu schließen ist. Nach Darlegung des Kl in dem Zivilprozess sind die in der fortlaufenden Nummernfolge fehlenden Lieferscheine in der Umsatzliste des Herrn A nicht erfasst. Damit können sie auch nicht in dem über diese Liste ermittelten Umsatz von 5.292.463 DM enthalten sein. Weiter kann auch nicht ohne konkrete Anhaltspunkte angenommen werden, dass Herr A 317 Teppiche oder die Erlöse aus dem Verkauf von 317 Teppichen unterschlagen hat. Allein die Andeutung des Kl in dem Erörterungstermin am 20. Januar 2004, dass „er das nur am Rande gehört habe, dass dies vermutet worden sei“ genügt nicht, Herrn A eine Straftat zu unterstellen.
124 
dd) Es kann dahinstehen, ob überhaupt und wie viel der Kl von diesem dem Jahre 1990 zuzuordnenden Betrag an Einnahmen aus Räumungsverkauf in Höhe von 4.155.111 DM als Umsatzerlöse in seiner Gewinn- und Verlustrechnung 1990 aufgenommen hatte, die die Grundlage für die Angabe seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb bildete. Selbst wenn entsprechend der mit Schriftsatz vom 16. August 2000 von dem Prozessbevollmächtigten ... dem Bekl übersandten Kopie des Erlöskontos 1990 (FG-Akte Band I, 123) ein Betrag von (Räumungsverkauf November 93.8911 DM + Räumungsverkauf Dezember 1.502.102 DM + USt =) 1.819.432 DM in die Gewinn- und Verlustrechnung 1990 enthalten gewesen sein sollte und dann dieser Betrag von dem Entnahmewert abzuziehen wäre, verbliebe immer noch ein Betrag von (4.155.111 DM - 1.819.432 DM =) 2.334.679 DM, der weit über dem vom Bekl nunmehr angesetzten Entnahmewert von 1.412.181 DM liegt.
125 
b) Der Bekl war befugt und verpflichtet, den ESt-Bescheid vom 10. Februar 1994 und infolgedessen auch den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31. 12. 1990 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bzw. § 10 d EStG in dem nun von ihm beantragten Ausmaß zu ändern.
126 
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. So verhält es sich im Streitfall. Die für die Bearbeitung des Streitfalles organisatorisch berufene Dienststelle des Bekl erhielt erst im Jahre 2000 durch den Bp-Bericht vom 21. Januar 2000 Kenntnis von der Größenordnung des Räumungsverkaufs und somit erst nach dem Erlass der genannten Steuerbescheide vom 10. Februar 1994. Selbst dann aber, wenn die Kenntnis der Betriebsprüfer, die die Bp in der Zeit vom 10. Februar bis 23. August 1993 durchgeführt hatten, der organisatorisch berufenen Dienststelle des Bekl zuzurechnen oder dieser Umstand für den Bekl ein Hinderungsgrund für eine Bescheidänderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wäre, ergäbe sich im Streitfall kein anderes Ergebnis. Denn es ist nach der Vernehmung der damaligen Betriebsprüfer, den Zeugen B und D sowie der langjährigen Angestellten des Kl, der Zeugin E, davon auszugehen, dass den Betriebsprüfern die Größenordnung des Umsatzes des Räumungsverkaufes seinerzeit nicht bekannt gewesen ist. Zwar konnte dies nicht bei dem Zeugen D, der damals Sachgebietsleiter der Bp war, positiv festgestellt werden. Er konnte sich an den Streitfall kaum mehr, geschweige denn daran erinnern, dass ihm ein OLG-Urteil vorgelegen haben soll, aus dem die Umsätze des Räumungsverkaufes hervorgehen. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Zeuge D als Sachgebietsleiter eine umfassendere und detailliertere Kenntnis von dem Betrieb des Kl hatte als der Zeuge B, der mit der eigentlichen Prüfungstätigkeit im Betrieb des Kl betraut war.
127 
Der Zeuge B hat fest versichert, dass er von einem Sachverhalt, wie er in dem Urteil des OLG ... vom 24. November 1992.... niedergelegt ist, nichts wusste. Er bekundete, das Urteil nicht gekannt zu haben. Er erläuterte hierbei, dass, wenn ihm dieses Urteil zugänglich gemacht worden wäre, er bestimmt die gleichen Schlüsse gezogen hätte, wie es der Bekl getan habe. Schon daraus könne er schließen, dass er das Urteil nicht gesehen habe. Die „sonstige Forderung A“ in Höhe von 580.000 DM, die in Ziffer 107 des Bp-Berichts aufgeführt sei, sei einvernehmlich eingebucht worden. Dies habe daraus resultiert, dass im inneren Betriebsvergleich über drei Jahre die Werbekosten im Jahre 1990 im Verhältnis zu den Vorjahren extrem von 46.000 DM bzw. 33.000 DM auf 1.071.000 DM gestiegen seien. Dies sei der Sachverhalt gewesen, den er überprüft habe. Dies habe nicht ohne weiteres mit irgendwelchen Umsätzen oder Umsatzzuschätzungen im Zusammenhang gestanden. Der Sachverhalt mit den Werbekosten und der „sonstige Forderung A“ sei in einer Besprechung mündlich vorgetragen worden. Dass er den vorgetragenen Sachverhalt nicht aufgeschrieben habe, sei darin begründet, dass er sehr komplex gewesen sei und man sich schließlich geeinigt habe. Er weise darauf hin, dass es ohnehin schwierig gewesen sei, von dem Kl Unterlagen zu erhalten. So habe er nur z. B. längere Zeit zur Überprüfung der Inventur mit Strichlisten die Teppiche gezählt. Im Verlaufe der Bp habe sich dann in einer Besprechung herausgestellt, dass er nicht die richtige Inventur erhalten habe. Man habe ihm dann gesagt, dass die reguläre Inventur sich auf dem Spielcomputer des Sohnes eines Angestellten befinde. Er habe überhaupt immense Probleme gehabt, die Sachverhalte zu ermitteln. Bei derartigen Fällen werde er nicht mit seiner Arbeit fertig, wenn er noch über Einigungen einen Aufsatz schreiben müsse. Er müsse aus einer Masse von Informationen das Wesentliche in möglichst kurzer Zeit herausfiltern. In der Angelegenheit habe es außerdem mindestens zwei Besprechungen gegeben. Es habe ja alles sowieso schon viel zu lange gedauert und die Statistik habe gedrückt. Der Senat glaubt dem Zeugen, der den Eindruck eines engagierten Betriebsprüfers hinterlassen hat. Es ist anzunehmen, dass er bei Kenntnis des Inhalts des genannten Urteils des OLG ... diesen bei der Bp berücksichtigt hätte. Auch in den Akten, insbesondere in der Handakte des Prüfers, findet sich nichts über die Besonderheiten des über Herrn A durchgeführten Räumungsverkaufes. Für den Senat ist es bei Einbezug der Persönlichkeit des Kl außerdem sehr gut nachvollziehbar, wie zäh sich die Betriebsprüfung bei dem Kl gestaltet hatte. Da der Kl wohl seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 90 AO bei der Ermittlung der Sachverhalte in einer ihm eigenen Weise eher sehr zurückhaltend nachgekommen war, liegt der Schluss nahe, dass er, wenn für ihn nicht ein augenscheinlicher Nutzen auf der Hand gelegen hatte, nicht von sich aus dem Betriebsprüfer Unterlagen zur Durchsicht dargeboten hatte. Der Senat glaubt deshalb auch nicht an die Richtigkeit der Aussage der Zeugin E, nach der der Kl zu ihr gekommen sein will mit der Bitte, ihm die Akte über den Räumungskauf, in der das genannte OLG-Urteil aufbewahrt worden sei, auszuhändigen, um sie dem Betriebsprüfer zu übergeben, wobei sie dann die Übergabe der Akte an den Zeugen B gesehen haben will.
128 
c) Der Bekl war an einer Bescheidänderung weder durch die Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO noch durch die Änderungssperre gemäß § 173 Abs. 2 AO gehindert. Die Festsetzungsfrist bei Erlass der das Jahr 1990 betreffenden Änderungsbescheide am 23. Februar 2000 war noch nicht abgelaufen, da der Kl Steuern hinterzogen hatte und somit die Festsetzungsfrist nicht vier, sondern gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre beträgt. Wegen dieser Steuerhinterziehung greift trotz der am 10. Februar 1994 aufgrund der im Jahre 1993 durchgeführten Bp erlassenen Bescheide zur ESt 1990 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. 12. 1990 auch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO nicht.
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Im Streitfall ist der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO offenkundig. Der Kl hat bei seiner ESt-Erklärung für das Jahr 1990 nicht die zutreffenden Einnahmen aus dem Räumungsverkauf erklärt und damit dem Bekl über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1990, in der als Umsatzerlöse lediglich 1.772.191,79 DM ausgewiesen sind. Dadurch wurden über einen zu hohen verbleibenden Verlustabzug im Rahmen von Verlustvorträgen gemäß 10 d EStG Steuern verkürzt.
130 
Aber auch an dem subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung bestehen keinerlei Zweifel. Zwar ist es durchaus möglich, dass der Kl nicht die genaue Höhe der Umsatzerlöse bei Abgabe der ESt-Erklärung 1990 am 2. Dezember 1992 kannte. Ein Vorsatz, Steuer zu hinterziehen, entfällt nicht schon dann, wenn ein Steuerpflichtiger sein Einkommen nicht genau kennt und es deshalb nicht exakt in der Steuererklärung angeben kann. Wenn dem so ist, dass er seine Einkünfte wegen besonderer Umstände nicht genau ermitteln, aber in etwa schätzen kann, so hat er diese schätzungweise anzugeben und dem Finanzamt unter Angabe der Gründe die Schätzung zu offenbaren. Es liegt auf der Hand, dass es jedenfalls für die Annahme des Vorsatzes einer Steuerhinterziehung dann genügt, wenn ein Steuerpflichtiger weiß, dass die Angaben über seine Einkünfte in der Steuererklärung zu niedrig sind und er dadurch Steuern hinterzieht. So verhält es sich im Streitfall. Nach Aussagen der Zeugen E, R und Z in dem Zivilprozess hatten diese zusammen mit dem Kl bis März 1991 Umsatzerlöse unter Berücksichtigung von Retouren von ca. 3,5 Mio. DM ermittelt. Der Kl selbst schätzte bei seiner Vernehmung am 27. Februar 1991 den Umsatz aus dem Räumungsverkauf bis 20. Dezember 1990 auf „effektiv ca. 3,5 Mio. DM“. Diesen Umsatz trug er auch in dem Zivilprozess mit Herrn A vor, bis er einen höhere Umsatzzahl für unstreitig erklärte. Obwohl der Kl wusste, dass die Umsatzerlöse sich mindestens auf einen Betrag in dieser Größenordnung beliefen, legte er in seiner ESt-Erklärung 1990 die Umsatzerlöse seiner Gewinn- und Verlustrechnung 1990 von nur 1.772.191,79 DM zugrunde, wobei diese Umsatzerlöse sogar das gesamte Jahr 1990 und nicht nur den Räumungsverkauf vom 23. November bis 31. Dezember 1990 betreffen. Diese ESt-Erklärung 1990 basiert damit auf Umsatzerlösen, von denen der Kl wusste, dass sie unrichtig, weil weit zu niedrig waren und zu einer Steuerverkürzung führen mussten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kl darüber geirrt haben könnte, dass er seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu niedrig erklärt hat und dass daraus eine Steuerverkürzung folgt, sind nicht erkennbar.
131 
3. Die Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt zum 31. 12. 1990 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe unter Ziffer 1 gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Bekl übertragen.
132 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und § 136 Abs. 1 FGO. Im Einklang mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 6. Juni 1984 II R 184/81 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1985, 261) hat der Senat von der Berechnung einer einheitlichen Kostenquote abgesehen und unterschiedliche Quoten für die Zeitabschnitte vor und nach der Stellung des Klageantrags festgelegt.
133 
5. Wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt wird auf § 151 Abs. 3 und § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO und § 711 ZPO hingewiesen (Beschluss des BFH vom 15. April 1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402). Wegen der Frage, ob bei der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Sicherheitsleistung auch dem Fiskus obliegt, folgt der Senat der Auffassung des FG Baden-Württemberg im Urteil vom 26. Februar 1991 4 K 23/90 (Entscheidungen des Finanzgerichte -EFG- 1991, 338), auf das wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird.

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