Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 8 K 266/01

Tatbestand

 
(Überlassen von Datev)
Der Kläger (Kl.) ist Einzelunternehmer einer Bäckerei. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung stellte der Beklagte (Bekl.) fest, dass der Kl. für seine Arbeitnehmer Beiträge an die Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten des Deutschen Bäckerhandwerks VVaG (Zusatzversorgungskasse) geleistet hatte, die bei den Lohnsteuer-Anmeldungen nicht berücksichtigt worden waren.
Am 27. Juli 1999 erging aufgrund des Prüfungsberichts vom 15. Juni 1999 ein Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer in Höhe von insgesamt 575,- DM für die Jahre 1995 bis 1998.
Der Kl. erhob hiergegen am 26. August 1999 Einspruch.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2001 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zu den nach § 3 Nr. 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreien Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 und 2 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung -LStDV-) gehörten insbesondere die Beitragsanteile des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung), Beiträge des Arbeitgebers nach § 172 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung für Arbeitnehmer, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Sozialversicherungspflicht befreit seien, und Beiträge des Arbeitgebers nach § 249 b SGB V und den §§ 168 Abs. 1 Nr. 1 b, 172 Abs. 3 SGB VI für geringfügig Beschäftigte. Zukunftssicherungsleistungen auf der Grundlage einer tarifvertraglichen Verpflichtung seien nicht nach § 3 Nr. 62 EStG steuerbefreit (Abschnitt 24 Abs. 1 der Lohnsteuerrichtlinie -LStR-). Vorliegend seien die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse auf tarifvertraglicher Grundlage geleistet worden. Nach dem Tarifvertrag für das Bäckerhandwerk bringe der Arbeitgeber die Mittel für die tariflich festgelegten Leistungen zur Zusatzversorgung in der Weise auf, dass er einen Vomhundertsatz der Bruttolohnsumme an die entsprechenden Kassen abführe. Der Arbeitgeber habe nach dem Tarifvertrag die Beiträge pauschal nach § 40 b EStG zu versteuern, wobei eine Überwälzung auf den Arbeitnehmer ausdrücklich untersagt sei.
Für diese tarifvertragliche Zusatzversorgung der Arbeitnehmer im Bäckereigewerbe (LStK B § 19 EStG 6.1) habe seitens der Finanzverwaltung für die Versteuerung der Arbeitgeberbeiträge bis 1989 eine Vereinfachungsregelung bestanden, die jedoch mit dem Wegfall des Zukunftssicherungs-Freibetrages ab 1990 gegenstandslos geworden sei. Folglich seien die Leistungen für diese Zukunftssicherung nach Abschnitt 24 Abs. 1 Satz 4 LStR nicht mehr nach § 3 Nr. 62 EStG steuerbefreit. Die Pauschalierung der Lohnsteuer mit 20 v.H. der nachzuversteuernden Beiträge sei somit gemäß § 40 b EStG zu Recht erfolgt.
Der Kl. hat hiergegen am 10. August 2001 Klage erhoben, mit der er sinngemäß beantragt,
den Nachforderungsbescheid vom 27. Juli 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2001 aufzuheben.
Die Leistungen an die Zusatzversorgungskasse seien Zukunftssicherungsleistungen. Der Arbeitnehmer erlange aufgrund seiner Beschäftigung einen Rechtsanspruch auf eine Altersversorgungsleistung der Unterstützungskasse, die bei Bezug steuerpflichtig sei. Der Betriebsinhaber könne sich wegen seiner tarifvertraglichen Verpflichtung der Leistungspflicht nicht entziehen, so dass diese der gesetzlichen Beitragspflicht zur Sozialversicherung gleichzustellen sei. Leistungen an eine Unterstützungskasse seien lohnsteuerfrei, weil die Zuführung zum Kassenvermögen noch keinen lohnsteuerpflichtigen Beitrag auslöse. Die pauschalen Beiträge zur Zusatzversorgungskasse könnten keinen direkten steuerpflichtigen Bezug darstellen, weil im Zeitpunkt der Leistungen durch den Arbeitgeber die Voraussetzungen zum Bezug von zusätzlicher Altersversorgung keinesfalls gewährleistet seien.
10 
Der Bekl. beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen. Ergänzend führt der Bekl. aus: Es handle sich um Zukunftssicherungsleistungen auf tarifvertraglicher Grundlage. Der Rechtsanspruch werde aufgrund tarifvertraglicher Verpflichtung erlangt. Altersversorgungsleistungen der Unterstützungskassen seien bei Bezug steuerpflichtig. Die Zukunftssicherungsleistungen stellten zuvor beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben dar. Bei den Beiträgen zur Zusatzversorgung im Bäckereigewerbe handle es sich nicht um Leistungen in eine berufsständische Versorgungseinrichtung, aufgrund derer die Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wären, sondern eine zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bestehende tarifvertragliche Verpflichtung. Eine Gleichstellung zur gesetzlichen Rentenversicherungspflicht liege nicht vor, weil es sich um eine tarifvertraglich vorgeschriebene zusätzliche Altersversorgung handle. Die Beiträge seien deshalb steuerpflichtiger Arbeitslohn und auch Entgelt im Sinne der Sozialversicherung. Mit Schriftsatz vom 27. April 2004 hat der Bekl. die Mitteilung LStAD Fach 1 2/2002 zur Zusatzversorgungskasse und deren Mitteilung zur Steuerfreiheit der Beiträge ab dem Beitragsjahr 2002 in Kopie übersandt.
13 
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 19. und 20. Februar 2004 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorliegende Lohnsteuerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, weil die Streitsache im Wesentlichen nur Rechtsfragen aufwirft.
16 
Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kl. daher nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 FGO).
17 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Nachforderungsbescheids ist § 40 b i.V.m. § 38 EStG. Nach § 40 b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und von den Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 20 vom Hundert der Beiträge und Zuwendungen erheben. Nach § 40 b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG hat der Arbeitgeber in diesem Fall die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen und ist dieser abweichend von § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG deren Schuldner. Mit dem Nachforderungsbescheid hat der Bekl. - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - die mit den Lohnsteuer-Anmeldungen nach § 41 a Abs. 1 Nr. 1 EStG bewirkte Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 168 Satz 1 AO) zu Recht geändert.
18 
Der Kl. ist unstreitig ein inländischer Arbeitgeber, der in den Streitjahren Arbeitslöhne im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG an Arbeitnehmer - aus deren Sicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG - gezahlt hat. Entgegen der Auffassung des Kl. waren auch die Beiträge an die Zusatzversorgungskasse Arbeitslohn. Denn hierzu gehören auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung), wenn der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung erwirbt (vgl. BFH, Urt. v. 30. Mai 2001 - VI R 159/99-, BStBl. II 2001, 815 und Urt. v. 16. April 1999 - VI R 66/97-, BStBl. II 2000, 408 sowie § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-). Hier sind den Arbeitnehmern des Kl. in den Streitjahren Einnahmen in Form von Zukunftssicherungsleistungen aus ihrer Beschäftigung zugeflossen. Insbesondere besteht nach § 1 Nr. 1 der dem Senat vorliegenden Anlage zum Tarifvertrag (§ 5 Abs. 5) über die Errichtung einer "Zusatzversorgungskasse für das Bäckerhandwerk" vom 20. Februar 1970 eine Leistungspflicht der Zusatzversorgungskasse gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern, die Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente erhalten und die Wartezeit erfüllt haben. Es handelt sich deshalb nicht nur um eine bloße Unterstützungskasse, auf deren Leistungen die Arbeitnehmer keinen Anspruch haben. Auch der Umstand, dass aus Vereinfachungsgründen bestimmte Jahresdurchschnittsbeträge pro Arbeitnehmer der Lohnsteuer unterworfen werden (vgl. die vom Bekl. vorgelegte Mitteilung - LStAD - 2/02 der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe und Stuttgart), ändert nichts an der Qualität der Beitragszahlungen als Arbeitslohn.
19 
Der Kl. hat, wie aus der Anlage zum Prüfungsbericht vom 15. Juni 1999 ergibt, auch die pauschalierte Versteuerung der Beiträge nach § 40 b EStG gewählt (vgl. zum Wahlrecht des Arbeitgebers BFH, Beschl. v. 29. September 1995 - VI B 115/95 - JURIS -).
20 
Schließlich sind die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse auch nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerbefreit. Danach sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist , steuerfrei. Vorliegend beruht die Beitragszahlung des Kl. in den Streitjahren auf dem nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für das Bäckerhandwerk vom 20. Februar 1970 mit späteren Änderungs- und Ergänzungstarifverträgen. Eine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung bestand deshalb nicht (vgl. zur hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung nur deklaratorischen Bedeutung dieser Alternative BFH, Urt. v. 06. Juni 2002 - VI R 178/97-, BStBl. II 2003, 34). Aber auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers nach anderen gesetzlichen Vorschriften lag hier nicht vor. Diese Alternative setzt voraus, dass sich die Verpflichtung aus einem formellen Gesetz ergibt, weil es dann, wenn ein Gesetz im nur materiellen Sinne genügen würde, der letzten Alternative des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG ("oder einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung ") nicht bedurft hätte. § 4 AO ist insoweit im Hinblick auf die abweichende Spezialregelung in § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nicht anwendbar (vgl. auch BFH, Urt. v. 06. November 1970 - VI 385/65-, BStBl. II 1971, 22 zur Nichtanwendbarkeit der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung auf das EStG). Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sind aber keine formellen Gesetze (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschl. v. 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 -, NJW 1977, 2255). Auch die Voraussetzungen der gerade dargestellten letzten Alternative des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG liegen nicht vor. Diese setzt - wie die anderen Alternativen auch - voraus, dass es sich um einseitig vom Staat gesetztes Recht handelt (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urt. v. 20. Juni 2001 - 7 K 2353/99 -, EFG 2001, 1264; gegen diese Entscheidung ist Revision eingelegt worden, die beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 101/01 anhängig ist). Für diese Auslegung spricht die Begründung des Entwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP für das Steueränderungsgesetzes 1992, das die hier maßgebliche Fassung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG einfügte und die vorher geltende Fassung ablöste, wonach Zukunftssicherungsleistungen, die "aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet wurden", steuerfrei waren. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, mit der Änderung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG werde klargestellt, dass nicht nur eine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung, sondern auch eine andere gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu Zukunftssicherungsleistungen für Arbeitnehmer zur Steuerfreiheit dieser Leistungen führe. Dies gelte z.B. für die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen nach § 5 Abs. 2 der Erziehungsurlaubsverordnung oder nach entsprechenden Rechtsvorschriften der Länder (vgl. BT-Drs. 12/1108 S. 51). Andere Beispiele werden dort nicht angeführt. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, dass auch nicht einseitig von Staat gesetztes Recht und insbesondere tarifvertragliche Verpflichtungen in Zukunft steuerbefreit sein sollten, hätte es angesichts des Umstands, dass tarifvertragliche Leistungen bis dahin nicht steuerbefreit waren und im Hinblick auf die große praktische Bedeutung tarifvertraglicher Verpflichtungen zur Zukunftssicherung nahegelegen, hierauf entweder ausdrücklich im Wortlaut der Vorschrift oder aber jedenfalls in deren Begründung hinzuweisen. Ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG somit auf einseitig vom Staat gesetztes Recht beschränkt, ist diese auf allgemeinverbindliche Tarifverträge nicht anwendbar. Denn eine allgemeinverbindliche Tarifnorm ist nicht das Ergebnis einer zwar abgeleiteten, aber dennoch vom Staat selbst bestimmten Rechtsetzung der Exekutive innerhalb eines von der Legislative in einem Gesetz vorgezeichneten Rahmens. Vielmehr liegt hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Normen und der "Gesetzgebungsinitiative" das Schwergewicht eindeutig bei den Tarifparteien. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags ist weder der Erlass einer Rechtsverordnung noch einer Satzung, sondern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet (vgl. BVerfG, Urt. v. 24. Mai 1977 a.a.O. und Urt. v. 15. Juli 1980 - 2 BvR 24/74 und 439/79 -, NJW 1981, 215). Der Senat schließt sich deshalb der - soweit ersichtlich - einhellig in Rechtsprechung und Kommentarliteratur im Anschluss an das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV a.F. ergangene Urteil des BFH vom 06. November 1970 (a.a.O.) vertretenen Ansicht an, wonach eine tarifvertragliche Verpflichtung keine gesetzliche Verpflichtung i.S. dieser Vorschrift ist und § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG auch im Übrigen auf tarifvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers nicht anwendbar ist (vgl. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 25. August 1992 - 11 K 54/88 -, EFG 1993, 136; Bergkemper in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand: März 1996; Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004 § 3 ABC Stichwort: "Zukunftssicherungsleistungen"; v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, § 3 Rn. B 62/4; Erhard in: Blümich, EStG, § 3 Rn. 1150 und Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 3 Rn. 2143). Soweit in der Kommentarliteratur ausdrücklich zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen Stellung genommen wird, wird diese Auffassung auch hierfür vertreten (vgl. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Zukunftssicherung von Arbeitnehmern", Stand: Oktober 2001).
21 
Auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG liegen nicht vor, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit waren. Ebensowenig sind die geleisteten Beiträge zur Zusatzversorgungskasse nach anderen Vorschriften steuerbefreit.
22 
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
23 
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Zukunftssicherungsleistungen, zu denen ein Arbeitgeber aus einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag verpflichtet ist, aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder aufgrund einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung i.S.d. § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung geleistet werden, zuzulassen. Denn diese Frage ist in der Rechtsprechung des BFH bislang nicht geklärt. Das Urteil des BFH vom 06. November 1970 (a.a.O.) betrifft § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV in der im Jahre 1961 geltenden Fassung, die von § 3 Nr. 62 EStG in der hier anzuwendenden Fassung abweicht. Auch die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages bewirkt, dass auf dessen Grundlage erbrachte Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers als aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleisteter Arbeitslohn anzusehen sind, wird dort nicht erörtert.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, weil die Streitsache im Wesentlichen nur Rechtsfragen aufwirft.
16 
Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kl. daher nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 FGO).
17 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Nachforderungsbescheids ist § 40 b i.V.m. § 38 EStG. Nach § 40 b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und von den Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 20 vom Hundert der Beiträge und Zuwendungen erheben. Nach § 40 b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG hat der Arbeitgeber in diesem Fall die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen und ist dieser abweichend von § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG deren Schuldner. Mit dem Nachforderungsbescheid hat der Bekl. - wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt - die mit den Lohnsteuer-Anmeldungen nach § 41 a Abs. 1 Nr. 1 EStG bewirkte Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (vgl. § 168 Satz 1 AO) zu Recht geändert.
18 
Der Kl. ist unstreitig ein inländischer Arbeitgeber, der in den Streitjahren Arbeitslöhne im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG an Arbeitnehmer - aus deren Sicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG - gezahlt hat. Entgegen der Auffassung des Kl. waren auch die Beiträge an die Zusatzversorgungskasse Arbeitslohn. Denn hierzu gehören auch Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung), wenn der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung erwirbt (vgl. BFH, Urt. v. 30. Mai 2001 - VI R 159/99-, BStBl. II 2001, 815 und Urt. v. 16. April 1999 - VI R 66/97-, BStBl. II 2000, 408 sowie § 2 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-). Hier sind den Arbeitnehmern des Kl. in den Streitjahren Einnahmen in Form von Zukunftssicherungsleistungen aus ihrer Beschäftigung zugeflossen. Insbesondere besteht nach § 1 Nr. 1 der dem Senat vorliegenden Anlage zum Tarifvertrag (§ 5 Abs. 5) über die Errichtung einer "Zusatzversorgungskasse für das Bäckerhandwerk" vom 20. Februar 1970 eine Leistungspflicht der Zusatzversorgungskasse gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern, die Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente erhalten und die Wartezeit erfüllt haben. Es handelt sich deshalb nicht nur um eine bloße Unterstützungskasse, auf deren Leistungen die Arbeitnehmer keinen Anspruch haben. Auch der Umstand, dass aus Vereinfachungsgründen bestimmte Jahresdurchschnittsbeträge pro Arbeitnehmer der Lohnsteuer unterworfen werden (vgl. die vom Bekl. vorgelegte Mitteilung - LStAD - 2/02 der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe und Stuttgart), ändert nichts an der Qualität der Beitragszahlungen als Arbeitslohn.
19 
Der Kl. hat, wie aus der Anlage zum Prüfungsbericht vom 15. Juni 1999 ergibt, auch die pauschalierte Versteuerung der Beiträge nach § 40 b EStG gewählt (vgl. zum Wahlrecht des Arbeitgebers BFH, Beschl. v. 29. September 1995 - VI B 115/95 - JURIS -).
20 
Schließlich sind die Beiträge zur Zusatzversorgungskasse auch nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerbefreit. Danach sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist , steuerfrei. Vorliegend beruht die Beitragszahlung des Kl. in den Streitjahren auf dem nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für das Bäckerhandwerk vom 20. Februar 1970 mit späteren Änderungs- und Ergänzungstarifverträgen. Eine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung bestand deshalb nicht (vgl. zur hinsichtlich der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung nur deklaratorischen Bedeutung dieser Alternative BFH, Urt. v. 06. Juni 2002 - VI R 178/97-, BStBl. II 2003, 34). Aber auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers nach anderen gesetzlichen Vorschriften lag hier nicht vor. Diese Alternative setzt voraus, dass sich die Verpflichtung aus einem formellen Gesetz ergibt, weil es dann, wenn ein Gesetz im nur materiellen Sinne genügen würde, der letzten Alternative des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG ("oder einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung ") nicht bedurft hätte. § 4 AO ist insoweit im Hinblick auf die abweichende Spezialregelung in § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nicht anwendbar (vgl. auch BFH, Urt. v. 06. November 1970 - VI 385/65-, BStBl. II 1971, 22 zur Nichtanwendbarkeit der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung auf das EStG). Allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge sind aber keine formellen Gesetze (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschl. v. 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 -, NJW 1977, 2255). Auch die Voraussetzungen der gerade dargestellten letzten Alternative des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG liegen nicht vor. Diese setzt - wie die anderen Alternativen auch - voraus, dass es sich um einseitig vom Staat gesetztes Recht handelt (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Urt. v. 20. Juni 2001 - 7 K 2353/99 -, EFG 2001, 1264; gegen diese Entscheidung ist Revision eingelegt worden, die beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 101/01 anhängig ist). Für diese Auslegung spricht die Begründung des Entwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP für das Steueränderungsgesetzes 1992, das die hier maßgebliche Fassung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG einfügte und die vorher geltende Fassung ablöste, wonach Zukunftssicherungsleistungen, die "aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet wurden", steuerfrei waren. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, mit der Änderung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG werde klargestellt, dass nicht nur eine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung, sondern auch eine andere gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu Zukunftssicherungsleistungen für Arbeitnehmer zur Steuerfreiheit dieser Leistungen führe. Dies gelte z.B. für die Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen nach § 5 Abs. 2 der Erziehungsurlaubsverordnung oder nach entsprechenden Rechtsvorschriften der Länder (vgl. BT-Drs. 12/1108 S. 51). Andere Beispiele werden dort nicht angeführt. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, dass auch nicht einseitig von Staat gesetztes Recht und insbesondere tarifvertragliche Verpflichtungen in Zukunft steuerbefreit sein sollten, hätte es angesichts des Umstands, dass tarifvertragliche Leistungen bis dahin nicht steuerbefreit waren und im Hinblick auf die große praktische Bedeutung tarifvertraglicher Verpflichtungen zur Zukunftssicherung nahegelegen, hierauf entweder ausdrücklich im Wortlaut der Vorschrift oder aber jedenfalls in deren Begründung hinzuweisen. Ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG somit auf einseitig vom Staat gesetztes Recht beschränkt, ist diese auf allgemeinverbindliche Tarifverträge nicht anwendbar. Denn eine allgemeinverbindliche Tarifnorm ist nicht das Ergebnis einer zwar abgeleiteten, aber dennoch vom Staat selbst bestimmten Rechtsetzung der Exekutive innerhalb eines von der Legislative in einem Gesetz vorgezeichneten Rahmens. Vielmehr liegt hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Normen und der "Gesetzgebungsinitiative" das Schwergewicht eindeutig bei den Tarifparteien. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags ist weder der Erlass einer Rechtsverordnung noch einer Satzung, sondern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet (vgl. BVerfG, Urt. v. 24. Mai 1977 a.a.O. und Urt. v. 15. Juli 1980 - 2 BvR 24/74 und 439/79 -, NJW 1981, 215). Der Senat schließt sich deshalb der - soweit ersichtlich - einhellig in Rechtsprechung und Kommentarliteratur im Anschluss an das zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV a.F. ergangene Urteil des BFH vom 06. November 1970 (a.a.O.) vertretenen Ansicht an, wonach eine tarifvertragliche Verpflichtung keine gesetzliche Verpflichtung i.S. dieser Vorschrift ist und § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG auch im Übrigen auf tarifvertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers nicht anwendbar ist (vgl. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 25. August 1992 - 11 K 54/88 -, EFG 1993, 136; Bergkemper in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand: März 1996; Heinicke in Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004 § 3 ABC Stichwort: "Zukunftssicherungsleistungen"; v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, § 3 Rn. B 62/4; Erhard in: Blümich, EStG, § 3 Rn. 1150 und Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 3 Rn. 2143). Soweit in der Kommentarliteratur ausdrücklich zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen Stellung genommen wird, wird diese Auffassung auch hierfür vertreten (vgl. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Zukunftssicherung von Arbeitnehmern", Stand: Oktober 2001).
21 
Auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG liegen nicht vor, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit waren. Ebensowenig sind die geleisteten Beiträge zur Zusatzversorgungskasse nach anderen Vorschriften steuerbefreit.
22 
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
23 
Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob Zukunftssicherungsleistungen, zu denen ein Arbeitgeber aus einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag verpflichtet ist, aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder aufgrund einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung i.S.d. § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung geleistet werden, zuzulassen. Denn diese Frage ist in der Rechtsprechung des BFH bislang nicht geklärt. Das Urteil des BFH vom 06. November 1970 (a.a.O.) betrifft § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV in der im Jahre 1961 geltenden Fassung, die von § 3 Nr. 62 EStG in der hier anzuwendenden Fassung abweicht. Auch die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages bewirkt, dass auf dessen Grundlage erbrachte Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers als aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleisteter Arbeitslohn anzusehen sind, wird dort nicht erörtert.

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