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Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der Kl die Klage in unbedingter Form erst mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009 und damit nach Verstreichen der einmonatigen Klagefrist gegen die ihm am 24. November 2008 bekanntgegebene Einspruchsentscheidung (§§ 365 Abs. 1, 366 i. V. m. §§ 122 Abs. 2 Nr. 1, 108 Abs. 1, Abs. 3 der Abgabenordnung – AO – und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bei Gericht angebracht hat.
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Denn jedenfalls die (vollständige) Antragschrift auf Bewilligung von PKH hat der Kl noch innerhalb der Klagefrist eingereicht. Dabei hat der Kl zugleich deutlich gemacht, dass die Klage für den Fall der Stattgabe des Antrags als erhoben angesehen werden solle (sog. „isolierter“ PKH-Antrag; vgl. zuletzt FG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2007 18 Ko 2303/07 GK, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2008, 78). Dem Kl war daher wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –; vgl. zuletzt Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. Januar 2008 XI S 28/07 (PKH), BFH/NV 2008, 602). Insoweit ist entscheidend, dass die unbedingte Klage noch innerhalb der zweiwöchigen Frist seit Zustellung der Bewilligungsentscheidung des Senats (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) rechtshängig gemacht worden ist.
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2. Die Klage ist auch begründet. Die Entscheidung der Bekl, die beim Kl angefallenen Kosten des Einspruchsverfahrens gegen die mit Bescheid vom 21. August 2008 verfügte Aufhebung des Kindergelds nicht zu übernehmen, ist rechtswidrig. Sie verletzt den Kl dadurch in seinen Rechten und war daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zugleich war die Bekl zu verpflichten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Kl einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten für erstattungsfähig zu erklären (§ 101 Satz 1 FGO).
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a) Die Bekl war zur Erstattung der streitigen Kosten des Kl dem Grunde nach verpflichtet.
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Dies ergibt sich aus § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG. Diese Vorschrift bestimmt – abweichend von der Grundsatzentscheidung der AO für die Kostenfreiheit des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens –, dass im Kindergeldverfahren die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung oder – wie im Streitfall – gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25; Dürr in Frotscher, EStG, § 77 Rz. 4; Treiber in Blümich, § 77 EStG Rz. 4, m. w. N.) erfolgreich ist.
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Zwar hat der Erstattungsberechtigte Aufwendungen, die durch sein Verschulden entstanden sind, nach § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG selbst zu tragen. Entgegen der Auffassung der Bekl lassen sich hinreichende Anhaltspunkte für einen solchen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Kl und damit für eine Ausnahme von der Erstattungspflicht jedoch nicht feststellen.
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Ein Verschulden i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn der Einspruchsführer bzw. sein Vertreter diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die einem gewissenhaften Verfahrensbeteiligten nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (Dürr in Frotscher, a. a. O., § 77 Rz. 7). Dies gilt vor allem dann, wenn der Einspruchsführer seiner Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen ist (so Abschn. 19.5 der Dienstanweisung zur Durchführung von Rechtsbehelfsverfahren im Zusammenhang mit dem Familienleistungsausgleich nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes – DA-FamRb –, BStBl I 2000, 761) und die Behörde zudem trotz bestehender Amtsermittlungspflicht keine andere Entscheidung treffen konnte (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25, m. w. N.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 77 EStG Anm. 5; Treiber in Blümich, § 77 EStG Rz. 13). Da die Sachaufklärung indessen grundsätzlich der Familienkasse obliegt, kann eine schuldhafte Verletzung von Mitwirkungspflichten nur dann angenommen werden, wenn dem Einspruchsführer der in seiner Wissens- und Herrschaftssphäre liegende zeitnahe Vortrag und die Einreichung von Nachweisen früher möglich und zumutbar gewesen wäre und er den Sachverhalt auch nicht irreführend dargestellt hat (Dürr in Frotscher, a. a. O., § 77 Rz. 8). Daran fehlt es.
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aa) Zum einen konnte der Kl im Zeitpunkt, in dem er bei der Bekl seinen Antrag auf Kindergeld am 24. Juli 2008 einreichte, über den weiteren Schulbesuch oder über eine anderweitige Berufsausbildung seiner Tochter X.. noch keine näheren Angaben machen. Denn die Tochter hatte den Unterricht im Berufseinstiegsjahr für das Schuljahr 2007/2008 an der ....schule in A.. erst am Vortag abgeschlossen, und der Beginn des neuen Schuljahres 2008/2009 war in Baden-Württemberg erst für den 8. September 2008 vorgesehen. Dem Antrag des Kl ist zudem – anders als die Bekl in ihrer Einspruchsentscheidung vom 18. November 2008 zu unterstellen scheint („Bei der Antragstellung des Kindergelds für das Kind X.. ... wurde nur eine Berufsausbildung bis 23.07.2008 angegeben.“) – an keiner Stelle zu entnehmen, dass der Kl eine weiterführende Berufsausbildung seiner Tochter X.. für die Zeit nach Beendigung des Berufseinstiegs-Schuljahres als von vornherein ausgeschlossen dargestellt hätte. Denn für die Tochter wäre selbst bei Nichtfortsetzen des Schulbesuchs ohne weiteres die Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung und in der Zwischenzeit deren Berücksichtigung nach den Kindergeldtatbeständen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder Buchst. c EStG (viermonatige Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder vergebliche Ausbildungsplatzsuche) in Betracht gekommen.
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bb) Zum anderen ist die Bekl ihrer Amtsermittlungspflicht nach Aktenlage in völlig unzureichendem Maße nachgekommen: Sie hat es zunächst versäumt, den Kl vor Ergehen des Bescheids vom 21. August 2008 in tatsächlicher Hinsicht noch einmal anzuhören, obwohl sie hiervon nur in begründeten Ausnahmefällen absehen durfte (§ 91 Abs. 1 AO) und sich aus der Auskunft der Mitarbeiterin des Job-Centers V... sogar hinreichende Anhaltspunkte dafür ergaben, dass die Tochter des Kl im August 2008 auf der Suche nach einer neuen Ausbildungsmöglichkeit war und damit bei der Festsetzung des Kindergelds zu berücksichtigen gewesen wäre. Mit dem gleichzeitig bei Erlass des Aufhebungsbescheides erstellten Schreiben an den Kl vom 21. August 2007 und mit der dort geäußerten Bitte um Einreichung bestimmter Unterlagen zu den Bemühungen der Tochter um einen Ausbildungsplatz hat die Bekl zudem selbst zu erkennen gegeben, dass sie den Sachverhalt in dieser Beziehung noch nicht für ausreichend aufgeklärt erachtete. Mit einer solchen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts bereits im Verwaltungsverfahren hätte es die Bekl zudem selbst in der Hand gehabt, den Anfall und die Erstattungsfähigkeit der hier streitigen Kosten des Einspruchsverfahrens von vornherein zu verhindern. Wenn die Bekl den Kindergeldberechtigten jedoch in Kenntnis dieser Rechtslage gleichwohl vorschnell in ein Einspruchsverfahren hineindrängt, so muss sie sich insoweit zwingend auch auf die sich daraus ergebenden nachteiligen Kostenfolgen einstellen. Welche Gründe sie zu dieser Vorgehensweise bewogen haben mögen – wie möglicherweise etwa die unzureichende Personalausstattung der Bekl –, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (vgl. zuletzt FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2007 3 K 181/07, nicht veröffentlicht – n. v. –, juris).
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b) Die von der Bekl zu erstattenden Kosten hatten gemäß § 77 Abs. 2 EStG auch die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten einzuschließen, da dessen Zuziehung zur Einlegung und Begründung des Einspruchs notwendig war.
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Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig ist, muss aus der Sicht eines verständigen Bürgers mit dem Wissens- und Erkenntnisstand des Rechtsbehelfsführers beurteilt werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25). Danach ist es regelmäßig nicht erforderlich, einen von Berufs wegen rechtskundigen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Interessen im Einspruchsverfahren zu befassen, wenn die Familienkasse die erforderlichen Hinweise in allgemein verständlicher Form gegeben hat (Dürr in Frotscher, a. a. O., § 77 Rz. 9) und wenn danach der Kindergeldberechtigte die interessierenden bzw. abgefragten Daten und Unterlagen zumutbar selbst oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes hätte einreichen können (Urteile des FG Hamburg vom 20. April 2004 III 465/03, EFG 2004, 1621, und des FG Baden-Württemberg vom 10. Dezember 2007 3 K 181/07, n. v., juris). Anders verhält es sich indessen, wenn die Familienkasse – wie im Streitfall – den Kindergeldberechtigten durch ihre Vorgehensweise in verfahrensrechtlicher Hinsicht mit erheblichen Unsicherheiten belastet und nicht klar erkennbar ist, ob die geforderte Hereingabe von Unterlagen die rechtlichen Belange des Kindergeldberechtigten in vollem Umfang zu wahren vermag.
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Der Kl weist zu Recht darauf hin, dass die von der Bekl im Streitfall gewählte Verfahrensweise, die Kindergeldfestsetzung am 21. August 2008 einerseits unter Hinweis auf den hiergegen binnen eines Monats einzulegenden Einspruch durch Verwaltungsakt förmlich aufzuheben und sie andererseits unter Aufforderung, binnen einer Frist von über einem Monat (nämlich bis zum 30. September 2008) tatbestandsrelevante Unterlagen nachzureichen, mit einfachem Anhörungsschreiben für noch nicht entscheidungsreif zu erklären, keineswegs – wie die Bekl meint – eindeutig, sondern in hohem Maße widersprüchlich ist. Hätte der Kl – ohne Einspruch einzulegen – auf das Schreiben der Bekl hin die Schulbescheinigung erst gegen Ende der Anhörungsfrist nach dem 25. September 2008 eingereicht, so unterliegt es keinem Zweifel, dass der Kindergeldanspruch des Kl für seine Tochter X.. auf diesem Wege mangels Wahrung der Einspruchsfrist jedenfalls für den Monat August 2008 bestandskräftig abgelehnt und zu diesem Zeitpunkt mithin insoweit auch eine schlichte Änderung der Verwaltungsentscheidung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) nicht mehr statthaft gewesen wäre. Unter diesen Umständen war es aus der Sicht des Kl nicht nur naheliegend, sondern sachgerecht, sich zur Wahrung seiner verfahrens- und materiellrechtlichen Stellung eines von Berufs wegen rechtskundigen Bevollmächtigten zu bedienen und diesen mit der Einlegung eines Einspruchs zu beauftragen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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4. Da der Streitwert des Verfahrens den Betrag von 500 EUR offensichtlich nicht überschreitet, hat der Senat den Rechtsstreit nach billigem Ermessen und mangels abweichender Anträge der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden (§ 94a FGO).
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