Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 126/07

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten darum, ob Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Untervermittlerin von innergemeinschaftlichen Lieferungen im Inland oder außerhalb Deutschlands im Gemeinschaftsgebiet der Europäischen Union (EU) erbracht worden sind.
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren (2002 bis 2005) als Einzelunternehmerin von ihrer Wohnung in X aus ein Übersetzungsbüro und eine Handelsvertretung. Für ihre Vertretertätigkeit hatte sie im August 1998 einen „Handelsvertretervertrag für Untervertretung/Agentur“ mit dem Handelsvertreter-Unternehmen B GmbH in Y abgeschlossen, mit dem das Ziel verfolgt werden sollte, für die von der B GmbH als Hauptvertreterin vertretenen Unternehmen bei solchen Kunden, die für die Klägerin als Agentin geschützt sein sollten, die Geschäftsbeziehungen auf- bzw. auszubauen. Hierzu hatte die B GmbH die Klägerin mit ihrer Vertretung für die in Italien ansässige Firma C SpA mit Sitz in Italien betraut, die hochwertige Verzahnungsteile herstellte. Diese Vertretung sollte bei den in Deutschland ansässigen Kunden F in Z, G in Z 2 und H in Z 3 erfolgen. Als Entgelt für diese Untervertretung war vereinbart, dass die Klägerin für die vermittelten Geschäfte von der B GmbH ein Drittel der Provision erhalten sollte, die der B GmbH wiederum von der von ihr vertretenen C SpA zufließen würden. Hierüber hatte die B GmbH der Klägerin quartalsweise eine Provisionsabrechnung zu erteilen. Die Klägerin hatte das Interesse der B GmbH und der von letzterer als Hauptvertreterin vertretenen C SpA  mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen und am Berichtswesen der B GmbH gegenüber der C SpA teilzunehmen. Den Schriftwechsel und die Kommunikation im Zusammenhang mit der Betreuung der ihr übertragenen Kunden und der C SpA hatte die Klägerin selbst zu führen; die Pflege solcher Verbindungen zur C SpA, die vertragrelevant hätten sein oder die Provisionshöhe hätten beeinflussen können, oblag hingegen allein der B GmbH als Hauptvertreterin.
Aufgrund der daraufhin in den Streitjahren von der Klägerin vermittelten Geschäfte lieferte die C SpA Getriebeteile, die von ihr in Italien hergestellt worden waren, nach Deutschland an ihre beiden dortigen Abnehmer F und G. Für diese Geschäfte standen der Klägerin gegen die B GmbH Provisionsforderungen in Höhe von 8.705 EUR (in 2002), 10.099 EUR (in 2003), 4.325 EUR (in 2004) und 5.115 EUR (in 2005) zu. Über diese Forderungen erteilte die B GmbH der Klägerin Provisionsabrechnungen, mit denen sie der Klägerin die geschuldeten Beträge netto ohne Umsatzsteuer und ohne Angabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gutschrieb.
In ihren am 6. Mai 2003 (für 2002), am 4. Juni 2004 (für 2003), am 8. April 2005 (für 2004) und am 23. März 2006 (für 2005) bei dem beklagten Finanzamt (dem Beklagten) eingereichten Umsatzsteuer-Erklärungen behandelte die Klägerin die mit der B GmbH getätigten Umsätze als in Deutschland steuerfrei. Der Beklagte stimmte dem zunächst jeweils zu. Daraus ergaben sich Umsatzsteuerfestsetzungen in Höhe von 5.370,07 EUR (für 2002), 4.989,19 EUR (für 2003), 5.738,68 EUR (für 2004) und 6.760,36 EUR (für 2005).
Anlässlich einer sodann im Juli 2006 für die Streitjahre durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte die vom Beklagten eingesetzte Prüferin zu der Auffassung, dass zwar die B GmbH als Hauptvertreterin aufgrund der für die C SpA vermittelten Geschäfte eine im Inland nicht steuerbare Vermittlungsleistung erbracht habe, nicht hingegen die Klägerin. Hierfür berief sich die Prüferin auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), derzufolge die Dienstleistung eines vom Hauptvertreter eingeschalteten Untervertreters nicht als Vermittlungsleistung angesehen werde. Dies erfordere nämlich, dass die Leistung an eine der Parteien des vermittelten Vertrages erbracht und von dieser Partei vergütet werde. Im Streitfall hingegen habe nur die Hauptvertreterin Leistungsbeziehungen zu den Vertragsparteien unterhalten und von diesen, namentlich von der C SpA, Provisionen erhalten. Hingegen stehe der Untervermittler – im Streitfall: die Klägerin – nur in Leistungsbeziehungen zu dem Hauptvertreter, so dass er auch keine Vermittlungsleistung erbringe, sondern eine sonstige Dienstleistung, die im Inland der Umsatzsteuer unterliege.
Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an. Mit Bescheiden vom 7. August 2006 änderte er die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre in der Weise, dass er die von der Klägerin mit der B GmbH getätigten Umsätze in Höhe der jeweils netto abgerechneten Provisionsforderungen als mit dem Regelsteuersatz steuerpflichtig behandelte und die Umsatzsteuer für 2002 um 1.392,66 EUR auf 6.762,73 EUR, für 2003 um 1.615,84 EUR auf 6.605,03 EUR, für 2004 um 691,97 EUR auf 6.430,68 EUR und für 2005 um 818,46 EUR auf 7.578,76 EUR erhöhte.
Hiergegen legte die Klägerin – eingehend am 16. August 2006 – jeweils Einspruch ein, Dabei wies sie darauf hin, dass das für die Besteuerung der B GmbH zuständige Finanzamt (FA) Y im Anschluss an eine im Herbst 2005 dort durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung – entgegen der Ansicht des Beklagten – die Auffassung vertreten habe, dass auch die von der B GmbH bei der Ausführung ihrer Umsätze eingeschalteten Untervertreter Vermittlungsleistungen an die Hauptvertreterin erbrächten, die im Falle der C SpA in Deutschland nicht steuerbar seien, sondern in Italien der dortigen Umsatzsteuer unterlägen. Mit dieser Begründung sei der B GmbH – was zutrifft – im Rahmen des Betriebsprüfungsberichts vom 26. November 2005 bestätigt worden, dass die ihren Untervertretern erteilten Provisionsabrechnungen von ihr zu Recht ohne deutsche Umsatzsteuer gestellt worden seien.
Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, dass die Entscheidung des FA Y für ihn nicht bindend und zudem in der Sache unzutreffend sei. Aus diesem Grunde wies er die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2007 als unbegründet zurück.
Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter. Entscheidend für die Beurteilung ihrer streitigen Umsätze als Vermittlungsleistungen sei, dass sie sich gegenüber den in Deutschland ansässigen Kunden als Vertreterin für die Erzeugnisse des italienischen Herstellers C SpA vorgestellt habe. Der Ort ihrer Vermittlungsleistungen habe in Italien gelegen, weil es sich bei den vermittelten Umsätzen um Exportlieferungen von Italien nach Deutschland gehandelt habe. Sie – die Klägerin – sei der Auffassung, dass der Begriff der „Vermittlung“ nicht zwingend voraussetze, dass der Vermittler als Untervermittler eines Hauptvertreters in unmittelbaren rechtlichen Kontakt mit beiden Hauptvertragsparteien treten müsse, solange sich seine Tätigkeit nicht – was im Streitfall indessen nicht vorliege – auf die bloße Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränke. Letzteres ergebe sich auch aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. Juni 2007 Rs. C-453/05, Ludwig (Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398).
10 
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die geänderten Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für die Jahre 2002, 2003, 2004 und 2005, datierend jeweils vom 7. August 2006, sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18. April 2007 aufzuheben.
11 
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
12 
Er ist der Auffassung, dass das EuGH-Urteil Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398 auf den Streitfall nicht übertragbar sei, weil es lediglich die Steuerfreiheit der Untervermittlung von Kreditgeschäften betreffe.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die Klage ist begründet.
14 
Die durch die angefochtenen Bescheide vom 7. August 2006 geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Zutreffend hat die Klägerin die in ihrer Eigenschaft als Untervertreterin mit der B GmbH getätigten Umsätze im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen, die jeweils gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, als nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegend behandelt. Die Umsätze sind in Deutschland nicht steuerbar, weil es sich nicht um Leistungen handelt, die die Klägerin im Inland ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG –). Entgegen der Auffassung des Beklagten beruhten die Umsätze auf Vermittlungsleistungen i. S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung – a. F. –; seit Inkrafttreten von Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 2009 – JStG 2009 – vom 19. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74, am 1. Januar 2010 – Art. 39 Abs. 9 JStG 2009 –: § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG), die nicht in Deutschland, sondern in Italien als dem Ort erbracht worden sind, an dem die vermittelten Umsätze der C SpA ausgeführt wurden.
15 
1. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a. F. bestimmt, dass eine sonstige Leistung, die – wie hier – keine Lieferung ist (§ 3 Abs. 1 UStG), vorbehaltlich bestimmter anderweitiger gesetzlicher Regelungen an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Abweichend davon gilt indessen nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F., dass eine Vermittlungsleistung an dem Ort erbracht wird, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird. Dieser Ort liegt im Streitfall in Italien, da die C SpA die von ihr an ihre Abnehmer in Deutschland gelieferten Getriebeteile von ihrer Produktionsstätte in Italien aus befördert oder versendet hat und diese Lieferungen gemäß § 3 Abs. 5a i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung bzw. die Versendung an die Abnehmer begonnen hat. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
16 
2. Zu Unrecht vertritt der Beklagte die Auffassung, dass die Ortsbestimmung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. auf die Umsätze der Klägerin gegenüber der B GmbH als Hauptvertreterin nicht anwendbar sei, weil es sich bei ihnen nicht – wie dies die gesetzliche Regelung voraussetzt – um Vermittlungsleistungen gehandelt habe.
17 
Eine Vermittlungsleistung i. S. von § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. liegt vielmehr auch in Fällen der Betätigung als Untervermittler vor, bei der die eingeschaltete Person – wie im Streitfall die Klägerin – keine vertraglichen Beziehungen zu wenigstens einer der beiden Vertragsparteien eingeht, sondern lediglich im Auftrag des eigentlichen Vermittlers (des Hauptvermittlers) dazu beiträgt, dass ein Vertragsabschluss erfolgt. Dies gilt jedenfalls so lange, als sich die Tätigkeit des vom Hauptvermittler eingeschalteten Subunternehmers – wiederum wie im Streitfall – nicht im Wesentlichen in der Übernahme eines Teils der mit dem vermittelten Vertrag verbundenen Sacharbeit erschöpft.
18 
a) Für dieses Verständnis des Rechtsbegriffs der Vermittlungsleistung spricht bereits der Blick auf seinen natürlichen Wortsinn. Danach ver-„mittelt“ einen (weiteren) Umsatz, wer in tragender Weise auf das Zustandekommen des zu diesem Umsatz führenden Vertragsverhältnisses hinwirkt und den Vertragsparteien durch seine Leistung ein Mittel zur Verfügung stellt, das den Vertragsschluss in zumindest mit-ursächlicher Weise herbeiführt. Diese Gesetzesauslegung entspricht im Übrigen auch der mittlerweile herrschenden Auffassung im umsatzsteuerrechtlichen Schrifttum (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz – Stand: Februar 2008 –, § 3a Anm. 151; Leonard in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., § 3a Rz. 24). Dort wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass unter einer „Vermittlung“ im deutschen Sprachgebrauch die Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners ungeachtet dessen zu verstehen ist, ob dieser der unmittelbare oder – wie beim Untervermittler – nur der mittelbare Auftraggeber der Vermittlungsleistung ist (Stadie, Umsatzsteuergesetz, 2009, § 3a Rz. 28).
19 
b) In dieser Sichtweise sieht sich der Senat dadurch bestärkt, dass die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a. F. der Umsetzung des Art. 28b Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht zu dienen bestimmt und deshalb richtlinienkonform auszulegen ist. Art. 28b Teil E Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG enthält eine Regelung zum Ort der „Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie an (...) Umsätzen (...) beteiligt sind“, und bestimmt hierzu, dass dies der Ort ist, an dem die Umsätze erbracht werden. Es liegt auf der Hand, dass ein Dienstleister im Sprachsinne auch dann in vermittelnder Weise an Umsätzen „beteiligt“ ist, wenn er lediglich die Stellung eines Untervermittlers innehat.
20 
c) Dass auch ein bloßer Untervermittler Vermittlungsleistungen i. S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. ausführen kann, legt daneben auch der Umstand nahe, dass nach der Rechtsprechung des EuGH unter einer Vermittlung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne solche Tätigkeiten zu verstehen sind, die darauf gerichtet sind, dass zwei Parteien miteinander einen Vertrag schließen, ohne dass es hierfür darauf ankommt, in welchem Verhältnis der Vermittler zu den Parteien des (Haupt-) Vertrages steht.
21 
aa) So hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00, CSC Financial Services (Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beilage 2002, 35, unter Rdnr. 39) entschieden, dass der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG verwendete Begriff „Vermittlung“ sich auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht die Stellung einer Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt hat und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Dazu hat der EuGH näher ausgeführt, dass die Vermittlungstätigkeit eine Dienstleistung ist, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Zweck dieser Tätigkeit ist es insoweit, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat. In mehreren Entscheidungen hat der EuGH zudem zum Ausdruck gebracht, dass die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1, 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreiten Umsätze einschließlich der dort jeweils genannten Vermittlung durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert werden, da auf diese in den genannten Bestimmungen in keiner Weise Bezug genommen wird (vgl für Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil vom 5. Juni 1997 Rs. C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1997, 618, unter Rdnr. 32, und für Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 25 f.). Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass die Anerkennung einer – dort von der Steuer befreiten – Vermittlungstätigkeit i. S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht unbedingt vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer der Parteien des vermittelten Vertrags abhängt (EuGH-Urteil Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 29).
22 
bb) Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, die dafür sprächen, den Begriff der „Dienstleistungen von Vermittlern“ gemäß Art. 28b Teil E Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in einem hiervon abweichenden, engeren Sinne zu verstehen. Dies gilt umso mehr, als bereits das Verständnis, das der EuGH von dem Begriff der „Vermittlung“ in dem ihm in Art. 13 Teil B Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG zukommenden Sinne, entwickelt hat, das Ergebnis einer engen Auslegung ist, da mit ihm dort – anders als hier – Tatbestände zur ausnahmsweisen Regelung einer Steuerbefreiung umschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 21, und SDC in Slg. 1997, I-3017, HFR 1997, 618, unter Rdnr. 20).
23 
d) Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 9. Oktober 2003 V R 5/03 (BFHE  203, 395, BStBl II 2003, 958), auf das der Beklagte sich beruft. Zwar ist dort (unter II. 2.) in der Tat ausgeführt, dass eine Vermittlung i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG nur dann vorliegt, wenn die Leistung an eine Partei des vermittelten Vertrags erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird, und dass es für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung nicht ausreicht, dass der leistende Unternehmer lediglich im Auftrag eines Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen (Haupt-) Vertrag schließen. Indessen ist diese Rechtsprechung (zuvor bereits BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 V R 9/93, BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427) durch die EuGH-Entscheidung Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398 mittlerweile überholt (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2007 V R 62/06, BFHE 221, 92, BStBl II 2008, 641, unter II. 2., und vom 30. Oktober 2008 V R 44/07, BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, unter II. 2.).
24 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe

 
13 
Die Klage ist begründet.
14 
Die durch die angefochtenen Bescheide vom 7. August 2006 geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Zutreffend hat die Klägerin die in ihrer Eigenschaft als Untervertreterin mit der B GmbH getätigten Umsätze im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärungen, die jeweils gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden, als nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegend behandelt. Die Umsätze sind in Deutschland nicht steuerbar, weil es sich nicht um Leistungen handelt, die die Klägerin im Inland ausgeführt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG –). Entgegen der Auffassung des Beklagten beruhten die Umsätze auf Vermittlungsleistungen i. S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG (in der in den Streitjahren geltenden Fassung – a. F. –; seit Inkrafttreten von Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 2009 – JStG 2009 – vom 19. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74, am 1. Januar 2010 – Art. 39 Abs. 9 JStG 2009 –: § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG), die nicht in Deutschland, sondern in Italien als dem Ort erbracht worden sind, an dem die vermittelten Umsätze der C SpA ausgeführt wurden.
15 
1. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG a. F. bestimmt, dass eine sonstige Leistung, die – wie hier – keine Lieferung ist (§ 3 Abs. 1 UStG), vorbehaltlich bestimmter anderweitiger gesetzlicher Regelungen an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Abweichend davon gilt indessen nach § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F., dass eine Vermittlungsleistung an dem Ort erbracht wird, an dem der vermittelte Umsatz ausgeführt wird. Dieser Ort liegt im Streitfall in Italien, da die C SpA die von ihr an ihre Abnehmer in Deutschland gelieferten Getriebeteile von ihrer Produktionsstätte in Italien aus befördert oder versendet hat und diese Lieferungen gemäß § 3 Abs. 5a i. V. m. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung bzw. die Versendung an die Abnehmer begonnen hat. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
16 
2. Zu Unrecht vertritt der Beklagte die Auffassung, dass die Ortsbestimmung des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. auf die Umsätze der Klägerin gegenüber der B GmbH als Hauptvertreterin nicht anwendbar sei, weil es sich bei ihnen nicht – wie dies die gesetzliche Regelung voraussetzt – um Vermittlungsleistungen gehandelt habe.
17 
Eine Vermittlungsleistung i. S. von § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. liegt vielmehr auch in Fällen der Betätigung als Untervermittler vor, bei der die eingeschaltete Person – wie im Streitfall die Klägerin – keine vertraglichen Beziehungen zu wenigstens einer der beiden Vertragsparteien eingeht, sondern lediglich im Auftrag des eigentlichen Vermittlers (des Hauptvermittlers) dazu beiträgt, dass ein Vertragsabschluss erfolgt. Dies gilt jedenfalls so lange, als sich die Tätigkeit des vom Hauptvermittler eingeschalteten Subunternehmers – wiederum wie im Streitfall – nicht im Wesentlichen in der Übernahme eines Teils der mit dem vermittelten Vertrag verbundenen Sacharbeit erschöpft.
18 
a) Für dieses Verständnis des Rechtsbegriffs der Vermittlungsleistung spricht bereits der Blick auf seinen natürlichen Wortsinn. Danach ver-„mittelt“ einen (weiteren) Umsatz, wer in tragender Weise auf das Zustandekommen des zu diesem Umsatz führenden Vertragsverhältnisses hinwirkt und den Vertragsparteien durch seine Leistung ein Mittel zur Verfügung stellt, das den Vertragsschluss in zumindest mit-ursächlicher Weise herbeiführt. Diese Gesetzesauslegung entspricht im Übrigen auch der mittlerweile herrschenden Auffassung im umsatzsteuerrechtlichen Schrifttum (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz – Stand: Februar 2008 –, § 3a Anm. 151; Leonard in Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., § 3a Rz. 24). Dort wird zudem zu Recht darauf verwiesen, dass unter einer „Vermittlung“ im deutschen Sprachgebrauch die Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners ungeachtet dessen zu verstehen ist, ob dieser der unmittelbare oder – wie beim Untervermittler – nur der mittelbare Auftraggeber der Vermittlungsleistung ist (Stadie, Umsatzsteuergesetz, 2009, § 3a Rz. 28).
19 
b) In dieser Sichtweise sieht sich der Senat dadurch bestärkt, dass die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Nr. 4 UStG a. F. der Umsetzung des Art. 28b Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht zu dienen bestimmt und deshalb richtlinienkonform auszulegen ist. Art. 28b Teil E Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG enthält eine Regelung zum Ort der „Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie an (...) Umsätzen (...) beteiligt sind“, und bestimmt hierzu, dass dies der Ort ist, an dem die Umsätze erbracht werden. Es liegt auf der Hand, dass ein Dienstleister im Sprachsinne auch dann in vermittelnder Weise an Umsätzen „beteiligt“ ist, wenn er lediglich die Stellung eines Untervermittlers innehat.
20 
c) Dass auch ein bloßer Untervermittler Vermittlungsleistungen i. S. des § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG a. F. ausführen kann, legt daneben auch der Umstand nahe, dass nach der Rechtsprechung des EuGH unter einer Vermittlung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne solche Tätigkeiten zu verstehen sind, die darauf gerichtet sind, dass zwei Parteien miteinander einen Vertrag schließen, ohne dass es hierfür darauf ankommt, in welchem Verhältnis der Vermittler zu den Parteien des (Haupt-) Vertrages steht.
21 
aa) So hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00, CSC Financial Services (Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beilage 2002, 35, unter Rdnr. 39) entschieden, dass der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG verwendete Begriff „Vermittlung“ sich auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht die Stellung einer Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt hat und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Dazu hat der EuGH näher ausgeführt, dass die Vermittlungstätigkeit eine Dienstleistung ist, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Zweck dieser Tätigkeit ist es insoweit, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat. In mehreren Entscheidungen hat der EuGH zudem zum Ausdruck gebracht, dass die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1, 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreiten Umsätze einschließlich der dort jeweils genannten Vermittlung durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert werden, da auf diese in den genannten Bestimmungen in keiner Weise Bezug genommen wird (vgl für Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil vom 5. Juni 1997 Rs. C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1997, 618, unter Rdnr. 32, und für Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG EuGH-Urteil Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 25 f.). Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass die Anerkennung einer – dort von der Steuer befreiten – Vermittlungstätigkeit i. S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht unbedingt vom Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer der Parteien des vermittelten Vertrags abhängt (EuGH-Urteil Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 29).
22 
bb) Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, die dafür sprächen, den Begriff der „Dienstleistungen von Vermittlern“ gemäß Art. 28b Teil E Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in einem hiervon abweichenden, engeren Sinne zu verstehen. Dies gilt umso mehr, als bereits das Verständnis, das der EuGH von dem Begriff der „Vermittlung“ in dem ihm in Art. 13 Teil B Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG zukommenden Sinne, entwickelt hat, das Ergebnis einer engen Auslegung ist, da mit ihm dort – anders als hier – Tatbestände zur ausnahmsweisen Regelung einer Steuerbefreiung umschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398, unter Rdnr. 21, und SDC in Slg. 1997, I-3017, HFR 1997, 618, unter Rdnr. 20).
23 
d) Gegenteiliges folgt auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 9. Oktober 2003 V R 5/03 (BFHE  203, 395, BStBl II 2003, 958), auf das der Beklagte sich beruft. Zwar ist dort (unter II. 2.) in der Tat ausgeführt, dass eine Vermittlung i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG nur dann vorliegt, wenn die Leistung an eine Partei des vermittelten Vertrags erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird, und dass es für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung nicht ausreicht, dass der leistende Unternehmer lediglich im Auftrag eines Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen (Haupt-) Vertrag schließen. Indessen ist diese Rechtsprechung (zuvor bereits BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 V R 9/93, BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427) durch die EuGH-Entscheidung Ludwig in Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398 mittlerweile überholt (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2007 V R 62/06, BFHE 221, 92, BStBl II 2008, 641, unter II. 2., und vom 30. Oktober 2008 V R 44/07, BFHE 223, 507, BStBl II 2009, 554, unter II. 2.).
24 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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