Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 3 K 60/11

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2010 wird dahingehend geändert, dass Zivilprozesskosten in Höhe von 10.295 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

Tatbestand

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Kosten eines Zivilprozesses wegen Baumängeln als außergewöhnliche Belastung.
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Kauf- und Werkvertrag vom 16. Oktober 2000 erwarb die Klägerin zu einem Kaufpreis von 540.000 DM von einem Bauträger das Eigentum an der in der ... weg, X belegenen Doppelhaushälfte, die sie bis zum Jahr 2009 zu 85,81 v.H. zu eigenen Wohnzwecken, im Übrigen zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzte.
Nach dem Einzug der Kläger drang im Frühjahr 2001 Wasser in den nicht ausgebauten Keller ein und es traten dort Undichtigkeiten auf. Im Jahr 2005 führte die Klägerin deswegen einen auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags gerichteten Zivilprozess gegen den Bauträger der Doppelhaushälfte. Die Klage der Klägerin wurde mit Urteil des Landgerichts Y vom 2. November 2005 xxx in erster Instanz zurückgewiesen, da die Klägerin dem Bauträger keine wirksame Frist mit Ablehnungsandrohung gemäß §§ 635, 634 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung vor dem 1. Januar 2002 (BGB a.F.) gesetzt hatte. Auf die Berufung der Klägerin hin schlossen die Parteien am 26. Juni 2006 vor dem Oberlandesgericht Z einen Vergleich, in dem sich der Bauträger (Berufungsbeklagte) u.a. verpflichteten, bis zum 20. September 2006 eine fachgerechte Sanierung der festgestellten Undichtigkeiten vornehmen zu lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Y xxx (Gerichtsakte Bl. 83-94) und den Vergleich vom 26. Juni 2006 xxx (Gerichtsakte Bl. 95-97) Bezug genommen.
Nachdem die aufgrund des Vergleichs am Grundstück der Klägerin durchgeführten Arbeiten nicht zur Behebung der Mängel führten, klagte die Klägerin, nachdem der Bauträger zuvor erfolglos zur Beseitigung der Mängel aufgefordert worden war, im Jahr 2007 (Streitjahr) erneut auf Rückabwicklung des Vertrags. Auch dieses Verfahren wurde am 11. September 2007 durch einen Vergleich der Parteien abgeschlossen (Gerichtsakte Bl. 135-138). In diesem Vergleich verständigten sich die Parteien darauf, ein Schiedsgutachten zu der Frage der fachgerechten Erbringung der Sanierungsmaßnahmen und ggf. der zu der Erfüllung der aus dem Vergleich vom 26. Juni 2006 geschuldeten Arbeiten einzuholen. Die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Der beauftragte Schiedsgutachter stellte in seinem Gutachten vom 30. April 2008 fest, dass die Sanierungsarbeiten nicht fachgerecht ausgeführt worden waren. In der Folge wurden die festgestellten Mängel entsprechend den Vorgaben des Schiedsgutachters behoben. Wegen aller Einzelheiten wird auf die beigezogene Zivilprozessakte xxx nebst 2 Anlagenheften Bezug genommen.
Nach Inrechnungstellung eines Vorschusses für Anwalts- und Gerichtskosten zahlte die Klägerin am 22. März 2007 hierauf 10.295,22 EUR (vgl. Vorschussrechnung vom 9. März 2007 -Gerichtsakte Bl. 67-). Ausweislich der Endabrechnung vom 5. Juni 2009 (Gerichtsakte Bl. 60 f.) fielen für Gerichtskosten und Gebühren für Akteneinsicht 1.918 EUR (Vorschuss 5.730 EUR ./. Erstattung LOK vom 12. Oktober 2008 3.812 EUR), für Anwaltsgebühren und Auslagen für die erste Instanz 8.483,99 EUR sowie für außergerichtliche Tätigkeit und Schiedsgutachten 1.702,89 EUR an, die -trotz Inrechnungstellung weiterer Beträge (vgl. Rechnungen vom 12. September 2007 -Gerichtsakte Bl. 65- und 12. November 2007 -Gerichtsakte Bl. 62-)- in Höhe von 1.809,66 EUR erst nach Erstellung der Endrechnung vom 05. Juni 2009 gezahlt wurden. Erstattungen einer Rechtsschutzversicherung hat die Klägerin hierauf nicht erhalten.
In der am 11. März 2009 beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) eingereichten Einkommensteuererklärung für 2007 beantragten die Kläger neben Krankheitskosten in Höhe von 2.012 EUR den Abzug von „Rechtsanwaltskosten wegen Bauschaden“ in Höhe von 10.295 EUR als außergewöhnliche Belastung. Im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 29. Oktober 2009 erkannte das FA die geltend gemachten Krankheitskosten dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung an, die sich jedoch wegen Unterschreitens der zumutbaren Eigenbelastung (3.324 EUR) nicht steuerlich auswirkte. Die geltend gemachten Rechtsanwalts- und Prozesskosten wurden nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Der fristgerecht eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2010 führte das FA hierzu aus, dass die Prozesskosten wegen Baumängeln an der selbstgenutzten Doppelhaushälfte nicht zwangsläufig i. S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) seien, da der geführte Rechtsstreit keinen für die Klägerin existentiell wichtigen Bereich berühre. Die Feuchtigkeit und Schimmelbildung im nicht ausgebauten Keller der Doppelhaushälfte stelle keine existenzbedrohende Wohnsituation dar.
Mit der am 5. Januar 2011 fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung der Klage verweisen sie auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) zur Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015). Die nach Scheitern der Beseitigung der Baumängel auf Rücktritt vom Vertrag erhobene Klage sei nicht willkürlich gewesen und habe hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 17. März 2013 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2010 dahingehend zu ändern, dass Zivilprozesskosten in Höhe von 10.295 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
10 
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
11 
Es hält an der bisher vertretenen Rechtsauffassung fest. Das BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (BStBl II 2011, 1015) werde von der Finanzverwaltung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewandt (BMF-Schreiben vom Bundesministerium der Finanzen, 20.12.2011, IV C 4-S 2284/07/0031:002, FMNR576000011, BStBl I 2011, 1286).
12 
Die Berichterstatterin hat den Streitfall am 21. November 2012 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin wird Bezug genommen. Einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die vor dem BFH wegen der Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten anhängigen Revisionsverfahren haben die Kläger nicht zugestimmt.
13 
Der Senat hat die Streitsache am 19. September 2013 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
14 
Dem Senat lagen die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten vor. Die Zivilprozessakten xxx wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

15 
Die zulässige Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Zu Unrecht hat das FA den Abzug der für die Führung des Zivilprozesses wegen Baumängeln geltend gemachten Kosten in Höhe von 10.295 EUR als außergewöhnliche Belastung versagt.
16 
1. Da die Baumängel ausschließlich den nicht vermieteten (nicht ausgebauten) Keller der Doppelhaushälfte betrafen, kommt ein anteiliger Abzug der Prozesskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht in Betracht.
17 
2. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG).
18 
a) Die Kosten eines Zivilprozesses entstehen nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 1015), der der Senat folgt, unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Entgegen der früheren Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit nicht mehr auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Anspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen.
19 
Sinn und Zweck der steuermindernden Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ist es, der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen. Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur in ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Zivilprozesskosten gehören nicht zu den üblichen Kosten der Lebensführung, die Eingang in den sozialhilferechtlichen Regelbedarf finden (vgl. Geserich, Privataufwendungen im Einkommensteuerrecht am Beispiel der außergewöhnlichen Belastungen, DStR 2013, 1861).
20 
b) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider -auch des Kostenrisikos- eingegangen sein. Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 2011, 1015 m.w.N.).
21 
Im Rahmen dieser Prüfung nimmt der Senat Rückgriff auf die bei Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwendenden Maßstäbe. Denn was der Staat im Rahmen des Leistungsrechts zur Abgeltung außergewöhnlicher Lasten Bedürftigen gewährt (Prozesskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe) muss beim leistungsfähigen Steuerpflichtigen (eigenfinanzierte Prozesskosten) im Grundsatz die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern (Geserich, Privataufwendungen im Einkommensteuerrecht am Beispiel der außergewöhnlichen Belastungen, a.a.O.). Danach sind die Gesamtumstände des Einzelfalls -ex ante- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss bei summarischer Prüfung mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 2011, 1015 unter II. 3.).
22 
c) Der Höhe nach sind Zivilprozesskosten nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Ggf. erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 1015). Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen (Schmidt/Loschelder, EStG, Kommentar, 31. Aufl., § 33 Rz. 5).
23 
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Senat bei Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles zu der Auffassung, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Führung des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.
24 
a) Die geltend gemachten Kosten betreffen einen Zivilprozess, der gegen einen Bauträger wegen Baumängeln mit dem Ziel der Rückabwicklung des Bauträgervertrags geführt wurde. Bei summarischer Betrachtung bot die Klage -ex ante- eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
25 
Die Klägerin konnte sich auf einen Anspruch nach §§ 635, 634 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. gerichtet auf Zahlung/Rückgewährung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks berufen. Dessen Voraussetzungen wurden, wie aus den beigezogenen Zivilprozessakten xxx im Einzelnen ersichtlich ist, unter Beweisantritt schlüssig dargelegt. Die Klägerin hatte einen wirksamen Kauf- und Werkvertrag abgeschlossen, auf den Werkvertragsrecht gemäß §§ 631 ff. BGB a.F. Anwendung fand. Der danach herzustellende Gegenstand wies -wie der Bauträger in dem am vor dem OLG abgeschlossenen Vergleich vom 26. Juni 2006 anerkannte- einen Mangel, den undichten Keller, auf. Dieser Mangel wurde laut Schiedsgutachten des Sachverständigen Zipfel vom 30. April 2008 (Hinweis auf das Anlagenheft zur Zivilprozessakte xxx) durch die in Erfüllung des Vergleichs vom 26. Juni 2006 seitens des Bauträgers durchgeführten Arbeiten nicht ordnungsgemäß behoben. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 hatte die Klägerin dem Bauträger die nach §§ 635, 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zwingend erforderliche Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt. Zwar war zwischen den Beteiligten des Zivilprozesses der erfolglose Ablauf dieser Frist und die Einhaltung der der Klägerin im Rahmen der Mängelbeseitigung durch den Bauträger obliegenden Mitwirkungspflichten im Einzelnen streitig und es hätte, wenn sich die Parteien nicht auf die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits geeinigt hätten, hierzu möglicherweise Beweis erhoben werden müssen. Insoweit ist jedoch, da das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Überprüfung nicht vorweggenommen werden darf, anzunehmen, dass ein Erfolg der Zivilklage jedenfalls ebenso wahrscheinlich gewesen sein wird wie ein Misserfolg.
26 
b) Nach Auffassung des Senats ist die Unausweichlichkeit der Prozesskosten nicht im Hinblick darauf (teilweise) zu verneinen, dass die Klägerin die Klage auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags anstatt auf Beseitigung der Baumängel/Erfüllung des Vergleichs vom 26. Juni 2006 bzw. Ersatz der für die Beseitigung der Mängel erforderlichen Kosten (vgl. § 633 Abs. 3 BGB a.F.) richtete.
27 
Nach den Regelungen des Gerichtskostengesetzes (GKG) und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wird die Höhe der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten maßgeblich durch den der Bemessung der Gebühren zugrunde liegenden Streitwert (vgl. GKG) bzw. Gegenstandswert (vgl. RVG) beeinflusst. Im Streitfall bedeutet dies, dass diese bei der auf Rückabwicklung des Vertrags gerichteten Klage mit 276.097,61 EUR erheblich höher lagen als wenn sich die Klage auf Mängelbeseitigung bzw. Ersatz der Kosten einer ordnungsgemäßen Mängelbeseitigung beschränkt hätte (ca. 33.000 EUR lt. Rechnung vom 5. Juni 2009 -Gerichtsakte Bl. 60-).
28 
Im Rahmen der Überprüfung der Erfolgsaussichten der Klage ist diesem Umstand jedoch keine Bedeutung zuzumessen. Denn nach §§ 631 ff. BGB a.F. hatte die Klägerin, nachdem der Mangel von dem Bauträger nicht beseitigt worden war, ein Wahlrecht zwischen beiden Ansprüchen.
29 
Aus der insoweit maßgeblichen ex ante Sicht kann der Klägerin nach Auffassung des Senats auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie dadurch, dass sie die Klage nicht von vornherein auf die Beseitigung der Mängel bzw. den Ersatz der hierfür erforderlichen Kosten beschränkt hat, das Prozesskostenrisiko „mutwillig“ oder „leichtfertig“ erhöht hat.
30 
Als mutwillig i.S. von § 114 ZPO ist eine Rechtsverfolgung anzusehen, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der Beteiligten den vom ihm verfolgten Zweck auf einem billigeren Weg als dem von ihm eingeschlagenen erreichen könnte (Gräber/Stapperfend, FGO Kommentar 7. Aufl., § 142 Rz. 43). Im Streitfall bestanden zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage, da weder die genaue Ursache für die Feuchtigkeit im Keller gefunden war noch die Möglichkeit einer dauerhaften Beseitigung dieser Ursache mit Sicherheit feststand, auch aus Sicht eines verständigen Beteiligten hinreichende Gründe dafür, die Klage nicht von vornherein auf die Beseitigung der Mängel bzw. den Ersatz der hierfür erforderlichen Kosten zu beschränken. Die auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags gerichtete Klage wurde danach nicht mutwillig erhoben.
31 
Aufgrund der vorzunehmenden ex-ante Betrachtung sind des Weiteren für die Frage der Zwangsläufigkeit die näheren Umstände der Beendigung des Zivilprozesses und die im Rahmen des Vergleichs erfolgte einvernehmliche Verteilung der Prozesskosten ohne Bedeutung.
32 
c) An der Notwendigkeit und Angemessenheit der nach den Vorschriften des GKG und des RVG ermittelten Prozesskosten bestehen keine Zweifel. Die Aufwendungen wurden in Höhe von 10.295 EUR im Streitjahr bezahlt. Erstattungen der Gerichtsgebühren wurden angerechnet. Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung hat die Klägerin nicht erhalten.
33 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
34 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Gründe

15 
Die zulässige Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Zu Unrecht hat das FA den Abzug der für die Führung des Zivilprozesses wegen Baumängeln geltend gemachten Kosten in Höhe von 10.295 EUR als außergewöhnliche Belastung versagt.
16 
1. Da die Baumängel ausschließlich den nicht vermieteten (nicht ausgebauten) Keller der Doppelhaushälfte betrafen, kommt ein anteiliger Abzug der Prozesskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht in Betracht.
17 
2. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG).
18 
a) Die Kosten eines Zivilprozesses entstehen nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 1015), der der Senat folgt, unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig. Entgegen der früheren Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit nicht mehr auf die Unausweichlichkeit des dem strittigen Anspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen.
19 
Sinn und Zweck der steuermindernden Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ist es, der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen. Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur in ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Zivilprozesskosten gehören nicht zu den üblichen Kosten der Lebensführung, die Eingang in den sozialhilferechtlichen Regelbedarf finden (vgl. Geserich, Privataufwendungen im Einkommensteuerrecht am Beispiel der außergewöhnlichen Belastungen, DStR 2013, 1861).
20 
b) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider -auch des Kostenrisikos- eingegangen sein. Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 2011, 1015 m.w.N.).
21 
Im Rahmen dieser Prüfung nimmt der Senat Rückgriff auf die bei Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwendenden Maßstäbe. Denn was der Staat im Rahmen des Leistungsrechts zur Abgeltung außergewöhnlicher Lasten Bedürftigen gewährt (Prozesskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe) muss beim leistungsfähigen Steuerpflichtigen (eigenfinanzierte Prozesskosten) im Grundsatz die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern (Geserich, Privataufwendungen im Einkommensteuerrecht am Beispiel der außergewöhnlichen Belastungen, a.a.O.). Danach sind die Gesamtumstände des Einzelfalls -ex ante- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss bei summarischer Prüfung mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg (vgl. BFH-Urteil in BStBl. II 2011, 1015 unter II. 3.).
22 
c) Der Höhe nach sind Zivilprozesskosten nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Ggf. erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (BFH-Urteil in BStBl II 2011, 1015). Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen (Schmidt/Loschelder, EStG, Kommentar, 31. Aufl., § 33 Rz. 5).
23 
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Senat bei Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles zu der Auffassung, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Führung des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können.
24 
a) Die geltend gemachten Kosten betreffen einen Zivilprozess, der gegen einen Bauträger wegen Baumängeln mit dem Ziel der Rückabwicklung des Bauträgervertrags geführt wurde. Bei summarischer Betrachtung bot die Klage -ex ante- eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
25 
Die Klägerin konnte sich auf einen Anspruch nach §§ 635, 634 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. gerichtet auf Zahlung/Rückgewährung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks berufen. Dessen Voraussetzungen wurden, wie aus den beigezogenen Zivilprozessakten xxx im Einzelnen ersichtlich ist, unter Beweisantritt schlüssig dargelegt. Die Klägerin hatte einen wirksamen Kauf- und Werkvertrag abgeschlossen, auf den Werkvertragsrecht gemäß §§ 631 ff. BGB a.F. Anwendung fand. Der danach herzustellende Gegenstand wies -wie der Bauträger in dem am vor dem OLG abgeschlossenen Vergleich vom 26. Juni 2006 anerkannte- einen Mangel, den undichten Keller, auf. Dieser Mangel wurde laut Schiedsgutachten des Sachverständigen Zipfel vom 30. April 2008 (Hinweis auf das Anlagenheft zur Zivilprozessakte xxx) durch die in Erfüllung des Vergleichs vom 26. Juni 2006 seitens des Bauträgers durchgeführten Arbeiten nicht ordnungsgemäß behoben. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 hatte die Klägerin dem Bauträger die nach §§ 635, 634 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zwingend erforderliche Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt. Zwar war zwischen den Beteiligten des Zivilprozesses der erfolglose Ablauf dieser Frist und die Einhaltung der der Klägerin im Rahmen der Mängelbeseitigung durch den Bauträger obliegenden Mitwirkungspflichten im Einzelnen streitig und es hätte, wenn sich die Parteien nicht auf die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits geeinigt hätten, hierzu möglicherweise Beweis erhoben werden müssen. Insoweit ist jedoch, da das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Überprüfung nicht vorweggenommen werden darf, anzunehmen, dass ein Erfolg der Zivilklage jedenfalls ebenso wahrscheinlich gewesen sein wird wie ein Misserfolg.
26 
b) Nach Auffassung des Senats ist die Unausweichlichkeit der Prozesskosten nicht im Hinblick darauf (teilweise) zu verneinen, dass die Klägerin die Klage auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags anstatt auf Beseitigung der Baumängel/Erfüllung des Vergleichs vom 26. Juni 2006 bzw. Ersatz der für die Beseitigung der Mängel erforderlichen Kosten (vgl. § 633 Abs. 3 BGB a.F.) richtete.
27 
Nach den Regelungen des Gerichtskostengesetzes (GKG) und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wird die Höhe der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten maßgeblich durch den der Bemessung der Gebühren zugrunde liegenden Streitwert (vgl. GKG) bzw. Gegenstandswert (vgl. RVG) beeinflusst. Im Streitfall bedeutet dies, dass diese bei der auf Rückabwicklung des Vertrags gerichteten Klage mit 276.097,61 EUR erheblich höher lagen als wenn sich die Klage auf Mängelbeseitigung bzw. Ersatz der Kosten einer ordnungsgemäßen Mängelbeseitigung beschränkt hätte (ca. 33.000 EUR lt. Rechnung vom 5. Juni 2009 -Gerichtsakte Bl. 60-).
28 
Im Rahmen der Überprüfung der Erfolgsaussichten der Klage ist diesem Umstand jedoch keine Bedeutung zuzumessen. Denn nach §§ 631 ff. BGB a.F. hatte die Klägerin, nachdem der Mangel von dem Bauträger nicht beseitigt worden war, ein Wahlrecht zwischen beiden Ansprüchen.
29 
Aus der insoweit maßgeblichen ex ante Sicht kann der Klägerin nach Auffassung des Senats auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass sie dadurch, dass sie die Klage nicht von vornherein auf die Beseitigung der Mängel bzw. den Ersatz der hierfür erforderlichen Kosten beschränkt hat, das Prozesskostenrisiko „mutwillig“ oder „leichtfertig“ erhöht hat.
30 
Als mutwillig i.S. von § 114 ZPO ist eine Rechtsverfolgung anzusehen, wenn ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Beteiligter seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der Beteiligten den vom ihm verfolgten Zweck auf einem billigeren Weg als dem von ihm eingeschlagenen erreichen könnte (Gräber/Stapperfend, FGO Kommentar 7. Aufl., § 142 Rz. 43). Im Streitfall bestanden zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage, da weder die genaue Ursache für die Feuchtigkeit im Keller gefunden war noch die Möglichkeit einer dauerhaften Beseitigung dieser Ursache mit Sicherheit feststand, auch aus Sicht eines verständigen Beteiligten hinreichende Gründe dafür, die Klage nicht von vornherein auf die Beseitigung der Mängel bzw. den Ersatz der hierfür erforderlichen Kosten zu beschränken. Die auf Rückabwicklung des Kauf- und Werkvertrags gerichtete Klage wurde danach nicht mutwillig erhoben.
31 
Aufgrund der vorzunehmenden ex-ante Betrachtung sind des Weiteren für die Frage der Zwangsläufigkeit die näheren Umstände der Beendigung des Zivilprozesses und die im Rahmen des Vergleichs erfolgte einvernehmliche Verteilung der Prozesskosten ohne Bedeutung.
32 
c) An der Notwendigkeit und Angemessenheit der nach den Vorschriften des GKG und des RVG ermittelten Prozesskosten bestehen keine Zweifel. Die Aufwendungen wurden in Höhe von 10.295 EUR im Streitjahr bezahlt. Erstattungen der Gerichtsgebühren wurden angerechnet. Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung hat die Klägerin nicht erhalten.
33 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
34 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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