Beschluss vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 8 KO 3052/12

Tenor

Die Erinnerung wird abgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Erinnerungsführerin, eine aus den Gesellschaftern X und Y bestehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), erhob am 9.12.2011 Klage wegen Gewerbesteuermessbetrag 2003 bis 2007, vortragsfähigen Gewerbeverlust 2003 bis 2007 und gesonderte und einheitliche Feststellung 2003 bis 2007.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2011, der am 19.12.2011 bei Gericht einging, ließ die Erinnerungsführerin durch ihre Prozessbevollmächtigten mitteilen, die Klage richte sich nur gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2006, den vortragsfähigen Gewerbeverlust 2006 und die gesonderte und einheitliche Feststellung 2006. In der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 7.11.2011 sei auch nur darüber entschieden worden. Sie korrigiere daher den Klageantrag.
Die nicht weiter verfolgten Klagebegehren wurden durch Beschluss des Berichterstatters vom 21.12.2011 abgetrennt und erhielten das Aktenzeichen 8 K 4389/11. Der Berichterstatter stellte das Verfahren 8 K 4389/11 in demselben Beschluss ein. Die Klage sei zurückgenommen worden.
Am 25.1.2012 ging ein weiterer Schriftsatz bei Gericht ein. Die Klagebegehren wegen Gewerbesteuermessbetrag 2006 und vortragsfähigen Gewerbeverlust 2006 wurden ebenfalls zurückgenommen, da über sie in der Einspruchsentscheidung auch nicht entschieden worden sei. Der Berichterstatter trennte mit Beschluss vom 1.2.2012 diese Klagebegehren ebenfalls ab. Sie erhielten von der Senatsgeschäftsstelle das Aktenzeichen 8 K 430/12. In demselben Beschluss stellte er das Verfahren 8 K 430/12 ein.
Die Landesoberkasse erließ im Verfahren 8 K 4389/11 gegenüber der Einspruchsführerin am 25.7.2012 ausgehend von einem Streitwert von 376.679 EUR eine Kostenrechnung über 4.712 EUR.
Die Erinnerungsführerin legte gegen die Kostenrechnung am 20.8.2012 Erinnerung ein und trägt vor, es sei nur eine Klage eingereicht und Teile hieraus zurückgenommen worden. Bewerte man die Verfahrensgebühr als Dauergebühr, habe sie den Höchststand erreicht, bevor die Klage teilweise zurückgenommen wurde. Nach der Rücknahme könne sie sich nicht mehr erhöhen. Die bloß technische Vergabe von gesonderten Aktenzeichen nach erfolgter teilweiser Klagerücknahme rechtfertige nicht die Erhöhung einer Verfahrensgebühr. Insofern habe gar kein gesondertes Verfahren stattgefunden, das den Ansatz einer Verfahrensgebühr rechtfertigen könne. Es sei überhaupt nicht zu einem selbständigen neuen Prozess mit eigenem Streitwert gekommen.
Erst recht sei es unberechtigt, nach einer Klagerücknahme für das danach abgetrennte Verfahren einen über den Mindeststreitwert hinausgehenden Streitwert festzusetzen. Die Erinnerungsführerin habe schon vor der Abtrennung aufgrund der erfolgten Klagerücknahme nichts mehr begehrt. Jede andere Regelung führe zu dem grotesken Ergebnis, dass bei Teilrücknahmen in der Summe höhere Verfahrensgebühren entstünden als bei einer Aufrechterhaltung der ursprünglichen Klage.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Kostenrechnung vom 25.7.2012 abzuändern und die Gerichtskosten unter Ansatz des Mindeststreitwerts festzusetzen.
10 
Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß,
11 
die Erinnerung abzuweisen.
12 
Die Bezirksrevisorin trägt vor, die Trennung eines Prozessverfahrens bewirke ein neues Entstehen einer Verfahrensgebühr nach dem für das abgetrennte Verfahren zu bestimmenden Streitwert. Die Verfahrensgebühr als Dauergebühr erwachse während des Laufs des Verfahrens in der einmal entstandenen Höhe ständig neu.
II.
13 
Die Erinnerung ist nicht begründet.
14 
Die Kostenrechnung vom 25.7.2012 ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig ergangen.
15 
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung vor dem 1.8.2013 (GKG) wird im finanzgerichtlichen Verfahren die Verfahrensgebühr mit Einreichung der Klageschrift fällig, wobei sich die Höhe der sofort zu entrichtenden Gebühr gemäß § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG nur vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens nach dem Mindeststreitwert von 1.000 Euro (§ 52 Abs. 4 GKG) bemisst.
16 
Die Höhe der Gerichtsgebühren, die bereits im Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung entstehen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 30.4.2003 VII E 8/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2003, 1201; vom 2.11.2010 I E 8/10, BFH/NV 2011, 806 und vom 22.7.2011 V E 2/11, BFH/NV 2011, 1907), bestimmt sich nach dem Wert des Streitgegenstands der Klage (§§ 3 Abs. 1, 34 GKG) auf der Grundlage des Kostenverzeichnisses - KV (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Wird die Klage zurückgenommen, ermäßigt sich die bereits entstandene und schon teilweise fällig gewordene Verfahrensgebühr lediglich gemäß KV-Nr. 6111 vom 4fachen auf den 2fachen Satz. Der dieser Gebühr zugrunde liegende Streitwert kann allerdings niemals den Wert bei Klageerhebung unterschreiten. Der Ansatz des Mindeststreitwerts für das abgetrennte Verfahren scheidet somit aus.
17 
Bei einer objektiven Klagenhäufung (§ 43 der Finanzgerichtsordnung -FGO), wie sie die Erinnerungsführerin mit der Klageschrift vom 9.12.2011 bei Gericht angebracht hat, sind die Streitwerte der verschiedenen Klagebegehren zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG; § 155 FGO i.V. mit § 5 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 3.1.2000 II E 6/99, BFH/NV 2000, 852; vom 26.11.2002 IV E 2/02, BFH/NV 2003, 338 und vom 10.10.2006 VIII B 177/05, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 54).
18 
Kommt es jedoch zu einer Abtrennung von Verfahrensteilen ist verfahrens- und kostenrechtlich davon auszugehen, als ob von Beginn an zwei Klagen vorgelegen hätten (BFH-Beschluss vom 22.09.2008 II E 14/07, Juris; Gräber/Ruban, FGO, 7. Auflage 2010, § 73 Rz 29). Entgegen der Rechtsansicht der Erinnerungsführerin ist daher für jeden Verfahrensteil rückwirkend auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ein Einzelstreitwert abzusetzen (BFH-Beschluss vom 22.9.2008 II E 14/07, juris; Niedersächsisches Finanzgericht -FG-, Beschluss vom 2.7.2010 12 K 8/09, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2010, 1823; Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 3.8.2011 5 KO 101/11, EFG 2011, 1924; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbemerkung zu §§ 135-149 FGO Rz. 106; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rz. 234). Die Gerichtsgebühren sind danach so anzusetzen, als wenn von vornherein getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Streitwerten bestanden hätten.
19 
Die zu entrichtende Verfahrensgebühr wurde in der Kostenrechnung vom 25.7.2012 ausgehend von einem zutreffenden Streitwert von 376.679 EUR und dem 2fachen Satz (KV-Nr. 6111) mit 4.712 EUR korrekt festgesetzt.
20 
Der Präsident des Finanzgerichts wird nach Ergehen der Kostenrechnung im Verfahren 8 K 4170/11 bei entsprechender Antragstellung zu prüfen haben, ob ein Erlass aufgrund bestehender sachlicher Unbilligkeit insoweit in Betracht kommt, als die Summe der Gerichtskosten der 3 Verfahren den Betrag überschreitet, der bei nicht erfolgten Trennungen zu entrichten gewesen wäre.
21 
Die Entscheidung erfolgt gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter.
22 
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 Satz 2 GKG).

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