Entscheidung vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 K 1103/13

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Beklagte -Bekl- setzte mit Bescheid vom 19. September 2012 für 2010 Umsatzsteuer -USt- in Höhe von x.xxx EUR fest. Er schätzte die Besteuerungsgrundlagen, da der Kläger -Kl- trotz Aufforderung keine USt-Erklärung eingereicht hat. Der Bekl setzte ferner Zinsen zur USt sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von xxx EUR fest.
Hiergegen legte der Kl erfolglos Einspruch ein.
[ …….. ]
Der Kl trat in mehreren Verfahren als Bevollmächtigter auf und wurde vom jeweiligen Finanzamt als Bevollmächtigter gemäß § 80 Abs. 5 und 6 Abgabenordnung -AO- zurückgewiesen. [ …. ].
Der Kl rügte [ ….. ]
Der Kl macht mit seiner Klage im Wesentlichen geltend, der Bekl habe alle von ihm bezahlten Steuern an ihn, den Kl, zu erstatten. Er leiste keine Steuerhilfe, keine Rechtshilfe. Er sei “Rechtbeistand“. [ …. ] .
Einen konkreten Antrag stellte er nicht.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, er sei zur Schätzung befugt. Es gebe Aufzeichnungen des Kl, dass Einnahmen zwischen xxx EUR und xxx EUR pro „Mandant“ erzielt werden. Der Kl verkaufe auch Bücher. Die Schätzung gehe vorsichtig von einer Kundschaft von monatlich 10-15 Mandanten aus, die ein Anfangshonorar von xxx EUR einbringen. [ …. ]

Entscheidungsgründe

10 
Die Klage ist unbegründet.
11 
1. Das Verfahren ist nicht gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung -FGO- auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht -BVerfG- gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vorzulegen, auch wenn sich der Kl auf Grundrechte beruft. Er legt jedoch nicht substantiiert verfassungsrechtliche Zweifel dar. Die von ihm erwähnte Nichtigkeit der AO und der Steuergesetze, im Streitfall des Umsatzsteuergesetzes -UStG-, u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot reichen hierfür nicht aus. Im Übrigen hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die AO und das UStG mit der Verfassung vereinbar sind. Die vom Kl geäußerten Zweifel an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der Zuständigkeit des Gesetzgebers teilt der Senat unter Berücksichtigung des Art. 105 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG nicht, zumal das BVerfG schon zur Umstellung des USt-Systems von der Allphasenbrutto-USt zur Mehrwertsteuer als Netto-USt entschieden hat, dass das UStG 1967 ordnungsgemäß zustande gekommen ist und die in Art. 106 GG genannte USt hauptsächlich die von Unternehmen getätigten Umsätze treffen muss (Beschluss des BVerfG vom 19. März 1974 1 BvR 416/68, 1 BvR 767/68, 1 BvR 779/68, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1974, 273).
12 
2. Der Kl erzielt steuerbare Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die mit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) zu versteuern sind.
13 
Der Kl ist nach eigenen Angaben als „Rechtbeistand“ tätig, klärt auf, schickt Briefe zurück und lebt von „Spenden“, die ihm für seine Tätigkeiten bezahlt werden. Die Zahlung von „Spenden“ für eine Tätigkeit ist ein Entgelt, unabhängig davon, wie die Beteiligten die Zahlung bezeichnen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 15. Juli 2010 XI B 47/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2010, 2138 zu den Anforderungen an einen Leistungsaustausch). Wird der Kl nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen, im Streitfall als „Spenden“ bezeichnet, tätig, ist er Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG, unabhängig davon, ob er ein Gewerbe angemeldet hat. Er führt mit seinen „Aufklärungen“ Beratungsleistungen, sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG, im Inland gemäß § 3a Abs. 1 und 2 UStG und damit steuerbare Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus. Hinzu kommt, dass der Kl auf seine Bücher verweist, Umsätze hieraus jedoch nicht erklärt. Erklärt der Kl seine Umsätze nicht, ist der Bekl nach  § 162 Abs. 1 S. 1 AO dem Grunde nach zur Schätzung befugt.
14 
Der Bekl darf die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 S. 1 AO schätzen, soweit er die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann oder der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert (vgl. § 162 Abs. 2 S. 1 AO) - so im Streitfall. Der Bekl ist zur Schätzung befugt, da der Kl seine Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungspflichten verletzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599). Erfasst der Kl seine Umsätze nicht, erfüllt er die gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 UStG nicht. Es ist mithin einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit nicht möglich, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten (vgl. § 63 Abs. 1 UStDV und § 145 Abs. 2 AO), so dass eine Schätzung der Umsätze zulässig ist (vgl. Rüsken/Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 162 Rn. 23 f.).
15 
Auch die Höhe der vom Bekl angesetzten Umsätze für Leistungen zum allgemeinen Steuersatz ist nicht zu beanstanden. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen hat der Bekl alle Umstände berücksichtigt, die für die Ermittlung der Umsätze / Schätzung der Umsätze von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 S. 2 AO). So berücksichtigte der Bekl die Ausführungen des Kl in seinen Schriftsätzen und seinem Internetauftritt. Die vom Bekl angesetzten Umsätze beruhen im Wesentlichen auf der Auswertung konkreter Beweismittel, wie z.B. von Schreiben von „Mandanten“ des Kl sowie dessen Kontenauszüge.
16 
Das aus diesen Erkenntnissen gewonnene Ergebnis ist in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig (vgl. zu diesen Kriterien Rüsken/Klein, Kommentar zur AO, 11. Aufl. 2012, § 162 Rn. 36). Anhaltspunkte für eine Strafschätzung ergeben sich nicht. Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO Gebrauch zu machen. Bei Würdigung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Ausführungen des Kl sowie der vorhandenen Unterlagen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Bekl bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände hinreichend gewürdigt hat.
17 
Infolgedessen ist die angefochtene USt-Festsetzung 2010 rechtmäßig und der Bekl hat keine USt zurückzuzahlen. Die Bescheide sind nicht nichtig i.S.d. § 125 AO.
18 
Entgegen der Ansicht des Kl ist die „Steuererhebung durch die BRD-Finanzämter“ zulässig. Es besteht eine allgemeine Steuerpflicht. Die Steuer ist ein Finanzierungsinstrument des Staates (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 1992  2 BvR 478/92, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1993, 455). Das Gericht hat das UStG auch anzuwenden, da die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist. Eine gleichmäßige Besteuerung i.S.d. Art. 3 GG setzt voraus, dass Gesetze -wie das UStG und die AO- gleichmäßig angewandt werden. Außerdem legt das UStG generell-abstrakt Rechte (wie Vorsteuerabzug) und Pflichten (wie USt-Anmeldung und USt-Abführung) fest. Die generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber bleibt stets eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG), so dass der Enteignungsbegriff durch gesetzliche Steuerpflichten nicht berührt wird (BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 115, 97). Im Übrigen sind die Argumente des Kl abwegig.
19 
Der Kl trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe

10 
Die Klage ist unbegründet.
11 
1. Das Verfahren ist nicht gemäß § 74 Finanzgerichtsordnung -FGO- auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht -BVerfG- gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vorzulegen, auch wenn sich der Kl auf Grundrechte beruft. Er legt jedoch nicht substantiiert verfassungsrechtliche Zweifel dar. Die von ihm erwähnte Nichtigkeit der AO und der Steuergesetze, im Streitfall des Umsatzsteuergesetzes -UStG-, u.a. wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot reichen hierfür nicht aus. Im Übrigen hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die AO und das UStG mit der Verfassung vereinbar sind. Die vom Kl geäußerten Zweifel an der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der Zuständigkeit des Gesetzgebers teilt der Senat unter Berücksichtigung des Art. 105 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG nicht, zumal das BVerfG schon zur Umstellung des USt-Systems von der Allphasenbrutto-USt zur Mehrwertsteuer als Netto-USt entschieden hat, dass das UStG 1967 ordnungsgemäß zustande gekommen ist und die in Art. 106 GG genannte USt hauptsächlich die von Unternehmen getätigten Umsätze treffen muss (Beschluss des BVerfG vom 19. März 1974 1 BvR 416/68, 1 BvR 767/68, 1 BvR 779/68, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1974, 273).
12 
2. Der Kl erzielt steuerbare Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die mit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) zu versteuern sind.
13 
Der Kl ist nach eigenen Angaben als „Rechtbeistand“ tätig, klärt auf, schickt Briefe zurück und lebt von „Spenden“, die ihm für seine Tätigkeiten bezahlt werden. Die Zahlung von „Spenden“ für eine Tätigkeit ist ein Entgelt, unabhängig davon, wie die Beteiligten die Zahlung bezeichnen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 15. Juli 2010 XI B 47/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2010, 2138 zu den Anforderungen an einen Leistungsaustausch). Wird der Kl nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen, im Streitfall als „Spenden“ bezeichnet, tätig, ist er Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG, unabhängig davon, ob er ein Gewerbe angemeldet hat. Er führt mit seinen „Aufklärungen“ Beratungsleistungen, sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG, im Inland gemäß § 3a Abs. 1 und 2 UStG und damit steuerbare Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus. Hinzu kommt, dass der Kl auf seine Bücher verweist, Umsätze hieraus jedoch nicht erklärt. Erklärt der Kl seine Umsätze nicht, ist der Bekl nach  § 162 Abs. 1 S. 1 AO dem Grunde nach zur Schätzung befugt.
14 
Der Bekl darf die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 1 S. 1 AO schätzen, soweit er die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann oder der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert (vgl. § 162 Abs. 2 S. 1 AO) - so im Streitfall. Der Bekl ist zur Schätzung befugt, da der Kl seine Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungspflichten verletzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599). Erfasst der Kl seine Umsätze nicht, erfüllt er die gesetzlichen Voraussetzungen des § 22 UStG nicht. Es ist mithin einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit nicht möglich, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten (vgl. § 63 Abs. 1 UStDV und § 145 Abs. 2 AO), so dass eine Schätzung der Umsätze zulässig ist (vgl. Rüsken/Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 162 Rn. 23 f.).
15 
Auch die Höhe der vom Bekl angesetzten Umsätze für Leistungen zum allgemeinen Steuersatz ist nicht zu beanstanden. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen hat der Bekl alle Umstände berücksichtigt, die für die Ermittlung der Umsätze / Schätzung der Umsätze von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 S. 2 AO). So berücksichtigte der Bekl die Ausführungen des Kl in seinen Schriftsätzen und seinem Internetauftritt. Die vom Bekl angesetzten Umsätze beruhen im Wesentlichen auf der Auswertung konkreter Beweismittel, wie z.B. von Schreiben von „Mandanten“ des Kl sowie dessen Kontenauszüge.
16 
Das aus diesen Erkenntnissen gewonnene Ergebnis ist in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig (vgl. zu diesen Kriterien Rüsken/Klein, Kommentar zur AO, 11. Aufl. 2012, § 162 Rn. 36). Anhaltspunkte für eine Strafschätzung ergeben sich nicht. Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO Gebrauch zu machen. Bei Würdigung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Ausführungen des Kl sowie der vorhandenen Unterlagen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Bekl bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände hinreichend gewürdigt hat.
17 
Infolgedessen ist die angefochtene USt-Festsetzung 2010 rechtmäßig und der Bekl hat keine USt zurückzuzahlen. Die Bescheide sind nicht nichtig i.S.d. § 125 AO.
18 
Entgegen der Ansicht des Kl ist die „Steuererhebung durch die BRD-Finanzämter“ zulässig. Es besteht eine allgemeine Steuerpflicht. Die Steuer ist ein Finanzierungsinstrument des Staates (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 1992  2 BvR 478/92, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1993, 455). Das Gericht hat das UStG auch anzuwenden, da die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist. Eine gleichmäßige Besteuerung i.S.d. Art. 3 GG setzt voraus, dass Gesetze -wie das UStG und die AO- gleichmäßig angewandt werden. Außerdem legt das UStG generell-abstrakt Rechte (wie Vorsteuerabzug) und Pflichten (wie USt-Anmeldung und USt-Abführung) fest. Die generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber bleibt stets eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG), so dass der Enteignungsbegriff durch gesetzliche Steuerpflichten nicht berührt wird (BVerfG-Beschluss vom 18. Januar 2006 2 BvR 2194/99, Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 115, 97). Im Übrigen sind die Argumente des Kl abwegig.
19 
Der Kl trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 135 Abs. 1 FGO.

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