Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 9 K 76/14

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger (Kl) wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 16. August 2011 aufgrund eines Eigeninsolvenzeröffnungsantrags vom selben Tag (Aktenzeichen  -Az- ….) zum vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalter der Firma Y GmbH & Co. KG bestellt. Nach dem Inhalt des Beschlusses waren ab diesem Zeitpunkt Verfügungen der Firma Y GmbH & Co. KG nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Mit Beschluss vom 1. November 2011 eröffnete das Gericht das Insolvenzverfahren und bestellte den Kl zum Insolvenzverwalter.
Aufgrund von Vorsteuerkorrekturen zum 31. Oktober 2011 nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) meldete der Kl für die Firma Y GmbH & Co. KG für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11...) jeweils Umsätze an, welche zu einer Zahllast führten. In der unter dieser Steuernummer am 29. Mai 2013 abgegebenen USt-Jahreserklärung 2011 ermittelte der Kl eine Jahresumsatzsteuer (Zeitraum: Januar bis Oktober 2011) in Höhe von 952.446,89 EUR, welcher der Beklagte (Bekl) am 14. November 2013 zustimmte. Der Kl hatte unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen in Höhe von 423.748,11 EUR eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt.
Für die Monate September und Oktober 2011 gab der Kl ferner USt-Voranmeldungen unter der Massesteuernummer 22... für Umsätze nach dem 15. August 2011 ab, welche erstmals unter der Massesteuernummer angemeldet wurden und zu Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 61.284,78 EUR (September 2011) sowie 130.660,83 EUR (Oktober 2011) führten. Die USt-Guthaben resultieren -unstreitig- aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, welche die Firma Y GmbH & Co. KG in der Zeit nach Insolvenzantragstellung und vor Insolvenzeröffnung von anderen Unternehmen für ihr Unternehmen bezogen und bezahlt hat. Ferner erklärte der Kl unter dieser Steuernummer in der Folgezeit auch alle nach dem 16. August 2011 erzielten Umsätze.
Die zeitliche Zuordnung der Umsätze und Vorsteuern zu den einzelnen Unternehmensteilen (vor bzw. nach Insolvenzantragstellung) wurde vom Bekl im Rahmen einer USt-Sonderprüfung am 13. Dezember 2011 geprüft und nicht beanstandet.
Von diesen Guthaben verrechnete der Bekl einen Teilbetrag in Höhe von insgesamt 69.159,30 EUR (aus 9/2011: 61.284,78 EUR und aus 10/2011: 7.874,52 EUR) mit offenen USt-Beträgen aus der Zeit vor der Insolvenzantragstellung (also Januar bis 15. August 2011), welche unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11...) vorhanden waren. Die um diese Verrechnung verminderte Differenz (459.539,48 EUR) meldete der Bekl zur Insolvenztabelle an.
Der Kl hatte demgegenüber in seiner USt-Erklärung 2011 eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt.
Unter der „Massesteuernummer“ (22...) ermittelte der Kl unter Zugrundelegung der unstreitigen Umsätze bzw. Vorsteuerbeträge ein Guthaben in Höhe von 509.198,24 EUR, der Bekl setzte dagegen lediglich ein Erstattungsguthaben in Höhe von 440.036,94 EUR an.
Gegen die vom Bekl vorgenommene Verrechnung wandte sich der Kl, worauf der Bekl mit Abrechnungsbescheid vom 15. Februar 2012 feststellte, dass das USt-Guthaben September 2011 in Höhe von 61.284,78 EUR und das Guthaben Oktober 2011 in Höhe von 7.874,52 EUR (insgesamt: 69.159,30 EUR) mit Insolvenzforderungen verrechnet wurde. Wegen des Inhalts des Abrechnungsbescheids im Einzelnen wird auf diesen verwiesen (AS. 29 ff. Rechtsbehelfsakten).
Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2013 wies der Bekl den gegen diesen Abrechnungsbescheid eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die vom Kl geltend gemachten Aufrechnungsverbote nicht zu beachten seien, da Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden seien und deshalb gemäß § 16 UStG miteinander zu verrechnen seien. Der Streit um die Aufrechnungslage werde zudem dadurch überholt, dass die Ansprüche aus den einzelnen Voranmeldungszeiträumen materiell-rechtlich in dem Anspruch bzw. Überschuss der für das Kalenderjahr zu entrichtenden Steuer eingegangen seien. Die mit dem Abrechnungsbescheid entschiedene Frage habe sich durch den Ablauf des Jahres 2011 erledigt, die im Abrechnungsbescheid getroffene Regelung sei damit gegenstandslos geworden.
10 
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage wendet sich der Kl gegen die vom Bekl vorgenommene Verrechnung des Guthabens mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden der Firma Y GmbH & Co. KG und begehrt die Auszahlung von 69.159,30 EUR.
11 
Er trägt zur Begründung vor, die Klage sei auch nach zwischenzeitlicher Einreichung der Jahressteuererklärungen zulässig geblieben, denn deren Gegenstand sei der streitbefangene Abrechnungsbescheid. Dieser enthalte nämlich auch die Feststellung, dass aufgrund der Berichtigung entstehende Vergütungs- oder Erstattungsbeträge nicht auszukehren seien. Er verweise insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 2012 (VII R 44/10, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 33).
12 
Ungeachtet der Verwendung diverser unterschiedlicher Steuernummern, welche lediglich als Ordnungsmerkmal dienten, sei zunächst festzuhalten, dass er in der USt-Erklärung mit vorinsolvenzlicher Steuernummer (11...) eine Zahllast von 528.698,78 EUR ermittelt habe, der Bekl hingegen nur 459.539,40 EUR. Umgekehrt habe er unter der Massesteuernummer (22...) ein Gesamtguthaben in Höhe von 509.198,24 EUR erklärt, der Bekl habe hingegen nur 440.036,94 EUR  angesetzt. Die Differenz betrage 69.161,30 EUR und sei vom Bekl noch zu erstatten.
13 
Er wende sich nicht grundsätzliche gegen eine Saldierung nach § 16 UStG. Es müsse aber sichergestellt sein, dass eine Verrechnung lediglich mit solchen Vorsteuerbeträgen erfolge, welche in insolvenzrechtlich unanfechtbarer Weise entstanden seien. Bei der Saldierung handele es sich um eine gesetzliche Zwangsverrechnung, der Bekl hingegen habe ausdrücklich eine Aufrechnung erklärt und danach einen Abrechnungsbescheid erteilt. Dies lasse erkennen, dass gerade keine Saldierung vorliege, wofür auch spreche, dass unterschiedliche Voranmeldungszeiträume betroffen seien.
14 
Diesem Grundsatz entspreche die vom Bekl vorgenommene Verrechnung nicht, da diese gegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 Insolvenzordnung (InsO) verstoße. Nach dieser Norm sei eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger -hier der Bekl- die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Die USt-Guthaben September und Oktober 2011 seien durch Lieferungen und Leistungen entstanden, welche die Firma Y GmbH & Co. KG in der Zeit nach Insolvenzantragstellung von anderen Unternehmen für ihr Unternehmen bezogen habe. Anfechtbare Rechtshandlung sei das Erbringen von Lieferungen und sonstigen Leistungen durch andere Unternehmen für die Firma Y GmbH & Co. KG.
15 
Es sei der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs.1 Nr. 1 InsO gegeben, da eine inkongruente Deckung vorliege. Der Bekl habe keinen durchsetzbaren Anspruch gegen die Schuldnerin besessen, dass diese weiterhin Lieferungen und sonstige Leistungen beziehe, aufgrund deren Vorsteuerbeträge entstünden.
16 
Selbst wenn man die Deckung für kongruent halte, folge die Anfechtbarkeit aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da dem Bekl der Insolvenzantrag bekannt gewesen sei. Er verweise insoweit auf die Urteile des BFH vom 2. November 2010 (VII R 6/10 und VII R 62/10, BStBl II 2011, 374 und 439), mit denen der BFH vergleichbare Sachverhalte entschieden habe.
17 
Soweit sich der Bekl auf § 55 Abs. 4 InsO i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2010 berufe, sei diese Regelung zwar grundsätzlich anwendbar. Diese umfasse dem Wort-laut nach von ihrem Regelungsbereich nur Verbindlichkeiten, nicht aber auch Erstattungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb verfassungswidrig. Im Übrigen regele diese Norm lediglich die insolvenzrechtliche Zuordnung von Steuerforderungen entweder zu Insolvenzforderungen oder zu Masseverbindlichkeiten, nicht aber materiell rechtliche Fragen der Insolvenzanfechtung.
18 
Ferner verweise der Bekl auf ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 14. April 2010 (6 K 2122/07). Dies sei aus verschiedenen Gründen nicht einschlägig. Zum einen sei es vor Einführung des § 55 Abs. 4 InsO ergangen, zum anderen betreffe es einen sog. „vorläufigen starken“ Insolvenzverwalter.
19 
Es komme im Übrigen nicht darauf an, wie der Bekl meine, dass die USt keine gläubigerbenachteiligende Wirkung habe. Eine solche Wirkung könne eine Steuer nie haben. Gegenstand der Insolvenzanfechtung sei vielmehr die Rechtshandlung, hier das Beziehung von Lieferungen, die zum Entstehen der Steuerforderung führen würde. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BFH.
20 
Das vom Bekl zitierte Urteil des BFH vom 9. Dezember 2010 (V R 22/10, BStBl II 2011, 996) sei schon deshalb nicht anwendbar, weil es nach einer Verfügung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) erst für ab dem 1. Januar 2012 eröffnete Insolvenzverfahren gelte. Dies betreffe seiner -des Kl - Auffassung nach auch das Urteil vom 24. September 2014 (V R 48/13, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 2452), da dieses letztendlich nur eine Fortführung der Entscheidung vom  9. Dezember 2012 darstelle.
21 
Der Kl beantragt,
den Abrechnungsbescheid zur USt für die Kalendermonate September 2011 und Oktober 2011 vom 15. Februar 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2013 aufzuheben und das USt-Guthaben für den Monat September 2011 in Höhe von 61.284,78 EUR sowie das USt-Guthaben für den Monat Oktober 2011 in Höhe von 7.874,52 EUR an die Insolvenzmasse zu erstatten,

hilfsweise die Revision zuzulassen.
22 
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
23 
Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, es sei inzwischen höchstrichterlich geklärt (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012, VII R 44/10), dass es einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des insolvenzrechtlichen Verfahrens erklärten Aufrechnung nicht mehr bedürfe, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden seien und deshalb nach § 16 UStG gegeneinander zu verrechnen seien. Eine Steuerberechnung nach § 16 UStG stelle aber keine Aufrechnung dar, so dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht eingreife.
24 
Nach dem Erlass der Jahressteuerbescheide habe sich die Aufrechnungslage überholt, da die Ansprüche aus den Vorauszahlungszeiträumen in dem Anspruch auf die für das Kalenderjahr zu entrichtende Steuer bzw. dem Überschuss aufgegangen seien. Die im Abrechnungsbescheid getroffene Regelung sei damit gegenstandslos geworden.
25 
Aber auch dann, wenn man in der Erbringung entgeltlicher Leistungen eine anfechtbare Rechtshandlung sehe, habe diese keine gläubigerbenachteiligende Wirkung. Aufgrund des umsatzsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzips bestehe sowohl bei den vom Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen als auch bei seinen erbrachten Ausgangsleistungen eine umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung bzw. Berechtigung nur insoweit, als der Unternehmer ein Entgelt vereinnahmt oder erbracht habe. Selbst wenn die Vereinnahmung bzw. Verausgabung noch nicht erfolgt sei, werde durch die Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der Insolvenzeröffnung eine gläubigerbenachteiligende Wirkung vermieden.
26 
Beide Beteiligte haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet

Entscheidungsgründe

 
27 
Die Klage ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
28 
(1) Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat aus den dort genannten Gründen folgt,  ist der Jahressteuerbescheid vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Steuer sowie für die Einbehaltung der als Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum entrichteten bzw. für die Vergütung der die positiven Umsatzsteuern übersteigenden (Vorsteuer-)Beträge. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid festgestellt. Damit erledigen sich die den Veranlagungszeitraum betreffenden Vorauszahlungsbescheide i.S. des § 124 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit; deren Regelungen nimmt der Jahressteuerbescheid in sich auf (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 44/10, BStBl II 2013, 33). Entsprechendes muss für gemäß § 168 AO mit Festsetzungswirkung ausgestattete Anmeldungen gelten.
29 
Kann -wie hier- aus insolvenzverfahrensrechtlichen Gründen eine Jahressteuerfestsetzung nicht ergehen, sondern ist lediglich die Steuer zu berechnen und im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden (vgl. dazu Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 251 Rz 26), ändert sich daran nichts: Für das Steuerschuldverhältnis ist auch in diesem Fall die nach Maßgabe der Regelungen des UStG zu berechnende Jahressteuer maßgeblich, sobald die Jahressteuer entstanden ist und berechnet werden kann.
30 
Bei der Festsetzung bzw. dieser Berechnung sind nach § 16 Abs. 2 UStG die in den betreffenden Besteuerungszeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. Kann dies nicht durch den gemäß § 218 Abs. 1 AO grundsätzlich zu erlassenden Steuerfestsetzungsbescheid geschehen, weil wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine (positive) Steuer nicht mehr festgesetzt werden kann, verwirklicht sich die in § 16 Abs. 2 UStG angeordnete Rechtsfolge also gleichsam automatisch, weil die für den Inhalt des Steuerschuldverhältnisses jetzt maßgebliche Jahressteuer nur insoweit besteht, als nicht der berechneten Steuer (§ 16 Abs. 1 UStG) abziehbare Vorsteuerbeträge gegenüberstehen.
31 
Die vom Bekl in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid entschiedene Frage, ob gegen die USt-Vergütungsansprüche der Schuldnerin September und Oktober 2011 (nach Insolvenzantragstellung entstanden)  mit einer USt-Zahllast Oktober 2011 (vor Insolvenzantragstellung entstanden) aufgerechnet werden konnte, hat sich deshalb durch den Ablauf des Jahres 2011 erledigt. Die vom Bekl in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid getroffene (feststellende) Regelung hinsichtlich der angeblichen Wirksamkeit der vom Bekl erklärten Aufrechnung ist insoweit gegenstandslos, da die  betreffenden Beträge in die Jahressteuer 2011 eingegangen und nach Maßgabe des § 16 UStG saldiert worden sind.
32 
Wenn sich auch mithin die in dem Abrechnungsbescheid getroffene Feststellung, dass die Verrechnung der USt-Forderung Oktober 2011 gegen die USt-Vergütungsansprüche September und Oktober 2011 wirksam ist, erledigt hat, weil von ihr nach Entstehen der Jahressteuer 2011 keine solchen Rechtswirkungen mehr ausgehen, so ist die auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des diesbezüglichen Abrechnungsbescheides gerichtete Klage gleichwohl nicht nach dem § 100 Abs. 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugrunde liegenden Rechtsgedanken bzw. mangels des für jede Klage erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzinteresses unzulässig. Denn der Regelungsgehalt jenes Bescheides erschöpft sich nicht in der Feststellung, dass die auf Vorsteuerüberhängen beruhenden USt-Vergütungsansprüche der Schuldnerin September bis Oktober 2011 als durch Verrechnung mit dem gegen diese gerichteten, vom Bekl festgesetzten USt-Anspruch Oktober 2011 erloschen sind, sondern er entscheidet damit zugleich, dass der Kläger eine Vergütung von in diese Monate fallender Vorsteuer bzw. eine Erstattung insofern entrichteter positiver USt nicht beanspruchen kann. Diese Feststellung hat auch nach Entstehen der Jahressteuer Bedeutung.
33 
(2) Der Abrechnungsbescheid ist aber rechtmäßig. Der Anspruch auf Verrechnung der Vorsteuerbeträge ist zwar möglicherweise nicht aufgrund der Aufrechnungserklärung, aber aufgrund der Saldierung gemäß § 16 Abs. 2 UStG erloschen, bei welcher die Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat aus den dort genannten Gründen folgt, § 96 Abs. 1 InsO nicht beachtet (BFH, Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BStBl II 2012, 298). Bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) ist der gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil bestehende USt-Anspruch für jedes Kalenderjahr gesondert zu berechnen und nach Abzug der vom Unternehmer jeweils geleisteten Zahlungen anzumelden. Für das Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung ist die für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil entstandene USt grundsätzlich für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen und anzumelden.
34 
Entscheidend ist also für diese Differenzierung nicht der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung (und damit der Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters), sondern der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Denn das Insolvenzverfahren hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluss, weshalb sich die USt-Festsetzung zunächst für das gesamte Unternehmen nach den Vorschriften des USt-Rechts ohne Rücksicht auf das Insolvenzrecht richtet (BFH, Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BStBl II 2000, 639). Gleichwohl ist die USt, soweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters reicht (§ 80 InsO), mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen diesen und nicht mehr gegen den Gemeinschuldner festzusetzen. Für die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung bleibt diese Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Gemeinschuldner, wenn -wie hier- lediglich ein sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Bekl bereits im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung die angemeldeten Umsätze der Gemeinschuldnerin unter der späteren Massesteuernummer erfasste. Denn die Erteilung einer weiteren Steuernummer dient lediglich der Vereinfachung des Verfahrens im Hinblick auf die unterschiedliche Geltendmachung und insolvenzrechtliche Einordnung der Forderungen sowie der zutreffenden Bekanntgabe (Kahlert/Rühland in: Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2 Auflage 2011, Kapitel 9 Rz. 9.11). Damit stellt -wie der Kl zutreffend ausführt- die Vergabe einer Steuernummer lediglich ein Ordnungsmerkmal dar, welches auf die materielle Rechtslage keinen Einfluss hat.
35 
Im Jahr der Insolvenzeröffnung ist die Steuerberechnung demgegenüber grundsätzlich für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung vorzunehmen. Von der für das jeweilige Kalenderjahr und im Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Steuer sind bei der Forderungsanmeldung nach §§ 174 ff. InsO die Steuerzahlungen abzusetzen, die der Unternehmer z.B. für einzelne Voranmeldungszeiträume des jeweiligen Besteuerungszeitraums entrichtet hat. Soweit derartige Zahlungen vorliegen, liegt im Hinblick auf die insoweit eingetretene Tilgungswirkung keine Insolvenzforderung vor. Denn die Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG ist keine Aufrechnung, so dass sie auch nicht den Beschränkungen der §§ 94 ff. InsO unterliegt.Dies folgt aus § 38 AO, wonach der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis dann entsteht, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die USt entsteht i.S. des § 38 AO in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG berechenbar ist (BFH, Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BStBl II 1996, 662, unter II.1.). Bei den sich aus dem UStG ergebenden Ansprüchen liegt danach ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erst aufgrund der Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG für einen Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum vor. Daher kann nur mit oder gegen den Anspruch aufgerechnet werden, der sich aus der Steuerberechnung für einen derartigen Zeitraum ergibt.
36 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch § 55 Abs. 4 InsO. Nach dieser durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2011 eingefügten Regelung gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Diese Norm erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". Entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers ist die Vorschrift auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem UStG anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte, siehe hierzu auch BFH, Urteil vom 24. September 2014, V R 48/13, Amtliche Sammlung -BFHE- 247, 460).
37 
Diese Norm ist schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar, da sie lediglich Verbindlichkeiten, nicht aber Forderungen den Masseverbindlichkeiten zuweist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist dieser einer -vom Wortlaut abweichenden Auslegung- nicht zugänglich. Denn auch die Gesetzesbegründung geht eindeutig davon aus, dass diese Norm lediglich den Nachteil ausgleichen will, den der Fiskus als Zwangsgläubiger hinzunehmen hat. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber insofern keine Gleichbehandlung von Verbindlichkeiten und Forderungen zum Regelungsziel hatte.
38 
Ob diese Neuregelung gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstößt, kann dahingestellt bleiben. Denn Rechtsfolge daraus wäre lediglich, dass die Norm (ex tunc oder ex nunc) keine Regelungswirkung entfaltet und damit lediglich USt-Verbindlicheiten nicht als Masseverbindlichkeiten, sondern -wie vor der Einführung des § 55 Abs. 4 InsO zur Tabelle anzumelden sind.
39 
Soweit der Kl sich auf die Nichtanwendungsregel im Schreiben des BMF vom 9. Dezember 2011 (IV D 2-S 7330/09/10001:001, 2011/0992053, BStBl I 2011, 1273) beruft, ist das Gericht an diese Verwaltungsauffassung nicht gebunden. Im Übrigen ist im vorliegenden Streitfall der dort zugrunde gelegte Sachverhalt nicht einschlägig.
40 
3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
41 
4. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Gründe

 
27 
Die Klage ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
28 
(1) Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat aus den dort genannten Gründen folgt,  ist der Jahressteuerbescheid vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Steuer sowie für die Einbehaltung der als Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum entrichteten bzw. für die Vergütung der die positiven Umsatzsteuern übersteigenden (Vorsteuer-)Beträge. Das materielle Ergebnis der in dem Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich in dem Jahressteuerbescheid festgestellt. Damit erledigen sich die den Veranlagungszeitraum betreffenden Vorauszahlungsbescheide i.S. des § 124 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit; deren Regelungen nimmt der Jahressteuerbescheid in sich auf (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 44/10, BStBl II 2013, 33). Entsprechendes muss für gemäß § 168 AO mit Festsetzungswirkung ausgestattete Anmeldungen gelten.
29 
Kann -wie hier- aus insolvenzverfahrensrechtlichen Gründen eine Jahressteuerfestsetzung nicht ergehen, sondern ist lediglich die Steuer zu berechnen und im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden (vgl. dazu Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 251 Rz 26), ändert sich daran nichts: Für das Steuerschuldverhältnis ist auch in diesem Fall die nach Maßgabe der Regelungen des UStG zu berechnende Jahressteuer maßgeblich, sobald die Jahressteuer entstanden ist und berechnet werden kann.
30 
Bei der Festsetzung bzw. dieser Berechnung sind nach § 16 Abs. 2 UStG die in den betreffenden Besteuerungszeitraum fallenden abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. Kann dies nicht durch den gemäß § 218 Abs. 1 AO grundsätzlich zu erlassenden Steuerfestsetzungsbescheid geschehen, weil wegen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine (positive) Steuer nicht mehr festgesetzt werden kann, verwirklicht sich die in § 16 Abs. 2 UStG angeordnete Rechtsfolge also gleichsam automatisch, weil die für den Inhalt des Steuerschuldverhältnisses jetzt maßgebliche Jahressteuer nur insoweit besteht, als nicht der berechneten Steuer (§ 16 Abs. 1 UStG) abziehbare Vorsteuerbeträge gegenüberstehen.
31 
Die vom Bekl in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid entschiedene Frage, ob gegen die USt-Vergütungsansprüche der Schuldnerin September und Oktober 2011 (nach Insolvenzantragstellung entstanden)  mit einer USt-Zahllast Oktober 2011 (vor Insolvenzantragstellung entstanden) aufgerechnet werden konnte, hat sich deshalb durch den Ablauf des Jahres 2011 erledigt. Die vom Bekl in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid getroffene (feststellende) Regelung hinsichtlich der angeblichen Wirksamkeit der vom Bekl erklärten Aufrechnung ist insoweit gegenstandslos, da die  betreffenden Beträge in die Jahressteuer 2011 eingegangen und nach Maßgabe des § 16 UStG saldiert worden sind.
32 
Wenn sich auch mithin die in dem Abrechnungsbescheid getroffene Feststellung, dass die Verrechnung der USt-Forderung Oktober 2011 gegen die USt-Vergütungsansprüche September und Oktober 2011 wirksam ist, erledigt hat, weil von ihr nach Entstehen der Jahressteuer 2011 keine solchen Rechtswirkungen mehr ausgehen, so ist die auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des diesbezüglichen Abrechnungsbescheides gerichtete Klage gleichwohl nicht nach dem § 100 Abs. 1 Satz 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugrunde liegenden Rechtsgedanken bzw. mangels des für jede Klage erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzinteresses unzulässig. Denn der Regelungsgehalt jenes Bescheides erschöpft sich nicht in der Feststellung, dass die auf Vorsteuerüberhängen beruhenden USt-Vergütungsansprüche der Schuldnerin September bis Oktober 2011 als durch Verrechnung mit dem gegen diese gerichteten, vom Bekl festgesetzten USt-Anspruch Oktober 2011 erloschen sind, sondern er entscheidet damit zugleich, dass der Kläger eine Vergütung von in diese Monate fallender Vorsteuer bzw. eine Erstattung insofern entrichteter positiver USt nicht beanspruchen kann. Diese Feststellung hat auch nach Entstehen der Jahressteuer Bedeutung.
33 
(2) Der Abrechnungsbescheid ist aber rechtmäßig. Der Anspruch auf Verrechnung der Vorsteuerbeträge ist zwar möglicherweise nicht aufgrund der Aufrechnungserklärung, aber aufgrund der Saldierung gemäß § 16 Abs. 2 UStG erloschen, bei welcher die Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat aus den dort genannten Gründen folgt, § 96 Abs. 1 InsO nicht beachtet (BFH, Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BStBl II 2012, 298). Bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle (§§ 174 ff. InsO) ist der gegen den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil bestehende USt-Anspruch für jedes Kalenderjahr gesondert zu berechnen und nach Abzug der vom Unternehmer jeweils geleisteten Zahlungen anzumelden. Für das Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung ist die für den vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil entstandene USt grundsätzlich für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen und anzumelden.
34 
Entscheidend ist also für diese Differenzierung nicht der Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung (und damit der Zeitpunkt der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters), sondern der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Denn das Insolvenzverfahren hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners keinen Einfluss, weshalb sich die USt-Festsetzung zunächst für das gesamte Unternehmen nach den Vorschriften des USt-Rechts ohne Rücksicht auf das Insolvenzrecht richtet (BFH, Urteil vom 28. Juni 2000 V R 87/99, BStBl II 2000, 639). Gleichwohl ist die USt, soweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters reicht (§ 80 InsO), mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen diesen und nicht mehr gegen den Gemeinschuldner festzusetzen. Für die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung bleibt diese Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Gemeinschuldner, wenn -wie hier- lediglich ein sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Bekl bereits im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung die angemeldeten Umsätze der Gemeinschuldnerin unter der späteren Massesteuernummer erfasste. Denn die Erteilung einer weiteren Steuernummer dient lediglich der Vereinfachung des Verfahrens im Hinblick auf die unterschiedliche Geltendmachung und insolvenzrechtliche Einordnung der Forderungen sowie der zutreffenden Bekanntgabe (Kahlert/Rühland in: Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2 Auflage 2011, Kapitel 9 Rz. 9.11). Damit stellt -wie der Kl zutreffend ausführt- die Vergabe einer Steuernummer lediglich ein Ordnungsmerkmal dar, welches auf die materielle Rechtslage keinen Einfluss hat.
35 
Im Jahr der Insolvenzeröffnung ist die Steuerberechnung demgegenüber grundsätzlich für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung vorzunehmen. Von der für das jeweilige Kalenderjahr und im Kalenderjahr der Insolvenzeröffnung bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Steuer sind bei der Forderungsanmeldung nach §§ 174 ff. InsO die Steuerzahlungen abzusetzen, die der Unternehmer z.B. für einzelne Voranmeldungszeiträume des jeweiligen Besteuerungszeitraums entrichtet hat. Soweit derartige Zahlungen vorliegen, liegt im Hinblick auf die insoweit eingetretene Tilgungswirkung keine Insolvenzforderung vor. Denn die Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG ist keine Aufrechnung, so dass sie auch nicht den Beschränkungen der §§ 94 ff. InsO unterliegt.Dies folgt aus § 38 AO, wonach der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis dann entsteht, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die USt entsteht i.S. des § 38 AO in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und 2 UStG berechenbar ist (BFH, Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BStBl II 1996, 662, unter II.1.). Bei den sich aus dem UStG ergebenden Ansprüchen liegt danach ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis erst aufgrund der Steuerberechnung nach §§ 16 ff. UStG für einen Voranmeldungs- oder Besteuerungszeitraum vor. Daher kann nur mit oder gegen den Anspruch aufgerechnet werden, der sich aus der Steuerberechnung für einen derartigen Zeitraum ergibt.
36 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch § 55 Abs. 4 InsO. Nach dieser durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 mit Wirkung zum 1. Januar 2011 eingefügten Regelung gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Diese Norm erweitert die Tatbestände, nach denen Masseverbindlichkeiten entstehen. Für diese kommt es auf die nach dem Insolvenzrecht bestehenden rechtlichen Befugnisse an. So sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur die Verbindlichkeiten, "die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden". Entsprechend dem Willen des historischen Gesetzgebers ist die Vorschrift auf Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis nach dem UStG anzuwenden. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung dient § 55 Abs. 4 InsO dazu, die Durchsetzung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren zu sichern (BTDrucks 17/3030, S. 43 f.: zur "ungerechtfertigte[n] Benachteiligung des Fiskus", dem durch die Neuregelung "ein Riegel vorgeschoben" werden sollte, siehe hierzu auch BFH, Urteil vom 24. September 2014, V R 48/13, Amtliche Sammlung -BFHE- 247, 460).
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Diese Norm ist schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar, da sie lediglich Verbindlichkeiten, nicht aber Forderungen den Masseverbindlichkeiten zuweist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist dieser einer -vom Wortlaut abweichenden Auslegung- nicht zugänglich. Denn auch die Gesetzesbegründung geht eindeutig davon aus, dass diese Norm lediglich den Nachteil ausgleichen will, den der Fiskus als Zwangsgläubiger hinzunehmen hat. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber insofern keine Gleichbehandlung von Verbindlichkeiten und Forderungen zum Regelungsziel hatte.
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Ob diese Neuregelung gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstößt, kann dahingestellt bleiben. Denn Rechtsfolge daraus wäre lediglich, dass die Norm (ex tunc oder ex nunc) keine Regelungswirkung entfaltet und damit lediglich USt-Verbindlicheiten nicht als Masseverbindlichkeiten, sondern -wie vor der Einführung des § 55 Abs. 4 InsO zur Tabelle anzumelden sind.
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Soweit der Kl sich auf die Nichtanwendungsregel im Schreiben des BMF vom 9. Dezember 2011 (IV D 2-S 7330/09/10001:001, 2011/0992053, BStBl I 2011, 1273) beruft, ist das Gericht an diese Verwaltungsauffassung nicht gebunden. Im Übrigen ist im vorliegenden Streitfall der dort zugrunde gelegte Sachverhalt nicht einschlägig.
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3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
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4. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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