| Der Kläger (Kl) wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 16. August 2011 aufgrund eines Eigeninsolvenzeröffnungsantrags vom selben Tag (Aktenzeichen -Az- ….) zum vorläufigen („schwachen“) Insolvenzverwalter der Firma Y GmbH & Co. KG bestellt. Nach dem Inhalt des Beschlusses waren ab diesem Zeitpunkt Verfügungen der Firma Y GmbH & Co. KG nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Mit Beschluss vom 1. November 2011 eröffnete das Gericht das Insolvenzverfahren und bestellte den Kl zum Insolvenzverwalter. |
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| Aufgrund von Vorsteuerkorrekturen zum 31. Oktober 2011 nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) meldete der Kl für die Firma Y GmbH & Co. KG für die Voranmeldungszeiträume September und Oktober 2011 unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11...) jeweils Umsätze an, welche zu einer Zahllast führten. In der unter dieser Steuernummer am 29. Mai 2013 abgegebenen USt-Jahreserklärung 2011 ermittelte der Kl eine Jahresumsatzsteuer (Zeitraum: Januar bis Oktober 2011) in Höhe von 952.446,89 EUR, welcher der Beklagte (Bekl) am 14. November 2013 zustimmte. Der Kl hatte unter Berücksichtigung von Vorauszahlungen in Höhe von 423.748,11 EUR eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt. |
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| Für die Monate September und Oktober 2011 gab der Kl ferner USt-Voranmeldungen unter der Massesteuernummer 22... für Umsätze nach dem 15. August 2011 ab, welche erstmals unter der Massesteuernummer angemeldet wurden und zu Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 61.284,78 EUR (September 2011) sowie 130.660,83 EUR (Oktober 2011) führten. Die USt-Guthaben resultieren -unstreitig- aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, welche die Firma Y GmbH & Co. KG in der Zeit nach Insolvenzantragstellung und vor Insolvenzeröffnung von anderen Unternehmen für ihr Unternehmen bezogen und bezahlt hat. Ferner erklärte der Kl unter dieser Steuernummer in der Folgezeit auch alle nach dem 16. August 2011 erzielten Umsätze. |
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| Die zeitliche Zuordnung der Umsätze und Vorsteuern zu den einzelnen Unternehmensteilen (vor bzw. nach Insolvenzantragstellung) wurde vom Bekl im Rahmen einer USt-Sonderprüfung am 13. Dezember 2011 geprüft und nicht beanstandet. |
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| Von diesen Guthaben verrechnete der Bekl einen Teilbetrag in Höhe von insgesamt 69.159,30 EUR (aus 9/2011: 61.284,78 EUR und aus 10/2011: 7.874,52 EUR) mit offenen USt-Beträgen aus der Zeit vor der Insolvenzantragstellung (also Januar bis 15. August 2011), welche unter der vorinsolvenzlichen Steuernummer (11...) vorhanden waren. Die um diese Verrechnung verminderte Differenz (459.539,48 EUR) meldete der Bekl zur Insolvenztabelle an. |
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| Der Kl hatte demgegenüber in seiner USt-Erklärung 2011 eine Zahllast in Höhe von 528.698,78 EUR ermittelt. |
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| Unter der „Massesteuernummer“ (22...) ermittelte der Kl unter Zugrundelegung der unstreitigen Umsätze bzw. Vorsteuerbeträge ein Guthaben in Höhe von 509.198,24 EUR, der Bekl setzte dagegen lediglich ein Erstattungsguthaben in Höhe von 440.036,94 EUR an. |
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| Gegen die vom Bekl vorgenommene Verrechnung wandte sich der Kl, worauf der Bekl mit Abrechnungsbescheid vom 15. Februar 2012 feststellte, dass das USt-Guthaben September 2011 in Höhe von 61.284,78 EUR und das Guthaben Oktober 2011 in Höhe von 7.874,52 EUR (insgesamt: 69.159,30 EUR) mit Insolvenzforderungen verrechnet wurde. Wegen des Inhalts des Abrechnungsbescheids im Einzelnen wird auf diesen verwiesen (AS. 29 ff. Rechtsbehelfsakten). |
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| Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2013 wies der Bekl den gegen diesen Abrechnungsbescheid eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass die vom Kl geltend gemachten Aufrechnungsverbote nicht zu beachten seien, da Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden seien und deshalb gemäß § 16 UStG miteinander zu verrechnen seien. Der Streit um die Aufrechnungslage werde zudem dadurch überholt, dass die Ansprüche aus den einzelnen Voranmeldungszeiträumen materiell-rechtlich in dem Anspruch bzw. Überschuss der für das Kalenderjahr zu entrichtenden Steuer eingegangen seien. Die mit dem Abrechnungsbescheid entschiedene Frage habe sich durch den Ablauf des Jahres 2011 erledigt, die im Abrechnungsbescheid getroffene Regelung sei damit gegenstandslos geworden. |
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| Mit seiner hiergegen erhobenen Klage wendet sich der Kl gegen die vom Bekl vorgenommene Verrechnung des Guthabens mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden der Firma Y GmbH & Co. KG und begehrt die Auszahlung von 69.159,30 EUR. |
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| Er trägt zur Begründung vor, die Klage sei auch nach zwischenzeitlicher Einreichung der Jahressteuererklärungen zulässig geblieben, denn deren Gegenstand sei der streitbefangene Abrechnungsbescheid. Dieser enthalte nämlich auch die Feststellung, dass aufgrund der Berichtigung entstehende Vergütungs- oder Erstattungsbeträge nicht auszukehren seien. Er verweise insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juli 2012 (VII R 44/10, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2013, 33). |
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| Ungeachtet der Verwendung diverser unterschiedlicher Steuernummern, welche lediglich als Ordnungsmerkmal dienten, sei zunächst festzuhalten, dass er in der USt-Erklärung mit vorinsolvenzlicher Steuernummer (11...) eine Zahllast von 528.698,78 EUR ermittelt habe, der Bekl hingegen nur 459.539,40 EUR. Umgekehrt habe er unter der Massesteuernummer (22...) ein Gesamtguthaben in Höhe von 509.198,24 EUR erklärt, der Bekl habe hingegen nur 440.036,94 EUR angesetzt. Die Differenz betrage 69.161,30 EUR und sei vom Bekl noch zu erstatten. |
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| Er wende sich nicht grundsätzliche gegen eine Saldierung nach § 16 UStG. Es müsse aber sichergestellt sein, dass eine Verrechnung lediglich mit solchen Vorsteuerbeträgen erfolge, welche in insolvenzrechtlich unanfechtbarer Weise entstanden seien. Bei der Saldierung handele es sich um eine gesetzliche Zwangsverrechnung, der Bekl hingegen habe ausdrücklich eine Aufrechnung erklärt und danach einen Abrechnungsbescheid erteilt. Dies lasse erkennen, dass gerade keine Saldierung vorliege, wofür auch spreche, dass unterschiedliche Voranmeldungszeiträume betroffen seien. |
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| Diesem Grundsatz entspreche die vom Bekl vorgenommene Verrechnung nicht, da diese gegen § 96 Abs. 1 Nr. 3 Insolvenzordnung (InsO) verstoße. Nach dieser Norm sei eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger -hier der Bekl- die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe. Die USt-Guthaben September und Oktober 2011 seien durch Lieferungen und Leistungen entstanden, welche die Firma Y GmbH & Co. KG in der Zeit nach Insolvenzantragstellung von anderen Unternehmen für ihr Unternehmen bezogen habe. Anfechtbare Rechtshandlung sei das Erbringen von Lieferungen und sonstigen Leistungen durch andere Unternehmen für die Firma Y GmbH & Co. KG. |
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| Es sei der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs.1 Nr. 1 InsO gegeben, da eine inkongruente Deckung vorliege. Der Bekl habe keinen durchsetzbaren Anspruch gegen die Schuldnerin besessen, dass diese weiterhin Lieferungen und sonstige Leistungen beziehe, aufgrund deren Vorsteuerbeträge entstünden. |
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| Selbst wenn man die Deckung für kongruent halte, folge die Anfechtbarkeit aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da dem Bekl der Insolvenzantrag bekannt gewesen sei. Er verweise insoweit auf die Urteile des BFH vom 2. November 2010 (VII R 6/10 und VII R 62/10, BStBl II 2011, 374 und 439), mit denen der BFH vergleichbare Sachverhalte entschieden habe. |
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| Soweit sich der Bekl auf § 55 Abs. 4 InsO i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2010 berufe, sei diese Regelung zwar grundsätzlich anwendbar. Diese umfasse dem Wort-laut nach von ihrem Regelungsbereich nur Verbindlichkeiten, nicht aber auch Erstattungsansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb verfassungswidrig. Im Übrigen regele diese Norm lediglich die insolvenzrechtliche Zuordnung von Steuerforderungen entweder zu Insolvenzforderungen oder zu Masseverbindlichkeiten, nicht aber materiell rechtliche Fragen der Insolvenzanfechtung. |
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| Ferner verweise der Bekl auf ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 14. April 2010 (6 K 2122/07). Dies sei aus verschiedenen Gründen nicht einschlägig. Zum einen sei es vor Einführung des § 55 Abs. 4 InsO ergangen, zum anderen betreffe es einen sog. „vorläufigen starken“ Insolvenzverwalter. |
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| Es komme im Übrigen nicht darauf an, wie der Bekl meine, dass die USt keine gläubigerbenachteiligende Wirkung habe. Eine solche Wirkung könne eine Steuer nie haben. Gegenstand der Insolvenzanfechtung sei vielmehr die Rechtshandlung, hier das Beziehung von Lieferungen, die zum Entstehen der Steuerforderung führen würde. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BFH. |
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| Das vom Bekl zitierte Urteil des BFH vom 9. Dezember 2010 (V R 22/10, BStBl II 2011, 996) sei schon deshalb nicht anwendbar, weil es nach einer Verfügung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) erst für ab dem 1. Januar 2012 eröffnete Insolvenzverfahren gelte. Dies betreffe seiner -des Kl - Auffassung nach auch das Urteil vom 24. September 2014 (V R 48/13, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2014, 2452), da dieses letztendlich nur eine Fortführung der Entscheidung vom 9. Dezember 2012 darstelle. |
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| Der Kl beantragt, den Abrechnungsbescheid zur USt für die Kalendermonate September 2011 und Oktober 2011 vom 15. Februar 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2013 aufzuheben und das USt-Guthaben für den Monat September 2011 in Höhe von 61.284,78 EUR sowie das USt-Guthaben für den Monat Oktober 2011 in Höhe von 7.874,52 EUR an die Insolvenzmasse zu erstatten,
hilfsweise die Revision zuzulassen. |
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| Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen. |
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| Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, es sei inzwischen höchstrichterlich geklärt (BFH, Urteil vom 25. Juli 2012, VII R 44/10), dass es einer Entscheidung über die Zulässigkeit einer während des insolvenzrechtlichen Verfahrens erklärten Aufrechnung nicht mehr bedürfe, wenn Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden seien und deshalb nach § 16 UStG gegeneinander zu verrechnen seien. Eine Steuerberechnung nach § 16 UStG stelle aber keine Aufrechnung dar, so dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht eingreife. |
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| Nach dem Erlass der Jahressteuerbescheide habe sich die Aufrechnungslage überholt, da die Ansprüche aus den Vorauszahlungszeiträumen in dem Anspruch auf die für das Kalenderjahr zu entrichtende Steuer bzw. dem Überschuss aufgegangen seien. Die im Abrechnungsbescheid getroffene Regelung sei damit gegenstandslos geworden. |
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| Aber auch dann, wenn man in der Erbringung entgeltlicher Leistungen eine anfechtbare Rechtshandlung sehe, habe diese keine gläubigerbenachteiligende Wirkung. Aufgrund des umsatzsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzips bestehe sowohl bei den vom Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen als auch bei seinen erbrachten Ausgangsleistungen eine umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung bzw. Berechtigung nur insoweit, als der Unternehmer ein Entgelt vereinnahmt oder erbracht habe. Selbst wenn die Vereinnahmung bzw. Verausgabung noch nicht erfolgt sei, werde durch die Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG mit der Insolvenzeröffnung eine gläubigerbenachteiligende Wirkung vermieden. |
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| Beide Beteiligte haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet |
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