Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 8 K 2978/13

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr als Börsenmakler tätig. Zu Beginn des Jahres 1996 war er einer der beiden Geschäftsführer der Q&P GmbH. Diese wurde im Dezember 1997 in die ... (Y AG) umgewandelt und gleichzeitig das Kapital auf 1,5 Mio DM aufgestockt.  Das Kapital war danach in 300.000 Aktien zum Nennbetrag von 5 DM unterteilt, von denen der Kläger 30%, also 90.000 Aktien hielt.
Im Jahr 1998 verkaufte der Kläger zunächst seine Anteile an der Y AG in mehreren Tranchen bis auf 23.000 Aktien. Im Oktober 1998 erhöhte die Y AG ihr Kapital gegen Einlagen um 375.000 DM auf insgesamt 1.875.000 DM. In diesem Zusammenhang erhielt der Kläger für seine damals 23.000 Aktien 23.000 Bezugsrechte für junge Aktien (zum Bezugsrechtsverhältnis 4:1). Nach einem Hinzukauf weiterer 224 Bezugsrechte am 2. November 1998 verkaufte der Kläger am 5. November 1998 die damit auf 23.224 Stück aufgestockten Bezugsrechte und kaufte sie am selben Tag zurück. Beide Geschäfte erfolgten jeweils zum Stückkurs von 58 DM. Auf die Wertpapierabrechnungen des Bankhauses Z für den Kauf sowie für den Verkauf jeweils vom 5. November 1998 (Bl. 18, 19 Betriebsprüfungsakte) wird diesbezüglich verwiesen. Die Abrechnung des Verkaufs erfolgte unter der Auftragsnummer 67../98  und unter der Abrechnungsnummer 44../98, die Abrechnung des Kaufs unter der Auftragsnummer 66../98 und unter der Abrechnungsnummer 77../98.
Im November 1998 wurde im Wege einer weiteren Kapitalerhöhung gegen Einlagen das Kapital der Y AG um 375.000 DM auf 2.250.000 DM erhöht. Der Kläger erhielt in diesem Zusammenhang für seine ca. 28.109 Aktien ca. 28.109 Bezugsrechte zum Bezugsrechtsverhältnis 5:1. Nach Einlösung der Bezugsrechte aus den beiden Kapitalerhöhungen des Jahres 1998 verkaufte der Kläger im Laufe des Jahres 1999 in mehreren Schritten zahlreiche seiner Y AG Aktien.
Aus diesen Verkäufen und einigen anderen Transaktionen erklärte der Kläger in der am 29. September 2000 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2.747.119 DM.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 1. Februar 2001 veranlagte der Beklagte diesbezüglich antragsgemäß. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde am 15. März 2002 aufgehoben (Bl. 75 Einkommensteuerakte). Mit Einkommensteuerbescheid vom 23. Dezember 2004 (Bl. 85 ff Einkommensteuerakte) wurde der ursprüngliche Bescheid nach erfolgter Außenprüfung, die aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzamts A vom 28. November 2002 (Bl. 36 ff Betriebsprüfungsakte) durchgeführt worden war, geändert. Erstmals wurden beim Kläger gewerbliche Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen in Höhe von 5.093.016 DM und negative Einkünfte aus Leistungen von 1.219.456 DM angesetzt. Im Vorfeld der Änderung hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten am 6. März 2003 u.a. wie folgt Stellung genommen (Bl. 9 Betriebsprüfungsakte):
„ (…) Ich habe mich damals an die Transaktionen meiner Kollegen gehalten, um so keinen Misskredit über die Beteiligungsverhältnisse an der Fa. Y aufkommen zu lassen. Nachdem klar war, dass ich aus der Y AG ausscheide, wollte ich natürlich meinen Beteiligungsbestand abbauen. Auch wurden Bezugsrechte wieder verkauft. (…)“
Mit weiterem Bescheid vom 25. Mai 2005 (Bl. 92 ff Einkommensteuerakte) änderte der Beklagte den Bescheid gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO). In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es u.a.: „Die Berichtigung erfolgte, da Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorliegen und keine Einkünfte aus Leistungen (Übertragungsfehler)“.
Gegen den Änderungsbescheid vom 23. Dezember 2004 legte der Kläger am 19. Januar 2005 Einspruch ein (Bl. 98 Einkommensteuerakte). Er bat um Ruhen des Verfahrens wegen eines beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen IX R 33/04 anhängigen Verfahrens. Das Einspruchsverfahren ruhte beim Beklagten zunächst wegen dieses Verfahrens. Nach Abschluss dieses Verfahrens ruhte das Einspruchsverfahren weiterhin wegen des beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 60/07 anhängigen Verfahrens.
Der Kläger führte am 13. Juni 2012 u.a. aus (Bl. 125 Einkommensteuerakte 1999), der Handel mit Bezugsrechten unterliege einer besonderen Konstellation. Aufträge könnten zeitgleich erteilt werden, würden aber nicht sofort, sondern erst nach Schließung des Skontros durch den Makler ausgeführt. Je nach Orderlage würden Kauf- bzw. Verkaufsaufträge voll oder nur teilweise ausgeführt. Jedes Bezugsrecht beinhalte das Recht auf einen bestimmten Bezugspreis einer Aktie. Bezugsrechte seien im Streitfall mit Gewinn verkauft, taggleich zurückgekauft und neue Aktien bezogen worden. Es gebe nur einen Bezugsrechtspreis, der vom Makler festgesetzt werde. Am Tag gebe es nur einen Preis, der nicht beeinflussbar sei. Eine Kauf- bzw. Verkaufsorder habe keinen Anspruch auf Ausführung und sei damit der Marktlage ausgeliefert, egal wann sie erteilt worden sei.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es liege ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne des § 42 AO vor. Im vorliegenden Fall sei die Veräußerung wirtschaftlich durch den Rückkauf der gleichen Wertpapiere negiert worden. Durch den gleichzeitig erteilten Kaufauftrag werde zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger die Wertpapiere weiterhin halten wollte. Zwar habe er einen Verkaufsauftrag erteilt, jedoch durch den gleichzeitig erteilten Kaufauftrag sichergestellt, dass er die Wertpapiere sogleich wieder erwirbt und in seinem Bestand behält. Der Kaufauftrag mit der laufenden Auftragsnummer 66../98 sei sogar vor dem Verkaufsauftrag mit der laufenden Auftragsnummer 67../98 gestellt worden. Die rechtliche Gestaltung durch den hier streitgegenständlichen Verkauf und Kauf der gleichen Wertpapiere habe danach nur steuerlichen Zwecken dienen sollen, ohne in wirtschaftlichen oder anderen außersteuerlichen Gründen eine Rechtfertigung zu haben.
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Der Kläger habe weder dargelegt, dass tatsächlich ein Kursrisiko bestand, noch sei dies sonst ersichtlich. Allein aus dem erteilten Verkaufs- und Kaufauftrag für einen Handel über einen Börsenplatz folge dieses noch nicht. Es gebe pro Tag nur einen Bezugsrechtspreis. Diene die rechtliche Gestaltung der Wertpapierverkäufe nur dem Zweck, in wirtschaftlich unangemessener Weise gewinnmindernde Anschaffungskosten bei einem späteren Verkauf zu haben, so liege darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit der Folge dass der Steueranspruch so entstehe, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstehe, also ein Verkauf und Rückkauf der betroffenen Wertpapiere nicht erfolgte. Der zeitgleiche Verkauf und Kauf der Bezugsrechte am 5. November 1998 sei nur deshalb vorgenommen worden, um für einen späteren Verkauf gewinnmindernde Anschaffungskosten zu haben. Durch den Wegfall des günstigen Steuersatzes Ende 1998 hätte man sonst im Jahr 1999 die Gewinne aus dem späteren Aktienverkauf voll versteuern müssen, da die Bezugsrechte unentgeltlich erworben wurden.
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Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 4. September 2013 Klage beim Finanzgericht.
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Der Kläger ist der Ansicht, es sei kein Fall des Gestaltungsmissbrauchs im Sinne des § 42 AO gegeben. Für die Anwendung des § 42 AO sei die „alte“ Fassung der Vorschrift maßgeblich. Insbesondere das zweite Tatbestandsmerkmal des § 42 AO neuer Fassung sei daher vorliegend nicht von Bedeutung.
14 
Es stelle keinen Missbrauch dar, sondern gehöre zu den legitimen Dispositionen im grundrechtlich geschützten Bereich der allgemeinen (wirtschaftlichen) Handlungsfreiheit, wenn Steuerpflichtige darum bemüht sind, die Vorteile geltenden Rechts im Hinblick auf mögliche Nachteile einer zukünftigen Gesetzeslage für sich zu nutzen. Das Motiv, Steuern zu sparen, mache eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Es stehe im Belieben des Klägers, ob, wann und mit welchem Risiko er von ihm gehaltene Wertpapiere ankaufe, verkaufe und danach wieder kaufe und ggf. wieder verkaufe. Insoweit handele es sich bei dem Verkauf von Wertpapieren und dem anschließenden Wiederkauf gleichartiger Wertpapiere um eigenständige und damit separat zu beurteilende Vorgänge, so dass der Veräußerungsvorgang im Sinne des § 42 Abs. 2 AO nicht zu eliminieren sei.
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Dass der An- und Verkauf der Wertpapiere zum gleichen Preis erfolgt sei, könne und dürfe keine Rolle spielen. Entscheidend für die Verneinung des Gestaltungsmissbrauchs sei das Eingehen eines Risikos und nicht das Vorliegen unterschiedlicher Preise, so dass selbst bei gleichen Preisen kein Gestaltungsmissbrauch vorliege, wenn das Risiko einer Kursschwankung bestanden habe oder die Verfügbarkeit der Papiere fraglich gewesen sei. Vorliegend habe ein Risiko bestanden. Gerade beim Handel mit Bezugsrechten habe der Kläger keinesfalls wissen können, ob nicht schon vorgehende Kaufaufträge vorlagen, die unter Umständen sogar einen Wiederkauf gänzlich unmöglich gemacht oder bei einer Überzahl an Kaufaufträgen zumindest zu einer nur anteiligen Zuweisung der Bezugsrechte geführt hätten. Dies habe der Kläger weder wissen noch auch nur in Erfahrung bringen können. Es hätten keinerlei Abreden bestanden, die auf eine Verknüpfung des Verkaufs- und Anschlusskaufvertrages hindeuteten. Es lägen keine Anzeichen vor, dass Verkauf und Rückkauf von vornherein abgesprochen gewesen seien, wofür im Übrigen der Beklagte beweispflichtig sei. Der Verkäufer habe sich einem echten, für ihn nicht kontrollierbaren Risiko ausgesetzt. Er habe weder Einfluss auf noch Einblick in den Bezugsrechtshandel. Die Nummerierung des Kaufauftrags vor dem Verkaufsauftrag sei nach Auskunft von Mitarbeitern der Börse eine willkürliche Entscheidung der Bank oder des Rechenzentrums. Auch hierauf habe der Kläger keinen Einfluss gehabt.
16 
Nur der gleichzeitige Verkauf und Rückkauf ohne Risiko sei kein Veräußerungsvorgang. Ein Verkauf mit anschließendem Rückkauf sei jedenfalls immer dann steuerlich anzuerkennen, wenn keine konkreten Absprachen zwischen Käufer und Verkäufer/Wiederkäufer vorhanden seien, auch wenn sich ein vom Verkäufer und Wiederkäufer eingegangenes tatsächliches Risiko nicht realisiert habe. Das von der Rechtsprechung geforderte Risiko verlagere sich im Streitfall vom Wertrisiko zum Beschaffungsrisiko. Nach Lage der Dinge sei davon auszugehen, dass der Kläger vom Handelsumfang mit den Bezugsrechten keine Kenntnis gehabt habe. Wenn jetzt im Nachhinein hier von einer Kaufstückzahl von 100.000 die Rede sei, sei zu fragen, wie der Kläger dies am Handelstag habe wissen und zudem Kenntnis vom Kurswert habe erlangen können. Die Beweislast liege hier beim Beklagten. Letztlich könne nicht unerwähnt bleiben, dass der Handel mit den Bezugsrechten seit dem 26. Oktober mit durchschnittlich täglich 2.000 Stück erfolgt sei. Am letzten Handelstag sei dann immer der Umfang am größten.
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Die Abrechnung der gesamten Orderbelege eines Tages erfolge ohne Einhaltung einer besonderen Reihenfolge. Die Auftragsnummer sei dabei völlig belanglos, da die Aufträge jeweils vorher aufgegeben würden und es nur einen Kassakurs gebe. Alle Aufträge würden im Bezugsrechtehandel zur Einheitsnotiz gesammelt und gelangten dann gleichzeitig zur Ausführung. Die Frage Verkauf vor Kauf oder umgekehrt spiele demzufolge keine Rolle, im Gegensatz zum variablen Aktienhandel, wo die Auftragserteilung mit Zeit und Nummerierung wegen der sofortigen Weiterleitung an die jeweilige Börse eine entscheidende Rolle spiele.
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Der Kläger habe keine Kenntnis vom Handelsumfang gehabt. Alles andere würde den Gepflogenheiten des Börsenhandels widersprechen und wäre, einfach gesagt, auch ein Verstoß gegen bestehende Gesetze. Die Äußerung des Klägers vom 6. März 2003 besage lediglich, dass er nur den Kollegen gefolgt sei, um gegenüber diesen keine (vermeintlichen) Nachteile zu erleiden. Dies bedeute jedoch nicht, dass er vollumfänglich über deren Dispositionen informiert gewesen sei oder gar über Aufträge Dritter Kenntnis gehabt habe. Lediglich auf die Gesellschafter Q und P zu verweisen, könne nicht den gesamten Handelsumfang belegen.
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Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 25. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. August 2013 dahingehend abzuändern, dass zusätzliche Anschaffungskosten von 1.185.288 DM berücksichtigt werden,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21 
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Einstufung der Handlungsweise als Gestaltungsmissbrauch sei nicht davon abhängig, ob die „alte“  oder die „neue“ Fassung des § 42 AO zur Anwendung komme. Bereits in der Vorschrift des § 42 a. F. sei geregelt gewesen, dass durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden könne. Die Unangemessenheit im Sinne des § 42 AO in der im Streitjahr gültigen Fassung sei vorliegend darin zu sehen, dass der Kläger nach seinem Gesamtplan eine Rechtsposition erst schaffe und dann durch eine gegenläufige rechtliche Gestaltung die geschaffene Rechtsposition wieder ausgleiche, um auf diese Art und Weise seine Steuern zu mindern. Demgemäß könne auch eine Veräußerung und ein zeitnaher Rückerwerb zu einem einheitlichen Vorgang zusammengefasst und ein Gestaltungsmissbrauch angenommen werden, sofern sich der erstrebte Erfolg bei einer Gesamtbetrachtung als unangemessene Rechtsgestaltung darstelle. Bis heute fehle jeglicher plausible Vortrag des Klägers für die gewählte Gestaltung (unmittelbarer Ver- und Ankauf). Da bisher kein vernünftiger wirtschaftlicher Grund ersichtlich sei, spreche dies für eine sog. Umgehungsabsicht. Mit dem gleichzeitig erteilten Verkaufs- und Kaufauftrag habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er die Bezugsrechte behalten wollte. Auch die Tatsache, dass mehrere Personen zeitgleich denselben Sachverhalt (taggleicher Ver- und Ankauf von Bezugsrechten, wobei jeweils der Kaufauftrag vor dem Verkaufsauftrag gestellt wurde) verwirklichten, spreche eindeutig für ein geplantes Vorgehen. Dass sich steuerlich eine Verschlechterung einstellen würde, sei dem Kläger auch bereits zu diesem Zeitpunkt  bekannt gewesen.
22 
Ein potentielles Kursrisiko habe nicht bestanden. Ebenso habe ein mögliches Beschaffungsrisiko entgegen dem Klägervortrag gegen Null tendiert. Dies folge daraus, dass weitere Bezugsrechtsinhaber zeitgleich denselben Sachverhalt verwirklicht hätten. Daher hätten sie dem Kläger nicht zuvorkommen bzw. seinen Wiederkauf unmöglich machen können. Auch sei das Risiko, dass fremde Dritte Bezugsrechte kurz vor der Verwirklichung des „Gesamtplans“ orderten, als äußerst gering anzusehen gewesen. Durch die bewusste Stellung des Kaufauftrags vor dem Verkaufsauftrag am selben Tag habe der Kläger jegliches Preis- und Beschaffungsrisiko gegen Null reduziert.
23 
Mit Schreiben vom 2. September 2015 wandte sich das Gericht an das Bankhaus Z. Unter Beifügung einer Kopie des Kaufs- sowie des Verkaufsauftrags des Klägers vom 5. November 1998 bat es um Mitteilung, wie die Vergabe der jeweiligen Auftragsnummern vorgenommen wurde und was sich aus der Nummernvergabe hinsichtlich der Reihenfolge der Beauftragung ergebe. Ferner wurde um Ausführungen dazu gebeten, wie zur damaligen Zeit der Handel mit Bezugsrechten durch das Bankhaus über die Börse abgewickelt wurde. Mit Schreiben vom 17. September 2015 teilte die Bank Folgendes mit:
„Die Vergabe der Auftragsnummern - im vorliegenden Fall 66../98 (Kauf) und 67../98 (Verkauf) - erfolgte chronologisch nach einem fortlaufenden Modus durch das Börsenhandelssystem. Der Kauf erfolgte hier also vor dem Verkauf; am Ende wurde immer das Jahr (hier: 98) angedruckt.
Bei der Abrechnung hingegen lässt sich aus den Nummern - hier die Nr. 77../98 (Kauf) und Nr. 44../98 (Verkauf) - kein Rückschluss auf die zeitliche Abfolge der Orders ziehen. Diese wurden auf Basis der gesamten Orderbelege eines Tages ohne Einhaltung einer besonderen Reihenfolge im Backoffice abgerechnet, so dass im betreffenden Fall der Verkauf zufällig vor dem Kauf zur Abrechnung gelangte. Auch hier wurde am Ende der Nummer immer das Jahr (hier: 98) angedruckt.
Der Handel mit Bezugsrechten wurde entweder durch Eingabe in das Börsenhandelssystem erfasst oder direkt beim Makler telefonisch aufgegeben. Für Bezugsrechte gab es an der Präsenzbörse X eine Einheitskursfeststellung am Tag, d.h. alle Geschäfte eines Tages wurden bei Vollausführung zu demselben Kurs abgerechnet.
(…)“   
24 
Am 28. Oktober 2015 erging ein Beweisbeschluss (Bl. 109 f Klageakte), dass Beweis zu erheben sei über die Frage, wie der Verkauf und Kauf von Bezugsrechten des Klägers an der Y-Wertpapierhandelsaktiengesellschaft am 5. November 1998 abgewickelt wurde durch Vernehmung der beim Bankhaus Z beschäftigten Herren S. und K..
25 
Aufgrund des Beweisbeschlusses wurde in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2015 der Zeuge S. vernommen. Der Zeuge übergab dem Gericht die Protokolle über die telefonische Entgegennahme der Order des Klägers über den Verkauf sowie über den Kauf von 23.224 Bezugsrechten (Bl. 141 Klageakte). Kopien wurden für den Prozessbevollmächtigten und Beklagten gefertigt und übergeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie der Protokolle verwiesen. Auf die Vernehmung des Zeugen K. wurde im Einverständnis der Prozessbeteiligten verzichtet.
26 
Der Zeuge S. gab an, er sei im August 2000 beim Bankhaus Z eingetreten. Zu Beginn sei er in der Funktion des Börsenhändlers tätig gewesen. Bei der Bank gebe es Berater und (Börsen-)Händler. Wenn ein Kunde des Bankhauses über die Bank eine Order für ein Börsengeschäft aufgeben wolle, dann sei dies - im Jahr 1998 - folgendermaßen abgelaufen: Der Kunde rufe bei der Bank an, und zwar beim Berater, um eine Order aufzugeben. Dieser notiere die Daten auf einem Handzettel. Im Fall des Klägers sei es laut dem dem Gericht übergebenen Handzettel so gewesen, dass der Kläger am 4. November 1998 um 19.00 Uhr beim Berater des Bankhauses telefonisch eine Verkaufsorder über 23.224 Stück Bezugsrechte an der Y AG aufgegeben habe. Den Handzettel mit der Verkaufsorder habe der Berater in das Fach des Händlers für den nächsten Tag eingelegt. Es sei klar gewesen, dass an diesem Tag (4. November 1998) kein Handel mehr erfolgen würde. Am darauffolgenden Tag, dem 5. November 1998,  habe der Kläger um 8.30 Uhr abermals bei der Bank angerufen und dem Berater einen Kaufauftrag ebenfalls über 23.224 Stück Bezugsrechte erteilt.
27 
Der weitere Verlauf sei dann so, dass der Börsenhändler des Bankhauses alle Orderbelege für den Handelstag entgegennehme. Er müsse dann schauen, dass die Order rechtzeitig an der Börse seien. Bei diesem Vorgang bestehe insofern kein Zeitdruck, als der Kassakurs erst um 13.00 Uhr festgelegt werde. Der Börsenhändler des Bankhauses  müsse die ganzen Order in das Handelssystem eingeben. Im Streitfall habe der Händler beim Eintippen die zeitliche Reihenfolge des Eingangs der Order nicht beachtet. Dies ergebe sich daraus, dass die laufende  Auftragsnummer des Kaufes (66../98) vor der laufenden Auftragsnummer des Verkaufs (67../98) liege. Diese Auftragsnummern würden chronologisch nach der Eingabe in das Börsenhandelssystem vergeben. So sei auch das Schreiben des Bankhauses vom 17. September 2015 an das Gericht („Der Kauf erfolgte hier also vor dem Verkauf“) zu verstehen. „Kauf vor Verkauf“ heiße hier: Bei der Erfassung durch den Börsenhändler bei der Bank sei der Kaufauftrag vor dem Verkaufsauftrag eingegeben worden. Die beiden Aufträge des Klägers seien - unabhängig davon - in einen „Topf“ gekommen. Nach Kassaschluss um 13.00 Uhr - etwa gegen 14.00 Uhr - wisse man dann, ob der Auftrag Erfolg gehabt habe und wenn ja, zu welchem Kurs. Es komme vor, dass Order nicht ausgeführt werden könnten. Der Kläger habe an dem Tag mehr Verkäufe als Käufe getätigt. Es hätte im Fall des Klägers theoretisch auch sein können, dass die Kauforder des Klägers fehlschlage bzw., dass der Kläger auf einer Seite „sitzenbleibe“. Es sei nicht nur der Kläger Akteur im Bezugsrechtehandel gewesen.
28 
Auf die Frage des Gerichts, wie ein Dritter davon erfahre, dass der Kläger an diesem Tag diese Menge „auf den Markt wirft“, erklärte der Zeuge, dies könne ein Dritter nicht wissen. Der Dritte müsse seine Order hinsichtlich der Bezugsrechte abgeben. Auf die weitere Frage des Gerichts, ob die Gefahr groß gewesen sei, dass der Wiederkauf der verkauften Bezugsrechte durch den Kläger scheitere, meinte der Zeuge, das könne er nicht sagen. Dies hänge vom Tagesumsatz ab, der bis Skontroschluss erfolge. Es komme durchaus vor, dass Stücke getauscht würden, etwa - z.B. bei Eheleuten - von einem Depot ins andere. Damals habe man weniger davon ausgehen können als heute, dass so etwas klappe. Heute sei das sicherer. Früher sei es häufiger zu Kurszusätzen gekommen. Auf die Frage nach dem Wiederbeschaffungsrisiko führte der Zeuge aus, dieses könne man grundsätzlich nicht ausschließen. Konkret zur Höhe des Risikos könne er im Streitfall nichts sagen. Der Makler an der Börse versuche generell, einen größtmöglichen Umsatz herzustellen. Der Makler sehe daher danach, was zueinander passe. Im Jahr 1998 sei es an der Börse wohl nicht nach Eingang gegangen. Nach Skontroschluss werde angezeigt, wenn Order auf Verkäufer- oder Käuferseite nicht zur Vollausführung kommen konnten.
29 
Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf die Steuerakten, die im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 27. Juni 2015 verwiesen. Bezüglich der weiteren Aussage des Zeugen wird auf den Inhalt der Tonträgeraufzeichnung und des Protokolls der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid aufheben oder ändern, wenn dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der angegriffene Bescheid ist jedoch rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung zusätzlicher Anschaffungskosten des Klägers in Höhe von 1.185.288 DM unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO wegen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt.
31 
a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 EStG (Anmerkung des Dokumentars: gemeint wohl § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in der im Streitjahr gültigen Fassung unterliegen private Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern (als den in Nr. 1 der Vorschrift genannten Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten), insbesondere bei Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung  unter Beachtung des auch insoweit geltenden Grundsatzes der Nämlichkeit (vgl. BFH-Urteil  vom 25. August 2009 IX R 60/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE -  226, 252, Bundessteuerblatt - BStBl - II, 2009, 999 m.w.Nachw.) nicht mehr als ein Jahr beträgt (sog. gestreckter oder zweiaktiger Tatbestand; vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284). Das gilt auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. auch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830). Veräußerungsverluste sind nach § 23 Abs. 3 EStG indes nur eingeschränkt zu berücksichtigen. Durch dieses in sich geschlossene und aufeinander abgestimmte System der Verlustnutzung und -begrenzung sollen u.a. Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere missbräuchliche Gestaltungen i.S. des § 42 AO verhindert werden (vgl. zum Ganzen: BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, a.a.O.).
32 
b) Der Kläger hat zwar im Streitfall - isoliert betrachtet - am 5. November 1998 eine Stückzahl von 24.223 (Anmerkung des Dokumentars: laut Tatbestand 23.224) Bezugsrechten an der Y AG erworben, so dass durch eine (Wieder-)Veräußerung der auf dieser Grundlage bezogenen jungen Aktien innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist des § 23 EStG im darauffolgenden Streitjahr 1999 grundsätzlich die im Zusammenhang mit diesem Erwerb stehenden Anschaffungskosten steuermindernd zu berücksichtigen wären. Soweit vorliegend gleichzeitig die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 EStG in Betracht kommt, findet letzterer gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung keine Anwendung („§ 17 ist nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 vorliegen“).
33 
Indem der Kläger am 5. November 1998 jedoch identische Bezugsrechte in der o.g. Höhe veräußert hat, haben sich im Ergebnis die Wirkungen der beiden Transaktionen  neutralisiert. Dies stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.
34 
c) Nach § 42 AO in der im Streitjahr gültigen Fassung kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
35 
Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 27.Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359 m.w.Nachw für das dortige Streitjahr 1996). Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des BFH kann daher ein steuerlich erheblicher Aufwand dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Gesamtplan des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung mit dem Aufwand vermieden werden soll. Ist aufgrund dieser zusammenfassenden - wirtschaftlichen - Betrachtung eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung zu bejahen, entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Satz 2 AO in der im Streitjahr gültigen Fassung entsprechend einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, a.a.O). Dabei ist es unerheblich, dass im Streitjahr noch die „alte“ Fassung des mit dem Jahressteuergesetz 2008 geänderten § 42 AO Anwendung findet. Die geänderte gesetzliche Definition des Missbrauchs enthält keine über die damalige Formel der Rechtsprechung hinausgehenden Elemente (Ratschow in Klein, AO, 12. Auflage, § 42 Rz. 45).
36 
d) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vor.
37 
Aus der Aussage des Zeugen S. und aus den vom Zeugen vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger am Abend des 4. November 1998 um 19 Uhr - also eindeutig nach Handelsschluss dieses Tages - bei seinem Bankberater telefonisch einen Verkaufsauftrag über 23.224 Stück Bezugsrechte an der Y AG erteilt hat. Am darauffolgenden Tag um 8.30 Uhr erteilte er auf dieselbe Weise einen Kaufauftrag über dieselbe Anzahl von Bezugsrechten, also einen entgegengesetzten Auftrag, der faktisch den vorigen Auftrag im Ergebnis negieren und somit wirtschaftlich neutralisieren sollte. Der Kläger, der als selbständigen Börsenmakler mit den Gepflogenheiten der Börse bestens vertraut war, handelte in diesem Zusammenhang aufgrund eines Gesamtplans, der die gegenläufige Gestaltung von Rechtsgeschäften zum Inhalt hatte. Er hatte das Ziel, die Bezugsrechte in der genannten Stückzahl im Prinzip weiterhin zu halten. Durch die praktisch gleichzeitig -  ohne dazwischenliegenden Handelstag - erteilten Aufträge sollte nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass der Kläger die in einem ersten Schritt, am Abend des 4. Novembers 1989 zum Verkauf angewiesenen Bezugsrechte unmittelbar wieder erwerben konnte. Nach der eindeutigen Aussage des Zeugen, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen,  wurden am 5. November 1989 gemäß der damaligen Handhabung durch das beauftragte Bankhaus beide Aufträge, ungeachtet der Tatsache, dass der eine Auftrag am Vorabend, der nächste erst am nächsten Morgen erteilt wurde, durch den Börsenhändler des Bankhauses ohne Beachtung einer zeitlichen Reihenfolge in das Börsenhandelssystem eingegeben.
38 
Zwar ist grundsätzlich nicht maßgeblich, aus welchen Gründen der Vorgang der Veräußerung bzw. des Erwerbs durch den Inhaber von Wertpapieren vorgenommen, also der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird. Durch die vorliegende Vorgehensweise des Klägers sollte jedoch der wirtschaftliche Vorgang der Veräußerung faktisch ungeschehen gemacht werden. Es kam ihm offensichtlich allein darauf an, die steuerlichen Folgen eines Veräußerungs- sowie eines sich anschließenden Erwerbsvorgangs zu realisieren, nicht aber die zivilrechtlichen Konsequenzen hiervon - den endgültigen Verlust der Inhaberschaft der Bezugsrechte - herbeizuführen. Diese Gestaltung hatte erkennbar den einzigen Zweck - ein anderer (außersteuerlicher) Grund wurde von Klägerseite weder vorgetragen noch ist ein solcher aus dem Sachverhalt anderweitig ersichtlich - „pro forma“ einen Anschaffungsvorgang herbeizuführen, um die im Streitfall für den Kläger positiven steuerlichen Konsequenzen, nämlich bei der beabsichtigten Veräußerung der mit den Bezugsrechten erworbenen jungen Aktien höhere Anschaffungskosten i.S. des § 23 EStG ausweisen zu können.
39 
Dem Steuerpflichtigen bleibt es grundsätzlich unbenommen, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass die steuerliche Belastung möglichst gering ist. Sinn und Zweck des § 23 EStG ist es zwar, realisierte Wertänderungen (in Gestalt von Veräußerungsgewinnen und -verlusten) aus verhältnismäßig kurzen Wertdurchgängen eines Wirtschaftsgutes im Privatvermögen des Steuerpflichten der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl II 2009, 999). Hierdurch sollen nach Ansicht des Senats allerdings solche Vorgänge nicht erfasst werden, die nur formal eine Veräußerung bzw. einen Erwerb darstellen, jedoch als solche vom Steuerpflichtigen gar nicht gewollt sind und durch gegenläufiges Handeln augenblicklich ungeschehen gemacht werden. Durch den sich im Ergebnis neutralisierenden Ver- und Ankauf der Bezugsrechte am 5. November 1998 hat der Kläger den Gewinn i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG aus der im Streitjahr erfolgten Veräußerung der jungen Aktien auf unangemessene und vom Gesetzgeber nicht akzeptierte Weise gemindert. Es ist daher geboten, die vom Kläger innegehabten 23.224 Stück Bezugsrechte vor und nach den am 5. November 1989 durchgeführten Transaktionen als identisch anzusehen, mithin eine Zäsur zwischen den beiden Rechtsgeschäften zu verneinen.
40 
Anders als bei den zum Börsenhandel mit Aktien höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen der taggleiche Rückkauf zu einem vom Verkauf abweichenden Kurswert vorgenommen wurde und schon aus diesem Grund unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beide Rechtsgeschäfte als eigenständige und damit separat zu beurteilende Vorgänge qualifiziert wurden (u.a. BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, a.a.O.), lag im Streitfall ein derartiges Kursrisiko nicht vor. Beim Bezugsrechtehandel am 5. November 1998 wurde nur ein Kassakurs festgestellt. Eine Verneinung der Identität der Bezugsrechte bereits allein aufgrund unterschiedlicher Kurswerte, woraus wirtschaftlich eine Zäsur zwischen Ver- und Ankauf folgen würde, scheidet vorliegend aus.
41 
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich, ob im Streitfall das vom Zeugen bei seiner Vernehmung nicht ausgeschlossene sog. Wiederbeschaffungsrisiko bestand und - sollte es vorgelegen haben -  wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass der Plan des Klägers, den Ver- und Ankauf zeitgleich zu verwirklichen, misslang. Maßgebend ist allein, dass der unangemessene Plan des Klägers, den Ver- und Ankauf an einem Handelstag zu realisieren, um hieraus allein steuerliche Vorteile herzuleiten, erfolgreich gewesen ist. Mangels unterschiedlicher Preise fehlen vorliegend jegliche Gründe, die Nämlichkeit der 23.224 Stück Bezugsrechte jeweils vor und nach den Transaktionen des 5. November 1998 zu verneinen. Ein Kursrisiko, das die Schlussfolgerung gestatten würde, dass Ver- und Ankauf unabhängig voneinander zu beurteilen sind, wurde im Streitfall von vornherein nicht eingegangen.
42 
Nicht zuletzt spricht auch die Tatsache, dass die damaligen Mitaktionäre des Klägers Q und P zeitgleich ebensolche Transaktionen - Verkauf und Ankauf von Bezugsrechten ebenfalls in identischer Höhe - vornahmen, dafür, dass ein geplantes, sogar konzertiertes Vorgehen erfolgte, mit dem einzigen Ziel, steuerliche Vorteile zu schaffen. Der Senat schließt es auch aus, dass ein außenstehender Dritter von den geplanten Transaktionen Kenntnis erlangen und diese durch den Ankauf der Bezugsrechte zum Scheitern bringen konnte.
43 
Im Ergebnis hat der Kläger im Streitfall in unangemessener Weise Anschaffungskosten geschaffen, die unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Anerkennung finden können.
44 
e) Im Streitfall konnte der angegriffene Steuerbescheid auch gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden.
45 
Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Als Tatsache in diesem Sinne ist alles zu verstehen, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also - entscheidungsrelevante - Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller und immaterieller Art, Vorgänge der Seinswelt im Gegensatz zu Elementen des Schlussfolgerns, des Subsumierens, des Wertens und Beurteilens (vgl. v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 173 Rz. 66 m.w.Nachw.). Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn die Finanzbehörde bei Erlass des zu ändernden Bescheids die maßgebliche Tatsache noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2). Im Streitfall erfuhr der Beklagte erst im Wege der Kontrollmitteilung des Finanzamts A vom 28. November 2002 davon, dass der Kläger „als Aktionär der Y-AG im Jahr 1998 Bezugsrechte verkauft und gleichzeitig wieder gekauft“ hatte. Sowohl zum Zeitpunkt des Ergehens des erstmaligen Einkommensteuerbescheids 1999 am 1. Februar 2001 als auch bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 15. März 2002 war dem Beklagten diese Tatsache nicht bekannt.
46 
2. Die Kosten des Verfahrens trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO der Kläger.
47 
3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Gründe

 
30 
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid aufheben oder ändern, wenn dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der angegriffene Bescheid ist jedoch rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die Berücksichtigung zusätzlicher Anschaffungskosten des Klägers in Höhe von 1.185.288 DM unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO wegen Gestaltungsmissbrauch abgelehnt.
31 
a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 EStG (Anmerkung des Dokumentars: gemeint wohl § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) in der im Streitjahr gültigen Fassung unterliegen private Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern (als den in Nr. 1 der Vorschrift genannten Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten), insbesondere bei Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung  unter Beachtung des auch insoweit geltenden Grundsatzes der Nämlichkeit (vgl. BFH-Urteil  vom 25. August 2009 IX R 60/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE -  226, 252, Bundessteuerblatt - BStBl - II, 2009, 999 m.w.Nachw.) nicht mehr als ein Jahr beträgt (sog. gestreckter oder zweiaktiger Tatbestand; vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284). Das gilt auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. auch Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830). Veräußerungsverluste sind nach § 23 Abs. 3 EStG indes nur eingeschränkt zu berücksichtigen. Durch dieses in sich geschlossene und aufeinander abgestimmte System der Verlustnutzung und -begrenzung sollen u.a. Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere missbräuchliche Gestaltungen i.S. des § 42 AO verhindert werden (vgl. zum Ganzen: BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, a.a.O.).
32 
b) Der Kläger hat zwar im Streitfall - isoliert betrachtet - am 5. November 1998 eine Stückzahl von 24.223 (Anmerkung des Dokumentars: laut Tatbestand 23.224) Bezugsrechten an der Y AG erworben, so dass durch eine (Wieder-)Veräußerung der auf dieser Grundlage bezogenen jungen Aktien innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist des § 23 EStG im darauffolgenden Streitjahr 1999 grundsätzlich die im Zusammenhang mit diesem Erwerb stehenden Anschaffungskosten steuermindernd zu berücksichtigen wären. Soweit vorliegend gleichzeitig die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 EStG in Betracht kommt, findet letzterer gemäß § 23 Abs. 2 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung keine Anwendung („§ 17 ist nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 vorliegen“).
33 
Indem der Kläger am 5. November 1998 jedoch identische Bezugsrechte in der o.g. Höhe veräußert hat, haben sich im Ergebnis die Wirkungen der beiden Transaktionen  neutralisiert. Dies stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.
34 
c) Nach § 42 AO in der im Streitjahr gültigen Fassung kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
35 
Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 27.Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359 m.w.Nachw für das dortige Streitjahr 1996). Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des BFH kann daher ein steuerlich erheblicher Aufwand dann nicht anerkannt werden, wenn er nach dem Gesamtplan des Steuerpflichtigen durch gegenläufige Rechtsakte erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung mit dem Aufwand vermieden werden soll. Ist aufgrund dieser zusammenfassenden - wirtschaftlichen - Betrachtung eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung zu bejahen, entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Satz 2 AO in der im Streitjahr gültigen Fassung entsprechend einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, a.a.O). Dabei ist es unerheblich, dass im Streitjahr noch die „alte“ Fassung des mit dem Jahressteuergesetz 2008 geänderten § 42 AO Anwendung findet. Die geänderte gesetzliche Definition des Missbrauchs enthält keine über die damalige Formel der Rechtsprechung hinausgehenden Elemente (Ratschow in Klein, AO, 12. Auflage, § 42 Rz. 45).
36 
d) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall liegt ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO vor.
37 
Aus der Aussage des Zeugen S. und aus den vom Zeugen vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger am Abend des 4. November 1998 um 19 Uhr - also eindeutig nach Handelsschluss dieses Tages - bei seinem Bankberater telefonisch einen Verkaufsauftrag über 23.224 Stück Bezugsrechte an der Y AG erteilt hat. Am darauffolgenden Tag um 8.30 Uhr erteilte er auf dieselbe Weise einen Kaufauftrag über dieselbe Anzahl von Bezugsrechten, also einen entgegengesetzten Auftrag, der faktisch den vorigen Auftrag im Ergebnis negieren und somit wirtschaftlich neutralisieren sollte. Der Kläger, der als selbständigen Börsenmakler mit den Gepflogenheiten der Börse bestens vertraut war, handelte in diesem Zusammenhang aufgrund eines Gesamtplans, der die gegenläufige Gestaltung von Rechtsgeschäften zum Inhalt hatte. Er hatte das Ziel, die Bezugsrechte in der genannten Stückzahl im Prinzip weiterhin zu halten. Durch die praktisch gleichzeitig -  ohne dazwischenliegenden Handelstag - erteilten Aufträge sollte nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass der Kläger die in einem ersten Schritt, am Abend des 4. Novembers 1989 zum Verkauf angewiesenen Bezugsrechte unmittelbar wieder erwerben konnte. Nach der eindeutigen Aussage des Zeugen, an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen,  wurden am 5. November 1989 gemäß der damaligen Handhabung durch das beauftragte Bankhaus beide Aufträge, ungeachtet der Tatsache, dass der eine Auftrag am Vorabend, der nächste erst am nächsten Morgen erteilt wurde, durch den Börsenhändler des Bankhauses ohne Beachtung einer zeitlichen Reihenfolge in das Börsenhandelssystem eingegeben.
38 
Zwar ist grundsätzlich nicht maßgeblich, aus welchen Gründen der Vorgang der Veräußerung bzw. des Erwerbs durch den Inhaber von Wertpapieren vorgenommen, also der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird. Durch die vorliegende Vorgehensweise des Klägers sollte jedoch der wirtschaftliche Vorgang der Veräußerung faktisch ungeschehen gemacht werden. Es kam ihm offensichtlich allein darauf an, die steuerlichen Folgen eines Veräußerungs- sowie eines sich anschließenden Erwerbsvorgangs zu realisieren, nicht aber die zivilrechtlichen Konsequenzen hiervon - den endgültigen Verlust der Inhaberschaft der Bezugsrechte - herbeizuführen. Diese Gestaltung hatte erkennbar den einzigen Zweck - ein anderer (außersteuerlicher) Grund wurde von Klägerseite weder vorgetragen noch ist ein solcher aus dem Sachverhalt anderweitig ersichtlich - „pro forma“ einen Anschaffungsvorgang herbeizuführen, um die im Streitfall für den Kläger positiven steuerlichen Konsequenzen, nämlich bei der beabsichtigten Veräußerung der mit den Bezugsrechten erworbenen jungen Aktien höhere Anschaffungskosten i.S. des § 23 EStG ausweisen zu können.
39 
Dem Steuerpflichtigen bleibt es grundsätzlich unbenommen, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass die steuerliche Belastung möglichst gering ist. Sinn und Zweck des § 23 EStG ist es zwar, realisierte Wertänderungen (in Gestalt von Veräußerungsgewinnen und -verlusten) aus verhältnismäßig kurzen Wertdurchgängen eines Wirtschaftsgutes im Privatvermögen des Steuerpflichten der Einkommensteuer zu unterwerfen (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl II 2009, 999). Hierdurch sollen nach Ansicht des Senats allerdings solche Vorgänge nicht erfasst werden, die nur formal eine Veräußerung bzw. einen Erwerb darstellen, jedoch als solche vom Steuerpflichtigen gar nicht gewollt sind und durch gegenläufiges Handeln augenblicklich ungeschehen gemacht werden. Durch den sich im Ergebnis neutralisierenden Ver- und Ankauf der Bezugsrechte am 5. November 1998 hat der Kläger den Gewinn i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG aus der im Streitjahr erfolgten Veräußerung der jungen Aktien auf unangemessene und vom Gesetzgeber nicht akzeptierte Weise gemindert. Es ist daher geboten, die vom Kläger innegehabten 23.224 Stück Bezugsrechte vor und nach den am 5. November 1989 durchgeführten Transaktionen als identisch anzusehen, mithin eine Zäsur zwischen den beiden Rechtsgeschäften zu verneinen.
40 
Anders als bei den zum Börsenhandel mit Aktien höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen der taggleiche Rückkauf zu einem vom Verkauf abweichenden Kurswert vorgenommen wurde und schon aus diesem Grund unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beide Rechtsgeschäfte als eigenständige und damit separat zu beurteilende Vorgänge qualifiziert wurden (u.a. BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 60/07, a.a.O.), lag im Streitfall ein derartiges Kursrisiko nicht vor. Beim Bezugsrechtehandel am 5. November 1998 wurde nur ein Kassakurs festgestellt. Eine Verneinung der Identität der Bezugsrechte bereits allein aufgrund unterschiedlicher Kurswerte, woraus wirtschaftlich eine Zäsur zwischen Ver- und Ankauf folgen würde, scheidet vorliegend aus.
41 
Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich, ob im Streitfall das vom Zeugen bei seiner Vernehmung nicht ausgeschlossene sog. Wiederbeschaffungsrisiko bestand und - sollte es vorgelegen haben -  wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass der Plan des Klägers, den Ver- und Ankauf zeitgleich zu verwirklichen, misslang. Maßgebend ist allein, dass der unangemessene Plan des Klägers, den Ver- und Ankauf an einem Handelstag zu realisieren, um hieraus allein steuerliche Vorteile herzuleiten, erfolgreich gewesen ist. Mangels unterschiedlicher Preise fehlen vorliegend jegliche Gründe, die Nämlichkeit der 23.224 Stück Bezugsrechte jeweils vor und nach den Transaktionen des 5. November 1998 zu verneinen. Ein Kursrisiko, das die Schlussfolgerung gestatten würde, dass Ver- und Ankauf unabhängig voneinander zu beurteilen sind, wurde im Streitfall von vornherein nicht eingegangen.
42 
Nicht zuletzt spricht auch die Tatsache, dass die damaligen Mitaktionäre des Klägers Q und P zeitgleich ebensolche Transaktionen - Verkauf und Ankauf von Bezugsrechten ebenfalls in identischer Höhe - vornahmen, dafür, dass ein geplantes, sogar konzertiertes Vorgehen erfolgte, mit dem einzigen Ziel, steuerliche Vorteile zu schaffen. Der Senat schließt es auch aus, dass ein außenstehender Dritter von den geplanten Transaktionen Kenntnis erlangen und diese durch den Ankauf der Bezugsrechte zum Scheitern bringen konnte.
43 
Im Ergebnis hat der Kläger im Streitfall in unangemessener Weise Anschaffungskosten geschaffen, die unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Anerkennung finden können.
44 
e) Im Streitfall konnte der angegriffene Steuerbescheid auch gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden.
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Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Als Tatsache in diesem Sinne ist alles zu verstehen, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also - entscheidungsrelevante - Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller und immaterieller Art, Vorgänge der Seinswelt im Gegensatz zu Elementen des Schlussfolgerns, des Subsumierens, des Wertens und Beurteilens (vgl. v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 173 Rz. 66 m.w.Nachw.). Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn die Finanzbehörde bei Erlass des zu ändernden Bescheids die maßgebliche Tatsache noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2). Im Streitfall erfuhr der Beklagte erst im Wege der Kontrollmitteilung des Finanzamts A vom 28. November 2002 davon, dass der Kläger „als Aktionär der Y-AG im Jahr 1998 Bezugsrechte verkauft und gleichzeitig wieder gekauft“ hatte. Sowohl zum Zeitpunkt des Ergehens des erstmaligen Einkommensteuerbescheids 1999 am 1. Februar 2001 als auch bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 15. März 2002 war dem Beklagten diese Tatsache nicht bekannt.
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2. Die Kosten des Verfahrens trägt gemäß § 135 Abs. 1 FGO der Kläger.
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3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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