Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 3 K 3974/14

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 6. April 2016 wird die Einkommensteuer auf x.xxx EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 44 v.H., der Kläger zu 56 v.H. tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Für den Veranlagungszeitraum 2012 (Streitjahr) wird der Kläger allein zur Einkommen-steuer veranlagt.
[ … ]
Der Kläger hat im Jahr 1996 das Gebäude ... gasse x in A/Markgräflerland -ein Haus aus dem xx. Jahrhundert (ohne Telefonanschluss)- zu einem Kaufpreis von xxx.xxx DM zur Selbstnutzung erworben (s. den Kaufvertrag vom xx.xx 1996, Bl. 8 ff. der Akte zur Eigenheimzulage). Er bemühte sich vergeblich darum, das Gebäude zu veräußern. Nach den Angaben des Klägers macht ein einem Dritten an einem Teil des Grundstücks eingeräumtes Nutzungsrecht einen Verkauf bisher nicht möglich (Hinweis auf §§ 1 und 5 Abs. 1 des Kaufvertrags). Auch im Streitjahr wohnte der Kläger in dem Gebäude (wegen weiterer Einzelheiten s. B.I. der Niederschrift I).
Inzwischen ist unter den Beteiligten zu Recht unstreitig, dass der Kläger im Streitjahr in A seinen Wohnsitz hatte und nach Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) -DBA-Schweiz 1971- in der Fassung des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) -DBA-Schweiz 1992- ansässig war.
Der Kläger ist seit Jahren im Chor des Opernhauses Y als Chortenor beschäftigt (vgl. hierzu: B.IV.2. der Niederschrift I). Das Opernhaus Y ist in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (nach Schweizer Recht) privatrechtlich organisiert (s. den Handelsregisterauszug lt. www.moneyhouse.ch, Bl. 257-266 der FG-Akten 3 K 4277/12; s. die Angaben in: de.wikipedia.org., Bl. 227 ff. der FG-Akten 3 V 3113/13).
Der Chor der Oper Y (s. hierzu: www.[ … ]), dessen Direktor im Streitjahr D war, setzt sich im Wesentlichen zusammen aus:
1. ca. x festangestellten Sängerinnen und Sängern,
2. (professionellen) Sängerinnen und Sängern, die durch sog. Chorzuzügerverträge für konkrete Opernprojekte verpflichtet werden (vgl. Anlage K5 zum Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016) und
3. aus semiprofessionellen Sängerinnen und Sängern des Zusatzchors des Opernhauses Y ([ … ]-).
Zu den Sängern, die durch Chorzuzügerverträge verpflichtet werden, gehört seit jeher und auch im Streitjahr der Kläger (zu diesem Konzept: Schreiben des Opernhauses Y vom April 2012, Bl. 4 der FG-Akten 3 K 4277/12; vgl. im Übrigen die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 8. Juli 2015, Bl. 121 der FG-Akten). Der Kläger gehört seit 20 Jahren als Chorzuzüger dem Opernchor des Opernhauses Y an (zunächst neben Engagements am Theater S und Theater P [sog. Dreispartenhäuser -u.a. auch Oper-]). Seit 2007 singt er ausschließlich im Opernchor des Opernhauses Y. Auf die dem Finanzgericht (FG) zur Verfügung gestellten CDs mit vom Kläger gesungenen Liedern und Arien wird Bezug genommen.
Für den Zeitraum vom 25. August 2011 bis 31. Oktober 2011 hatte der Kläger einmalig als Krankheitsersatz (ausnahmsweise) einen Arbeitsvertrag abgeschlossen (s. den Vertrag vom 27. September 2011).
10 
Die Chorzuzügerverträge werden sowohl mit in der Schweiz als auch im Ausland (insbesondere in Süddeutschland) ansässigen Sängerinnen und Sängern abgeschlossen. Der Chordirektion liegt eine Liste von Sängerinnen und Sängern vor, die für eine Tätigkeit auf der Grundlage eines Chorzuzügervertrages in Betracht kommen. Für eine Verpflichtung ist im Einzelfall entscheidend, dass die festangestellten Sängerinnen und Sänger des Opernchores nicht ausreichen.
11 
Der Kläger hat für das Streitjahr (wie auch in den Jahren zuvor und danach) eine Reihe von Chorzuzügeverträgen mit dem Opernhaus Y abgeschlossen. Sie betreffen seine Mitwirkung an folgenden Opern im Streitjahr (s. Anlage K5 zum Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, Bl. 162 ff. der FG-Akten bzw. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 5. August 2014, Bl. 3, 18-24 der Rechtsbehelfsakten -Rb-Akten-):
12 
[ … ]
13 
In den Chorzuzügerverträgen wurde der Kläger verpflichtet, seine Partie vor der ersten Probe einzustudieren. Der Kläger war früher an der Oper M verpflichtet gewesen und hat ca. 100 Partien bei dem Chorleiter W studiert, die er auch präsent hat (s. B.IV.1. der Niederschrift I; Seite 2 des Artikels in der [ … ]; Bl. 25, 26 der Rb-Akten).
14 
Des Weiteren werden in den Chorzuzügerverträgen die Vorstellungs- und die Probentermine festgelegt, wobei insbesondere für Proben häufig zusätzliche Termine angeordnet werden (im täglichen, im Opernhaus Y ausgehängten Probenplan). Bei den Proben handelt es sich im Einzelnen um Klavierhauptproben (KHP), Generalproben (GP), Hauptproben mit Orchester (HPO), Musikalische Proben (MP), Orchestersitzproben (OS) und Bühnenorchesterproben (BO).
15 
Die Proben finden nicht nur im Opernhaus Y statt, sondern u.a. im H-Saal, bzw. im Orchesterprobesaal X in Y (s. B.IV.4. der Niederschrift I). [ … ] Die Bühnenorchester- und Generalproben finden immer im Opernhaus Y statt (vgl. hierzu die Feststellungen lt. B.IV.4.-6. der Niederschrift I bzw. zu II. und III. der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. Februar 2016 im vorliegenden Verfahren -Niederschrift II bzw. Erörterungstermin II-). Nach den Feststellungen des erkennenden Senats finden auch die Generalproben beim Opernhaus Y ohne Publikumsbeteiligung statt.
16 
Für die Opernchorsänger (wie den Kläger) gelten folgende Regelarbeitszeiten (Hinweis auf die Bestätigung des Opernhauses Y vom 12. März 2013, Bl. 139 der FG-Akten 3 K 4277/12):
17 
Mittwoch - Samstag: 10.00 - 13.00 Uhr musikalische oder szenische Probenarbeiten (Endproben können bis 15.00 Uhr dauern);
Dienstag und Samstag: 18.00 - 21.00 Uhr Probenarbeiten (Vorstellungen können bis 23.00 Uhr dauern);
Sonntag: 19.00 - 23.00 Uhr (Vorstellungen; manchmal auch Nachmittagsvorstellungen ab 14.00 Uhr oder Doppelvorstellungen ab 14.00 Uhr und 19.00 Uhr).
18 
Der Montag- und Dienstagvormittag sind frei. Bei Vorstellungen haben die Chorsängerinnen und -sänger 45 Minuten vor deren Beginn anwesend zu sein. Das Opernhaus Y verlassen können die Chorsängerinnen und -sänger regelmäßig erst ca. 30 Minuten nach der jeweiligen Vorstellung (s. B.V.2. der Niederschrift I). Auch bei den Probenterminen ist der Kläger ca. 30 Minuten vor Probenbeginn anwesend, um sich „stimmtechnisch“ vorzubereiten (s. Schriftsatz des Klägers vom 15. Dezember 2012, Bl. 1 ff. der FG-Akten 3 K 4277/12). Die Regelarbeitszeiten wurden auch im Streitjahr erheblich überschritten (s. die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 10. September 2013, Bl. 22 der Hilfsakte -H-Akte-).
19 
Das Opernhaus Y rechnete entsprechend den Vereinbarungen in den Chorzuzügerverträgen (a.a.O. zu: Honorar) die Vergütungen des Klägers getrennt nach Teilnahmen an Vorstellungen (Aufführungen) und Proben ab (s. die Angaben in den Lohnabrechnungen für die einzelnen Monate des Streitjahres: Anlage K1 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 221, 228-230 der FG-Akten; Anlage K5 zum Schriftsatz vom 5. August 2014 des Klägers, Bl. 3, 29-53 der Rechtsbehelfsakten -Rb-Akten-; Hinweis im Übrigen auf die vom Kläger handschriftlich angefertigte „Gagenabrechnung für die Aufführungen“ lt. Bl. 34 der H-Akte; Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 223, 233 der FG-Akten).
20 
Das Opernhaus Y und der Kläger leisteten jeweils Beiträge in die Schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung bzw. Invalidenversicherung (AHV/IV) und in die Schweizerische Arbeitslosenversicherung -ALV- (s. die Angaben in den monatlichen Gehaltsabrechnungen für das Streitjahr zu Zeile 75, 78 und 83 der Anlage N zur Einkommensteuererklärung für das Streitjahr, Anlage K5 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 221, 237 der FG-Akten). Seit dem xx.xx. 2014 erhält der Kläger von der AHV/IV eine monatliche Altersrente von x.xxx CHF (Bl. 38 der FG-Akten).
21 
Des Weiteren war der Kläger -wie alle in der Schweiz beschäftigten „Arbeitnehmenden“ (Arbeitnehmer)- obligatorisch in der Berufsunfallversicherung und (da seine Arbeitszeit beim Opernhaus Y mindestens 8 Stunden betrug) in der Nichtberufsunfallversicherung versichert (s. die Chorzuzügerverträge zu: Unfallversicherung). Das Opernhaus Y trug die Prämien für die obligatorische Versicherung der Berufsunfälle (einschließlich der Unfälle auf dem Arbeitsweg) und Berufskrankheiten, der Kläger die Prämien für die obligatorische Versicherung gegen Nichtberufsunfälle (z.B. Freizeitunfälle: Hinweis auf die monatlichen Lohnabrechnungen für das Streitjahr). Versicherer war die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Versicherungsnehmer das Opernhaus Y und Versicherter der Kläger. Zur Schweizerischen Unfallversicherung: Scartazzini/Hürzeler, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl., § 17 Seite 450 ff. (im Folgenden: Scartazzini/Hürzeler) mit umfangreichen Nachweisen.
22 
Soweit in den für das Streitjahr vorgelegten Chorzuzügerverträgen (zu: Unfallversicherung) auf das „Informationsblatt von Arbeitnehmern mit Wohnsitz in der EG“ Bezug genommen wird, hat diese Bezugnahme seit dem Inkrafttreten der Bestimmungen des zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits geschlossenen Abkommens über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999 (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Abkommen EG–Schweiz bzw. FZA) zum 1. Juni 2002 keine Bedeutung mehr. Insoweit ergeben sich die für die Sozialversicherungen maßgeblichen Rechtsgrundlagen auch für in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer aus den konsolidierten Fassungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern und (EG) Nr. 574/72 (Anhang II FZA) und ab dem 31. März des Streitjahres aus den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (mit Anhängen). Veröffentlicht sind diese Verordnungen in der Systematischen Rechtssammlung (SR; www.admin.ch zu: Bundesrecht).
23 
Der Kläger war im Streitjahr bei der S Schweizerische Krankenkasse privat krankenversichert. Die Prämien für diese Versicherung zahlte -entsprechend der Schweizer Rechtslage- ausschließlich der Kläger (Hinweis auf das Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 3 K 3835/11, juris).
24 
In den an den Kläger vom Opernhaus Y gezahlten Vergütungen ist jeweils eine „Ferienentschädigung“ von 11,5 % enthalten (s. die Chorzuzügerverträge zu: Honorar). In der Schweiz wird es als rechtlich zulässig erachtet, bei sehr unregelmäßiger Arbeitsleistung oder bei sehr kurzem Arbeitseinsatz eines Arbeitnehmers (wie z.B. im Streitfall) den Lohn für die Ferienzeit in die regulären Lohnabrechnungen einzurechnen (s. Ullin Steiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 6. Aufl., Art. 329d N9 mit umfangreichen Nachweisen insbesondere auch zur Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts -BGer-).
25 
Der Kläger war im Streitjahr in der deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg versichert. Seit dem xx.xx. 2014 erhält er eine Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von monatlich xxx,xx EUR (Hinweis auf den Rentenbescheid vom 8. Mai 2014, Bl. 36 der FG-Akten). Im Übrigen war der Kläger Mitglied der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (Bayerische Versorgungskammer), von der er seit dem xx.xx. 2014 ein flexibles Altersruhegeld in Höhe von monatlich xxx,xx EUR erhält (s. den Bescheid vom 8. April 2014, Bl. 37 der FG-Akten).
26 
Vom Arbeitslohn des Klägers wurde vom Opernhaus Y Schweizerische Quellensteuer „für Künstler“ (s. die Angaben in den monatlichen Lohnabrechnungen) in Höhe von 12,4 % der quellensteuerpflichtigen Einkünfte einbehalten und an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) des Kantons Y abgeführt (davon 2,4 % Bundessteuer [Hinweis auf Art. 92 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 in der im Streitjahr geltenden Fassung -DBG- SR 642.11 i.V.m. den Bestimmungen der Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements -EDF- über die Quellensteuer bei der direkten Bundessteuer vom 19. Oktober 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung -Quellensteuerverordnung, QStV- SR 642.118.2]; und im Übrigen 10 % Staats- und Gemeindesteuer [§ 3 Abs. 1 der Verordnung über die Quellensteuer für natürliche und juristische Personen ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz vom 2. Februar 1994 -Quellensteuerverordnung II- SR 631.42]; C. des Merkblatts Nr. 29/254 des kantonalen Steueramts über die Quellenbesteuerung von Künstlerinnen und Künstlern, von Sportlerinnen und Sportlern sowie von Referentinnen und Referenten ohne Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz vom 1. Januar 2015). Das Opernhaus Y zahlte x.xxx,xx CHF an die ESTV (s. Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 9. Februar 2016, zu Quellensteuer, Bl. 221, 233 der FG-Akten).
27 
Im Übrigen verpflichtete sich der Kläger vom xx.xx. - xx.xx. des Streitjahres als Mitglied des „Chors ABC (Sänger der YCA)“ an einer Eigenproduktion des Vereins ABC im BC (Kanton Z) mitzuwirken. Die Eigenproduktion betraf die Oper xxx (Hinweis auf den Vertrag mit der YCA vom 18. Dezember 2011, Bl. 388 der FG-Akten; vgl. hierzu: B.VI.4. der Niederschrift I). Auch im Jahr 2009 hatte der Kläger ein Engagement beim Chor ABC als Sänger der YCA.
28 
In den „Honorarabrechnungen“ vom 20. Juli und von 22. August 2012 (Anlage K5 zur Einkommensteuererklärung vom 17. Oktober 2014, Bl. 14, 30 und 31 der RB-Akten) rechnete die YCA über die Vergütungen des Klägers für dessen Teilnahme an der Opernaufführung im BC ab. Vom „Bruttolohn“ des Klägers wurden seine Beiträge an die AHV bzw. ALV einbehalten. Im Übrigen zahlte die YCA neben Beiträgen an die AHV/IV und ALV Beiträge an eine Berufsunfallversicherung.
29 
Von den Vergütungen des Klägers als Mitglied des Chors BC (Sänger der YCA) wurde Schweizerische Quellensteuer für Künstler in Höhe von xxx,xx CHF einbehalten und an die ESTV des Kantons Z abgeführt (s. die Honorarabrechnungen lt. Anlage K5 zur Einkommensteuererklärung vom 17. Oktober 2014 und Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016 zu Quellensteuer, Bl. 221, 233 der FG-Akten).
30 
Eine Quellensteuererhebung durch die ESTV nach den Vorschriften für Grenzgänger erfolgte im Streitfall nicht und wurde ersichtlich auch nicht in Betracht gezogen (Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchtstabe b DBA-Schweiz 1971/1992; § 9 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft [Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung -KonsVerCHEV- vom 20. Dezember 2010, BGBl I 2010, 2187; BStBl I 2011, 148]; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 19. September 1994 IV C 6 S 1301 Schz - 60/94, BStBl I 1994, 683, Tz. 4; das BMF-Schreiben beruht auf einer Verständigungsvereinbarung i.S.v. Art. 15a Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 bzw. Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971, s. das Einführungsschreiben der ESTV Abteilung für internationales Steuerrecht und Doppelbesteuerungsschreiben zu Art. 15a DBA-D vom 6. September 1994 in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland Band 1 A 3.3.10).
31 
Der Kläger besaß im Streitjahr ein Wohnmobil (xxx), das nach dem Streitjahr wegen eines Unfalls entsorgt werden musste. In diesem -für seine Zwecke angemessen ausgestatteten- Wohnmobil hat der Kläger u.a. während über mehrere Tage sich hinziehenden Vorstellungs- und Probeterminen übernachtet, und zwar auf dem Campingplatz: „Camping Y  (s. hierzu auch die Feststellungen lt. B.V.3. und VIII.1. der Niederschrift I bzw. VIII. der Niederschrift II; Schriftsätze des Klägers vom 2. März 2015 zu 1., Bl. 56 ff. der FG-Akten; vom 1. Dezember 2015, Bl. 138 der FG-Akten). Im Übrigen hat der Kläger auch hin und wieder bei Kollegen übernachtet.
32 
Das Gleiche gilt auch hinsichtlich der Teilnahme des Klägers an der Opernproduktion der Vereins ABC als Sänger der YCA.
33 
Nach seinen Angaben ist er im Streitjahr aufgrund seiner Arbeitsausübung an 85 Arbeitstagen in Y bzw. in C nicht an seinen Wohnsitz A zurückgekehrt (s. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992; s. Anlage K6 zum Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, Bl. 162, 185 ff. der FG-Akten; Schriftsatz vom 2. September 2014 als Anlage zum Schriftsatz des Beklagten [Finanzamt -FA-] vom 9. März 2015, Bl. 73 ff. der FG-Akten). Dies ist zwischen den Beteiligten nach deren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung unstreitig.
34 
Der Liste über die Nichtrückkehrtage nicht beigefügt wurden die amtlich vorgeschriebenen Vordrucke Gre-3c mit Bescheinigungen der Arbeitgeber (des Opernhauses Y und der YCA) über die Nichtrückkehr des Klägers an mehr als 60 Arbeitstagen (im Folgenden: Arbeitgeberbescheinigung) und einem Sichtvermerk der zuständigen Steuerbehörden der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) der Kantone Y und Z (Hinweis auf § 10 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KonsVerCHEV bzw. II.5. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 -Verhandlungsprotokoll- [BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929]; BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 18 i.V.m. Anlage 3, BStBl I 1994, 683, 703-709; Fach A Teil 5 Nummer 4 des Grenzgängerhandbuchs der Finanzverwaltung Baden-Württemberg -Grenzgängerhandbuch-).
35 
Die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers in A und dem Opernhaus Y bzw. den anderen Einsatzorten des Klägers (X bzw. im H-Saal) in Y betrug im Streitjahr ca. 118 km, die regelmäßige Fahrtdauer mindestens 1 ½ Stunden (s. VIII.1. der Niederschrift I; Schriftsatz des Klägers vom 30. April 2016, Bl. 440 der FG-Akten).
36 
Die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und dem BC beträgt ca. 95 km, die Fahrtdauer ca. 1 Stunde 10 Minuten (www.google.de/maps/…).
37 
Das FA gab am 27. November 2013 (einem Mittwoch) einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zur Post, in dem es die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) schätzte, weil der Kläger bis dahin keine Einkommensteuererklärung eingereicht hatte. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). Die festgesetzte Steuer betrug xxx EUR. Die Schweizerische Quellensteuer wurde nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als Chorsänger am Opernhaus Y wurden Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG 2012) in Höhe von xx.xxx EUR angesetzt (unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 5. Oktober 1990 IV B 6 S 2332 73/90, BStBl I 1990, 638 Rn. 1.). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2013 (einem Freitag) am 8. Januar 2014 (einem Mittwoch) und damit verspätet Einspruch ein (Bl. 11 der H-Akte). Wie das Schreiben vom 27. Dezember 2013 zum FA gelangt ist, ist nicht bekannt.
38 
Mit Schreiben vom 26. Juni 2014 beantragte der Kläger, nunmehr vertreten durch den Prozessbevollmächtigten des vorliegenden Klageverfahrens, gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO die Änderung des Einkommensteuerbescheids. Diesen Antrag lehnte das FA mit Verfügung vom 28. Juli 2014, der eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist, ab (Bl. 49 der H-Akte).
39 
Mit Schreiben vom 5. August 2014 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf sein bei-gefügtes -an seinen Bevollmächtigten gerichtetes- Schreiben vom 1. August 2014 mit, dass er gegen die Bescheide des FA jeweils immer Einspruch eingelegt habe. Im Schreiben vom 15. August 2014 teilte der Kläger mit, dass er kurzfristig versuchen werde, den tatsächlich vorliegenden Lebenssachverhalt hinsichtlich des Streitjahres aufzuklären und eine Einkommensteuererklärung beim FA einzureichen. Im am 1. September 2014 beim FA eingereichten Schriftsatz erklärte der Kläger, dass seine Einkünfte aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Opernhaus Y und der YCA u.a. für das Streitjahr in Deutschland insgesamt steuerfrei seien.
40 
Am 2. Oktober 2014 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung beim FA ein. Dabei ermittelte er seine Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Chorsänger am Opernhaus Y und beim Chor ABC auf insgesamt xx.xxx EUR (=xx.xxx EUR [Auftritte] + xx.xxx EUR [Proben]; Anlage 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 2. September 2014, Bl. 57, 12 der Rb-Akten). Er vertrat die Auffassung (Schriftsatz vom 2. September 2014, zu 4., Bl. 57, 59 der Rb-Akten), dass die Vergütungen/Honorare für seine Auftritte bei den Einkünften als berufsmäßiger Künstler zu berücksichtigen seien für seine in dieser Eigenschaft ausgeübte Tätigkeit (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971). Diese Einkünfte könnten im Inland besteuert werden (s. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971), und die Schweizerische Quellensteuer sei bei der Einkommensteuerfestsetzung anzurechnen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. § 34c der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 2012-). Die Vergütungen für die Probentätigkeit unterlägen dagegen als Einkünfte aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971) bzw. nach § 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 nur der Besteuerung durch die Schweiz. Im Inland seien sie unter Progressionsvorbehalt steuerfrei. Eine Besteuerung seiner Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im Inland als Grenzgänger gemäß Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 komme nicht in Betracht, weil er an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Tätigkeit in Y und C nicht an seinen Wohnsitz im Inland nach A zurückgekehrt, und er deshalb nicht als Grenzgänger zu beurteilen sei.
41 
Am 5. Dezember 2014 gab das FA die Einspruchsentscheidung zur Post. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Die Einspruchsentscheidung führte zu einer Verböserung der Steuerfestsetzung (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Das FA berücksichtigte die gesamten Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit am Opernhaus Y und für die YCA in C als im Inland steuerpflichtige Einnahmen aus nicht/unselbständiger Arbeit (zur Höhe der Einkünfte s. die Aufteilung Arbeitslohn Auftritt/Probe 2012 lt. Bl. 71 der Rb-Akten). Die in der Schweiz in Höhe von x.xxx EUR abgeführte Quellensteuer (s. Bl. 71 der Rb-Akten) wurde auf die tarifliche Einkommensteuer angerechnet. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug der Höhe nach x.xxx EUR.
42 
Mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, dass seine gesamten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit als Chorsänger ausschließlich der Besteuerung in der Schweiz unterliegen würden. Wegen der hierzu vorgetragenen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Schriftsätze vom 2. März 2015 (Bl. 56 ff. der FG-Akten), vom 1. Juni 2015 (Bl. 106 ff. der FG-Akten), vom 9. Februar 2016 (Bl. 221 ff. der FG-Akten), vom 15. Februar 2016 (Bl. 270 ff. der FG-Akten) und vom 16. Februar 2016 (Bl. 274 ff. der FG-Akten) verwiesen.
43 
Während des Klageverfahrens legte der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Februar 2016 nach Abstimmung mit der Verwaltung des Opernhauses Y und der YCA eine neue und berichtigte Berechnung seiner Einkünfte aus seiner Tätigkeit für das Opernhaus Y und die YCA -ausgehend vom Zu- und Abflussprinzip des § 11 in der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 2012- vor (s. Anlage 4 zum vorgenannten Schriftsatz, Bl. 233 der FG-Akten). Danach betragen seine gesamten Einnahmen als Chorsänger nunmehr xx.xxx,xx CHF (bisher: xx.xxx,xx CHF), die Einnahmen für Auftritte vor Publikum xx.xxx,xx CHF (bisher: xx.xxx,xx CHF) und für Probentätigkeit xx.xxx,xx CHF (bisher: xx.xxx,xx CHF). Die an die ESTV abgeführte Quellensteuer wurde auf insgesamt x.xxx,xx CHF errechnet (s. Anlage a.a.O., Bl. 221, 233 der FG-Akten).
44 
Das Opernhaus Y hatte -hiervon abweichend- auf der Grundlage der monatlichen Lohnabrechnungen für das Streitjahr im Lohnausweis vom 29. Januar 2016 (Anlage K2 zum Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 221, 231 der FG-Akten) den „Bruttolohn total“ des Klägers auf xx.xxx CHF ermittelt. Zu den Abweichungen bei den Einnahmen des Klägers als Sänger der YCA wird auf dessen Schriftsatz vom 25. Februar 2016 Bezug genommen (Bl. 316 der FG-Akten).
45 
Das FA gab im Anschluss an die Berechnung der Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit für das Opernhaus Y und die YCA am 6. April 2016 einen Einkommensteueränderungsbescheid zur Post. Als Änderungsbescheid wurde er auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt. Nach den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Streitfall gegeben sind.
46 
Der Kläger beantragt, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016, die Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 und den Einkommensteuerbescheid vom 27. November 2013 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
47 
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
48 
Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und den Schriftsätzen vom 9. März 2015 (Bl. 72 der FG-Akten) und 19. Mai 2015 (Bl. 85 ff. der FG-Akten).
49 
Während des Klageverfahrens wandte sich der Kläger (erfolglos) an den Petitions-ausschuss des Landtags Baden-Württemberg. Auf dessen Ausführungen aus Anlass der Prüfung der Petition wird Bezug genommen (Schriftsatz des Klägers vom 15. Februar 2016, Bl. 258 ff. der FG-Akten).
50 
Dem Senat lagen folgende Akten vor:
1 Band Hilfsakten Steuernummer: xxxxx/xxxxx
1 Band Rechtsbehelfsakten: Steuernummer: xxxxx/xxxxx
1 Band Hilfsakte/Schätzungsunterlagen ESt ab 2010
1 Band Vollstreckungsakten: Steuernummer: xxxxx/xxxxx
1 Band Einheitswertakten: Aktenzeichen: xx xx
1 Band Akten zur Eigenheimzulage: Steuernummer: xxxxx/xxxxx.

Entscheidungsgründe

 
A.
51 
Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist der Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 (§ 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
B.
52 
Die Klage ist teilweise begründet. Da der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 teilweise rechtswidrig ist und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt, war er aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) und im Umfang -wie im Tenor zu 1. des vorliegenden Urteils dargelegt- durch das Gericht zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Das FA hat zu Unrecht die gesamten vom Opernhaus Y und der YCA bezogenen Vergütungen des Klägers der Besteuerung im Inland unterworfen. Lediglich die auftrittsbezogenen Vergütungen unterliegen der Besteuerung im Inland.
53 
I. 1. Die Klage war nicht wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unbegründet abzuweisen (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-Urteil vom 1. September 1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596).
54 
Die Frage, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) zu gewähren war, weil er gegen den ursprünglichen -unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen- Einkommensteuerbescheid vom 27. November 2013 erst am 8. Januar 2014 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist am 30. Dezember 2013 (einem Montag) eingelegt hat, stellt sich dabei nicht. Denn der Kläger hat fristgemäß Einspruch eingelegt mit den Schreiben vom 5.,15. und 27. August 2014 (Bl. 50-62 der H-Akte) gegen die Ablehnung vom 28. Juli 2014 seines Antrags gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO auf Änderung des Einkommensteuerbescheids. Diese Schreiben sind als Einspruch gegen die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheids auszulegen.
55 
a) Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen. Entscheidend ist, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert der Schreiben verstehen musste. Dabei ist bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft. Eine unrichtige Bezeichnung des Einspruchs allein schadet nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO nicht. Lässt deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er einen Rechtsbehelf einlegen will, so ist die Erklärung im Allgemeinen im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung als Rechtsbehelf zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern (BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295, m.w.N.).
56 
b) Im Streitfall entspricht es dem Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835), dass die an das FA gesandten Schreiben des Klägers vom 5.,15. und 27. August 2014 in einer Gesamtbetrachtung der darin gemachten Darlegungen als Einspruch auszulegen sind. Das vom Kläger darin ersichtlich verfolgte Ziel, seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bezüglich seiner Tätigkeit als Opernsänger vom FA als steuerfrei im Inland zu behandeln, konnte nur durch die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 27. November 2013 gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO erreicht werden. Aus den Ausführungen der Klägers ergibt sich demzufolge hinreichend deutlich, dass er sich gegen die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 27. November 2013 durch den Bescheid vom 28. Juli 2014 wandte und gegen diesen Einspruch einlegen wollte.
57 
II. Im Streitfall kommt auch keine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 in Betracht. Eine solche ist zulässig, wenn durch die Einspruchsentscheidung z.B. eine Verböserung erfolgt (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO; vgl. in diesem Zusammenhang: Steinhauff in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanz-gerichtsordnung, Kommentar, FGO § 44Anm. 290). Im vorliegenden Fall wurde die Einkommensteuer in der Einspruchsentscheidung mit x.xxx EUR höher festgesetzt als im Einkommensteuerbescheid vom 27. November 2013 mit xxx EUR, ohne dass das FA zuvor einen Verböserungshinweis gegeben hatte.
58 
Eine Zurückverweisung der Sache durch eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen des unterbliebenen Verböserungshinweises kommt gleichwohl nicht in Betracht. Durch § 367 Abs. 2 Satz 2 AO soll erreicht werden, dass der Steuerpflichtige einer verbösernden Entscheidung durch rechtzeitige Rücknahme seines Einspruchs zuvorkommen kann. Diesem Zweck entsprechend greift § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht ein, wenn -wie z.B. im Streitfall- eine Entscheidung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ungeachtet der Rücknahme seines Einspruchs möglich ist, weil die Änderung des angegriffenen Einkommensteuerbescheids wegen des beigefügten Vorbehalts der Nachprüfung erfolgen konnte (BFH-Urteil vom 10. November 1989 VI R 124/88, BStBl II 1990, 414).
59 
III. Der Kläger war im Streitjahr im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
60 
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2012 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ein Wohnsitz setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen Arbeit nachgeht. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447, Entscheidungsgründe zu II.3.). Das Vorliegen einer Wohnung setzt weder einen ständigen noch einen zeitlich überwiegenden Aufenthalt an dem betreffenden Ort voraus (BFH-Urteil vom 24. April 2007 I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893, Entscheidungsgründe zu II.1.c). Es genügt, dass sich der Steuerpflichtige mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl Il 1996, 2, Entscheidungsgründe zu II.1.).
61 
Ob die Voraussetzungen des § 8 AO erfüllt sind, ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351), wobei alle Umstände herangezogen werden können, die nach der Lebenserfahrung den Schluss erlauben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat, um sie als solche zu benutzen (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 447, Entscheidungsgründe zu II.3.). Der Wille des Steuerpflichtigen kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er sich objektiv nach außen manifestiert (Buciek in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, AO, FGO, Nebengesetze, Kommentar, AO § 8, Anm. 38).
62 
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hatte der Kläger im Streitjahr in A, ... gasse x seinen Wohnsitz. Er hatte dort eine Wohnung inne. Die Wohnung bestand nach den Feststellungen des erkennenden Senats aus zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Sie stellte eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers entsprechende Bleibe dar (Hinweis u.a. auf die Angaben in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1989 zu 5. lt. den Einheitswertakten). Aufgrund des Eigentums am Grundstück ... gasse x in A hatte der Kläger auch die -für die Annahme des Wohnsitzes- erforderliche eigene Verfügungsmacht (und Hausrecht) über die zum Aufenthalt geeigneten und entsprechend eingerichteten Räume. Des Weiteren hat er diese Wohnung mit einer gewissen Regelmäßigkeit genutzt (s. die Abgaben zum Stromverbrauch im Schriftsatz des FA vom 9. März 2015, Bl. 72 der FG-Akten).
63 
Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Kläger sich auf die Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 beruft. Grenzgänger ist nach Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 jemand, der in dem anderen Vertragstaat (hier: Schweiz) seinen Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an seinen Wohnsitz im Inland (hier: A) zurückkehrt. Wie sich im Übrigen aus der Aufstellung der Nichtrückkehrtage ergibt (Anlage K6 zum Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, Bl. 162, 185 ff. der F-Akten), ist der Kläger lediglich an 85 Arbeitstagen nicht in seine Wohnung in A von seinen Arbeitsorten in der Schweiz zurückgekehrt. Er hat demzufolge die Wohnung in A in einem weit über eine lediglich besuchsweise Nutzung hinausgehenden Umfang im Streitjahr aufgesucht.
64 
Des Weiteren berücksichtigt der erkennende Senat, dass -unberührt von den zuvor dargelegten Erwägungen- nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles ansonsten nur das Wohnmobil des Klägers als dessen Wohnsitz in Betracht käme, nachdem die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit E in X/Kanton Z vor dem Streitjahr geendet hatte (Hinweis auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 13. August 2014 im Klageverfahren 3 K 4277/12, Bl. 409 ff. der FG-Akten 3 K 4277/12).  Mobile Einrichtungen aller Art (wie z.B. auch Wohnmobile) gelten aber nicht als Wohnungen i.S.v. § 8 AO (Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., § 8 Anm. 15; Schmidt/Heinicke, EStG, Kommentar, 35. Aufl., 2016, § 1 Anm. 21; Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, AO § 8 Anm. 21; Drüen in: Tipke/Kruse, Kommentar zu AO und FGO, § 8 AO Anm. 5 [Seite 4 unten]; jeweils mit weiteren Nachweisen).
65 
3. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Klägers hat zur Folge, dass sich nach dem Welteinkommensprinzip die inländische Steuerpflicht auf alle steuerbaren Einkünfte erstreckt und zwar unabhängig davon, ob sie im Inland oder -wie z.B. im Streitfall- in der Schweiz erzielt wurden (§ 1 Abs. 1 EStG 2012 i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG 2012). Hierzu rechnen im Streitfall die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 1 Abs. 1 EStG 2012 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 19 EStG 1012) aus seiner in Y (siehe nachfolgend zu a und b) und C (siehe nachfolgend zu c) ausgeübten Tätigkeit als Chorsänger.
66 
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2012 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs auch in Bezug auf eine Tätigkeit im Ausland heranzuziehen sind (BFH-Urteile vom 11. November 2009 I R 50/08, BFH/NV 2010, 647; vom 16. Dezember 2008 I R 23/07, juris), liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661; vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91, BStBl II 1993, 303; vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl II 1999, 534; vom 18. Juni 2015 VI R 77/12, BStBl II 2015, 903).
67 
Der Arbeitnehmerbegriff lässt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht durch eine Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
68 
Hierzu hat der BFH in den Urteilen in BStBl II 1985, 661 und vom 30. Mai 1996 V R 2/95 (BStBl II 1996, 493) zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (BFH-Entscheidungen vom 9. September 2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42; vom 9. November 2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347; vom 16. November 2006 VI B 74/06, BFH/NV 2007, 235; vom 7. November 2006 VI R 81/02, BFH/NV 2007, 426; vom 9. August 1990 V R 115/85, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 1991, 138; jeweils m.w.N.; s. zur arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zum Arbeitnehmerstatus eines Opernsängers: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 7. Februar 2007 5 AZR 270/06, juris).
69 
b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied des Chores des Opernhauses Y bei Würdigung aller im vorliegenden Streitfall in Betracht kommenden Merkmale, die sich zum Teil aus dem Schweizer (Arbeits- und Sozial-)Recht ergeben, nichtselbständig tätig geworden.
70 
aa) Hierfür spricht in besonderem Maße, dass der Kläger in den Geschäftsbetrieb des Opernhauses Y eingegliedert war. Er war in den Organisationsablauf eingebunden, weil er dem Direktionsrecht der Chordirektion des Opernhauses Y unterstand. Er hatte die von der Chordirektion von vorneherein festgelegten Regelarbeitszeiten für Chormitglieder -strikt, um eine Kündigung zu vermeiden- einzuhalten (z.B. mittwochs und samstags von 10.00 bis 13.00 Uhr und an anderen Tagen einschließlich Wochenendtagen -s. die Angaben zu Seite 7 Abs. 3 und 4 des Tatbestandes- und die in den Chorzuzügerverträgen festgelegten Proben- und Vorstellungstermine), wobei nur der Montag- und Dienstagvormittag arbeitsfrei waren. Darüber hinaus wurden noch Probentermine angeordnet von Regisseuren (Dirigenten usw.), an denen der Kläger als Mitglied des Opernchores teilzunehmen hatte (Hinweis auf die diesbezüglichen Bestimmungen über Änderungen von Terminen lt. den Chorzuzügerverträgen). Bei Aufführungen im Opernhaus war der Kläger verpflichtet bis zum Ende der Vorstellung im Opernhaus anwesend zu sein, damit zur Entgegennahme des Schlussapplauses das gesamte Ensemble auf der Bühne war. Im Übrigen hatte er 45 Minuten vor der jeweiligen Vorstellung im Opernhaus anwesend zu sein.
71 
bb) Wesentlich für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit ist in dem zuvor dargelegten Zusammenhang, dass der Kläger nicht nur kurz mit dem Geschäftsbetrieb (Theaterbetrieb) des Opernhauses in Berührung kam, sondern ständig in den Geschäftsbetrieb des Opernhauses Y eingebunden war, weil er -über die gesamte Woche verteilt (einschließlich der Wochenenden)- feste Arbeitszeiten zu beachten, daneben auch noch kurzfristig angeordneten Arbeitszeiten nachzukommen hatte (Hinweis auf die Vereinbarung von [zusätzlichen] Terminen lt. dem täglichen Probeplan -s. z.B. den Chorzuzügervertrag zur Oper xxxxx). Über seine Arbeitszeit konnte er demzufolge nicht frei verfügen. Auch dieser Umstand spricht für eine nichtselbständige Tätigkeit (BFH-Urteil in UR 1991, 138).
72 
cc) Für eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers spricht auch, dass der Ort der Tätigkeit durch die Chordirektion des Opernhauses Y festgelegt wurde. Proben wurden dementsprechend durchgeführt in Y u.a. auch im Orchesterprobesaal X, im H-Saal und im Opernhaus, Aufführungen dagegen nur im Opernhaus Y.
73 
dd) Mitentscheidend für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit ist des Weiteren, dass der Kläger feste Bezüge ausbezahlt erhielt. In den Chorzuzügerverträgen wurden gestaffelt nach der Teilnahme an Vorstellungen und Generalproben einerseits und an Proben und Endproben andererseits der Höhe nach festgelegte Honorare vereinbart (z.B. bezüglich der Oper xx: xxx CHF pro Vorstellung und für die Generalprobe, xxx CHF pro [ggf. zusätzlicher] Probe und für den Fall, dass eine Endprobe über drei Stunden dauert: xxx CHF).
74 
ee) Aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Opernhaus Y über die vorneherein festgelegten festen Bezüge folgt des Weiteren, dass der Kläger kein Unternehmerrisiko zu tragen hatte (z.B. in Gestalt eines Vergütungsrisikos, s. hierzu: Eisgruber in: Kirchhof, EStG, Kommentar, 15. Aufl., 2016, § 19 EStG Anm. 31 mit umfangreichen Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung; Urteil des FG Köln vom 11. Dezember 1990 2 K 235/86, EFG 1991, 534), wobei die Übernahme eines solchen Risikos für eine selbständige Tätigkeit des Klägers hätte sprechen können. Er konnte durch die Qualität seiner Darbietungen als Chortenor Zahl und Umfang seiner Verpflichtungen beim Opernhaus Y und somit seiner Einnahmen nicht maßgeblich beeinflussen. Zukünftige Engagements des Klägers hingen im Wesentlichen davon ab, ob festangestellte Sängerinnen und Sänger in ausreichender Zahl zur Verfügung standen.
75 
ff) Auch wenn die Tätigkeit des Klägers als Chortenor auf einer großen Zahl mit dem Opernhaus Y abgeschlossenen sog. „Chorzuzügerverträgen“ beruht, folgt hieraus nicht, dass der Kläger selbständig tätig war. Allein für das Streitjahr wurden 16 solcher Verträge abgeschlossen. Auf ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Opernhaus Y und dem Kläger deutet jedoch der Umfang der eingegangenen Proben- und Vorstellungsverpflichtungen (einschließlich der Vereinbarung von Regelarbeitszeiten und zusätzlichen Arbeiten) und der Umstand hin, dass der Kläger schon seit Jahren auf diese Weise an das Opernhaus Y gebunden ist. Während der gesamten Laufzeit der Chorzuzügerverträge war der Kläger auf Grund der zuvor dargelegten Umstände während der jeweiligen Spielzeiten (von September bis Juli -s. Kalendarium lt. www. xxxxxx-) nicht als frei in der Gestaltung seiner Tätigkeit gegenüber dem Opernhaus anzusehen. Der Kläger war wie ein fest beim Opernhaus Y angestellter Chorsänger in den Opernbetrieb eingegliedert (Hinweis auf den vom Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 27. September 2011 für den Zeitraum August bis Oktober 2011). Das Opernhaus Y hat deshalb im Wesentlichen während der hier in Rede stehenden Spielzeiten über die gesamte Arbeitskraft des Klägers verfügt. Dem Kläger blieb während der Laufzeit der Chorzuzügerverträge während der Opernsaison kaum Zeit für eigene Dispositionen in Gestalt von sonstigen Auftritten. Dies rechtfertigt die Annahme eines zwischen dem Kläger und dem Opernhaus Y bestehenden Arbeitsverhältnisses (BFH-Urteile vom 6. November 1970 VI R 385/65, BStBl II 1971, 22; vom 24. Mai 1973 IV R 118/72, BStBl II 1973, 636).
76 
gg) Ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine Unselbständigkeit sieht der erkennende Senat darin, dass dem Kläger eine nach Schweizer Recht nur für Arbeitnehmer vorgesehene „Ferienentschädigung“ für die Ferienzeit nach Ende der Spielzeit von Juli bis September zusammen mit den Festbezügen ausgezahlt wurde (wegen weiterer Einzelheiten: Hinweis auf Seite 9 Abs. 3 des Tatbestandes).
77 
hh) Mitentscheidend ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger darüber hinaus auch Anspruch auf weitere Sozialleistungen hatte. Der Kläger war gegen Berufsunfälle (einschließlich von Unfällen auf dem Arbeitsweg) und gegen Berufskrankheiten in der (Schweizerischen) Berufsunfallversicherung und gegen Freizeitunfälle in der Nichtberufsunfallversicherung versichert. Zu diesen Versicherungen für in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer zahlte (auch) das Opernhaus Y Beiträge (s. hierzu die weiteren Feststellungen des erkennenden Senats lt. Seite 8 Abs. 3 des Tatbestandes).
78 
ii) In dem darlegten Zusammenhang berücksichtigt der erkennende Senat zudem, dass das Opernhaus Y Beiträge zur Absicherung der Risiken Alter, Tod und Invalidität für den Kläger an die AHV/IV gezahlt hat und der Kläger demzufolge (aufschiebend bedingte) Ansprüche beim Eintritt der genannten Risiken gegen die AHV/IV erworben hatte. Die Gründe, die das Opernhaus Y veranlasst haben, den Kläger nicht in der Schweizerischen beruflichen Vorsorge (Hinweis auf die Pensionskasse des Opernhauses Y) zu versichern, sind für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch während der Tätigkeit am Opernhaus Y weiterhin in der für Arbeitnehmer vorgesehenen deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bzw. als Mitglied der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (Bayerische Versorgungskammer) versichert war und Beiträge einbezahlt hat. Inzwischen bezieht er von diesen Versicherungen eine Altersrente bzw. ein Altersruhegeld.
79 
jj) Schließlich berücksichtigt der erkennende Senat, dass über die Vergütungen des Klägers vom Opernhaus Y ein für in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer vorgesehener „Lohnausweis“ ausgestellt wurde und das Opernhaus Y Beiträge in die für Arbeitnehmer obligatorisch vorgesehene Arbeitslosenversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit einbezahlt hat. Es handelt sich insoweit um eine reine „Arbeitnehmerversicherung“, der auch Grenzgänger (wie z.B. der Kläger) unterfallen (Scartazzini/Hürzeler, a.a.O., § 20 Rz. 1 und 20 ff.).
80 
c) Nach dem Gesamtbild der zu berücksichtigenden Verhältnisse ist der Kläger auch bei seiner (außerhalb der Spielzeit des Opernhauses Y erfolgten) Mitwirkung bei der Aufführung der Oper xxx im BC als Mitglied des Chors ABC und Sänger der YCA im Juli/August des Streitjahres nichtselbständig tätig geworden. Die für diese Beurteilung zu berücksichtigenden Merkmale stimmen mit den zuvor dargelegten Umständen, die eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers als Mitglied des Opernchors begründen, im Wesentlichen überein. Auf diese wird deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Hieran anschließend sprechen folgende Erwägungen für eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers:
81 
Der Kläger war in den Festspielbetrieb der YCA in Zusammenhang mit der Produktion der Oper xxx fest eingegliedert. Die YCA verfügte über die gesamte Arbeitskraft des Klägers als Sänger. Der Kläger war nicht frei in der Disposition seiner Tätigkeit. Er hatte sich an feste Arbeitszeiten (aus Anlass der Proben und Vorstellungen) zu halten. Der Umfang seiner Beanspruchung war mit täglichen Vorstellungen im Juli und August des Streitjahres so festgelegt, dass er daneben z.B. keine andere Aktivität als Sänger entfalten konnte. Er erhielt von vorneherein vereinbarte feste Bezüge ausbezahlt. Er hatte kein Unternehmerrisiko zu tragen. Hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeiten für die Proben und Vorstellungen unterlag der Kläger den Weisungen der YCA bzw. denjenigen der Dirigenten, Regisseure usw. Die soziale Absicherung entsprach auf der Basis des maßgeblichen Schweizer Rechts mehr derjenigen eines unselbständigen Arbeitnehmers (Absicherung gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle und bei der ALV gegen die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit, im Übrigen bei der AHV/IV gegen das Risiko Alter, Tod und Invalidität, Gewährung einer Ferienentschädigung).
82 
Keine entscheidende Bedeutung für die Entscheidung, ob der Kläger selbständig oder nichtselbständig tätig geworden ist, kommt dem Umstand zu, dass der Kläger bei der Opernproduktion in C nur für ca. einen Monat Vorstellungen zu bestreiten hatte (allerdings ohne Proben). Die für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentlichen Merkmale können nicht durch die Einführung einer zeitlichen Begrenzung von bestimmten Tagen ersetzt werden, wobei bei einer länger andauernden Tätigkeit eines „Gastspielers“ eine nichtselbständige Tätigkeit anzunehmen sei (BFH-Urteil in BStBl II 1973, 636, zum Engagement eines Opernsängers als Gastsänger). Entscheidend ist, ob der Sänger während der Dauer des Vertrags als frei oder unfrei zu beurteilen ist. Nach den zuvor dargelegten Erwägungen hat die YCA im Rahmen der Mitwirkung des Klägers als Chortenor bei der Aufführung der Oper xxx über dessen Arbeitskraft verfügt. Dies ist mitentscheidend (neben den weiteren dargelegten Indizien) für die Annahme einer nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers.
83 
IV. Der Kläger unterlag mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Chortenor beim Opernhaus Y und bei der Opernproduktion im BC, die nach den zuvor dargelegten Erwägungen auf Grund des Rechts des Anwendestaates -der Bundesrepublik Deutschland- (Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971; vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 31/08, BFH/NV 2010, 1649; Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 MA Anm. 53 und 54 mit umfangreichen Nachweisen) in abkommensrechtlicher Hinsicht als Vergütungen aus unselbständiger Arbeit zu beurteilen sind, nicht gemäß Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 als Grenzgänger der Besteuerung im Inland.
84 
1. Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die im anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992). Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 entfällt bei einer in einem Vertragstaat ansässigen Person die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung im anderen Vertragstaat während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage bzw. „Nichtrückkehren“ nach Schweizer Sprachgebrauch).
85 
Der Kläger hat Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i.S.v. Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 sowohl vom Opernhaus Y für die Spielzeit 2011/2012 und 2012/2013 als auch von der YCA für seine in der Schweiz in Y und in C/Kanton Z ausgeübte Tätigkeit als Opernchorsänger erhalten, die nach der Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 DBA-Schweiz 1971/1992 nicht der Besteuerung im Inland unterliegen, weil er im Streitjahr an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
86 
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats spielt es keine Rolle bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage, ob bei einer ununterbrochenen Tätigkeit in der Schweiz (wie z.B. im Streitfall) der Arbeitnehmer seine Tätigkeit für einen oder mehrere Arbeitgeber ausgeübt hat (Senatsurteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, nicht rechtskräftig, Revision eingelegt [BFH.Az.: I R 22/16], EFG 2016, 1061; gl.A.: für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015: BMF-Schreiben vom 18. Dezember 2014 IV B 2 - S 1301 -CHE/07/10015-02, [Internationales Steuerrecht -IStR- 2015, 184], das auf einer Verständigungsvereinbarung mit der ESTV gemäß Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 und Art. 15a Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 beruht; Enz, Grenzgängerregelungen, 2012, ISBN 978-3-7272-8820-3 Rz. 348 ff. [351]; a.A. für das Streitjahr: § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV). Hieran hält der erkennende Senat fest.
87 
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:
88 
a) Der Kläger ist für das gesamte Streitjahr kein Grenzgänger i.S.d. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992, weil er nach den Feststellungen des Berichterstatters des erkennenden Senats insgesamt -ohne Berücksichtigung des Arbeitgeberwechsels des Klägers vom Opernhaus Y zur YCA und zurück- an 85 Arbeitstagen (siehe nachfolgend zu aa) und damit entsprechend dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung (siehe nachfolgend zu bb) nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
89 
aa) An den 85 Arbeitstagen hat der Kläger nach Arbeitsende zwischen 23.00 und 0.30 Uhr (= Ende der jeweiligen Aufführung und des Abschminkens und Duschens usw. im Opernhaus Y bzw. im BC) in unmittelbarer Nähe zu seinen jeweiligen Arbeitsorten in Y und C in seinem Wohnmobil übernachtet (s. die Angaben des Klägers zum Wohnmobil im Schriftsatz vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 [139] der FG-Akten), und er ist demzufolge nicht an seinen Wohnsitz im Inland (in A) zurückgekehrt. Der erkennende Senat folgt den umfangreichen mündlichen Darlegungen und der Aufstellung des Klägers zu den Nichtrückkehrtagen, die u.a. auf den zeitnah gemachten Eintragungen in seinem Terminkalender beruhen (Hinweis auf das Schreiben des Klägers vom 30. April 2016, Bl. 440-444 der FG-Akten), ohne Bedenken(Hinweis in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.a, mit weiteren Nachweisen).
90 
Dieser Sachverhalt ist unter den Beteiligten inzwischen nicht mehr streitig. Das FA hat seine Einwendungen gegen die Annahme von 85 Nichtrückkehrtagen aufgegeben (s. insbesondere die Ausführungen des Berichterstatters des erkennenden Senats in der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. Februar 2016).
91 
bb) An den 85 Arbeitstagen ist der Kläger in Übereinstimmung mit seinen Darlegungen und den Voraussetzungen für die Anerkennung von Nichtrückkehrtagen gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 nach den gesamten Umständen des vorliegenden Einzelfalls (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) auf Grund seiner Arbeitsausübung von den jeweiligen Arbeitsorten in Y und C nicht an seinen Wohnsitz im Inland in A zurückgekehrt (z.B. wegen des sehr späten Endes der Aufführungen und des Abschminkens usw. zwischen 23.00 Uhr und 0.30 Uhr, der Entfernung zwischen den Arbeitsorten in Y und C und dem Wohnsitz in A [118 Km und 96 Km], des zeitlichen Umfangs der Ab- und Anreise mit jeweils mindestens 1 ½ Stunden nach Y und 1 ¼ Stunden nach C [unter Berücksichtigung z.B. von Grenzkontrollen, Witterungsumständen, Straßenverhältnissen, Verkehrsverhältnissen auf den befahrenen Autobahnen und Landstraßen usw.], der körperlichen und psychischen Belastung bei der Ausübung seiner Tätigkeit, des Alters des Klägers usw.; s. die Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 der FG-Akten). „Namentlich“ aus den dargelegten Gründen war dem Kläger die Rückkehr an seinen Wohnsitz an den hier in Rede stehenden Arbeitstagen „unzumutbar“ und „unmöglich“ (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KonsVerCHEV). Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf (auch deshalb) keiner weiteren Erläuterungen. Auf die zutreffenden Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, zu 2. wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen (Bl. 162 der FG-Akten).
92 
cc) Angesichts der zuvor dargelegten Erwägungen und darüber hinaus sind keine Gründe erkennbar, die den Kläger aus privaten Gründen (z.B. zur Freizeitgestaltung, zur Pflege privater Kontakte usw.; vgl. hierzu allgemein: Kempermann in: Kempermann/Flick/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Kommentar, Art. 15a Anm. 36 mit weiteren Nachweisen) veranlasst haben könnten, an seinen Arbeitsorten in der Schweiz nach Arbeitsende zwischen 23.00 und 0.30 Uhr zu verbleiben.
93 
3. Gegen die Anerkennung der 85 Arbeitstage als Nichtrückkehrtage kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass hierin Wochenend- und Feiertage enthalten sind (z.B. 1., 7., 8. 15. und 21. Januar usw.; 28., 29. Juli, 4.,5., 11.und 12. August usw.; Hinweis auf die Feststellungen des erkennenden Senats lt. dem Kalender Bl. 442 ff. der FG-Akten), die regelmäßig keine Arbeitstage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 sind. Diese Tage rechnen jedoch auf Grund der vom Kläger mit der YCA und dem Opernhaus Y abgeschlossenen (Chorzuzüger-)Verträge im Streitfall zu den a.a.O. ausdrücklich vereinbarten Arbeitstagen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV).
94 
4. Gegen die Berücksichtigung der 85 Nichtrückkehrtage kann im Übrigen nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass der Kläger keine Bescheinigung seiner Arbeitgeber (des Opernhauses Y und der YCA) versehen mit einem Sichtvermerk der zuständigen Steuerbehörden der ESTV der Kantone Y und Z vorgelegt hat.
95 
a) Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes vom 30. September 1993 zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 -Zustimmungsgesetz- (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927) hat der Arbeitgeber nach amtlich vorgeschriebenem Muster (vgl. hierzu: BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, Rz 18 i.V.m. Anlage Gre-3a [S. 703 ff. a.a.O.]) die Tage der Nichtrückkehr auf Grund der Arbeitsausübung zu bescheinigen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr Grenzgänger ist (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992). Nach Nr. II. 5 Satz 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 -Verhandlungsprotokoll- (BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929) ist die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Tage der Nichtrückkehr mit einem Sichtvermerk der für den Arbeitsort zuständigen Finanzbehörde zu versehen. Diese Bescheinigung schließt Ermittlungen der für den Wohnsitz zuständigen Finanzbehörde nicht aus (Nr. II. 5 Satz 2 des Verhandlungsprotokolls).
96 
b) Hiermit übereinstimmend ist nach § 10 Abs. 1 KonsVerCHEV der Arbeitgeber verpflichtet, die Nichtrückkehrtage nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu bescheinigen, wenn er am Ende des Jahres oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahrs feststellt, dass die Grenzgängereigenschaft auf Grund der entsprechenden Nichtrückkehrtage entfällt (Satz 1). Der Vordruck ist jeweils unaufgefordert der für den Einbehalt der Abzugsteuer zuständigen Steuerbehörde zuzuleiten, die diese Bescheinigung nach Überprüfung mit einem Sichtvermerk versehen an den Arbeitgeber zur Weiterleitung an den Grenzgänger zurückgibt (Satz 2). Eine Überprüfung der bescheinigten Nichtrückkehrtage ist zulässig (Satz 3). Es können entsprechende Nachweise verlangt werden (Satz 4).
97 
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und des erkennenden Senats ist die Arbeitgeberbescheinigung, auch wenn sie mit einem Sichtvermerk der ESTV versehen ist, im Inland weder für das Finanzamt noch für das Finanzgericht verbindlich (BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.a, mit weiteren Nachweisen). Nach Schweizer Rechtsauffassung wird mit der Bescheinigung des Arbeitgebers auf dem amtlichen Vordruck Gre-3a (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, 703) der Nachweis der Nichtrückkehrtage grundsätzlich erbracht, und nur in Ausnahmefällen hat die (Schweizerische) Steuerbehörde das Recht, die bescheinigten Nichtrückkehrtage zu überprüfen (Hinweis auf das Senatsurteil vom 27. September 2012 3 K 994/09, rechtskräftig, juris; Enz, a.a.O., Rz. 352 und 353).
98 
d) Da die Bescheinigung des Arbeitgebers und der Sichtvermerk der ESTV zur Liste der Nichtrückkehrtage für das FG (wie auch für das FA) nicht verbindlich sind, kann wegen ihres Fehlens allein nicht die Anerkennung von in einer Liste aufgeführten Nichtrückkehrtagen verweigert werden. Die Arbeitgeberbescheinigung und der Sichtvermerk sind keine Grundlagenbescheide mit Bindungswirkung (s. § 171 Abs. 10 AO; vgl. hierzu: Klein/Rüsken, AO, Kommentar, 13. Aufl., § 171 Anm. 102 ff. mit weiteren Nachweisen) für die Entscheidung über die Anerkennung von Nichtrückkehrtagen im Besteuerungsverfahren des Arbeitnehmers. Im Übrigen gehen die von Arbeitgebern (gerne und häufig) ausgestellten Bescheinigungen über von Arbeitnehmern verwirklichte Nichtrückkehrtage regelmäßig (von höchst seltenen Ausnahmen abgesehen) von vorneherein ins Leere, weil auch in der Schweiz ansässige Arbeitgeber (hier: das Opernhaus Y und die YCA) grundsätzlich nicht wissen (können), ob ein Arbeitnehmer nach Dienstende nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist oder ob er sich sonst wo bis zum Arbeitsbeginn am Folgetag aufgehalten hat (Hinweis auf die Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 der FG-Akten). Entscheidend ist, dass das FG auf Grund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls auf der Grundlage einer Aufstellung über Nichtrückkehrtage zur Überzeugung gelangt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Arbeitnehmer tatsächlich an den geltend gemachten Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992). Zu dieser Überzeugung ist der erkennende Senat hinsichtlich der 85 vom Kläger in einer Liste geltend gemachten Nichtrückkehrtage gelangt (s.o.).
99 
V. Der Kläger unterliegt mit seinen auftrittsbezogenen Vergütungen vom Opernhaus Y und von der YCA nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d und Nr. 2 DBA-Schweiz 1971) der Besteuerung im Inland, mit seinen probenbezogenen Einkünften der Besteuerung in der Schweiz nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971) und Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971.
100 
1. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 können ungeachtet der Artikel 7, 14 und 15 Einkünfte, die berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker, sowie Sportler und Artisten für ihre in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte Tätigkeit beziehen, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sie diese Tätigkeit ausüben. Ergänzend wird in Art. 24 Abs. 1 Satz Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz 1971 ausgenommen werden, soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt und sie können in der Schweiz besteuert werden. Soweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, wird bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften die mit diesem Abkommen erhobene und nicht erstattete schweizerische Steuer nach Maßgabe der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuer auf den Teil der deutschen Steuer angerechnet, der auf diese Einkünfte entfällt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971).
101 
a) Der Kläger ist berufsmäßiger Künstler i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971.
102 
aa) Der Begriff des (berufsmäßigen) Künstlers ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 18. Juli 2001 I R 26/01, BStBl II 2002, 410; vom 8. April 1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679) über die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 enthaltene Umschreibung („berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker“) hinaus unmittelbar aus dem Abkommen auszulegen (Maßbaum in: Gosch/Kroppen/Grotherr, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar -im Folgenden: Bearbeiter in: G/K/G- Art. 17 OECD-MA Anm. 24). Der abkommensrechtliche Künstlerbegriff setzt sich danach aus zwei Tatbestandselementen zusammen (Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, MA Art. 17 Anm. 22): Zum einen muss es sich um eine persönlich ausgeübte Tätigkeit handeln wie sich aus dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 ergibt, der eine „persönlich ausgeübte Tätigkeit“ verlangt. Zum anderen muss die Tätigkeit -wie aus den in Art 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 genannten „Bühnen-, Fernseh-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler(n) und Musiker(n)“ zu folgern ist, vornehmlich der Unterhaltung und keinem anderen Zweck dienen. Es genügt, dass die Tätigkeit ausschließlich oder vorwiegend den Zweck hat, der Zerstreuung oder dem Zeitvertreib zu dienen, zu erheitern oder zu vergnügen. Dagegen setzt der Begriff des Künstlers bzw. der künstlerischen Tätigkeit i.S.d. deutschen (Einkommen-)Steuerrechts nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2012 das Erbringen einer eigenschöpferischen Leistung von einer gewissen Gestaltungshöhe, d.h. eine Leistung voraus, in der die individuelle Anschauungsweise und die besondere Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommt. Es wird -anders als im Abkommensrecht- ein gewisses „künstlerisches Niveau“ verlangt (Wacker in: Schmidt, EStG, Kommentar, 35. Aufl., § 18 Anm. 66 mit umfangreichen Nachweisen zur steuergerichtlichen Rechtsprechung).
103 
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Kläger mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Opernchores des Opernhauses Y und des Chors der YCA als Künstler i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 tätig geworden. Er übte eine kunstinterpretierende Tätigkeit im Bereich der klassischen Musik, die in Übereinstimmung mit Sinn und Zweck der künstlerischen Tätigkeit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 vorwiegend der Zerstreuung und dem Zeitvertreib des Publikums diente, in der Öffentlichkeit aus (im Opernhaus Y und bei den Cer Festspielen). Auf das künstlerische Niveau der Tätigkeit des Klägers als Ensemblemitglied des Opernchores und des Chores der YCA kommt es -entgegen der wiederholt geäußerten Auffassung des Klägers- nicht an (s. hierzu: Wassermeyer, Deutsches Steuerrecht -DStR- 1995, 555 zu 4. und 5.).
104 
cc) Der Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 steht nicht entgegen, dass der Kläger nichtselbständig für das Opernhaus Y und die YCA im Streitjahr tätig wurde (Hinweis auf die Erwägungen zu II.3.). Die Vorschrift findet nach ihrem Wortlaut, der insoweit keine Einschränkung enthält, sowohl bei selbständigen als auch nichtselbständigen Künstlern Anwendung (Stockmann in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 6. Aufl., Art. 17 Anm. 7; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 2).
105 
b) Voraussetzung für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 ist, dass eine Vergütung gezahlt wird für eine künstlerische (bzw.) sportliche Tätigkeit vor Publikum quasi coram publico (Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 151). Im Allgemeinen ist nicht Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971, sondern sind andere Artikel (z.B. hier: Art. 15, 15a DBA-Schweiz 1971/1992) anzuwenden, wenn die Einkünfte des Künstlers (bzw. Sportlers) nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der öffentlichen Darbietung des Auftretenden vor Publikum im betreffenden Land (hier: Schweiz) stehen (Abs. 9 Satz 2 OECD-Musterkommentar zu Art. 17 Musterabkommen [MA] eingefügt am 23. Juli 1992; s. aber auch: Abs. 8 Satz 1 und Abs. 9 Satz OECD-Muster-Kommentar eingefügt am 23. Juli 1992; zu dessen Anwendung: Mellinghoff in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Eine Festgabe, Seite 35 ff; BFH-Urteil vom 10. Juni 2015 I R 79/13, BStBl II 2016, 326). Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 erfasst nur Vergütungen, die an eine bestimmte künstlerische (bzw. sportliche) Tätigkeit im Auftrittsstaat anknüpfen (Brandis in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Schweiz Art. 17 Anm. 29). Daraus ist abzuleiten, dass die Vergütungen in einem direkten Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftritt des Künstlers (bzw. Sportlers) stehen müssen (Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts -BGer- vom 6. Mai 2008 2C_276/2007 / zga, Erwägungen zu 5.5.). Die für Trainingsfahrten(-einheiten)gezahlten Vergütungen werden nicht für einen öffentlichen Auftritt eines Sportlers gezahlt und fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 (Urteil 2C_276/2007 / zga, BGer, a.a.O., Erwägungen zu 6.3.; Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Anm. 52/1; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 36; Haslinger/Weninger in: Gassner/Lang/Schuch/Staringer [Hrsg.], Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2005, Seite 280 zu 1.2.2.; Dick Molemar, Taxation of International Performing Artistes, Seite 99 zu 4.3.2.; Bláha, Jaromir, Treatment of „Training Activities“ for Artistes and Sportsmen according to he OECD Model Seite 115 ff. zu III. 3.4 [Seite 124 ff.] und 3.6 [Seite 236 ff.]). Für die Probetätigkeit eines Künstlers gilt das Gleiche.
106 
c) Für eine enge Auslegung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 im zuvor dargelegten Sinn, nach der eine Vergütung für Proben- (bei Künstlern) und Trainingstätigkeit (bei Sportlern) nicht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 zu besteuern sind spricht, dass ausdrücklich eine „persönlich ausgeübte Tätigkeit“ im Vertragstaat und damit vor Publikum verlangt wird (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 679; Maßbaum in: G/K/G a.a.O., Art. 17 OECD-MA, Anm. 34). Eine persönliche Ausübung liegt damit nur vor, wenn der Sportler oder Künstler im anderen Staat anwesend ist und dort vor Publikum künstlerisch bzw. sportlich tätig wird (Loydolt, Steuer Wirtschaft International -SWI- 1996, 392; Hinweis auf die Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 1. Juni 2015 mit umfangreichen Nachweisen zum internationalen Schrifttum; Urteil des [niederländischen] Gerechtshof Amsterdam vom 6. Oktober 2004 Rechtssache 03/04112, http:/ultspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHAMS:2004:AR3482).
107 
d) Für eine enge Auslegung, nach der nur Vergütungen für Auftritte vor Publikum im Tätigkeitsstaat (hier: in der Schweiz) von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 erfasst werden, spricht des Weiteren auch die Zielsetzung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Sie besteht darin, das Besteuerungsrecht für Sportler und Künstler, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit im Wohnsitzstaat (hier: in der Bundesrepublik Deutschland) oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat (hier: der Schweiz) das Besteuerungsrecht zuzuweisen, für den die praktischen Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in der Regel geringer sind (BFH-Urteil vom 18. Juli 2001 I R 79/13, BStBl II 2002, 410; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., MA Art. 17 Anm. 1; Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Art. 17 OECD-MA Anm. 1 ff.).
108 
aa) Die steuerliche Erfassung der Einnahmen des Klägers aus seiner in der Schweiz in Y und C ausgeübten unselbständigen Arbeit als Künstler wird im Streitfall jedoch seit dem 1. Januar 1994 bereits durch die Vorschrift über die Grenzgängerbesteuerung nach Art. 15a DBA-Schweiz 1917/1992 gewährleistet, die der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 vorgeht, weil die Formulierung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 „ungeachtet der Art. 7, 14 und 15“ nicht um den Hinweis auf Art. 15a DBA-Schweiz 1971 ergänzt wurde (Geiger/Alscher, Internationales Steuerrecht -IStR- 1994, 9 zu 4.4; Kolb/Kubaile, Kompaktkommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, 3. Aufl., ISBN 978-3-905718-13-3, Artikel 17 Tz. 1.2.; Enz, a.a.O., Rz. 357).
109 
bb) Danach hat ein im Inland ansässiger, in der Schweiz unselbständig tätiger Künstler seinem schweizerischen Arbeitgeber eine Bescheinigung des für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamtes (hier: des FA) über seine Ansässigkeit im Inland vorzulegen, damit von seinem schweizerischen Arbeitgeber die einzubehaltende Quellensteuer 4,5 % der Vergütungen nicht übersteigt (Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchstabe b DBA-Schweiz 1971/1992; Fach A Teil 5 Anlage Gre-1a-c bzw. Gre- 2 a-c des Grenzgängerhandbuchs der baden-württembergischen Finanzverwaltung -im Folgenden: Grenzgängerhandbuch-). Durch die Ausstellung der Ansässigkeitsbescheinigung erhält das Wohnsitzfinanzamt von den für eine steuerliche Erfassung des nichtselbständigen Künstlers maßgeblichen Tatsachen ausreichend Kenntnis u.a. auch für eigene Ermittlungen (Hinweis z.B. auf den beim FA vorhandenen Vordruck über eine Arbeitsaufnahme als Grenzgänger in der Schweiz; s. Fach B Teil 5 S 2-76). Eine Besteuerung des ggf. im Inland steuerpflichtigen, in der Schweiz unselbständig tätig gewordenen Künstlers bereitet keine Schwierigkeiten in der Praxis, wie sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass beim FA ca. 20.000 in der Schweiz tätige Arbeitnehmer veranlagt werden. Im Übrigen hat auch der in der Schweiz nichtselbständig arbeitende Künstler ein Interesse an dem Erhalt einer Ansässigkeitsbescheinigung seines Wohnsitzfinanzamtes. Nur auf diese Weise kann ein nichtselbständiger Künstler eine Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer bei seiner Veranlagung als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 gemäß des entsprechend anzuwenden § 36 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2012 (BFH-Urteil vom 2. März 2010 I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820) erreichen: denn die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung ist Voraussetzung dafür, dass der nichtselbständige Künstler von der ESTV eine Steuerbescheinigung erhält oder -wie üblich- ein Steuerausweis auf dem Lohnausweis über die einbehaltene Abzugsteuer von seinem Arbeitgeber angebracht wird, der anschließend dem Wohnsitzfinanzamt vorgelegt werden kann (s. hierzu auch: Nr. III. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls; § 12 Abs. 1 Satz 1 KonsVerCHEV; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Anm. 30).
110 
e) Hieraus ergibt sich Folgendes für den Streitfall:
111 
aa) Bei den von den Arbeitgebern des Klägers gesondert abgerechneten Vergütungen (Honorare) für die Auftritte des Klägers als Chormitglied im Opernhaus Y und bei den Festspielen in C aus Anlass der Aufführung von Opern handelt es sich um Einkünfte eines berufsmäßigen Künstlers für eine in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte Tätigkeit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Der Kläger war bei diesen Anlässen im anderen Staat (hier: Schweiz) anwesend und wurde künstlerisch vor Publikum tätig (zu dessen „Zerstreuung und Zeitvertreib“). Ob das Tätigwerden des Klägers als Chorsänger bei diesen Gelegenheiten ein besonderes künstlerisches Niveau erreicht hat (was vom Kläger selbst wiederholt in Abrede gestellt wurde), ist nicht von Bedeutung (Brandis in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 17 Rn. 19).
112 
Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971 unterliegen diese Einkünfte der Besteuerung im Inland unter Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer, weil die Einkünfte i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 von einer Besteuerung ausschließlich in der Schweiz durch Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 ausgenommen sind (durch den Zusatz a.a.O.: „soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen“; Brandis in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 17 Anm. 39).
113 
bb) Die Vergütungen für die Probentätigkeit des Klägers in Y (u.a. im H-Saal im Orchesterprobesaal X) und im BC, die nach den Feststellungen des erkennenden Senats nicht vor Publikum erfolgte, sind keine Einkünfte im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Demzufolge kommt, weil der Kläger wegen mehr als 60 verwirklichten Nichtrückkehren kein Grenzgänger i.S.v. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 ist (s. zuvor zu IV.), die allgemeine Vorschrift zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 zur Anwendung, aus denen sich ein Besteuerungsrecht im Inland nicht ergibt.
114 
aaa) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 hat die Schweiz das Besteuerungsrecht hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit, weil die diesbezügliche Probentätigkeit in der Schweiz ausgeübt wurde und die Einnahmen hieraus nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1971 fallen. Im Inland sind die Einnahmen für diese Tätigkeit bei der Berechnung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971; § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 2012).
115 
bbb) Die Voraussetzungen für ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Vergütungen des Klägers für dessen Probentätigkeit nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 sind nicht erfüllt.
116 
Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 können Einkünfte einer in einem Vertragstaat ansässigen Person aus einer im anderen Vertragstaat ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit (hier: in der Schweiz) nur im Ansässigkeitsstaat (hier: in der Bundesrepublik Deutschland) besteuert werden, wenn
117 
(a) der Empfänger sich im Tätigkeitsstaat nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Kalenderjahres aufhält und
(b) die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist und
(c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat getragen werden.
118 
Die Norm statuiert mithin ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates, das aber nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung voraussetzt, dass alle dort genannten Bedingungen (kumulativ) erfüllt sind. Fehlt es auch nur an einer von ihnen, so bleibt es bei Einkünften aus einer im anderen Vertragstaat ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit bei dem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates (hier: der Schweiz) gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 (BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 93/06, BFH/NV 2008, 206, zu II. 2. b).
119 
Im Streitfall sind die Bedingungen für ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland schon deshalb nicht erfüllt, weil die Vergütungen für die streitige Probentätigkeit des Klägers von Arbeitgebern (dem Opernhaus Y und der YCA) gezahlt wurden, die in der Schweiz (Y) ansässig waren und damit sind die Voraussetzungen für ein Besteuerungsrecht im Inland nach Art. 15 Abs. 2Buchstabe b DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt.
120 
VI. Soweit der angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 als Änderungsbescheid auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt wurde, bestehen hiergegen keine Bedanken. Dem FA sind die Tatsachen in Gestalt höherer Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit deshalb nachträglich bekannt geworden (Hinweis auf den an das FA gerichteten Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 223-251 der FG-Akten), weil es sie im Zeitpunkt des Erlasses des zu ändernden Bescheides (hier: der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014) weder positiv kannte noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben hätte kennen müssen (können; Gräber/Rüsken, a.a.O., § 173 Anm. 80 ff. mit Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf auch aus diesem Grund keiner weiteren Erläuterungen.
121 
VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
122 
VIII. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Der Kläger konnte die Hilfe eines sach-kundigen Bevollmächtigten für unentbehrlich halten (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).
123 
IX. 1. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
124 
2. Der erkennende Senat weicht nicht von den im BFH-Beschluss vom 20. März 2011 I B 178/10 (juris; Zeitschrift für Steuern und Recht -ZSteu- 2011 R504-R505) dargelegten Rechtsgrundsätzen ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). A.a.O. hat der BFH entschieden, dass die Vergütungen für eine im Inland ausgeübte künstlerische u.a. Darbietung (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 und 2006) in Form einer Show als einheitliche Leistung und nicht in getrennte Leistungen für „Proben“ und „Auftritte“ aufgeteilt werden können. Zum Einen stellt sich im vorliegenden Verfahren die Aufteilung in auftrittsbezogene und probenbezogene Einkünfte auf abkommensrechtlicher Ebene nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 und zum Anderen liegt ein im Wesentlichen anders gelagerter Sachverhalt vor (Hinweis z.B. auf die Vereinbarungen lt. den Chorzuzügerverträgen und dem Vertrag mit der YCA zu den Vergütungen für Proben und Aufführungen). Eine vom vorliegenden Urteil abweichende Auffassung vertritt das FG Münster im Beschluss vom 19. Mai 2004 11 V 1848/04 E (rechtskräftig, EFG 2004, 1430).

Gründe

 
A.
51 
Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist der Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 (§ 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
B.
52 
Die Klage ist teilweise begründet. Da der angefochtene Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 teilweise rechtswidrig ist und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt, war er aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) und im Umfang -wie im Tenor zu 1. des vorliegenden Urteils dargelegt- durch das Gericht zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Das FA hat zu Unrecht die gesamten vom Opernhaus Y und der YCA bezogenen Vergütungen des Klägers der Besteuerung im Inland unterworfen. Lediglich die auftrittsbezogenen Vergütungen unterliegen der Besteuerung im Inland.
53 
I. 1. Die Klage war nicht wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unbegründet abzuweisen (vgl. in diesem Zusammenhang: BFH-Urteil vom 1. September 1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596).
54 
Die Frage, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) zu gewähren war, weil er gegen den ursprünglichen -unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen- Einkommensteuerbescheid vom 27. November 2013 erst am 8. Januar 2014 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist am 30. Dezember 2013 (einem Montag) eingelegt hat, stellt sich dabei nicht. Denn der Kläger hat fristgemäß Einspruch eingelegt mit den Schreiben vom 5.,15. und 27. August 2014 (Bl. 50-62 der H-Akte) gegen die Ablehnung vom 28. Juli 2014 seines Antrags gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO auf Änderung des Einkommensteuerbescheids. Diese Schreiben sind als Einspruch gegen die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheids auszulegen.
55 
a) Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen. Entscheidend ist, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert der Schreiben verstehen musste. Dabei ist bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft. Eine unrichtige Bezeichnung des Einspruchs allein schadet nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO nicht. Lässt deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er einen Rechtsbehelf einlegen will, so ist die Erklärung im Allgemeinen im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung als Rechtsbehelf zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern (BFH-Beschluss vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295, m.w.N.).
56 
b) Im Streitfall entspricht es dem Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835), dass die an das FA gesandten Schreiben des Klägers vom 5.,15. und 27. August 2014 in einer Gesamtbetrachtung der darin gemachten Darlegungen als Einspruch auszulegen sind. Das vom Kläger darin ersichtlich verfolgte Ziel, seine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bezüglich seiner Tätigkeit als Opernsänger vom FA als steuerfrei im Inland zu behandeln, konnte nur durch die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids vom 27. November 2013 gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO erreicht werden. Aus den Ausführungen der Klägers ergibt sich demzufolge hinreichend deutlich, dass er sich gegen die Ablehnung der Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 27. November 2013 durch den Bescheid vom 28. Juli 2014 wandte und gegen diesen Einspruch einlegen wollte.
57 
II. Im Streitfall kommt auch keine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 in Betracht. Eine solche ist zulässig, wenn durch die Einspruchsentscheidung z.B. eine Verböserung erfolgt (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO; vgl. in diesem Zusammenhang: Steinhauff in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanz-gerichtsordnung, Kommentar, FGO § 44Anm. 290). Im vorliegenden Fall wurde die Einkommensteuer in der Einspruchsentscheidung mit x.xxx EUR höher festgesetzt als im Einkommensteuerbescheid vom 27. November 2013 mit xxx EUR, ohne dass das FA zuvor einen Verböserungshinweis gegeben hatte.
58 
Eine Zurückverweisung der Sache durch eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen des unterbliebenen Verböserungshinweises kommt gleichwohl nicht in Betracht. Durch § 367 Abs. 2 Satz 2 AO soll erreicht werden, dass der Steuerpflichtige einer verbösernden Entscheidung durch rechtzeitige Rücknahme seines Einspruchs zuvorkommen kann. Diesem Zweck entsprechend greift § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht ein, wenn -wie z.B. im Streitfall- eine Entscheidung zum Nachteil des Steuerpflichtigen ungeachtet der Rücknahme seines Einspruchs möglich ist, weil die Änderung des angegriffenen Einkommensteuerbescheids wegen des beigefügten Vorbehalts der Nachprüfung erfolgen konnte (BFH-Urteil vom 10. November 1989 VI R 124/88, BStBl II 1990, 414).
59 
III. Der Kläger war im Streitjahr im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
60 
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2012 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach § 8 AO hat jemand dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ein Wohnsitz setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen Arbeit nachgeht. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 69/96, BStBl II 1997, 447, Entscheidungsgründe zu II.3.). Das Vorliegen einer Wohnung setzt weder einen ständigen noch einen zeitlich überwiegenden Aufenthalt an dem betreffenden Ort voraus (BFH-Urteil vom 24. April 2007 I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893, Entscheidungsgründe zu II.1.c). Es genügt, dass sich der Steuerpflichtige mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit in der Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl Il 1996, 2, Entscheidungsgründe zu II.1.).
61 
Ob die Voraussetzungen des § 8 AO erfüllt sind, ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351), wobei alle Umstände herangezogen werden können, die nach der Lebenserfahrung den Schluss erlauben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat, um sie als solche zu benutzen (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 447, Entscheidungsgründe zu II.3.). Der Wille des Steuerpflichtigen kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er sich objektiv nach außen manifestiert (Buciek in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, AO, FGO, Nebengesetze, Kommentar, AO § 8, Anm. 38).
62 
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hatte der Kläger im Streitjahr in A, ... gasse x seinen Wohnsitz. Er hatte dort eine Wohnung inne. Die Wohnung bestand nach den Feststellungen des erkennenden Senats aus zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Sie stellte eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers entsprechende Bleibe dar (Hinweis u.a. auf die Angaben in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1989 zu 5. lt. den Einheitswertakten). Aufgrund des Eigentums am Grundstück ... gasse x in A hatte der Kläger auch die -für die Annahme des Wohnsitzes- erforderliche eigene Verfügungsmacht (und Hausrecht) über die zum Aufenthalt geeigneten und entsprechend eingerichteten Räume. Des Weiteren hat er diese Wohnung mit einer gewissen Regelmäßigkeit genutzt (s. die Abgaben zum Stromverbrauch im Schriftsatz des FA vom 9. März 2015, Bl. 72 der FG-Akten).
63 
Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass der Kläger sich auf die Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 beruft. Grenzgänger ist nach Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 jemand, der in dem anderen Vertragstaat (hier: Schweiz) seinen Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an seinen Wohnsitz im Inland (hier: A) zurückkehrt. Wie sich im Übrigen aus der Aufstellung der Nichtrückkehrtage ergibt (Anlage K6 zum Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, Bl. 162, 185 ff. der F-Akten), ist der Kläger lediglich an 85 Arbeitstagen nicht in seine Wohnung in A von seinen Arbeitsorten in der Schweiz zurückgekehrt. Er hat demzufolge die Wohnung in A in einem weit über eine lediglich besuchsweise Nutzung hinausgehenden Umfang im Streitjahr aufgesucht.
64 
Des Weiteren berücksichtigt der erkennende Senat, dass -unberührt von den zuvor dargelegten Erwägungen- nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles ansonsten nur das Wohnmobil des Klägers als dessen Wohnsitz in Betracht käme, nachdem die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit E in X/Kanton Z vor dem Streitjahr geendet hatte (Hinweis auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 13. August 2014 im Klageverfahren 3 K 4277/12, Bl. 409 ff. der FG-Akten 3 K 4277/12).  Mobile Einrichtungen aller Art (wie z.B. auch Wohnmobile) gelten aber nicht als Wohnungen i.S.v. § 8 AO (Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., § 8 Anm. 15; Schmidt/Heinicke, EStG, Kommentar, 35. Aufl., 2016, § 1 Anm. 21; Musil in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, AO § 8 Anm. 21; Drüen in: Tipke/Kruse, Kommentar zu AO und FGO, § 8 AO Anm. 5 [Seite 4 unten]; jeweils mit weiteren Nachweisen).
65 
3. Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Klägers hat zur Folge, dass sich nach dem Welteinkommensprinzip die inländische Steuerpflicht auf alle steuerbaren Einkünfte erstreckt und zwar unabhängig davon, ob sie im Inland oder -wie z.B. im Streitfall- in der Schweiz erzielt wurden (§ 1 Abs. 1 EStG 2012 i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG 2012). Hierzu rechnen im Streitfall die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 1 Abs. 1 EStG 2012 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 19 EStG 1012) aus seiner in Y (siehe nachfolgend zu a und b) und C (siehe nachfolgend zu c) ausgeübten Tätigkeit als Chorsänger.
66 
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2012 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs auch in Bezug auf eine Tätigkeit im Ausland heranzuziehen sind (BFH-Urteile vom 11. November 2009 I R 50/08, BFH/NV 2010, 647; vom 16. Dezember 2008 I R 23/07, juris), liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661; vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91, BStBl II 1993, 303; vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl II 1999, 534; vom 18. Juni 2015 VI R 77/12, BStBl II 2015, 903).
67 
Der Arbeitnehmerbegriff lässt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht durch eine Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
68 
Hierzu hat der BFH in den Urteilen in BStBl II 1985, 661 und vom 30. Mai 1996 V R 2/95 (BStBl II 1996, 493) zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (BFH-Entscheidungen vom 9. September 2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42; vom 9. November 2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347; vom 16. November 2006 VI B 74/06, BFH/NV 2007, 235; vom 7. November 2006 VI R 81/02, BFH/NV 2007, 426; vom 9. August 1990 V R 115/85, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 1991, 138; jeweils m.w.N.; s. zur arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zum Arbeitnehmerstatus eines Opernsängers: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 7. Februar 2007 5 AZR 270/06, juris).
69 
b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied des Chores des Opernhauses Y bei Würdigung aller im vorliegenden Streitfall in Betracht kommenden Merkmale, die sich zum Teil aus dem Schweizer (Arbeits- und Sozial-)Recht ergeben, nichtselbständig tätig geworden.
70 
aa) Hierfür spricht in besonderem Maße, dass der Kläger in den Geschäftsbetrieb des Opernhauses Y eingegliedert war. Er war in den Organisationsablauf eingebunden, weil er dem Direktionsrecht der Chordirektion des Opernhauses Y unterstand. Er hatte die von der Chordirektion von vorneherein festgelegten Regelarbeitszeiten für Chormitglieder -strikt, um eine Kündigung zu vermeiden- einzuhalten (z.B. mittwochs und samstags von 10.00 bis 13.00 Uhr und an anderen Tagen einschließlich Wochenendtagen -s. die Angaben zu Seite 7 Abs. 3 und 4 des Tatbestandes- und die in den Chorzuzügerverträgen festgelegten Proben- und Vorstellungstermine), wobei nur der Montag- und Dienstagvormittag arbeitsfrei waren. Darüber hinaus wurden noch Probentermine angeordnet von Regisseuren (Dirigenten usw.), an denen der Kläger als Mitglied des Opernchores teilzunehmen hatte (Hinweis auf die diesbezüglichen Bestimmungen über Änderungen von Terminen lt. den Chorzuzügerverträgen). Bei Aufführungen im Opernhaus war der Kläger verpflichtet bis zum Ende der Vorstellung im Opernhaus anwesend zu sein, damit zur Entgegennahme des Schlussapplauses das gesamte Ensemble auf der Bühne war. Im Übrigen hatte er 45 Minuten vor der jeweiligen Vorstellung im Opernhaus anwesend zu sein.
71 
bb) Wesentlich für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit ist in dem zuvor dargelegten Zusammenhang, dass der Kläger nicht nur kurz mit dem Geschäftsbetrieb (Theaterbetrieb) des Opernhauses in Berührung kam, sondern ständig in den Geschäftsbetrieb des Opernhauses Y eingebunden war, weil er -über die gesamte Woche verteilt (einschließlich der Wochenenden)- feste Arbeitszeiten zu beachten, daneben auch noch kurzfristig angeordneten Arbeitszeiten nachzukommen hatte (Hinweis auf die Vereinbarung von [zusätzlichen] Terminen lt. dem täglichen Probeplan -s. z.B. den Chorzuzügervertrag zur Oper xxxxx). Über seine Arbeitszeit konnte er demzufolge nicht frei verfügen. Auch dieser Umstand spricht für eine nichtselbständige Tätigkeit (BFH-Urteil in UR 1991, 138).
72 
cc) Für eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers spricht auch, dass der Ort der Tätigkeit durch die Chordirektion des Opernhauses Y festgelegt wurde. Proben wurden dementsprechend durchgeführt in Y u.a. auch im Orchesterprobesaal X, im H-Saal und im Opernhaus, Aufführungen dagegen nur im Opernhaus Y.
73 
dd) Mitentscheidend für die Annahme einer unselbständigen Tätigkeit ist des Weiteren, dass der Kläger feste Bezüge ausbezahlt erhielt. In den Chorzuzügerverträgen wurden gestaffelt nach der Teilnahme an Vorstellungen und Generalproben einerseits und an Proben und Endproben andererseits der Höhe nach festgelegte Honorare vereinbart (z.B. bezüglich der Oper xx: xxx CHF pro Vorstellung und für die Generalprobe, xxx CHF pro [ggf. zusätzlicher] Probe und für den Fall, dass eine Endprobe über drei Stunden dauert: xxx CHF).
74 
ee) Aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Opernhaus Y über die vorneherein festgelegten festen Bezüge folgt des Weiteren, dass der Kläger kein Unternehmerrisiko zu tragen hatte (z.B. in Gestalt eines Vergütungsrisikos, s. hierzu: Eisgruber in: Kirchhof, EStG, Kommentar, 15. Aufl., 2016, § 19 EStG Anm. 31 mit umfangreichen Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung; Urteil des FG Köln vom 11. Dezember 1990 2 K 235/86, EFG 1991, 534), wobei die Übernahme eines solchen Risikos für eine selbständige Tätigkeit des Klägers hätte sprechen können. Er konnte durch die Qualität seiner Darbietungen als Chortenor Zahl und Umfang seiner Verpflichtungen beim Opernhaus Y und somit seiner Einnahmen nicht maßgeblich beeinflussen. Zukünftige Engagements des Klägers hingen im Wesentlichen davon ab, ob festangestellte Sängerinnen und Sänger in ausreichender Zahl zur Verfügung standen.
75 
ff) Auch wenn die Tätigkeit des Klägers als Chortenor auf einer großen Zahl mit dem Opernhaus Y abgeschlossenen sog. „Chorzuzügerverträgen“ beruht, folgt hieraus nicht, dass der Kläger selbständig tätig war. Allein für das Streitjahr wurden 16 solcher Verträge abgeschlossen. Auf ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Opernhaus Y und dem Kläger deutet jedoch der Umfang der eingegangenen Proben- und Vorstellungsverpflichtungen (einschließlich der Vereinbarung von Regelarbeitszeiten und zusätzlichen Arbeiten) und der Umstand hin, dass der Kläger schon seit Jahren auf diese Weise an das Opernhaus Y gebunden ist. Während der gesamten Laufzeit der Chorzuzügerverträge war der Kläger auf Grund der zuvor dargelegten Umstände während der jeweiligen Spielzeiten (von September bis Juli -s. Kalendarium lt. www. xxxxxx-) nicht als frei in der Gestaltung seiner Tätigkeit gegenüber dem Opernhaus anzusehen. Der Kläger war wie ein fest beim Opernhaus Y angestellter Chorsänger in den Opernbetrieb eingegliedert (Hinweis auf den vom Kläger abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 27. September 2011 für den Zeitraum August bis Oktober 2011). Das Opernhaus Y hat deshalb im Wesentlichen während der hier in Rede stehenden Spielzeiten über die gesamte Arbeitskraft des Klägers verfügt. Dem Kläger blieb während der Laufzeit der Chorzuzügerverträge während der Opernsaison kaum Zeit für eigene Dispositionen in Gestalt von sonstigen Auftritten. Dies rechtfertigt die Annahme eines zwischen dem Kläger und dem Opernhaus Y bestehenden Arbeitsverhältnisses (BFH-Urteile vom 6. November 1970 VI R 385/65, BStBl II 1971, 22; vom 24. Mai 1973 IV R 118/72, BStBl II 1973, 636).
76 
gg) Ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine Unselbständigkeit sieht der erkennende Senat darin, dass dem Kläger eine nach Schweizer Recht nur für Arbeitnehmer vorgesehene „Ferienentschädigung“ für die Ferienzeit nach Ende der Spielzeit von Juli bis September zusammen mit den Festbezügen ausgezahlt wurde (wegen weiterer Einzelheiten: Hinweis auf Seite 9 Abs. 3 des Tatbestandes).
77 
hh) Mitentscheidend ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger darüber hinaus auch Anspruch auf weitere Sozialleistungen hatte. Der Kläger war gegen Berufsunfälle (einschließlich von Unfällen auf dem Arbeitsweg) und gegen Berufskrankheiten in der (Schweizerischen) Berufsunfallversicherung und gegen Freizeitunfälle in der Nichtberufsunfallversicherung versichert. Zu diesen Versicherungen für in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer zahlte (auch) das Opernhaus Y Beiträge (s. hierzu die weiteren Feststellungen des erkennenden Senats lt. Seite 8 Abs. 3 des Tatbestandes).
78 
ii) In dem darlegten Zusammenhang berücksichtigt der erkennende Senat zudem, dass das Opernhaus Y Beiträge zur Absicherung der Risiken Alter, Tod und Invalidität für den Kläger an die AHV/IV gezahlt hat und der Kläger demzufolge (aufschiebend bedingte) Ansprüche beim Eintritt der genannten Risiken gegen die AHV/IV erworben hatte. Die Gründe, die das Opernhaus Y veranlasst haben, den Kläger nicht in der Schweizerischen beruflichen Vorsorge (Hinweis auf die Pensionskasse des Opernhauses Y) zu versichern, sind für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch während der Tätigkeit am Opernhaus Y weiterhin in der für Arbeitnehmer vorgesehenen deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bzw. als Mitglied der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen (Bayerische Versorgungskammer) versichert war und Beiträge einbezahlt hat. Inzwischen bezieht er von diesen Versicherungen eine Altersrente bzw. ein Altersruhegeld.
79 
jj) Schließlich berücksichtigt der erkennende Senat, dass über die Vergütungen des Klägers vom Opernhaus Y ein für in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer vorgesehener „Lohnausweis“ ausgestellt wurde und das Opernhaus Y Beiträge in die für Arbeitnehmer obligatorisch vorgesehene Arbeitslosenversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit einbezahlt hat. Es handelt sich insoweit um eine reine „Arbeitnehmerversicherung“, der auch Grenzgänger (wie z.B. der Kläger) unterfallen (Scartazzini/Hürzeler, a.a.O., § 20 Rz. 1 und 20 ff.).
80 
c) Nach dem Gesamtbild der zu berücksichtigenden Verhältnisse ist der Kläger auch bei seiner (außerhalb der Spielzeit des Opernhauses Y erfolgten) Mitwirkung bei der Aufführung der Oper xxx im BC als Mitglied des Chors ABC und Sänger der YCA im Juli/August des Streitjahres nichtselbständig tätig geworden. Die für diese Beurteilung zu berücksichtigenden Merkmale stimmen mit den zuvor dargelegten Umständen, die eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers als Mitglied des Opernchors begründen, im Wesentlichen überein. Auf diese wird deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Hieran anschließend sprechen folgende Erwägungen für eine nichtselbständige Tätigkeit des Klägers:
81 
Der Kläger war in den Festspielbetrieb der YCA in Zusammenhang mit der Produktion der Oper xxx fest eingegliedert. Die YCA verfügte über die gesamte Arbeitskraft des Klägers als Sänger. Der Kläger war nicht frei in der Disposition seiner Tätigkeit. Er hatte sich an feste Arbeitszeiten (aus Anlass der Proben und Vorstellungen) zu halten. Der Umfang seiner Beanspruchung war mit täglichen Vorstellungen im Juli und August des Streitjahres so festgelegt, dass er daneben z.B. keine andere Aktivität als Sänger entfalten konnte. Er erhielt von vorneherein vereinbarte feste Bezüge ausbezahlt. Er hatte kein Unternehmerrisiko zu tragen. Hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeiten für die Proben und Vorstellungen unterlag der Kläger den Weisungen der YCA bzw. denjenigen der Dirigenten, Regisseure usw. Die soziale Absicherung entsprach auf der Basis des maßgeblichen Schweizer Rechts mehr derjenigen eines unselbständigen Arbeitnehmers (Absicherung gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle und bei der ALV gegen die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitslosigkeit, im Übrigen bei der AHV/IV gegen das Risiko Alter, Tod und Invalidität, Gewährung einer Ferienentschädigung).
82 
Keine entscheidende Bedeutung für die Entscheidung, ob der Kläger selbständig oder nichtselbständig tätig geworden ist, kommt dem Umstand zu, dass der Kläger bei der Opernproduktion in C nur für ca. einen Monat Vorstellungen zu bestreiten hatte (allerdings ohne Proben). Die für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentlichen Merkmale können nicht durch die Einführung einer zeitlichen Begrenzung von bestimmten Tagen ersetzt werden, wobei bei einer länger andauernden Tätigkeit eines „Gastspielers“ eine nichtselbständige Tätigkeit anzunehmen sei (BFH-Urteil in BStBl II 1973, 636, zum Engagement eines Opernsängers als Gastsänger). Entscheidend ist, ob der Sänger während der Dauer des Vertrags als frei oder unfrei zu beurteilen ist. Nach den zuvor dargelegten Erwägungen hat die YCA im Rahmen der Mitwirkung des Klägers als Chortenor bei der Aufführung der Oper xxx über dessen Arbeitskraft verfügt. Dies ist mitentscheidend (neben den weiteren dargelegten Indizien) für die Annahme einer nichtselbständigen Tätigkeit des Klägers.
83 
IV. Der Kläger unterlag mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Chortenor beim Opernhaus Y und bei der Opernproduktion im BC, die nach den zuvor dargelegten Erwägungen auf Grund des Rechts des Anwendestaates -der Bundesrepublik Deutschland- (Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971; vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2009 X R 31/08, BFH/NV 2010, 1649; Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 MA Anm. 53 und 54 mit umfangreichen Nachweisen) in abkommensrechtlicher Hinsicht als Vergütungen aus unselbständiger Arbeit zu beurteilen sind, nicht gemäß Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 als Grenzgänger der Besteuerung im Inland.
84 
1. Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die im anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992). Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 entfällt bei einer in einem Vertragstaat ansässigen Person die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung im anderen Vertragstaat während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage bzw. „Nichtrückkehren“ nach Schweizer Sprachgebrauch).
85 
Der Kläger hat Vergütungen aus unselbständiger Arbeit i.S.v. Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 sowohl vom Opernhaus Y für die Spielzeit 2011/2012 und 2012/2013 als auch von der YCA für seine in der Schweiz in Y und in C/Kanton Z ausgeübte Tätigkeit als Opernchorsänger erhalten, die nach der Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 DBA-Schweiz 1971/1992 nicht der Besteuerung im Inland unterliegen, weil er im Streitjahr an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
86 
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats spielt es keine Rolle bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage, ob bei einer ununterbrochenen Tätigkeit in der Schweiz (wie z.B. im Streitfall) der Arbeitnehmer seine Tätigkeit für einen oder mehrere Arbeitgeber ausgeübt hat (Senatsurteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, nicht rechtskräftig, Revision eingelegt [BFH.Az.: I R 22/16], EFG 2016, 1061; gl.A.: für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015: BMF-Schreiben vom 18. Dezember 2014 IV B 2 - S 1301 -CHE/07/10015-02, [Internationales Steuerrecht -IStR- 2015, 184], das auf einer Verständigungsvereinbarung mit der ESTV gemäß Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971 und Art. 15a Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 beruht; Enz, Grenzgängerregelungen, 2012, ISBN 978-3-7272-8820-3 Rz. 348 ff. [351]; a.A. für das Streitjahr: § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV). Hieran hält der erkennende Senat fest.
87 
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt sich Folgendes:
88 
a) Der Kläger ist für das gesamte Streitjahr kein Grenzgänger i.S.d. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992, weil er nach den Feststellungen des Berichterstatters des erkennenden Senats insgesamt -ohne Berücksichtigung des Arbeitgeberwechsels des Klägers vom Opernhaus Y zur YCA und zurück- an 85 Arbeitstagen (siehe nachfolgend zu aa) und damit entsprechend dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung (siehe nachfolgend zu bb) nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
89 
aa) An den 85 Arbeitstagen hat der Kläger nach Arbeitsende zwischen 23.00 und 0.30 Uhr (= Ende der jeweiligen Aufführung und des Abschminkens und Duschens usw. im Opernhaus Y bzw. im BC) in unmittelbarer Nähe zu seinen jeweiligen Arbeitsorten in Y und C in seinem Wohnmobil übernachtet (s. die Angaben des Klägers zum Wohnmobil im Schriftsatz vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 [139] der FG-Akten), und er ist demzufolge nicht an seinen Wohnsitz im Inland (in A) zurückgekehrt. Der erkennende Senat folgt den umfangreichen mündlichen Darlegungen und der Aufstellung des Klägers zu den Nichtrückkehrtagen, die u.a. auf den zeitnah gemachten Eintragungen in seinem Terminkalender beruhen (Hinweis auf das Schreiben des Klägers vom 30. April 2016, Bl. 440-444 der FG-Akten), ohne Bedenken(Hinweis in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.a, mit weiteren Nachweisen).
90 
Dieser Sachverhalt ist unter den Beteiligten inzwischen nicht mehr streitig. Das FA hat seine Einwendungen gegen die Annahme von 85 Nichtrückkehrtagen aufgegeben (s. insbesondere die Ausführungen des Berichterstatters des erkennenden Senats in der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12. Februar 2016).
91 
bb) An den 85 Arbeitstagen ist der Kläger in Übereinstimmung mit seinen Darlegungen und den Voraussetzungen für die Anerkennung von Nichtrückkehrtagen gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 nach den gesamten Umständen des vorliegenden Einzelfalls (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) auf Grund seiner Arbeitsausübung von den jeweiligen Arbeitsorten in Y und C nicht an seinen Wohnsitz im Inland in A zurückgekehrt (z.B. wegen des sehr späten Endes der Aufführungen und des Abschminkens usw. zwischen 23.00 Uhr und 0.30 Uhr, der Entfernung zwischen den Arbeitsorten in Y und C und dem Wohnsitz in A [118 Km und 96 Km], des zeitlichen Umfangs der Ab- und Anreise mit jeweils mindestens 1 ½ Stunden nach Y und 1 ¼ Stunden nach C [unter Berücksichtigung z.B. von Grenzkontrollen, Witterungsumständen, Straßenverhältnissen, Verkehrsverhältnissen auf den befahrenen Autobahnen und Landstraßen usw.], der körperlichen und psychischen Belastung bei der Ausübung seiner Tätigkeit, des Alters des Klägers usw.; s. die Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 der FG-Akten). „Namentlich“ aus den dargelegten Gründen war dem Kläger die Rückkehr an seinen Wohnsitz an den hier in Rede stehenden Arbeitstagen „unzumutbar“ und „unmöglich“ (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KonsVerCHEV). Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf (auch deshalb) keiner weiteren Erläuterungen. Auf die zutreffenden Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 29. Januar 2016, zu 2. wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen (Bl. 162 der FG-Akten).
92 
cc) Angesichts der zuvor dargelegten Erwägungen und darüber hinaus sind keine Gründe erkennbar, die den Kläger aus privaten Gründen (z.B. zur Freizeitgestaltung, zur Pflege privater Kontakte usw.; vgl. hierzu allgemein: Kempermann in: Kempermann/Flick/Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Kommentar, Art. 15a Anm. 36 mit weiteren Nachweisen) veranlasst haben könnten, an seinen Arbeitsorten in der Schweiz nach Arbeitsende zwischen 23.00 und 0.30 Uhr zu verbleiben.
93 
3. Gegen die Anerkennung der 85 Arbeitstage als Nichtrückkehrtage kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass hierin Wochenend- und Feiertage enthalten sind (z.B. 1., 7., 8. 15. und 21. Januar usw.; 28., 29. Juli, 4.,5., 11.und 12. August usw.; Hinweis auf die Feststellungen des erkennenden Senats lt. dem Kalender Bl. 442 ff. der FG-Akten), die regelmäßig keine Arbeitstage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 sind. Diese Tage rechnen jedoch auf Grund der vom Kläger mit der YCA und dem Opernhaus Y abgeschlossenen (Chorzuzüger-)Verträge im Streitfall zu den a.a.O. ausdrücklich vereinbarten Arbeitstagen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV).
94 
4. Gegen die Berücksichtigung der 85 Nichtrückkehrtage kann im Übrigen nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass der Kläger keine Bescheinigung seiner Arbeitgeber (des Opernhauses Y und der YCA) versehen mit einem Sichtvermerk der zuständigen Steuerbehörden der ESTV der Kantone Y und Z vorgelegt hat.
95 
a) Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 5 des Gesetzes vom 30. September 1993 zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 -Zustimmungsgesetz- (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927) hat der Arbeitgeber nach amtlich vorgeschriebenem Muster (vgl. hierzu: BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, Rz 18 i.V.m. Anlage Gre-3a [S. 703 ff. a.a.O.]) die Tage der Nichtrückkehr auf Grund der Arbeitsausübung zu bescheinigen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr Grenzgänger ist (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992). Nach Nr. II. 5 Satz 1 des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18. Dezember 1991 -Verhandlungsprotokoll- (BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929) ist die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Tage der Nichtrückkehr mit einem Sichtvermerk der für den Arbeitsort zuständigen Finanzbehörde zu versehen. Diese Bescheinigung schließt Ermittlungen der für den Wohnsitz zuständigen Finanzbehörde nicht aus (Nr. II. 5 Satz 2 des Verhandlungsprotokolls).
96 
b) Hiermit übereinstimmend ist nach § 10 Abs. 1 KonsVerCHEV der Arbeitgeber verpflichtet, die Nichtrückkehrtage nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu bescheinigen, wenn er am Ende des Jahres oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahrs feststellt, dass die Grenzgängereigenschaft auf Grund der entsprechenden Nichtrückkehrtage entfällt (Satz 1). Der Vordruck ist jeweils unaufgefordert der für den Einbehalt der Abzugsteuer zuständigen Steuerbehörde zuzuleiten, die diese Bescheinigung nach Überprüfung mit einem Sichtvermerk versehen an den Arbeitgeber zur Weiterleitung an den Grenzgänger zurückgibt (Satz 2). Eine Überprüfung der bescheinigten Nichtrückkehrtage ist zulässig (Satz 3). Es können entsprechende Nachweise verlangt werden (Satz 4).
97 
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH und des erkennenden Senats ist die Arbeitgeberbescheinigung, auch wenn sie mit einem Sichtvermerk der ESTV versehen ist, im Inland weder für das Finanzamt noch für das Finanzgericht verbindlich (BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 4/10, BFH/NV 2011, 800 zu II. 2.a, mit weiteren Nachweisen). Nach Schweizer Rechtsauffassung wird mit der Bescheinigung des Arbeitgebers auf dem amtlichen Vordruck Gre-3a (BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683, 703) der Nachweis der Nichtrückkehrtage grundsätzlich erbracht, und nur in Ausnahmefällen hat die (Schweizerische) Steuerbehörde das Recht, die bescheinigten Nichtrückkehrtage zu überprüfen (Hinweis auf das Senatsurteil vom 27. September 2012 3 K 994/09, rechtskräftig, juris; Enz, a.a.O., Rz. 352 und 353).
98 
d) Da die Bescheinigung des Arbeitgebers und der Sichtvermerk der ESTV zur Liste der Nichtrückkehrtage für das FG (wie auch für das FA) nicht verbindlich sind, kann wegen ihres Fehlens allein nicht die Anerkennung von in einer Liste aufgeführten Nichtrückkehrtagen verweigert werden. Die Arbeitgeberbescheinigung und der Sichtvermerk sind keine Grundlagenbescheide mit Bindungswirkung (s. § 171 Abs. 10 AO; vgl. hierzu: Klein/Rüsken, AO, Kommentar, 13. Aufl., § 171 Anm. 102 ff. mit weiteren Nachweisen) für die Entscheidung über die Anerkennung von Nichtrückkehrtagen im Besteuerungsverfahren des Arbeitnehmers. Im Übrigen gehen die von Arbeitgebern (gerne und häufig) ausgestellten Bescheinigungen über von Arbeitnehmern verwirklichte Nichtrückkehrtage regelmäßig (von höchst seltenen Ausnahmen abgesehen) von vorneherein ins Leere, weil auch in der Schweiz ansässige Arbeitgeber (hier: das Opernhaus Y und die YCA) grundsätzlich nicht wissen (können), ob ein Arbeitnehmer nach Dienstende nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist oder ob er sich sonst wo bis zum Arbeitsbeginn am Folgetag aufgehalten hat (Hinweis auf die Angaben im Schriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 2015, Bl. 138 der FG-Akten). Entscheidend ist, dass das FG auf Grund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls auf der Grundlage einer Aufstellung über Nichtrückkehrtage zur Überzeugung gelangt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Arbeitnehmer tatsächlich an den geltend gemachten Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992). Zu dieser Überzeugung ist der erkennende Senat hinsichtlich der 85 vom Kläger in einer Liste geltend gemachten Nichtrückkehrtage gelangt (s.o.).
99 
V. Der Kläger unterliegt mit seinen auftrittsbezogenen Vergütungen vom Opernhaus Y und von der YCA nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d und Nr. 2 DBA-Schweiz 1971) der Besteuerung im Inland, mit seinen probenbezogenen Einkünften der Besteuerung in der Schweiz nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 (i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971) und Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971.
100 
1. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 können ungeachtet der Artikel 7, 14 und 15 Einkünfte, die berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker, sowie Sportler und Artisten für ihre in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte Tätigkeit beziehen, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sie diese Tätigkeit ausüben. Ergänzend wird in Art. 24 Abs. 1 Satz Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 bestimmt, dass von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die aus der Schweiz stammenden Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz 1971 ausgenommen werden, soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen, vorausgesetzt die Arbeit wird in der Schweiz ausgeübt und sie können in der Schweiz besteuert werden. Soweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DBA-Schweiz 1971 nicht anzuwenden ist, wird bei den aus der Schweiz stammenden Einkünften die mit diesem Abkommen erhobene und nicht erstattete schweizerische Steuer nach Maßgabe der Vorschriften des deutschen Rechts über die Anrechnung ausländischer Steuer auf den Teil der deutschen Steuer angerechnet, der auf diese Einkünfte entfällt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971).
101 
a) Der Kläger ist berufsmäßiger Künstler i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971.
102 
aa) Der Begriff des (berufsmäßigen) Künstlers ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 18. Juli 2001 I R 26/01, BStBl II 2002, 410; vom 8. April 1997 I R 51/96, BStBl II 1997, 679) über die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 enthaltene Umschreibung („berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker“) hinaus unmittelbar aus dem Abkommen auszulegen (Maßbaum in: Gosch/Kroppen/Grotherr, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar -im Folgenden: Bearbeiter in: G/K/G- Art. 17 OECD-MA Anm. 24). Der abkommensrechtliche Künstlerbegriff setzt sich danach aus zwei Tatbestandselementen zusammen (Wassermeyer/Schwenke in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, MA Art. 17 Anm. 22): Zum einen muss es sich um eine persönlich ausgeübte Tätigkeit handeln wie sich aus dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 ergibt, der eine „persönlich ausgeübte Tätigkeit“ verlangt. Zum anderen muss die Tätigkeit -wie aus den in Art 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 genannten „Bühnen-, Fernseh-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler(n) und Musiker(n)“ zu folgern ist, vornehmlich der Unterhaltung und keinem anderen Zweck dienen. Es genügt, dass die Tätigkeit ausschließlich oder vorwiegend den Zweck hat, der Zerstreuung oder dem Zeitvertreib zu dienen, zu erheitern oder zu vergnügen. Dagegen setzt der Begriff des Künstlers bzw. der künstlerischen Tätigkeit i.S.d. deutschen (Einkommen-)Steuerrechts nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 2012 das Erbringen einer eigenschöpferischen Leistung von einer gewissen Gestaltungshöhe, d.h. eine Leistung voraus, in der die individuelle Anschauungsweise und die besondere Gestaltungskraft des Künstlers zum Ausdruck kommt. Es wird -anders als im Abkommensrecht- ein gewisses „künstlerisches Niveau“ verlangt (Wacker in: Schmidt, EStG, Kommentar, 35. Aufl., § 18 Anm. 66 mit umfangreichen Nachweisen zur steuergerichtlichen Rechtsprechung).
103 
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Kläger mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Opernchores des Opernhauses Y und des Chors der YCA als Künstler i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 tätig geworden. Er übte eine kunstinterpretierende Tätigkeit im Bereich der klassischen Musik, die in Übereinstimmung mit Sinn und Zweck der künstlerischen Tätigkeit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 vorwiegend der Zerstreuung und dem Zeitvertreib des Publikums diente, in der Öffentlichkeit aus (im Opernhaus Y und bei den Cer Festspielen). Auf das künstlerische Niveau der Tätigkeit des Klägers als Ensemblemitglied des Opernchores und des Chores der YCA kommt es -entgegen der wiederholt geäußerten Auffassung des Klägers- nicht an (s. hierzu: Wassermeyer, Deutsches Steuerrecht -DStR- 1995, 555 zu 4. und 5.).
104 
cc) Der Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 steht nicht entgegen, dass der Kläger nichtselbständig für das Opernhaus Y und die YCA im Streitjahr tätig wurde (Hinweis auf die Erwägungen zu II.3.). Die Vorschrift findet nach ihrem Wortlaut, der insoweit keine Einschränkung enthält, sowohl bei selbständigen als auch nichtselbständigen Künstlern Anwendung (Stockmann in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 6. Aufl., Art. 17 Anm. 7; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 2).
105 
b) Voraussetzung für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 ist, dass eine Vergütung gezahlt wird für eine künstlerische (bzw.) sportliche Tätigkeit vor Publikum quasi coram publico (Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 151). Im Allgemeinen ist nicht Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971, sondern sind andere Artikel (z.B. hier: Art. 15, 15a DBA-Schweiz 1971/1992) anzuwenden, wenn die Einkünfte des Künstlers (bzw. Sportlers) nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der öffentlichen Darbietung des Auftretenden vor Publikum im betreffenden Land (hier: Schweiz) stehen (Abs. 9 Satz 2 OECD-Musterkommentar zu Art. 17 Musterabkommen [MA] eingefügt am 23. Juli 1992; s. aber auch: Abs. 8 Satz 1 und Abs. 9 Satz OECD-Muster-Kommentar eingefügt am 23. Juli 1992; zu dessen Anwendung: Mellinghoff in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Eine Festgabe, Seite 35 ff; BFH-Urteil vom 10. Juni 2015 I R 79/13, BStBl II 2016, 326). Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 erfasst nur Vergütungen, die an eine bestimmte künstlerische (bzw. sportliche) Tätigkeit im Auftrittsstaat anknüpfen (Brandis in: Wassermeyer, Doppelbesteuerungsabkommen, Schweiz Art. 17 Anm. 29). Daraus ist abzuleiten, dass die Vergütungen in einem direkten Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftritt des Künstlers (bzw. Sportlers) stehen müssen (Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts -BGer- vom 6. Mai 2008 2C_276/2007 / zga, Erwägungen zu 5.5.). Die für Trainingsfahrten(-einheiten)gezahlten Vergütungen werden nicht für einen öffentlichen Auftritt eines Sportlers gezahlt und fallen somit nicht in den Anwendungsbereich des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 (Urteil 2C_276/2007 / zga, BGer, a.a.O., Erwägungen zu 6.3.; Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Anm. 52/1; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., Art. 17 MA Anm. 36; Haslinger/Weninger in: Gassner/Lang/Schuch/Staringer [Hrsg.], Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2005, Seite 280 zu 1.2.2.; Dick Molemar, Taxation of International Performing Artistes, Seite 99 zu 4.3.2.; Bláha, Jaromir, Treatment of „Training Activities“ for Artistes and Sportsmen according to he OECD Model Seite 115 ff. zu III. 3.4 [Seite 124 ff.] und 3.6 [Seite 236 ff.]). Für die Probetätigkeit eines Künstlers gilt das Gleiche.
106 
c) Für eine enge Auslegung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 im zuvor dargelegten Sinn, nach der eine Vergütung für Proben- (bei Künstlern) und Trainingstätigkeit (bei Sportlern) nicht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 zu besteuern sind spricht, dass ausdrücklich eine „persönlich ausgeübte Tätigkeit“ im Vertragstaat und damit vor Publikum verlangt wird (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 679; Maßbaum in: G/K/G a.a.O., Art. 17 OECD-MA, Anm. 34). Eine persönliche Ausübung liegt damit nur vor, wenn der Sportler oder Künstler im anderen Staat anwesend ist und dort vor Publikum künstlerisch bzw. sportlich tätig wird (Loydolt, Steuer Wirtschaft International -SWI- 1996, 392; Hinweis auf die Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 1. Juni 2015 mit umfangreichen Nachweisen zum internationalen Schrifttum; Urteil des [niederländischen] Gerechtshof Amsterdam vom 6. Oktober 2004 Rechtssache 03/04112, http:/ultspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHAMS:2004:AR3482).
107 
d) Für eine enge Auslegung, nach der nur Vergütungen für Auftritte vor Publikum im Tätigkeitsstaat (hier: in der Schweiz) von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 erfasst werden, spricht des Weiteren auch die Zielsetzung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Sie besteht darin, das Besteuerungsrecht für Sportler und Künstler, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit im Wohnsitzstaat (hier: in der Bundesrepublik Deutschland) oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat (hier: der Schweiz) das Besteuerungsrecht zuzuweisen, für den die praktischen Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in der Regel geringer sind (BFH-Urteil vom 18. Juli 2001 I R 79/13, BStBl II 2002, 410; Wassermeyer/Schwenke, a.a.O., MA Art. 17 Anm. 1; Maßbaum in: G/K/G, a.a.O., Art. 17 OECD-MA Anm. 1 ff.).
108 
aa) Die steuerliche Erfassung der Einnahmen des Klägers aus seiner in der Schweiz in Y und C ausgeübten unselbständigen Arbeit als Künstler wird im Streitfall jedoch seit dem 1. Januar 1994 bereits durch die Vorschrift über die Grenzgängerbesteuerung nach Art. 15a DBA-Schweiz 1917/1992 gewährleistet, die der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 vorgeht, weil die Formulierung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 „ungeachtet der Art. 7, 14 und 15“ nicht um den Hinweis auf Art. 15a DBA-Schweiz 1971 ergänzt wurde (Geiger/Alscher, Internationales Steuerrecht -IStR- 1994, 9 zu 4.4; Kolb/Kubaile, Kompaktkommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, 3. Aufl., ISBN 978-3-905718-13-3, Artikel 17 Tz. 1.2.; Enz, a.a.O., Rz. 357).
109 
bb) Danach hat ein im Inland ansässiger, in der Schweiz unselbständig tätiger Künstler seinem schweizerischen Arbeitgeber eine Bescheinigung des für ihn zuständigen Wohnsitzfinanzamtes (hier: des FA) über seine Ansässigkeit im Inland vorzulegen, damit von seinem schweizerischen Arbeitgeber die einzubehaltende Quellensteuer 4,5 % der Vergütungen nicht übersteigt (Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchstabe b DBA-Schweiz 1971/1992; Fach A Teil 5 Anlage Gre-1a-c bzw. Gre- 2 a-c des Grenzgängerhandbuchs der baden-württembergischen Finanzverwaltung -im Folgenden: Grenzgängerhandbuch-). Durch die Ausstellung der Ansässigkeitsbescheinigung erhält das Wohnsitzfinanzamt von den für eine steuerliche Erfassung des nichtselbständigen Künstlers maßgeblichen Tatsachen ausreichend Kenntnis u.a. auch für eigene Ermittlungen (Hinweis z.B. auf den beim FA vorhandenen Vordruck über eine Arbeitsaufnahme als Grenzgänger in der Schweiz; s. Fach B Teil 5 S 2-76). Eine Besteuerung des ggf. im Inland steuerpflichtigen, in der Schweiz unselbständig tätig gewordenen Künstlers bereitet keine Schwierigkeiten in der Praxis, wie sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass beim FA ca. 20.000 in der Schweiz tätige Arbeitnehmer veranlagt werden. Im Übrigen hat auch der in der Schweiz nichtselbständig arbeitende Künstler ein Interesse an dem Erhalt einer Ansässigkeitsbescheinigung seines Wohnsitzfinanzamtes. Nur auf diese Weise kann ein nichtselbständiger Künstler eine Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer bei seiner Veranlagung als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 gemäß des entsprechend anzuwenden § 36 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2012 (BFH-Urteil vom 2. März 2010 I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820) erreichen: denn die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung ist Voraussetzung dafür, dass der nichtselbständige Künstler von der ESTV eine Steuerbescheinigung erhält oder -wie üblich- ein Steuerausweis auf dem Lohnausweis über die einbehaltene Abzugsteuer von seinem Arbeitgeber angebracht wird, der anschließend dem Wohnsitzfinanzamt vorgelegt werden kann (s. hierzu auch: Nr. III. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls; § 12 Abs. 1 Satz 1 KonsVerCHEV; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Anm. 30).
110 
e) Hieraus ergibt sich Folgendes für den Streitfall:
111 
aa) Bei den von den Arbeitgebern des Klägers gesondert abgerechneten Vergütungen (Honorare) für die Auftritte des Klägers als Chormitglied im Opernhaus Y und bei den Festspielen in C aus Anlass der Aufführung von Opern handelt es sich um Einkünfte eines berufsmäßigen Künstlers für eine in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte Tätigkeit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Der Kläger war bei diesen Anlässen im anderen Staat (hier: Schweiz) anwesend und wurde künstlerisch vor Publikum tätig (zu dessen „Zerstreuung und Zeitvertreib“). Ob das Tätigwerden des Klägers als Chorsänger bei diesen Gelegenheiten ein besonderes künstlerisches Niveau erreicht hat (was vom Kläger selbst wiederholt in Abrede gestellt wurde), ist nicht von Bedeutung (Brandis in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 17 Rn. 19).
112 
Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971 unterliegen diese Einkünfte der Besteuerung im Inland unter Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Quellensteuer, weil die Einkünfte i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 von einer Besteuerung ausschließlich in der Schweiz durch Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 ausgenommen sind (durch den Zusatz a.a.O.: „soweit sie nicht unter Artikel 17 fallen“; Brandis in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 17 Anm. 39).
113 
bb) Die Vergütungen für die Probentätigkeit des Klägers in Y (u.a. im H-Saal im Orchesterprobesaal X) und im BC, die nach den Feststellungen des erkennenden Senats nicht vor Publikum erfolgte, sind keine Einkünfte im Sinne des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971. Demzufolge kommt, weil der Kläger wegen mehr als 60 verwirklichten Nichtrückkehren kein Grenzgänger i.S.v. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 ist (s. zuvor zu IV.), die allgemeine Vorschrift zur Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 zur Anwendung, aus denen sich ein Besteuerungsrecht im Inland nicht ergibt.
114 
aaa) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d DBA-Schweiz 1971 hat die Schweiz das Besteuerungsrecht hinsichtlich der hier in Rede stehenden Einkünfte des Klägers aus unselbständiger Arbeit, weil die diesbezügliche Probentätigkeit in der Schweiz ausgeübt wurde und die Einnahmen hieraus nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1971 fallen. Im Inland sind die Einnahmen für diese Tätigkeit bei der Berechnung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971; § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 2012).
115 
bbb) Die Voraussetzungen für ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Vergütungen des Klägers für dessen Probentätigkeit nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 sind nicht erfüllt.
116 
Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz 1971 können Einkünfte einer in einem Vertragstaat ansässigen Person aus einer im anderen Vertragstaat ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit (hier: in der Schweiz) nur im Ansässigkeitsstaat (hier: in der Bundesrepublik Deutschland) besteuert werden, wenn
117 
(a) der Empfänger sich im Tätigkeitsstaat nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Kalenderjahres aufhält und
(b) die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist und
(c) die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat getragen werden.
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Die Norm statuiert mithin ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates, das aber nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung voraussetzt, dass alle dort genannten Bedingungen (kumulativ) erfüllt sind. Fehlt es auch nur an einer von ihnen, so bleibt es bei Einkünften aus einer im anderen Vertragstaat ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit bei dem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates (hier: der Schweiz) gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971 (BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 93/06, BFH/NV 2008, 206, zu II. 2. b).
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Im Streitfall sind die Bedingungen für ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland schon deshalb nicht erfüllt, weil die Vergütungen für die streitige Probentätigkeit des Klägers von Arbeitgebern (dem Opernhaus Y und der YCA) gezahlt wurden, die in der Schweiz (Y) ansässig waren und damit sind die Voraussetzungen für ein Besteuerungsrecht im Inland nach Art. 15 Abs. 2Buchstabe b DBA-Schweiz 1971 nicht erfüllt.
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VI. Soweit der angegriffene Einkommensteueränderungsbescheid vom 6. April 2016 als Änderungsbescheid auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützt wurde, bestehen hiergegen keine Bedanken. Dem FA sind die Tatsachen in Gestalt höherer Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit deshalb nachträglich bekannt geworden (Hinweis auf den an das FA gerichteten Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2016, Bl. 223-251 der FG-Akten), weil es sie im Zeitpunkt des Erlasses des zu ändernden Bescheides (hier: der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014) weder positiv kannte noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben hätte kennen müssen (können; Gräber/Rüsken, a.a.O., § 173 Anm. 80 ff. mit Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf auch aus diesem Grund keiner weiteren Erläuterungen.
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VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
122 
VIII. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Der Kläger konnte die Hilfe eines sach-kundigen Bevollmächtigten für unentbehrlich halten (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1967 VI B 2/67, BStBl II 1968, 181).
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IX. 1. Die Revision war zuzulassen. Der Sache kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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2. Der erkennende Senat weicht nicht von den im BFH-Beschluss vom 20. März 2011 I B 178/10 (juris; Zeitschrift für Steuern und Recht -ZSteu- 2011 R504-R505) dargelegten Rechtsgrundsätzen ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). A.a.O. hat der BFH entschieden, dass die Vergütungen für eine im Inland ausgeübte künstlerische u.a. Darbietung (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG 2005 und 2006) in Form einer Show als einheitliche Leistung und nicht in getrennte Leistungen für „Proben“ und „Auftritte“ aufgeteilt werden können. Zum Einen stellt sich im vorliegenden Verfahren die Aufteilung in auftrittsbezogene und probenbezogene Einkünfte auf abkommensrechtlicher Ebene nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971 und zum Anderen liegt ein im Wesentlichen anders gelagerter Sachverhalt vor (Hinweis z.B. auf die Vereinbarungen lt. den Chorzuzügerverträgen und dem Vertrag mit der YCA zu den Vergütungen für Proben und Aufführungen). Eine vom vorliegenden Urteil abweichende Auffassung vertritt das FG Münster im Beschluss vom 19. Mai 2004 11 V 1848/04 E (rechtskräftig, EFG 2004, 1430).

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