Beschluss vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 1 V 2137/16

Tenor

1. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 wird bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den hiergegen erhobenen Einspruch von der Vollziehung ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
I. Der Antragsteller wendet sich gegen ein Beitreibungsersuchen des griechischen Staates für Steuerforderungen, die im Wege der Amtshilfe von der deutschen Finanzverwaltung durch eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vollstreckt werden.
Der Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger und lebt in Deutschland. Er ist geschieden und hat eine Tochter. Der Antragsteller hatte in den Jahren 2001 und 2002 in Griechenland eine Tankstelle mit Werkstatt betrieben und kehrte anschließend nach Deutschland zurück.
Im Januar 2007 eröffnete das Amtsgericht x das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Das Insolvenzverfahren wurde im September 2007 aufgehoben und dem Antragsteller im Januar 2013 die Restschuldbefreiung erteilt.
Mit E-Mail vom 14. März 2016 schickte das Bundeszentralamt für Steuern ein Amtshilfeersuchen des griechischen Staates in Gestalt des Local Tax Office of y an den Antragsgegner (Finanzamt -FA- w), in dessen Bezirk der Antragsteller im November 2015 gezogen war. Vor dem Umzug war das FA x mit der Beitreibung betraut worden, das den Antragsteller im Oktober 2015 über die vom griechischen Staat gegen ihn geltend gemachten Forderungen informiert hatte.
Das Amtshilfeersuchen beruht auf dem Gesetz vom 7. Dezember 2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie die diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie).
Das Amtshilfeersuchen hat die Beitreibung von in Griechenland titulierten Forderungen gegen den Antragssteller zum Gegenstand (sog. einheitlicher Vollstreckungstitel). Der Vollstreckungstitel betrifft eine im Jahr 2002 entstandene und am 8. November 2013 festgesetzte Forderung i.H.v. xxx.xxx,xx EUR wegen Hinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer („Administrative fine of Books & Records Code regarding tax evasion of VAT and Income Tax“, vgl. Bl. 4 der Vollstreckungsakte) sowie eine im Jahr 2015 entstandene und am 18. Februar 2015 festgesetzte andere steuerliche Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR (vgl. Bl. 5 der Vollstreckungsakte). Hieraus ergab sich zusammen mit Nebenforderungen eine Beitreibungssumme von insgesamt xxx.xxx,xx EUR.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 forderte das FA den Antragsteller auf, den geforderten Betrag bis zum 20. Mai 2016 zu bezahlen und kündigte bei Nichtzahlung die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen an. Den Einwand des Antragstellers, dass die angebliche Forderung aus dem Jahr 2002 wegen des Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung im Januar 2013 untergegangen sei, begegnete das FA mit dem Hinweis, dass Einwendungen gegen die Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit nur bei der zuständigen ausländischen Behörde vorgebracht werden könnten.
Am 16. Juni 2016 erließ das FA eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung von xxx.xxx,xx EUR gegen die Volksbank x, wo der Antragsteller ein Konto hat. Die Volksbank x antwortete in ihrer Drittschuldnererklärung vom 21. Juni 2016, dass das Konto des Antragsstellers als Pfändungsschutzkonto geführt werde.
Der Antragsteller hat am 18. Juli 2016 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vollstreckungsersuchens gestellt. Er trägt vor, dass aufgrund der Restschuldbefreiung im Januar 2013 alle Forderungen sämtlicher Gläubiger untergegangen seien, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Januar 2007 einen Anspruch gegen ihn gehabt hätten. Hierzu gehörten auch die angeblichen, im Jahr 2002 entstandenen Forderungen der griechischen Finanzverwaltung. Bis heute liege ihm kein Steuerbescheid vor, gegen den er sich in Griechenland wehren könnte.
10 
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Vollstreckungsersuchens des Local Tax Office of y bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren in Griechenland ohne Sicherheitsleistung auszusetzen und ihm hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
11 
Das FA beantragt,
den Antrag als unzulässig abzuweisen.
12 
Der Antrag sei unzulässig, weil deutsche Behörden einem Zwangsvollstreckungs- oder Beitreibungsersuchen eines anderen Mitgliedstaates auf der Grundlage der EU-Beitreibungsrichtlinie Folge zu leisten hätten, ohne dessen inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Der Vollstreckungsstaat habe nach dem EUBeitrG weder die Forderung noch den Vollstreckungstitel des ausländischen Staates in der Sache selbst zu prüfen. Das könne allein durch den ausländischen Staat nach Maßgabe seiner Rechtsordnung geschehen.

Entscheidungsgründe

 
13 
II. Der zulässige Aussetzungsantrag ist begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die in der Sache angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig ist, weil der Vollstreckung der ausländischen Steuerforderung die im Inland erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen könnte.
14 
1. Der Aussetzungsantrag ist zulässig.
15 
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller mit seinem gegen das „Vollstreckungsersuchen“ gerichteten Aussetzungsantrag entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begehrt, dass das Finanzgericht die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 und nicht das ihr zugrunde liegende Vollstreckungsersuchen aussetzen soll. Denn eine Aussetzung der Vollziehung des ausländischen Vollstreckungsersuchens wäre rechtlich nicht möglich.
16 
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Der dem ausländischen Vollstreckungsersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 EU-Beitreibungsrichtlinie), gilt im Inland als vollstreckbarer Verwaltungsakt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Gegen diese Fiktion eines Verwaltungsakts besteht kein inländischer Rechtsschutz. Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich nach dessen Rechtsordnung. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Antragsteller behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Antragsteller - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
17 
bb) Der Ausschluss inländischen Rechtschutzes gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung (Vollstreckungstitel) schließt aber nicht den inländischen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst aus. Ebenso wie nach inländischen Recht Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen sind (§ 256 AO), kann der Betroffene eines Beitreibungsersuchens im ersuchenden Staat gegen den Vollstreckungstitel und im vollstreckenden Staat gegen die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund des Beitreibungsersuchens vorgehen. Die anfechtbare Vollstreckungsmaßnahme ist daher allein die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016.
18 
Der Antragsteller wendet sich nach dem Wortlaut seines Antrags zwar gegen das „Vollstreckungsersuchen“. In seiner Antragsbegründung verweist er aber auch auf „seine Einwendungen gegenüber der Pfändungsverfügung“. Der Antragsteller hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zur Umsetzung des Vollstreckungsersuchens wendet. Dass das Vollstreckungsersuchen selbst ebenso wie die dem Ersuchen zugrunde liegende ausländische Steuerforderung im Inland nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, war dem Antragsteller aufgrund der Hinweise des FA bekannt. Von dem gegen das Vollstreckungsersuchen gerichteten Rechtschutzbegehren ist daher die auf das Ersuchen im Wege der Amtshilfe ausgeführte Vollstreckungsmaßnahme in Form der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 mit umfasst.
19 
b) Der sachdienlich ausgelegte Aussetzungsantrag ist zulässig. Die Pfändungsverfügung nach § 309 AO ist ebenso wie die Einziehungsverfügung nach § 314 AO ein vollziehbarer Verwaltungsakt, der nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Finanzgericht als Gericht der Hauptsache aussetzt werden kann. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO).
20 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 ist ein „angefochtener“ Verwaltungsakt i. S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, gegen den als Vollstreckungsmaßnahme nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ohne vorherigen Antrag bei der Finanzbehörde unmittelbar beim Finanzgericht die Aussetzung begehrt werden kann. Denn eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet.
21 
Der Antragsteller hat die dem Drittschuldner am 18. Juni 2016 zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 nach Lage der vorliegenden Vollstreckungsakte zwar nicht gegenüber dem Antragsgegner mit Einspruch angefochten. Der am 18. Juli 2016 beim Finanzgericht gestellte Aussetzungsantrag ist aber ebenso wie der Aussetzungsantrag selbst rechtsschutzgewährend als ein Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 auszulegen, weil sich der Antragsteller auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wendet.
22 
bb) Der Einspruch ist fristgerecht. Das Finanzgericht hat den als Einspruch auszulegenden Antragsschriftsatz vom 18. Juli 2016 am 19. Juli 2016 dem Antragsgegner per Fax weitergeleitet. Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruch gegen die dem Antragsteller als „Ausfertigung für den Vollstreckungsschuldner“ mit Datum vom 16. Juni 2016 bekannt gegebene Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Bl. 25 der Gerichtsakte) ist daher gewahrt. Gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der dritte Tag nach einer frühestens am 16. Juni 2016 zu unterstellenden Postaufgabe wäre der 19. Juni 2016 (Sonntag). Die Einspruchsfrist konnte daher frühestens am 20. Juli 2016 ablaufen, einen Tag nachdem der Antragsgegner vom Finanzgericht über das Rechtsschutzbegehren informiert worden war.
23 
2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.
24 
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH-Beschluss vom 28. November 1974 V B 44/74, BStBI. II 1975, 240). Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
25 
b) Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist ernstlich zweifelhaft, weil der Vollstreckung die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung entgegen stehen könnte.
26 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung (§§ 309 und 314 AO) beruht auf dem einheitlichen Vollstreckungstitel des griechischen Fiskus und damit auf einem vollstreckbaren Verwaltungsakt (§ 251 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Zu den Forderungen, die im Wege der Amtshilfe beigetrieben werden können, gehören nicht nur Steuerforderungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG), sondern auch Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf diese Forderungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG). Weil der einheitliche Vollstreckungstitel „die alleinige Grundlage für die … zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahme ist“ (§ 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG), bedarf es keines Leistungsgebots i.S. des § 254 Abs. 1 AO (FG Köln, Urteil vom 30. September 2015 14 K 2097/13, EFG 2016, 494; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 zur Nichtanfechtbarkeit einer inländischen Zahlungsaufforderung bei der Vollstreckung ausländischer Forderungen).
27 
bb) Obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sind, könnte der Vollstreckung die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen, weil nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) unberührt bleiben.
28 
Die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO). Wird dem Schuldner durch Beschluss gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten, die weiterhin erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar sind. Eine Vollstreckung ist unzulässig.
29 
Diese Rechtswirkung der Restschuldbefreiung bindet auch ausländische Gläubiger. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- Nr. L 160/1) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 der Verordnung zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Ohne weitere Förmlichkeiten werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen worden sind, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird (Art. 25 Abs. 1 EuInsVO). Die vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - x getroffenen Entscheidung der Restschuldbefreiung ist daher auch für den griechischen Fiskus als ausländischer Gläubiger grundsätzlich verbindlich (vgl. zum umgekehrten Fall der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland, BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 VII B 119/15, BFH/NV 2016, 1586).
30 
Für die deswegen nach inländischem Recht zu beantwortenden Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind und damit von der Restschuldbefreiung umfasst sind, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369). Daher ist ein Steueranspruch immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden ist, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).
31 
Nach diesem Maßstab war die dem Beitreibungsersuchen und damit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrunde liegende Forderung bereits im Jahr 2002 entstanden, als der Antragsteller in Griechenland gewerblich tätig war. Die mit dem Beitreibungsersuchen geltend gemachte Forderung war insolvenzrechtlich daher bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 15. Januar 2007 entstanden. Das ergibt sich auch aus dem Formular des Beitreibungsersuchens, in dem unter dem Textfeld „Beschreibung der Forderung(en)“ für die am 8. August 2013 festgesetzte Forderung ein Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 angegeben ist (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte). Dass die zu vollstreckende Forderung erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung am 17. Januar 2013 in Griechenland festgesetzt wurde, ändert nichts an der früheren insolvenzrechtlichen Entstehung der Forderung im Jahr 2002.
32 
Die im Jahr 2002 in Griechenland entstandene Forderung würde auch dann an der Restschuldbefreiung im Jahr 2013 teilhaben, wenn es sich hierbei um eine aus einer Steuerstraftat resultierende Forderung handeln sollte. Hierzu ist im Formular über den einheitlichen Vollstreckungstitel ergänzend vermerkt (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte), dass die Forderung auf einem Bußgeld bzgl. der Steuerhinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer beruht und deswegen derzeit eine Strafverfolgung in Griechenland stattfinde. Selbst wenn es sich bei der Forderung um einen aus einer Steuerhinterziehung entstandenen Anspruch handeln sollte, würde dies an der Restschuldbefreiung nichts ändern, solange der Antragsteller deswegen nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGB. I 2013, 2379) werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder aus einem Steuerschuldverhältnis nicht berührt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Ohne eine rechtskräftige Verurteilung schließt der Zusammenhang mit einer Steuerstraftat die Restschuldbefreiung nicht aus. Hinterzogene Steuern rechnen allerdings nicht zu den Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07, BFHE 222, 199, BStBl II 2008, 947).
33 
Wegen der sich aus der Restschuldbefreiung ergebenden Zweifel an der Vollstreckbarkeit der beizutreibenden Forderung war dem Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu gewähren. Diese umfasst auch die Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR. Der Senat geht davon aus, dass diese Forderung mit der geltend gemachten Hauptforderung aus der Steuerhinterziehung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht.
34 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe

 
13 
II. Der zulässige Aussetzungsantrag ist begründet. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die in der Sache angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung rechtmäßig ist, weil der Vollstreckung der ausländischen Steuerforderung die im Inland erteilte Restschuldbefreiung entgegenstehen könnte.
14 
1. Der Aussetzungsantrag ist zulässig.
15 
a) Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller mit seinem gegen das „Vollstreckungsersuchen“ gerichteten Aussetzungsantrag entsprechend § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 113 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begehrt, dass das Finanzgericht die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 und nicht das ihr zugrunde liegende Vollstreckungsersuchen aussetzen soll. Denn eine Aussetzung der Vollziehung des ausländischen Vollstreckungsersuchens wäre rechtlich nicht möglich.
16 
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EUBeitrG werden Forderungen, für die in einem anderen Mitgliedstaat ein Vollstreckungstitel besteht, wie eine inländische Forderung vollstreckt. Der dem ausländischen Vollstreckungsersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 EU-Beitreibungsrichtlinie), gilt im Inland als vollstreckbarer Verwaltungsakt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Gegen diese Fiktion eines Verwaltungsakts besteht kein inländischer Rechtsschutz. Wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 EUBeitrG ergibt, dürfen im Vollstreckungsstaat weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel in der Sache selbst nachgeprüft werden. Die Überprüfung erfolgt durch den Ursprungsstaat und richtet sich nach dessen Rechtsordnung. Dementsprechend enthält § 13 Abs. 2 Satz 2 EUBeitrG nur die Möglichkeit, die Vollstreckung für den Zeitraum auszusetzen, in dem der Schuldner im Ursprungsstaat gegen den Vollstreckungstitel als solchen oder dessen Bestätigung durch den einheitlichen Vollstreckungstitel vorgeht. Ob der Sachentscheidung im Ursprungsstaat ein Verfahrensverstoß zu Grunde liegt, weil beispielsweise der ursprüngliche Vollstreckungstitel - wie im Streitfall vom Antragsteller behauptet - nicht zugestellt wurde, darf im Vollstreckungsstaat nicht geprüft werden. Solange die Bestätigung des ursprünglichen Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel durch den Ursprungsstaat nicht aufgehoben wurde, ist die Vollstreckung durchzuführen. Es kann daher vorkommen, dass der Schuldner - wie möglicherweise im Streitfall der Antragsteller - erst im Zuge der Vollstreckung von der Existenz des ursprünglichen Vollstreckungstitels informiert wird. Dies hat der Gesetzgeber offenbar im Vertrauen auf die Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung und die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten in Kauf genommen. Dieses Vertrauen beinhaltet, dass nur das Gericht des Ursprungsstaates beurteilen darf, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Vollstreckungstitels als einheitlicher Vollstreckungstitel vorliegen.
17 
bb) Der Ausschluss inländischen Rechtschutzes gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung (Vollstreckungstitel) schließt aber nicht den inländischen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst aus. Ebenso wie nach inländischen Recht Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen sind (§ 256 AO), kann der Betroffene eines Beitreibungsersuchens im ersuchenden Staat gegen den Vollstreckungstitel und im vollstreckenden Staat gegen die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund des Beitreibungsersuchens vorgehen. Die anfechtbare Vollstreckungsmaßnahme ist daher allein die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016.
18 
Der Antragsteller wendet sich nach dem Wortlaut seines Antrags zwar gegen das „Vollstreckungsersuchen“. In seiner Antragsbegründung verweist er aber auch auf „seine Einwendungen gegenüber der Pfändungsverfügung“. Der Antragsteller hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass er sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zur Umsetzung des Vollstreckungsersuchens wendet. Dass das Vollstreckungsersuchen selbst ebenso wie die dem Ersuchen zugrunde liegende ausländische Steuerforderung im Inland nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, war dem Antragsteller aufgrund der Hinweise des FA bekannt. Von dem gegen das Vollstreckungsersuchen gerichteten Rechtschutzbegehren ist daher die auf das Ersuchen im Wege der Amtshilfe ausgeführte Vollstreckungsmaßnahme in Form der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 mit umfasst.
19 
b) Der sachdienlich ausgelegte Aussetzungsantrag ist zulässig. Die Pfändungsverfügung nach § 309 AO ist ebenso wie die Einziehungsverfügung nach § 314 AO ein vollziehbarer Verwaltungsakt, der nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom Finanzgericht als Gericht der Hauptsache aussetzt werden kann. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO).
20 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 ist ein „angefochtener“ Verwaltungsakt i. S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO, gegen den als Vollstreckungsmaßnahme nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO ohne vorherigen Antrag bei der Finanzbehörde unmittelbar beim Finanzgericht die Aussetzung begehrt werden kann. Denn eine Vollstreckung droht jedenfalls dann, wenn sich der Aussetzungsantrag unmittelbar gegen einen Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren richtet.
21 
Der Antragsteller hat die dem Drittschuldner am 18. Juni 2016 zugestellte Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 nach Lage der vorliegenden Vollstreckungsakte zwar nicht gegenüber dem Antragsgegner mit Einspruch angefochten. Der am 18. Juli 2016 beim Finanzgericht gestellte Aussetzungsantrag ist aber ebenso wie der Aussetzungsantrag selbst rechtsschutzgewährend als ein Einspruch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016 auszulegen, weil sich der Antragsteller auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wendet.
22 
bb) Der Einspruch ist fristgerecht. Das Finanzgericht hat den als Einspruch auszulegenden Antragsschriftsatz vom 18. Juli 2016 am 19. Juli 2016 dem Antragsgegner per Fax weitergeleitet. Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruch gegen die dem Antragsteller als „Ausfertigung für den Vollstreckungsschuldner“ mit Datum vom 16. Juni 2016 bekannt gegebene Pfändungs- und Einziehungsverfügung (Bl. 25 der Gerichtsakte) ist daher gewahrt. Gemäß § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der dritte Tag nach einer frühestens am 16. Juni 2016 zu unterstellenden Postaufgabe wäre der 19. Juni 2016 (Sonntag). Die Einspruchsfrist konnte daher frühestens am 20. Juli 2016 ablaufen, einen Tag nachdem der Antragsgegner vom Finanzgericht über das Rechtsschutzbegehren informiert worden war.
23 
2. Der Aussetzungsantrag ist begründet.
24 
a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH-Beschluss vom 28. November 1974 V B 44/74, BStBI. II 1975, 240). Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
25 
b) Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist ernstlich zweifelhaft, weil der Vollstreckung die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung entgegen stehen könnte.
26 
aa) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung (§§ 309 und 314 AO) beruht auf dem einheitlichen Vollstreckungstitel des griechischen Fiskus und damit auf einem vollstreckbaren Verwaltungsakt (§ 251 Abs. 1 AO i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 EUBeitrG). Zu den Forderungen, die im Wege der Amtshilfe beigetrieben werden können, gehören nicht nur Steuerforderungen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EUBeitrG), sondern auch Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf diese Forderungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 EUBeitrG). Weil der einheitliche Vollstreckungstitel „die alleinige Grundlage für die … zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahme ist“ (§ 10 Abs. 3 Satz 1 EUBeitrG), bedarf es keines Leistungsgebots i.S. des § 254 Abs. 1 AO (FG Köln, Urteil vom 30. September 2015 14 K 2097/13, EFG 2016, 494; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. August 2010 VII B 48/10, BFH/NV 2010, 2235 zur Nichtanfechtbarkeit einer inländischen Zahlungsaufforderung bei der Vollstreckung ausländischer Forderungen).
27 
bb) Obwohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sind, könnte der Vollstreckung die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen, weil nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO die Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) unberührt bleiben.
28 
Die dem Antragsteller erteilte Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 286 und § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hatten. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO). Wird dem Schuldner durch Beschluss gemäß § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt, wandeln sich die Insolvenzforderungen in unvollkommene Verbindlichkeiten, die weiterhin erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar sind. Eine Vollstreckung ist unzulässig.
29 
Diese Rechtswirkung der Restschuldbefreiung bindet auch ausländische Gläubiger. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- Nr. L 160/1) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 der Verordnung zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Ohne weitere Förmlichkeiten werden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen worden sind, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 16 EuInsVO anerkannt wird (Art. 25 Abs. 1 EuInsVO). Die vom Amtsgericht - Insolvenzgericht - x getroffenen Entscheidung der Restschuldbefreiung ist daher auch für den griechischen Fiskus als ausländischer Gläubiger grundsätzlich verbindlich (vgl. zum umgekehrten Fall der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung im Inland, BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 VII B 119/15, BFH/NV 2016, 1586).
30 
Für die deswegen nach inländischem Recht zu beantwortenden Frage, ob Steuerforderungen Insolvenzforderungen sind und damit von der Restschuldbefreiung umfasst sind, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Es kommt nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden ist, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (BFH-Beschluss vom 6. Oktober 2005 VII B 309/04, BFH/NV 2006, 369). Daher ist ein Steueranspruch immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO, wenn er vor Eröffnung des Verfahrens in der Weise begründet worden ist, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925).
31 
Nach diesem Maßstab war die dem Beitreibungsersuchen und damit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zugrunde liegende Forderung bereits im Jahr 2002 entstanden, als der Antragsteller in Griechenland gewerblich tätig war. Die mit dem Beitreibungsersuchen geltend gemachte Forderung war insolvenzrechtlich daher bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 15. Januar 2007 entstanden. Das ergibt sich auch aus dem Formular des Beitreibungsersuchens, in dem unter dem Textfeld „Beschreibung der Forderung(en)“ für die am 8. August 2013 festgesetzte Forderung ein Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 angegeben ist (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte). Dass die zu vollstreckende Forderung erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung am 17. Januar 2013 in Griechenland festgesetzt wurde, ändert nichts an der früheren insolvenzrechtlichen Entstehung der Forderung im Jahr 2002.
32 
Die im Jahr 2002 in Griechenland entstandene Forderung würde auch dann an der Restschuldbefreiung im Jahr 2013 teilhaben, wenn es sich hierbei um eine aus einer Steuerstraftat resultierende Forderung handeln sollte. Hierzu ist im Formular über den einheitlichen Vollstreckungstitel ergänzend vermerkt (vgl. Bl. 13 der Vollstreckungsakte), dass die Forderung auf einem Bußgeld bzgl. der Steuerhinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer beruht und deswegen derzeit eine Strafverfolgung in Griechenland stattfinde. Selbst wenn es sich bei der Forderung um einen aus einer Steuerhinterziehung entstandenen Anspruch handeln sollte, würde dies an der Restschuldbefreiung nichts ändern, solange der Antragsteller deswegen nicht rechtskräftig verurteilt worden ist. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGB. I 2013, 2379) werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung oder aus einem Steuerschuldverhältnis nicht berührt, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist. Ohne eine rechtskräftige Verurteilung schließt der Zusammenhang mit einer Steuerstraftat die Restschuldbefreiung nicht aus. Hinterzogene Steuern rechnen allerdings nicht zu den Verbindlichkeiten aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (BFH-Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07, BFHE 222, 199, BStBl II 2008, 947).
33 
Wegen der sich aus der Restschuldbefreiung ergebenden Zweifel an der Vollstreckbarkeit der beizutreibenden Forderung war dem Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu gewähren. Diese umfasst auch die Forderung aus „Administrative Enforcement Expenses“ i.H.v. xx,xx EUR. Der Senat geht davon aus, dass diese Forderung mit der geltend gemachten Hauptforderung aus der Steuerhinterziehung in einem untrennbaren Sachzusammenhang steht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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