Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 4 K 3694/15

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2015 wird dahingehend abgeändert, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von 6.900 EUR berücksichtigt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für ein im eigenen Einfamilienhaus (EFH) belegenes Büro als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Die verheirateten Kläger (Kl) wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kl ist Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht (AG) X und insoweit zuständig für die Bezirke Y und Z. Seit dem Jahr 2011 unterhält er im Untergeschoss seines EFH in Y für seine Tätigkeit als Gerichtsvollzieher ein Büro (im Folgenden: Hauptbüro). Diese Räume hatten die Kl eigens als Dienstsitz des Kl geplant, im Übrigen aber auch so konzipiert, dass sie als Einliegerwohnung genutzt werden können. Es handelt sich um einen kleinen Vorraum, ein WC und den eigentlichen Büroraum mit insgesamt 50 m² Fläche. Im Büroraum befinden sich zwei Schreibtische mit Bildschirmarbeitsplätzen, ein dritter mobiler Arbeitsplatz für die Abnahme der Vermögensauskünfte sowie ein Besprechungstisch, des Weiteren ein Tresor, drei Drucker, ein Kopier- und Faxgerät sowie Schränke mit sämtlichen Akten und den sonstigen beruflichen Unterlagen und Gegenständen des Kl. Der WC-Raum wird als Lager genutzt. Das Hauptbüro ist sowohl über zwei Verbindungstüren im Untergeschoss als auch über eine - auf der dem privaten Eingang gegenüberliegenden Hausseite gelegene - Außentreppe zu erreichen. Die dortige Eingangstür verfügt über ein separates Schloss. Mit dem Büroschlüssel lassen sich weder die private Hauseingangstür noch die beiden innenliegenden Verbindungstüren zu den privaten Räumen öffnen. Der ständige Vertreter des Kl verfügt über einen Büroschlüssel, um dessen Zugangsmöglichkeit während der Verhinderung des Kl (z.B. Krankheit und Urlaub) sicherzustellen. Unmittelbar neben der Eingangstür zum Hauptbüro ist ein Schild mit dem Landeswappen Baden-Württembergs und der Aufschrift „Obergerichtsvollzieher“ sowie dem Namen des Kl angebracht. Auf dem Grundstück wurden neben der privaten Garagenzufahrt zwei gesonderte Stellplätze angelegt, die von der Baubehörde auf Grund des Besucherverkehrs im Hauptbüro zur Auflage gemacht worden waren. Neben den Stellplätzen befindet sich ein gemeinsamer Briefkasten für die private und die berufliche Post des Kl, jedoch eine gesonderte Klingel für das Hauptbüro mit der Aufschrift „Gerichtsvollzieher“.
Sofern dem Kl Auszubildende zugewiesen werden, arbeiten diese im Hauptbüro des Kl. Gelegentlich kommen auch Rechtsreferendare zur Hospitation in das Büro, um einen Einblick in die Arbeit eines Gerichtsvollziehers zu gewinnen. Im Hauptbüro finden zweimal jährlich ordentliche Geschäftsprüfungen durch den Revisor des Landgerichts (LG) Q statt. Die Prüfungen dauern üblicherweise einen ganzen Tag.
Der Kl hat des Weiteren in X gemeinsam mit (damals) 11 weiteren Gerichtsvollziehern eine Dreiraumwohnung als Büroräume angemietet. Der Kl teilt sich dort einen Raum mit vier weiteren Gerichtsvollziehern, denen jeweils ein Schreibtisch mit Faxgerät zur Verfügung steht. Die anderen Räume sind ähnlich ausgestattet. Die Gerichtsvollzieher führen dort abwechselnd Sprechstunden durch, der Kl montags und donnerstags jeweils von 13 bis 14 Uhr. Die Anschrift des Xer Büros hat der Kl im Internet veröffentlicht, die Anschrift des Hauptbüros dagegen nicht.
Zu den Sprechstunden des Kl im Xer Büro erscheinen zwei bis drei Besucher pro Sprechstunde. Das Hauptbüro suchen durchschnittlich zwei bis drei Kunden wöchentlich auf. Es wird vor allem von Personen aus Y genutzt, während Personen aus Z vornehmlich die Sprechzeiten im Xer Büro wahrnehmen.
In der Regel arbeitet der Kl ca. 56 Stunden pro Woche. Davon verbringt er ca. 42 Stunden im Hauptbüro, vier Stunden im Xer Büro und bis zu zehn Stunden im Außendienst. Für seine Außendiensttätigkeiten hat sich der Kl feste Zeiten, dienstags und mittwochs jeweils zwei Stunden, eingerichtet, nach Bedarf ist er auch freitags im Außendienst tätig. Montags beginnt der Kl seine Tätigkeit im Hauptbüro, nachmittags führt er die Sprechstunde in X durch. Anschließend kehrt er ins Hauptbüro zurück. Dienstags und mittwochs arbeitet der Kl, abgesehen von jeweils ca. zwei Stunden Außendienst, im Hauptbüro. Donnerstags beginnt er seine Tätigkeit ebenfalls im Hauptbüro; nachmittags führt er die zweite Sprechstunde in X durch. Freitags und samstags arbeitet der Kläger wiederum im Hauptbüro. Auch sonntags arbeitet der Kl, je nach Arbeitsanfall, im Hauptbüro.
Im Innendienst werden vom Kl unter anderem folgende Aufgaben wahrgenommen: Fertigung und Versand von Schreiben an Schuldner und Gläubiger, Erstellung von Ratenzahlungsvereinbarungen, Ausstellung von Bescheinigungen, Zustellung von Beschlüssen des Vollstreckungsgerichts an Schuldner und Drittschuldner, aktenmäßige Verwaltung und Archivierung der Vollstreckungsvorgänge, Einholen von Auskünften bei verschiedenen Behörden, Verbuchung und Weiterleitung von Geldern, Zustellung von Urkunden und Willenserklärungen aller Art sowie Überwachung von Ratenzahlungen. Durchschnittlich 75% seiner Aufträge erledigen sich durch Tätigkeiten im Hauptbüro, insbesondere Erledigungen durch Zahlung auf schriftliche Zahlungsaufforderung, durch postalische Zustellungen, durch Pfandlosigkeitsbescheinigungen, durch Abnahme eidesstattlicher Versicherungen und durch Rücknahme des Vollstreckungsauftrags. Im Außendienst führte der Kl im Streitjahr sechs Wohnungsräumungen durch; die übrigen sieben Aufträge erledigten sich durch freiwilligen Auszug. Trotz 1.670 Aufträgen kam es nur zu einer Pfändung beweglicher Gegenstände. Die übrigen Aufträge erledigten sich etwa durch Zahlung oder fruchtlose Taschenpfändungen. Von insgesamt 500 Aufträgen zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nahm der Kl in ca. 50 Fällen den Schuldnern im Außendienst die Vermögensauskunft ab. Verhaftungen führte der Kl im Streitjahr nicht durch; sämtliche Aufträge erledigten sich durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Zustellungen nahm der Kl überwiegend per Post, nur in geringem Umfang dagegen persönlich vor. Schließlich war der Kl in sechs sonstigen Fällen (z.B. Vorführung, einstweilige Anordnung etc.) im Außendienst tätig. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz des Klägers vom 1. Juni 2016, die vorgelegte exemplarische Aufstellung (FG-Akten Bl. 115 f.) sowie die Darstellungen des Kl im Erörterungstermin vom 8. Dezember 2016 verwiesen.
Der Kl beschäftigte im Streitjahr eine Justizfachangestellte, die nicht zu seinem Haushalt gehörte. Sie war in der Regel zweimal wöchentlich jeweils zwei bis drei Stunden im Hauptbüro tätig, auch während des Urlaubs des Kl. Sie verfügte über einen eigenen Schlüssel für das Hauptbüro. Für die Dauer von insgesamt neun Monate des Streitjahrs war dem Kl des Weiteren eine Gerichtsvollzieheranwärterin zur Ausbildung zugeordnet. Diese arbeitete jeweils einen vollen Tag im Hauptbüro.
In der ESt-Erklärung machte der Kl die ihm für das Hauptbüro im Streitjahr entstandenen Aufwendungen in Höhe von (i.H.v.) 8.150 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte (Bekl) vertrat im Schreiben vom 15. Juli 2013 jedoch die Auffassung, die Aufwendungen könnten gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Verbindung mit (i.V.m.) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nur i.H.v. 1.250 EUR anerkannt werden. Das Büro sei durch die Verbindungstür in die Wohnung der Kl eingegliedert. Es bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Kl, weil er noch einen Büroanteil in X unterhalte.
10 
Die Kl entgegneten im Schreiben vom 9. August 2013, der Kl sei gesetzlich verpflichtet, an seinem Dienstsitz in X ein Büro zu unterhalten, in dem er seine Sprechstunden durchführe. Dieses Büro könne aber nicht als Mittelpunkt seiner Tätigkeit angesehen werden. Neben dem zeitlichen Schwerpunkt liege auch der qualitative Schwerpunkt seiner beruflichen Betätigung im Hauptbüro, weil er durchschnittlich 75% der Aufträge allein durch seine Innendiensttätigkeit erledige. Diese Tätigkeiten hätten nicht nur Hilfs- oder Nebenfunktion, sondern gehörten zu den Kernbereichen des Berufs eines Gerichtsvollziehers. Gemäß § 46 Gerichtsvollzieherordnung (GVO) sei ein Gerichtsvollzieher auch verpflichtet, auf eigene Kosten ein Büro zu unterhalten. Die Kl legten eine Bescheinigung des Verwaltungsleiters des AG X vom 6. August 2013 vor, in der unter anderem bestätigt wird, dass den Gerichtsvollziehern im AG kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung steht, im angemieteten Xer Büro ein ordentlicher Geschäftsbetrieb nicht möglich ist und der Präsident des LG Q dem Kl die Unterhaltung des Hauptbüros genehmigt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bescheinigung verwiesen (ESt-Akte Bl. 31 f.).
11 
Im angegriffenen ESt-Bescheid vom 27. Januar 2014 berücksichtigte der Bekl die geltend gemachten Aufwendungen mit Verweis auf das Anhörungsschreiben vom 15. Juli 2013 nur i.H.v. 1.250 EUR.
12 
Dagegen erhoben die Kl mit Schreiben vom 18. Februar 2014 Einspruch. Zur Begründung wiederholten und vertieften sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Veranlagungsverfahren. Im Übrigen führten sie aus, dass der zeitliche Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers in die Gesamtbetrachtung, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bilde, einzubeziehen sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass für die Mehrzahl der erledigten Fälle (75%) der Erfolg durch die Tätigkeit im Hauptbüro eingetreten sei. Das Hauptbüro sei somit nicht nur die zentrale Ausgangs- und Anlaufstelle, sondern der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung. Die Außendiensttätigkeit der Gerichtsvollzieher habe sich in den letzten Jahren drastisch verringert. Zwar gehöre zum Berufsfeld des Gerichtsvollziehers selbstverständlich auch die Außendiensttätigkeit. Dies führe allerdings nicht dazu, dass mehrere getrennt voneinander zu betrachtende Tätigkeiten vorlägen. Ebenso wenig könne von einer Verlagerung des Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit ausgegangen werden. Vom Kl werde aufgrund der Vielschichtigkeit des Berufs in allen Bereichen eine qualitativ gleichwertige Leistung erbracht.
13 
Der Bekl entgegnete unter anderem, dass das Hauptbüro deshalb nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Kl darstelle, weil er daneben auch über ein außerhäusliches Arbeitszimmer in X verfüge. Lediglich in dem Fall, in dem ein Gerichtsvollzieher kein zusätzliches außerhäusliches Arbeitszimmer unterhalte und mehr als 50% der Fälle im Innendienst erledige, könnten die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unbeschränkt abgezogen werden (Finanzgericht [FG] Nürnberg, Urteil vom 26. Oktober 2006 IV 83/2006).
14 
Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2015 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 28. April 2014 (13 K 146/13). Der qualitative Schwerpunkt der Betätigung eines Gerichtsvollziehers liege außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers. Das gesetzliche Berufsbild werde unter anderem durch die Außendiensttätigkeit geprägt, auch wenn der zeitliche Umfang im häuslichen Arbeitszimmer nicht untergeordnet sei. In Anbetracht dieses Berufsbilds des Gerichtsvollziehers und des Umstands, dass der Kl ein außerhäusliches Arbeitszimmer angemietet habe, bilde das Hauptbüro nicht den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Kl.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Veranlagungs- und Einspruchsverfahrens wird auf die beigezogenen Akten des Bekl verwiesen.
16 
Die Kl erhoben mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. Dezember 2015 Klage. Zur Begründung lassen sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Veranlagungs- und Einspruchsverfahren wiederholen. Ergänzend tragen sie vor, das Hauptbüro sei erkennbar einem dauerhaften und intensiven Publikumsverkehr gewidmet. Unter Gesamtwürdigung des Sachverhalts und der besonderen Umstände des Falles werde die Einbindung des Hauptbüros in die häusliche Sphäre aufgehoben. Außerdem werde das Hauptbüro im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers bereitgehalten. Gerichtsvollzieher seien verpflichtet, einen Geschäftssitz in der Nähe des Amtssitzes zu unterhalten und sowohl Publikumsverkehr vor Ort als auch die Augenscheinnahme und Prüfung durch den Dienstherrn zu ermöglichen. Im Vertretungsfall müsse der Geschäftssitz zugänglich und benutzbar sein. Das verwahrte Geld müsse getrennt von der privaten Sphäre aufbewahrt und die Akten müssten vor Missbrauch und Einsichtnahme durch Unberechtigte geschützt werden. Dass das Hauptbüro im Interesse des Arbeitgebers sei, werde schließlich durch die Vergütung gemäß § 1 Abs. 3 und § 5 Gerichtsvollzieher-Vergütungsverordnung (GVVergVO) unterstrichen. Es sei deshalb als externes Büro des Arbeitgebers anzusehen und eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG komme nicht in Betracht (FG Köln, Urteil vom 27. August 2014 7 K 3561/10). Das eigene Interesse des Kl, Büroräume am Wohnort zu unterhalten, sei angesichts dieser dienstlichen Vorgaben und Umstände zu vernachlässigen. Das Hauptbüro falle nicht unter den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers, weil es auch von nicht familienangehörigen Dritten genutzt werde und nicht nur mit einem „zentralen Möbelstück“, dem Schreibtisch, ausgestattet sei. Davon abgesehen sei der Begriff des Mittelpunkts der gesamten Betätigung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ auszulegen. Es sei eine kumulative Betrachtungsweise erforderlich. Es komme sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht auf die tatsächlich durchgeführten Arbeiten an. Eine Aufgliederung der einzelnen Tätigkeiten nach Tätigkeitsschwerpunkten bzw. Hilfs- oder Nebentätigkeiten könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, da diesbezüglich eine Abgrenzung weder möglich noch sachgerecht sei. Das Berufsbild des Gerichtsvollziehers habe sich aufgrund der geänderten Rechtslage unter immer weiterer Ausdehnung der Anwendungsmöglichkeiten der Elektronik in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Die typischen Tätigkeiten eines Gerichtsvollziehers im Außendienst, wie z.B. Zwangsvollstreckungen und Versteigerungen, seien in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen. Andererseits seien die Anträge auf Abnahme der Vermögensauskunft und damit typische Bürotätigkeiten angestiegen. Dadurch zeige sich der starke Wandel der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers. Im Hauptbüro führe der Kl die wesentlichen, qualitativen und prägenden Tätigkeiten aus. Hier erfolge die Meinungsbildung über die Erledigung der Aufträge und würden die Entscheidungen getroffen. Gleichzeitig trete hier auch der Erfolg der überwiegenden Anzahl der Aufträge ein. Sofern die Tätigkeiten im Innen- wie im Außendienst gleich wesentlich und prägend seien, müsse der zeitliche Faktor den Ausschlag geben. Da die Tätigkeit im Hauptbüro ca. 75% der gesamten Tätigkeit und somit mehr als die Hälfte der Arbeitszeit ausmache, sei der Mittelpunkt der Tätigkeit im Hauptbüro anzunehmen. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass ab 1. Januar 2011 die den Gerichtsvollziehern zustehende Vergütung in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn sei. Sach- und Personalaufwendungen für die Einrichtung, Unterhaltung und den Betrieb eines Büros müssten daher unbeschränkt als Werbungskosten berücksichtigt werden. Eine andere Würdigung sei nicht steuergerecht und widerspreche dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
17 
Die Kl beantragen,
18 
den ESt-Bescheid 2012 vom 27. Januar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2015 dahingehend abzuändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Kl i.H.v. 6.900 EUR berücksichtigt werden.
19 
Der Bekl beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Er vertritt die Auffassung, dass für das Berufsbild des Gerichtsvollziehers sowohl die Tätigkeiten im Innen- als auch die Tätigkeiten im Außendienst wesentlich und prägend seien. Im Fall des Urteils des FG Baden-Württemberg vom 28. April 2014 (13 K 146/13) sei der Gerichtsvollzieher acht bis zehn Stunden im Außendienst und zwei bis vier Stunden im Sprechzimmer tätig gewesen. Dies entspreche dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Kl im Außendienst und in seinem Sprechzeitenbüro in X. Aufgrund der vom Kl angeführten vielfältigen Aufgaben im Innen- und im Außendienst könne die Betätigung eines Gerichtsvollziehers keinem konkreten Tätigkeitsschwerpunkt zugeordnet werden. Dies habe zur Folge, dass das Hauptbüro nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Kl bilde. Unter Verweis auf das Urteil des FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006 (IV 83/2006) vertritt das FA zudem die Auffassung, dass der (geringe) Besucherverkehr sowie die Betreuung einer Auszubildenden lediglich die berufliche Nutzung des Hauptbüros begründeten, dieses aber nicht der häuslichen Sphäre entzögen. Auch das äußere Erscheinungsbild des Hauses vermöge nicht die Einbindung des Hauptbüros in die häusliche Sphäre zu lösen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Dezember 2004 (XI R 14/03) sei es für die Einbindung eines Arbeitszimmers in die häusliche Sphäre des Weiteren unschädlich, wenn eine Aushilfskraft dort täglich stundenweise Büroarbeiten erledige. Die Beschäftigung der Angestellten im vorliegenden Fall entspreche einer solchen Aushilfskraft. Der hier vorliegende Stundenumfang der Angestellten sei dagegen nicht vergleichbar mit der Beschäftigung von zwei Teilzeitkräften, über die der BFH im Urteil vom 9. November 2006 (IV R 2/06, BFH/NV 2007, 677) befunden habe. Der Umstand, dass der Vertreter des Kl einen Schlüssel für das Hauptbüro habe, lasse die Einbindung des Hauptbüros in die häusliche Sphäre ebenfalls nicht entfallen, denn der Vertreter betrete das Büro nur ausnahmsweise im Verhinderungsfalle. Feste Sprechzeiten habe der Kl im Hauptbüro nicht eingerichtet. Die fehlende Veröffentlichung der Anschrift des Hauptbüros im Internet, im Gegensatz zum Xer Büro, indiziere eine fehlende Widmung für den Publikumsverkehr. § 46 GVO habe der Kl bereits durch die Anmietung des Büros in X Genüge getan. Das Interesse des Kl an einem häuslichen Arbeitsplatz sei wegen des weiteren Büros in X nicht zu vernachlässigen. Im Fall des FG Nürnberg vom 26. Oktober 2006 (IV 83/2006) habe der Gerichtsvollzieher lediglich ein häusliches Arbeitszimmer unterhalten. Dem Kl habe im Streitjahr dagegen das Büro in X als “Geschäftszimmer“ zur Verfügung gestanden. Das Hauptbüro entspreche nach seinem äußeren Bild auch dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers und sei nicht für einen „intensiven und dauerhaften“ Publikumsverkehr geöffnet. Der nur in begrenztem Maß stattfindende Publikumsverkehr, die Beschäftigung von Dritten im zeitlichen Umfang von zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden, der separate Eingang, die gesonderte Klingel, die Parkplätze und das angebrachte Wappen führten nicht dazu, dass das Hauptbüro die Einbindung in die häusliche Sphäre verliere. Im Rahmen der Gesamtwürdigung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass ca. zwei Drittel des gesamten Publikumsverkehrs in dem angemieteten Büro in X stattfänden und der Zutritt zum Hauptbüro nur einem begrenzten Publikum ermöglicht werde. Dies habe zur Folge, dass das Hauptbüro nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung des Kl bilde.
22 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten sowohl in Erörterungsterminen am 12. April 2016 und am 8. Dezember 2016 als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22. März 2017 erörtert. Auf die Niederschriften wird jeweils verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die Klage ist zulässig und begründet. Bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit sind weitere Werbungskosten für das Hauptbüro i.H.v. 6.900 EUR zu berücksichtigen.
24 
1. Das Hauptbüro des Kl fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Die - der Höhe nach unstreitigen - Aufwendungen des Kl i.H.v. insgesamt 8.150 EUR sind deshalb unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar.
25 
a) Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht oder nur beschränkt als Werbungskosten abziehen. Ist das Arbeitszimmer allerdings nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG also nicht anzuwenden, sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar, wenn der Raum nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird (BFH-Urteil vom 26. März 2009 VI R 15/07, BStBl II 2009, 598).
26 
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Es handelt sich insoweit um einen von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff, den der Gesetzgeber in die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG übernommen hat. Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "häusliches Arbeitszimmer" ist zu beachten, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen dient, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist. Wesentliche, repräsentative Ausformung des "häuslichen Arbeitszimmers" ist das häusliche Büro, also ein Arbeitsraum, der seiner Lage nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und nach Ausstattung und Funktion der Erledigung betrieblicher oder beruflicher Arbeiten vorwiegend büromäßiger Art dient. Eine Einbindung in die häusliche Sphäre ist nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig dann gegeben, wenn die betrieblich oder beruflich genutzten Räume zur Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehören. Ein Arbeitszimmer, das sich in einem selbst genutzten EFH befindet, ist danach grundsätzlich ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne von (i.S.v.) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374 m.w.N.).
27 
Ein im (auch) selbst genutzten EFH gelegenes Büro kann jedoch dann aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die Einbindung des Büros in die häusliche Sphäre aufgehoben oder überlagert wird. Solche Umstände sind insbesondere dann zu bejahen, wenn das Büro auch für Publikumsverkehr offensteht oder von dritten, nicht familienangehörigen und auch nicht haushaltszugehörigen Beschäftigten des Steuerpflichtigen genutzt wird (BFH-Urteile vom 9. November 2006 IV R 2/06, BFH/NV 2007, 677 und vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374, jeweils m.w.N.). Nur gelegentliche Beratungsgespräche mit Kunden genügen als solches allerdings noch nicht, um das Büro aus der häuslichen Sphäre zu lösen (BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7).
28 
Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7 und vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50; BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2011 VIII B 22/10, BFH/NV 2011, 1682 und vom 4. Januar 2012 VIII B 186/10, BFH/NV 2012, 574).
29 
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Hauptbüros des Kl nicht der häuslichen Sphäre der Kl zuzuordnen. Es stellt deshalb kein häusliches Arbeitszimmer i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dar.
30 
Das Hauptbüro des Kl befindet sich zwar im selbstgenutzten Eigenheim der Kl und verfügt auch über eine interne Verbindung zu den privaten Räumen. Davon abgesehen haben die Kl das Hauptbüro baulich aber soweit wie möglich von den privaten Räumen getrennt. Das Hauptbüro ist für Kunden und Angestellte lediglich über einen gesonderten Zugang - auf der dem privaten Eingang gegenüberliegenden Hausseite - zu erreichen. Die internen Verbindungstüren zu den privaten Räumen sind verschlossen und auch vom Vertreter oder der Angestellten nicht zu öffnen. Die Räume sind so gestaltet, dass sie ohne Weiteres hätten als Einliegerwohnung vermietet werden können. Ein fremder Dritte hätte dort zweifellos einen eigenen, von der häuslichen Sphäre der Kl getrennten Haushalt führen können. In gleicher Weise ist auch eine Separierung des Büros von den privaten Räumen der Kl möglich. Von einem Willen der Kl, das Hauptbüro von der häuslichen Sphäre zu trennen, kann auch wegen der Art der Tätigkeit des Kl und des zu erwartenden Publikums ausgegangen werden. Anders als etwa bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten kommen nicht „Kunden“ auf eigenen Antrieb zum Kl, um Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, sondern sehen sich die „Kunden“ des Kl drohenden staatlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. Nicht zuletzt aus den jüngsten Medienberichten ergibt sich, dass dies zu Konflikten und im Extremfall sogar zu körperlichen Angriffen gegen den Gerichtsvollzieher führen kann. Ein Gerichtsvollzieher wird seine „Kunden“ daher typischerweise von seinen privaten Wohnräumen fernhalten wollen.
31 
Vor dem Haus musste der Kl zwei gesonderte Parkplätze für Besucherverkehr einrichten. Die Stellplätze und der Zugang zum Hauptbüro sind zur Straße hin offen. Neben den Stellplätzen befindet sich eine gesonderte Klingel mit der Aufschrift „Gerichtsvollzieher“ und neben dem Eingang des Hauptbüros ist - entsprechend der gesetzlichen Vorschriften (§ 46 Abs. 2 Satz 1 GVO) - ein Landeswappen angebracht. Das Hauptbüro samt Zugang und Stellplätzen hat der Kl somit für die Allgemeinheit geöffnet und dem Publikumsverkehr gewidmet (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 GVO). Dass er davon unabhängig (natürlich) trotzdem darüber bestimmen kann, wem er den Zugang zum Hauptbüro gestattet, wie der Bekl einwendet, ist Ausfluss des Hausrechts des Kl und unabhängig davon, wo er das Büro betreibt.
32 
Im Hauptbüro findet nicht unerheblicher Publikumsverkehr statt. Zwar mögen durchschnittlich zwei bis drei Besucher pro Woche unter „normalen“ Umständen noch keinen „dauerhaften und intensiven“ Publikumsverkehr darstellen. Aber auch insoweit muss berücksichtigt werden, dass das Publikum des Kl problematisch sein kann und der Gerichtsvollzieher diesem gegenüber jedenfalls vorsorglich eine größere Distanz aufbaut. Abgesehen vom Publikum hatten aufgrund des Besitzes eines eigenen Schlüssels sowohl der Vertreter des Kl als auch die Angestellte des Kl die ständige, vom aktuellen Willen der Kl unabhängige Möglichkeit des Zutritts zum Hauptbüro. Zur häuslichen Sphäre räumt man fremden Dritten typischerweise nicht eine solche Zutrittsmöglichkeit ein. Die Angestellte des Kl arbeitete im Streitjahr immerhin zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden im Hauptbüro. Ihr stand ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung. Daneben bildete der Kl im Streitjahr über die Dauer von insgesamt neun Monaten eine Gerichtsvollzieheranwärterin aus. Diese hielt sich zu diesem Zweck einmal wöchentlich jeweils einen ganzen Werktag im Hauptbüro auf. Schließlich finden mindestens zweimal jährlich Prüfungen durch den Revisor des LG im Hauptbüro statt. Die Prüfungen können jederzeit unangekündigt stattfinden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 GVO).
33 
Selbst wenn diese Umstände je für sich betrachtet noch nicht die Einbindung des Hauptbüros in die häusliche Sphäre lösen sollten, führen sie aber jedenfalls in einer Gesamtschau dazu, dass das Hauptbüro nicht mehr der häuslichen Sphäre der Kl zuzuordnen ist. Der Kl hat einerseits bauliche Vorkehrungen für eine möglichst weitgehende räumliche Trennung geschaffen und andererseits den Zugang zum Büro der Allgemeinheit geöffnet und fremden Dritten den Zugang in nicht unbedeutendem Maß ermöglicht. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt etwa von den Umständen, die der BFH in der Entscheidung vom 23. September 1999 (VI R 74/98, BStBl II 2000, 7) zu beurteilen hatte. Die nur „gelegentlichen Beratungsgespräche“ fanden dort in einem „nicht besonders abgetrennten Raum“ im EFH statt. Des Weiteren hat der BFH zwar eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare räumliche Trennung nicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug ausreichen lassen (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004 XI R 14/03, GmbHR 2005, 1215). Vorliegend kommt aber insbesondere die Eigenart der Tätigkeit des Kl und seiner „Kunden“ und der Umstand hinzu, dass der Kl fremden Dritten den ungehinderten Zugang zum Hauptbüro ermöglicht hat. Der erkennende Senat hat im Rahmen der vorliegenden Gesamtwürdigung auch berücksichtigt, dass der Publikumsverkehr im Xer Büro intensiver war als im Hauptbüro und der Kl wohl bestrebt war, den Publikumsverkehr möglichst ins Xer Büro zu verlagern. Gleichwohl kamen unstreitig auch Besucher ins Hauptbüro. Die Anzahl war nach den obigen Ausführungen nicht unerheblich und in einer Gesamtschau mit den übrigen Umständen zu berücksichtigen.
34 
Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG letztlich um eine Regelung der Missbrauchsabwehr handelt (BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374), eine Missbrauchsgefahr vorliegend aber nicht erkennbar ist. Den Gerichtsvollziehern wird von der Justizverwaltung kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Sie sind stattdessen verpflichtet, auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer einzurichten (§ 46 Abs. 1 Satz 1 GVO). Akten, Register, Kassenbücher und sonstige Unterlagen hat der Gerichtsvollzieher im Geschäftszimmer aufzubewahren (§ 46 Abs. 6 Satz 1 GVO); Geldbeträge, Wertpapiere und sonstige Kostbarkeiten muss er - auf eigene Kosten - getrennt von seinen eigenen Wertsachen unter Verschluss aufbewahren (§ 72 GVO). Ausweislich der vorgelegten Bestätigung des AG X ist das Xer Büro hierzu nicht geeignet und hat der Präsident des LG das Hauptbüro als Geschäftszimmer des Kl genehmigt. Dies führt entgegen der Auffassung des Kl zwar noch nicht dazu, dass das Hauptbüro als externes Büro des Dienstherrn anzusehen wäre. Denn der Dienstherr hat kein spezifisches Interesse an der Einrichtung des Geschäftszimmers gerade im EFH des Kl oder auch nur in Y (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 GVO). Ein allgemeines Interesse des Dienstherrn an der Einrichtung eines Geschäftszimmers liegt aber offensichtlich vor. Soweit schließlich § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dem Umstand Rechnung trägt, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374 m.w.N.), kommt auch dieser Rechtfertigungsgrund der gesetzlichen Vorschrift hier nicht zum Tragen: Das Hauptbüro des Kl unterliegt aufgrund der räumlichen Gegebenheiten in gleicher Weise der Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Gerichte wie ein externes Büro.
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2. Selbst wenn aber das Hauptbüro des Kl ein häusliches Arbeitszimmer darstellte, wären die Aufwendungen des Kl gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar.
36 
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Kl kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG) und insbesondere das Xer Büro hierfür nicht geeignet war (vgl. Bestätigung des AG X vom 6. August 2013 und BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 30/03, BStBl II 2004, 775). Darüber hinaus bildet das Hauptbüro nach Überzeugung des Senats den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Kl (§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG).
37 
a) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der - wie auch im vorliegenden Streitfall - lediglich eine berufliche Tätigkeit ausübt und dieser Betätigung teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus nachgeht, ist "Mittelpunkt" i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festgestellt werden. Maßgebend ist, ob das qualitativ Typische der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Der zeitliche Umfang ist insbesondere weder ein positives noch ein negatives Abgrenzungsmerkmal in dem Sinne, dass einerseits ab einem bestimmten zeitlichen Überwiegen ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen zwingend wäre oder anderseits von vornherein nur ein beschränkter Abzug der Aufwendungen in Betracht käme, wenn die außerhäusliche Tätigkeit zeitlich überwiegt (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50; vom 23. März 2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537 und vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236).
38 
Welche Tätigkeiten für einen Beruf wesentlich und prägend sind, ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2013 9 K 2096/12, EFG 2013, 767). Verkehrsanschauung ist die Durchschnittsmeinung verständiger Menschen bei Beurteilung von Angelegenheiten der fraglichen Art (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 147. Lieferung, § 4 AO Rn. 300). Die Verkehrsanschauung ist nicht statisch, sondern unterliegt wie die wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und sonstigen tatsächlichen Verhältnisse einem fortwährenden Wandel (Drüen, a.a.O. Rn. 303). Deshalb ist für die Beurteilung, ob die berufstypischen Handlungen im Arbeitszimmer oder außer Haus verübt werden, nicht etwa ein überkommenes, tradiertes Berufsbild, sondern die aktuelle Lebenswirklichkeit maßgebend.
39 
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bildet das Hauptbüro den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Kl.
40 
Die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher war in den letzten Jahren einem starkem Wandel unterworfen. Mag der Gerichtsvollzieher früher in erheblichem Maß im Außendienst unmittelbaren Zwang ausgeübt und wohl insbesondere auch in erheblichem Umfang bewegliche Sachen gepfändet und dadurch sein Berufsbild in der Öffentlichkeit geprägt haben („Kuckuck kleben“), wurde die Außendiensttätigkeit durch gesetzliche Änderungen und der zuletzt immer weiter fortschreitenden Digitalisierung der Lebenswirklichkeit stark zurückgedrängt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Kl und den vorgelegten Unterlagen weicht die Tätigkeit im Außendienst immer mehr den Tätigkeiten „vom Schreibtisch aus“. Diesen Wandel konstatiert auch der Direktor des AG Jülich in einem Interview mit der Aachener Zeitung am 12. Mai 2014 (http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/gerichtsvollzieher-vom-vollstrecker-zum-vermittler-1.824757): „Gerichtsvollzieher – das war mal das Synonym für Hut, schwarze Aktentasche und den kompromisslosen Geldeintreiber. Doch das Klischee stimmt schon lange nicht mehr. Gerichtsvollzieher von heute sind eher auf Ausgleich bedachte Schuldnerberater, die versuchen, dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen, ohne den Schuldner vollends in den Ruin zu treiben. … Das Bild des Gerichtsvollziehers, der pfändet und den Leuten gnadenlos die Sachen wegnimmt, um sie zu Geld zu machen, ist von gestern. Den gibt es praktisch nicht mehr. Heutzutage ist der Gerichtsvollzieher jemand, der den Ausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger organisieren muss. Er kann aber auch, wenn ein Schuldner blockt, dem Gläubiger Informationen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners verschaffen, beispielsweise über Bankkonten oder dessen Arbeitsverhältnis, so dass der Gläubiger über die weiteren Schritte entscheiden kann.“
41 
Dieser Befund des Direktors des AG Jülich dürfte zwar maßgeblich auf dem seit dem 1. Januar 2013 geltenden Recht fußen. Der Gerichtsvollzieher sollte aber auch schon nach § 806b Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (a.F.) auf eine gütliche Einigung bedacht sein (zum neuen Recht vgl. § 802b Abs. 1 ZPO neue Fassung [n.F.]). Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers bestand darüber hinaus auch schon im Streitjahr zu einem großen Teil darin, den Schuldnern die sog. eidesstattliche Versicherung (§§ 807, 900 ZPO a.F.; zum neuen Recht vgl. §§ 802c ff. ZPO n.F.) abzunehmen. Zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist der Gerichtsvollzieher gemäß § 899 ZPO a.F. erst seit Inkrafttreten der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle (BGBl I 1997, 3039) am 1. Januar 1999 zuständig. Bei der Herausbildung des tradierten und in der Öffentlichkeit wohl noch vorherrschenden Berufsbilds der Gerichtsvollziehers konnte die Tätigkeit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, die nach unwidersprochenem Vortrag des Kl zu seiner Haupttätigkeit geworden ist, bis dahin somit noch keine Rolle spielen. Soweit die eidesstattliche Versicherung auch im Außendienst abgenommen werden kann, ist dies weder zwingend noch typischerweise der Fall und somit nicht für das Berufsbild prägend. Zwar setzte die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung bis zum Streitjahr im Grundsatz einen Pfändungsversuch voraus (vgl. § 807 Abs. 1 ZPO a.F.; anders nach neuem Recht, vgl. § 802f ZPO n.F.). Das war jedoch insbesondere bei erkennbarer Aussichtslosigkeit eines Pfändungsversuchs entbehrlich (vgl. nur Eickmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 807 Rn. 7 ff.). Zur Durchsetzung der eidesstattlichen Versicherung reichte in der Regel die bloße Androhung der Erzwingungshaft (§ 901 ZPO a.F.; zum neuen Recht vgl. § 802g ZPO n.F.) aus. Deshalb hat der Kl im Streitjahr keine einzige Verhaftung durchgeführt.
42 
Von der eidesstattlichen Versicherung (bzw. Vermögensauskunft nach neuem Recht) abgesehen erfolgt die Beitreibung der Forderungen häufig durch freiwillige (Raten-)Zahlungen der Schuldner (vgl. § 806b Satz 2 ZPO a.F.; § 802b Abs. 2 ZPO n.F.), wobei die Zahlungen - anders als früher - wegen des inzwischen fast flächendeckend verbreiteten unbaren Zahlungsverkehrs und im Übrigen aus Kostengründen vom Gerichtsvollzieher nicht mehr beim Schuldner vor Ort in bar abgeholt werden, sondern in der Regel durch Banküberweisungen erfolgen.
43 
Diese Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers (Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und Vereinbarung von Ratenzahlungen) sind nicht bloße Hilfs- und Nebenfunktionen für die Außendiensttätigkeit des Gerichtsvollziehers, sondern gehören zu dem Kernbereich seines Berufs (FG Nürnberg, Urteil vom 26. Oktober 2006 IV 83/2006). Sie prägen die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers maßgeblich. Nach neuem Recht kommt noch die Einholung von Auskünften Dritter gemäß § 802l ZPO n.F, die vom Büro aus erfolgt, hinzu (bis zum Streitjahr war diese allerdings nicht in gleicher Weise möglich, vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 802l Rn. 1). Daneben sind die allgemeinen verwaltungstechnischen und organisatorischen Verrichtungen des Gerichtsvollziehers im Büro zeitlich zwar ebenfalls nicht unerheblich, schließlich muss der Gerichtsvollzieher sämtliche Angelegenheiten selbst vor- und nachbereiten - von der typischen Geschäftsstellentätigkeit bis zur Abrechnung der Kosten. Diese Tätigkeiten haben allerdings lediglich Hilfs- und Nebenfunktion, ohne den Beruf zu prägen.
44 
Soweit der 13. Senat des FG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 28. April 2014 (13 K 146/13, juris Rn. 28 ff.) auf das „gesetzliche“ Berufsbild abstellt und ausführt, dieses werde unter anderem durch die Durchsuchung von Wohnungen und Behältnissen (§ 758 ZPO), die Pfändung von körperlichen Sachen (§ 808 ZPO), die Pfändung von Hypothekenbriefen (§ 830 ZPO), die Wegnahme beweglicher Sachen (§ 883 ZPO) und die Verhaftung des Schuldners (§ 909 Abs. 1 ZPO) geprägt, so gibt diese Auflistung nach Ansicht des erkennenden Senats lediglich die von Gesetzes wegen bestehenden Befugnisse des Gerichtsvollziehers wieder. Welche Tätigkeiten das Berufsbild des Gerichtsvollziehers prägen, ist aber nicht lediglich anhand der gesetzlichen Befugnisse, sondern - unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung - vor allem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen. Soweit die gesetzlichen Befugnisse weitestgehend brach liegen, können sie das Berufsbild tatsächlich nicht prägen.
45 
Allgemein ist festzustellen, dass die Pfändung beweglicher Sachen mit anschließender Versteigerung auf ein Minimalmaß zurückgedrängt wurde. Soweit bei den Schuldnern überhaupt pfändbare Habe zu finden ist, bleibt deren Verwertbarkeit fraglich. Angesichts der Kosten scheuen die Gläubiger diese Maßnahmen deshalb zunehmend. Der Kl hat im Streitjahr jedenfalls tatsächlich nur eine Pfändung vorgenommen. Zwangsweise Wohnungsdurchsuchungen hat er ebenso wenig durchgeführt wie Versteigerungen. Dass die Pfändung von Hypotheken- oder Grundschuldbriefen praxisrelevant wäre, ist nicht ersichtlich. Dieser praktische Befund ergibt sich schon daraus, dass die Erteilung eines solchen Briefes bei der Bestellung von Grundpfandrechten (im Wesentlichen Grundschulden) in der Regel ausgeschlossen wird (vgl. § 1116 Abs. 2 Satz 1 BGB). Von der Pfändung abgesehen hat der Kl von den übrigen Tätigkeiten, die eine Prägung außerhalb des Büros begründen könnten, im Streitjahr im Wesentlichen nur sechs Wohnungsräumungen und sechs sonstige Aufträge im Außendienst durchgeführt. Dies kann offensichtlich nicht zu einer Verschiebung des Schwerpunkts der Tätigkeit des Kl in den Außendienst führen. Soweit der Kl darüber hinaus fruchtlose Versuche sog. Taschenpfändungen unternommen hat, erfolgte dies sowohl im Außendienst als auch im Büro. Dasselbe gilt von der Abnahme eidesstattlicher Versicherungen, die - schon wegen der fortschreitenden Digitalisierung - vornehmlich (im Streitjahr ca. 450 von 500) im Büro stattfinden, wofür der Kl extra einen gesonderten Arbeitsplatz eingerichtet hat. Eine Prägung des Berufsbildes kann auch nicht durch vereinzelte persönliche Zustellungen, die der Kl ebenfalls während der fest eingeplanten Außendienstzeiten vornimmt, erfolgen.
46 
Dieser Befund zum fehlenden qualitativen Schwerpunkt im Außendienst korrespondiert mit dem zeitlichen Umfang der Außendiensttätigkeit des Kl, der in der Regel lediglich zweimal zwei Stunden pro Woche und im Übrigen nur nach Bedarf im Außendienst tätig ist. Während dieser Zeit nimmt er zudem nicht ausschließlich die oben genannten, typischen Zwangsmaßnahmen vor. Vielmehr dient diese Zeit auch der bloßen - ersten oder wiederholten - Kontaktaufnahme zum Schuldner, etwa wenn dieser einer Ladung zu einem Termin nicht nachgekommen ist. Zur Außendiensttätigkeit zählt der Kl auch seine Fahrten zum AG X, um sein dortiges Postfach zu leeren. Diesem geringen quantitativen Umfang der Tätigkeiten außer Haus kommt erhebliche indizielle Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50 [juris-Rn. 17]).
47 
Schließlich steht der Annahme eines Tätigkeitsmittelpunkts im Hauptbüro auch nicht entgegen, dass der Kl zusammen mit 11 anderen Gerichtsvollziehern ein weiteres Büro in X angemietet hat und dort zwei Stunden wöchentlich eine Sprechstunde anbietet. Diese Sprechstunden sind nicht anders zu behandeln als die Außentätigkeit im Übrigen, in der der Kl die Schuldner teilweise persönlich aufsucht und z.B. vor Ort die eidesstattliche Versicherung abnimmt.
II.
48 
Die Berechnung der festzusetzenden ESt wird dem Bekl übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
III.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 709 und 711 ZPO.

Gründe

 
I.
23 
Die Klage ist zulässig und begründet. Bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Arbeit sind weitere Werbungskosten für das Hauptbüro i.H.v. 6.900 EUR zu berücksichtigen.
24 
1. Das Hauptbüro des Kl fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Die - der Höhe nach unstreitigen - Aufwendungen des Kl i.H.v. insgesamt 8.150 EUR sind deshalb unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar.
25 
a) Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht oder nur beschränkt als Werbungskosten abziehen. Ist das Arbeitszimmer allerdings nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG also nicht anzuwenden, sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar, wenn der Raum nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird (BFH-Urteil vom 26. März 2009 VI R 15/07, BStBl II 2009, 598).
26 
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Es handelt sich insoweit um einen von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff, den der Gesetzgeber in die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG übernommen hat. Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "häusliches Arbeitszimmer" ist zu beachten, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen dient, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist. Wesentliche, repräsentative Ausformung des "häuslichen Arbeitszimmers" ist das häusliche Büro, also ein Arbeitsraum, der seiner Lage nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und nach Ausstattung und Funktion der Erledigung betrieblicher oder beruflicher Arbeiten vorwiegend büromäßiger Art dient. Eine Einbindung in die häusliche Sphäre ist nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig dann gegeben, wenn die betrieblich oder beruflich genutzten Räume zur Wohnung oder zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehören. Ein Arbeitszimmer, das sich in einem selbst genutzten EFH befindet, ist danach grundsätzlich ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne von (i.S.v.) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374 m.w.N.).
27 
Ein im (auch) selbst genutzten EFH gelegenes Büro kann jedoch dann aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallen, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles die Einbindung des Büros in die häusliche Sphäre aufgehoben oder überlagert wird. Solche Umstände sind insbesondere dann zu bejahen, wenn das Büro auch für Publikumsverkehr offensteht oder von dritten, nicht familienangehörigen und auch nicht haushaltszugehörigen Beschäftigten des Steuerpflichtigen genutzt wird (BFH-Urteile vom 9. November 2006 IV R 2/06, BFH/NV 2007, 677 und vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374, jeweils m.w.N.). Nur gelegentliche Beratungsgespräche mit Kunden genügen als solches allerdings noch nicht, um das Büro aus der häuslichen Sphäre zu lösen (BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7).
28 
Ob ein Raum als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BStBl II 2000, 7 und vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50; BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2011 VIII B 22/10, BFH/NV 2011, 1682 und vom 4. Januar 2012 VIII B 186/10, BFH/NV 2012, 574).
29 
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Hauptbüros des Kl nicht der häuslichen Sphäre der Kl zuzuordnen. Es stellt deshalb kein häusliches Arbeitszimmer i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dar.
30 
Das Hauptbüro des Kl befindet sich zwar im selbstgenutzten Eigenheim der Kl und verfügt auch über eine interne Verbindung zu den privaten Räumen. Davon abgesehen haben die Kl das Hauptbüro baulich aber soweit wie möglich von den privaten Räumen getrennt. Das Hauptbüro ist für Kunden und Angestellte lediglich über einen gesonderten Zugang - auf der dem privaten Eingang gegenüberliegenden Hausseite - zu erreichen. Die internen Verbindungstüren zu den privaten Räumen sind verschlossen und auch vom Vertreter oder der Angestellten nicht zu öffnen. Die Räume sind so gestaltet, dass sie ohne Weiteres hätten als Einliegerwohnung vermietet werden können. Ein fremder Dritte hätte dort zweifellos einen eigenen, von der häuslichen Sphäre der Kl getrennten Haushalt führen können. In gleicher Weise ist auch eine Separierung des Büros von den privaten Räumen der Kl möglich. Von einem Willen der Kl, das Hauptbüro von der häuslichen Sphäre zu trennen, kann auch wegen der Art der Tätigkeit des Kl und des zu erwartenden Publikums ausgegangen werden. Anders als etwa bei Steuerberatern oder Rechtsanwälten kommen nicht „Kunden“ auf eigenen Antrieb zum Kl, um Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, sondern sehen sich die „Kunden“ des Kl drohenden staatlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt. Nicht zuletzt aus den jüngsten Medienberichten ergibt sich, dass dies zu Konflikten und im Extremfall sogar zu körperlichen Angriffen gegen den Gerichtsvollzieher führen kann. Ein Gerichtsvollzieher wird seine „Kunden“ daher typischerweise von seinen privaten Wohnräumen fernhalten wollen.
31 
Vor dem Haus musste der Kl zwei gesonderte Parkplätze für Besucherverkehr einrichten. Die Stellplätze und der Zugang zum Hauptbüro sind zur Straße hin offen. Neben den Stellplätzen befindet sich eine gesonderte Klingel mit der Aufschrift „Gerichtsvollzieher“ und neben dem Eingang des Hauptbüros ist - entsprechend der gesetzlichen Vorschriften (§ 46 Abs. 2 Satz 1 GVO) - ein Landeswappen angebracht. Das Hauptbüro samt Zugang und Stellplätzen hat der Kl somit für die Allgemeinheit geöffnet und dem Publikumsverkehr gewidmet (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 GVO). Dass er davon unabhängig (natürlich) trotzdem darüber bestimmen kann, wem er den Zugang zum Hauptbüro gestattet, wie der Bekl einwendet, ist Ausfluss des Hausrechts des Kl und unabhängig davon, wo er das Büro betreibt.
32 
Im Hauptbüro findet nicht unerheblicher Publikumsverkehr statt. Zwar mögen durchschnittlich zwei bis drei Besucher pro Woche unter „normalen“ Umständen noch keinen „dauerhaften und intensiven“ Publikumsverkehr darstellen. Aber auch insoweit muss berücksichtigt werden, dass das Publikum des Kl problematisch sein kann und der Gerichtsvollzieher diesem gegenüber jedenfalls vorsorglich eine größere Distanz aufbaut. Abgesehen vom Publikum hatten aufgrund des Besitzes eines eigenen Schlüssels sowohl der Vertreter des Kl als auch die Angestellte des Kl die ständige, vom aktuellen Willen der Kl unabhängige Möglichkeit des Zutritts zum Hauptbüro. Zur häuslichen Sphäre räumt man fremden Dritten typischerweise nicht eine solche Zutrittsmöglichkeit ein. Die Angestellte des Kl arbeitete im Streitjahr immerhin zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden im Hauptbüro. Ihr stand ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung. Daneben bildete der Kl im Streitjahr über die Dauer von insgesamt neun Monaten eine Gerichtsvollzieheranwärterin aus. Diese hielt sich zu diesem Zweck einmal wöchentlich jeweils einen ganzen Werktag im Hauptbüro auf. Schließlich finden mindestens zweimal jährlich Prüfungen durch den Revisor des LG im Hauptbüro statt. Die Prüfungen können jederzeit unangekündigt stattfinden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 GVO).
33 
Selbst wenn diese Umstände je für sich betrachtet noch nicht die Einbindung des Hauptbüros in die häusliche Sphäre lösen sollten, führen sie aber jedenfalls in einer Gesamtschau dazu, dass das Hauptbüro nicht mehr der häuslichen Sphäre der Kl zuzuordnen ist. Der Kl hat einerseits bauliche Vorkehrungen für eine möglichst weitgehende räumliche Trennung geschaffen und andererseits den Zugang zum Büro der Allgemeinheit geöffnet und fremden Dritten den Zugang in nicht unbedeutendem Maß ermöglicht. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt etwa von den Umständen, die der BFH in der Entscheidung vom 23. September 1999 (VI R 74/98, BStBl II 2000, 7) zu beurteilen hatte. Die nur „gelegentlichen Beratungsgespräche“ fanden dort in einem „nicht besonders abgetrennten Raum“ im EFH statt. Des Weiteren hat der BFH zwar eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare räumliche Trennung nicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug ausreichen lassen (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004 XI R 14/03, GmbHR 2005, 1215). Vorliegend kommt aber insbesondere die Eigenart der Tätigkeit des Kl und seiner „Kunden“ und der Umstand hinzu, dass der Kl fremden Dritten den ungehinderten Zugang zum Hauptbüro ermöglicht hat. Der erkennende Senat hat im Rahmen der vorliegenden Gesamtwürdigung auch berücksichtigt, dass der Publikumsverkehr im Xer Büro intensiver war als im Hauptbüro und der Kl wohl bestrebt war, den Publikumsverkehr möglichst ins Xer Büro zu verlagern. Gleichwohl kamen unstreitig auch Besucher ins Hauptbüro. Die Anzahl war nach den obigen Ausführungen nicht unerheblich und in einer Gesamtschau mit den übrigen Umständen zu berücksichtigen.
34 
Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass es sich bei § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG letztlich um eine Regelung der Missbrauchsabwehr handelt (BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374), eine Missbrauchsgefahr vorliegend aber nicht erkennbar ist. Den Gerichtsvollziehern wird von der Justizverwaltung kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Sie sind stattdessen verpflichtet, auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer einzurichten (§ 46 Abs. 1 Satz 1 GVO). Akten, Register, Kassenbücher und sonstige Unterlagen hat der Gerichtsvollzieher im Geschäftszimmer aufzubewahren (§ 46 Abs. 6 Satz 1 GVO); Geldbeträge, Wertpapiere und sonstige Kostbarkeiten muss er - auf eigene Kosten - getrennt von seinen eigenen Wertsachen unter Verschluss aufbewahren (§ 72 GVO). Ausweislich der vorgelegten Bestätigung des AG X ist das Xer Büro hierzu nicht geeignet und hat der Präsident des LG das Hauptbüro als Geschäftszimmer des Kl genehmigt. Dies führt entgegen der Auffassung des Kl zwar noch nicht dazu, dass das Hauptbüro als externes Büro des Dienstherrn anzusehen wäre. Denn der Dienstherr hat kein spezifisches Interesse an der Einrichtung des Geschäftszimmers gerade im EFH des Kl oder auch nur in Y (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 GVO). Ein allgemeines Interesse des Dienstherrn an der Einrichtung eines Geschäftszimmers liegt aber offensichtlich vor. Soweit schließlich § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dem Umstand Rechnung trägt, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (BFH-Urteil vom 15. Januar 2013 VIII R 7/10, BStBl II 2013, 374 m.w.N.), kommt auch dieser Rechtfertigungsgrund der gesetzlichen Vorschrift hier nicht zum Tragen: Das Hauptbüro des Kl unterliegt aufgrund der räumlichen Gegebenheiten in gleicher Weise der Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Gerichte wie ein externes Büro.
35 
2. Selbst wenn aber das Hauptbüro des Kl ein häusliches Arbeitszimmer darstellte, wären die Aufwendungen des Kl gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unbeschränkt als Werbungskosten abziehbar.
36 
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Kl kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG) und insbesondere das Xer Büro hierfür nicht geeignet war (vgl. Bestätigung des AG X vom 6. August 2013 und BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 30/03, BStBl II 2004, 775). Darüber hinaus bildet das Hauptbüro nach Überzeugung des Senats den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Kl (§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG).
37 
a) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der - wie auch im vorliegenden Streitfall - lediglich eine berufliche Tätigkeit ausübt und dieser Betätigung teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus nachgeht, ist "Mittelpunkt" i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit festgestellt werden. Maßgebend ist, ob das qualitativ Typische der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Der zeitliche Umfang ist insbesondere weder ein positives noch ein negatives Abgrenzungsmerkmal in dem Sinne, dass einerseits ab einem bestimmten zeitlichen Überwiegen ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen zwingend wäre oder anderseits von vornherein nur ein beschränkter Abzug der Aufwendungen in Betracht käme, wenn die außerhäusliche Tätigkeit zeitlich überwiegt (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50; vom 23. März 2005 III R 17/03, BFH/NV 2005, 1537 und vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236).
38 
Welche Tätigkeiten für einen Beruf wesentlich und prägend sind, ist unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BStBl II 2012, 236; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2013 9 K 2096/12, EFG 2013, 767). Verkehrsanschauung ist die Durchschnittsmeinung verständiger Menschen bei Beurteilung von Angelegenheiten der fraglichen Art (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 147. Lieferung, § 4 AO Rn. 300). Die Verkehrsanschauung ist nicht statisch, sondern unterliegt wie die wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und sonstigen tatsächlichen Verhältnisse einem fortwährenden Wandel (Drüen, a.a.O. Rn. 303). Deshalb ist für die Beurteilung, ob die berufstypischen Handlungen im Arbeitszimmer oder außer Haus verübt werden, nicht etwa ein überkommenes, tradiertes Berufsbild, sondern die aktuelle Lebenswirklichkeit maßgebend.
39 
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bildet das Hauptbüro den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Kl.
40 
Die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher war in den letzten Jahren einem starkem Wandel unterworfen. Mag der Gerichtsvollzieher früher in erheblichem Maß im Außendienst unmittelbaren Zwang ausgeübt und wohl insbesondere auch in erheblichem Umfang bewegliche Sachen gepfändet und dadurch sein Berufsbild in der Öffentlichkeit geprägt haben („Kuckuck kleben“), wurde die Außendiensttätigkeit durch gesetzliche Änderungen und der zuletzt immer weiter fortschreitenden Digitalisierung der Lebenswirklichkeit stark zurückgedrängt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Kl und den vorgelegten Unterlagen weicht die Tätigkeit im Außendienst immer mehr den Tätigkeiten „vom Schreibtisch aus“. Diesen Wandel konstatiert auch der Direktor des AG Jülich in einem Interview mit der Aachener Zeitung am 12. Mai 2014 (http://www.aachener-zeitung.de/lokales/region/gerichtsvollzieher-vom-vollstrecker-zum-vermittler-1.824757): „Gerichtsvollzieher – das war mal das Synonym für Hut, schwarze Aktentasche und den kompromisslosen Geldeintreiber. Doch das Klischee stimmt schon lange nicht mehr. Gerichtsvollzieher von heute sind eher auf Ausgleich bedachte Schuldnerberater, die versuchen, dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen, ohne den Schuldner vollends in den Ruin zu treiben. … Das Bild des Gerichtsvollziehers, der pfändet und den Leuten gnadenlos die Sachen wegnimmt, um sie zu Geld zu machen, ist von gestern. Den gibt es praktisch nicht mehr. Heutzutage ist der Gerichtsvollzieher jemand, der den Ausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger organisieren muss. Er kann aber auch, wenn ein Schuldner blockt, dem Gläubiger Informationen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners verschaffen, beispielsweise über Bankkonten oder dessen Arbeitsverhältnis, so dass der Gläubiger über die weiteren Schritte entscheiden kann.“
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Dieser Befund des Direktors des AG Jülich dürfte zwar maßgeblich auf dem seit dem 1. Januar 2013 geltenden Recht fußen. Der Gerichtsvollzieher sollte aber auch schon nach § 806b Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (a.F.) auf eine gütliche Einigung bedacht sein (zum neuen Recht vgl. § 802b Abs. 1 ZPO neue Fassung [n.F.]). Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers bestand darüber hinaus auch schon im Streitjahr zu einem großen Teil darin, den Schuldnern die sog. eidesstattliche Versicherung (§§ 807, 900 ZPO a.F.; zum neuen Recht vgl. §§ 802c ff. ZPO n.F.) abzunehmen. Zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist der Gerichtsvollzieher gemäß § 899 ZPO a.F. erst seit Inkrafttreten der 2. Zwangsvollstreckungsrechtsnovelle (BGBl I 1997, 3039) am 1. Januar 1999 zuständig. Bei der Herausbildung des tradierten und in der Öffentlichkeit wohl noch vorherrschenden Berufsbilds der Gerichtsvollziehers konnte die Tätigkeit der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, die nach unwidersprochenem Vortrag des Kl zu seiner Haupttätigkeit geworden ist, bis dahin somit noch keine Rolle spielen. Soweit die eidesstattliche Versicherung auch im Außendienst abgenommen werden kann, ist dies weder zwingend noch typischerweise der Fall und somit nicht für das Berufsbild prägend. Zwar setzte die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung bis zum Streitjahr im Grundsatz einen Pfändungsversuch voraus (vgl. § 807 Abs. 1 ZPO a.F.; anders nach neuem Recht, vgl. § 802f ZPO n.F.). Das war jedoch insbesondere bei erkennbarer Aussichtslosigkeit eines Pfändungsversuchs entbehrlich (vgl. nur Eickmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 807 Rn. 7 ff.). Zur Durchsetzung der eidesstattlichen Versicherung reichte in der Regel die bloße Androhung der Erzwingungshaft (§ 901 ZPO a.F.; zum neuen Recht vgl. § 802g ZPO n.F.) aus. Deshalb hat der Kl im Streitjahr keine einzige Verhaftung durchgeführt.
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Von der eidesstattlichen Versicherung (bzw. Vermögensauskunft nach neuem Recht) abgesehen erfolgt die Beitreibung der Forderungen häufig durch freiwillige (Raten-)Zahlungen der Schuldner (vgl. § 806b Satz 2 ZPO a.F.; § 802b Abs. 2 ZPO n.F.), wobei die Zahlungen - anders als früher - wegen des inzwischen fast flächendeckend verbreiteten unbaren Zahlungsverkehrs und im Übrigen aus Kostengründen vom Gerichtsvollzieher nicht mehr beim Schuldner vor Ort in bar abgeholt werden, sondern in der Regel durch Banküberweisungen erfolgen.
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Diese Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers (Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und Vereinbarung von Ratenzahlungen) sind nicht bloße Hilfs- und Nebenfunktionen für die Außendiensttätigkeit des Gerichtsvollziehers, sondern gehören zu dem Kernbereich seines Berufs (FG Nürnberg, Urteil vom 26. Oktober 2006 IV 83/2006). Sie prägen die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers maßgeblich. Nach neuem Recht kommt noch die Einholung von Auskünften Dritter gemäß § 802l ZPO n.F, die vom Büro aus erfolgt, hinzu (bis zum Streitjahr war diese allerdings nicht in gleicher Weise möglich, vgl. Wagner, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 802l Rn. 1). Daneben sind die allgemeinen verwaltungstechnischen und organisatorischen Verrichtungen des Gerichtsvollziehers im Büro zeitlich zwar ebenfalls nicht unerheblich, schließlich muss der Gerichtsvollzieher sämtliche Angelegenheiten selbst vor- und nachbereiten - von der typischen Geschäftsstellentätigkeit bis zur Abrechnung der Kosten. Diese Tätigkeiten haben allerdings lediglich Hilfs- und Nebenfunktion, ohne den Beruf zu prägen.
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Soweit der 13. Senat des FG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 28. April 2014 (13 K 146/13, juris Rn. 28 ff.) auf das „gesetzliche“ Berufsbild abstellt und ausführt, dieses werde unter anderem durch die Durchsuchung von Wohnungen und Behältnissen (§ 758 ZPO), die Pfändung von körperlichen Sachen (§ 808 ZPO), die Pfändung von Hypothekenbriefen (§ 830 ZPO), die Wegnahme beweglicher Sachen (§ 883 ZPO) und die Verhaftung des Schuldners (§ 909 Abs. 1 ZPO) geprägt, so gibt diese Auflistung nach Ansicht des erkennenden Senats lediglich die von Gesetzes wegen bestehenden Befugnisse des Gerichtsvollziehers wieder. Welche Tätigkeiten das Berufsbild des Gerichtsvollziehers prägen, ist aber nicht lediglich anhand der gesetzlichen Befugnisse, sondern - unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung - vor allem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen. Soweit die gesetzlichen Befugnisse weitestgehend brach liegen, können sie das Berufsbild tatsächlich nicht prägen.
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Allgemein ist festzustellen, dass die Pfändung beweglicher Sachen mit anschließender Versteigerung auf ein Minimalmaß zurückgedrängt wurde. Soweit bei den Schuldnern überhaupt pfändbare Habe zu finden ist, bleibt deren Verwertbarkeit fraglich. Angesichts der Kosten scheuen die Gläubiger diese Maßnahmen deshalb zunehmend. Der Kl hat im Streitjahr jedenfalls tatsächlich nur eine Pfändung vorgenommen. Zwangsweise Wohnungsdurchsuchungen hat er ebenso wenig durchgeführt wie Versteigerungen. Dass die Pfändung von Hypotheken- oder Grundschuldbriefen praxisrelevant wäre, ist nicht ersichtlich. Dieser praktische Befund ergibt sich schon daraus, dass die Erteilung eines solchen Briefes bei der Bestellung von Grundpfandrechten (im Wesentlichen Grundschulden) in der Regel ausgeschlossen wird (vgl. § 1116 Abs. 2 Satz 1 BGB). Von der Pfändung abgesehen hat der Kl von den übrigen Tätigkeiten, die eine Prägung außerhalb des Büros begründen könnten, im Streitjahr im Wesentlichen nur sechs Wohnungsräumungen und sechs sonstige Aufträge im Außendienst durchgeführt. Dies kann offensichtlich nicht zu einer Verschiebung des Schwerpunkts der Tätigkeit des Kl in den Außendienst führen. Soweit der Kl darüber hinaus fruchtlose Versuche sog. Taschenpfändungen unternommen hat, erfolgte dies sowohl im Außendienst als auch im Büro. Dasselbe gilt von der Abnahme eidesstattlicher Versicherungen, die - schon wegen der fortschreitenden Digitalisierung - vornehmlich (im Streitjahr ca. 450 von 500) im Büro stattfinden, wofür der Kl extra einen gesonderten Arbeitsplatz eingerichtet hat. Eine Prägung des Berufsbildes kann auch nicht durch vereinzelte persönliche Zustellungen, die der Kl ebenfalls während der fest eingeplanten Außendienstzeiten vornimmt, erfolgen.
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Dieser Befund zum fehlenden qualitativen Schwerpunkt im Außendienst korrespondiert mit dem zeitlichen Umfang der Außendiensttätigkeit des Kl, der in der Regel lediglich zweimal zwei Stunden pro Woche und im Übrigen nur nach Bedarf im Außendienst tätig ist. Während dieser Zeit nimmt er zudem nicht ausschließlich die oben genannten, typischen Zwangsmaßnahmen vor. Vielmehr dient diese Zeit auch der bloßen - ersten oder wiederholten - Kontaktaufnahme zum Schuldner, etwa wenn dieser einer Ladung zu einem Termin nicht nachgekommen ist. Zur Außendiensttätigkeit zählt der Kl auch seine Fahrten zum AG X, um sein dortiges Postfach zu leeren. Diesem geringen quantitativen Umfang der Tätigkeiten außer Haus kommt erhebliche indizielle Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BStBl II 2004, 50 [juris-Rn. 17]).
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Schließlich steht der Annahme eines Tätigkeitsmittelpunkts im Hauptbüro auch nicht entgegen, dass der Kl zusammen mit 11 anderen Gerichtsvollziehern ein weiteres Büro in X angemietet hat und dort zwei Stunden wöchentlich eine Sprechstunde anbietet. Diese Sprechstunden sind nicht anders zu behandeln als die Außentätigkeit im Übrigen, in der der Kl die Schuldner teilweise persönlich aufsucht und z.B. vor Ort die eidesstattliche Versicherung abnimmt.
II.
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Die Berechnung der festzusetzenden ESt wird dem Bekl übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 709 und 711 ZPO.

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