Beschluss vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 11 V 2865/16

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung zur Kontrolle des Mindestlohngesetzes
(MiLoG).
Die Antragstellerin gehört zur A-Group, einem international tätigen Logistikunternehmen mit Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern – darunter auch Polen. Am 23. September 2015 führte das Hauptzollamt (HZA) vor Tor __ des X Werks in Y eine Prüfung gem. § 2 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde ein LKW-Fahrer der Antragstellerin, F, befragt (Bl. 5 f. HZA-Akte). Dieser gab an, bei der Antragstellerin seit einem Monat beschäftigt zu sein. Der vereinbarte Monatslohn betrage 500 EUR, wobei er noch kein Geld erhalten habe. Er arbeite 12 Stunden am Tag von Montag bis Samstag.
Unter dem 22. Oktober 2015 richtete das HZA zwei Schreiben an die Antragstellerin. Zum einen ordnete es mit einem als „Prüfungsverfügung“ bezeichneten Schreiben an, dass gem. §§ 2 ff. SchwarzArbG eine Prüfung durchgeführt werde und nannte die Prüfungsgegenstände nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 5 SchwarzArbG, darunter unter Punkt 5. die „Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes“ (Bl. 13 ff. HZA-Akte). Zum anderen verwies es in seinem zweiten – mit „Durchführung des Mindestlohngesetzes“ betitelten – Schreiben auf die vorgenannte „Prüfungsverfügung“ und führte im Übrigen aus, nach §§ 2 ff. SchwarzArbG und §§ 14 ff. MiLoG solle geprüft werden, ob die Antragstellerin ihren Arbeitnehmern für die Zeit, in der diese in Deutschland tätig gewesen seien, ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des geltenden Mindestlohns gezahlt habe (vgl. Bl. 9 f. HZA-Akte). Hierzu forderte es die Antragstellerin auf, für ihren Arbeitnehmer F für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 folgende Unterlagen zu übersenden:
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Arbeitsverträge
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Lohnabrechnungen
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Nachweise über die Zahlung der Löhne
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Arbeitszeitaufzeichnungen
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Firma und Anschrift der jeweiligen Auftraggeber.
Nachdem die Antragstellerin geltend gemacht hatte, zwar die Erinnerung vom 27. Januar 2016, nicht aber „das Schreiben“ vom 22. Oktober 2015 erhalten zu haben, versandte das HZA am 4. April 2016 die Prüfungsverfügung erneut (Bl. 33 HZA-Akte).
Mit Faxschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 9. Mai 2016 ließ die Antragstellerin gegen die Prüfungsverfügung Einspruch einlegen und Aussetzung der Vollziehung beantragen (Bl. 35 f. HZA-Akte). Die allgemeine Mindestlohnpflicht in Deutschland werde zwar nicht in Frage gestellt und auch eingehalten. Es bestünden jedoch zahlreiche rechtliche Zweifel an deren gesetzlichen Umsetzung in der Transportbranche. Am 17. Mai 2016 reichte die Antragstellerin eine von F unterzeichnete Erklärung ein, wonach seine Vergütung für die im Zeitraum 1. August bis 30. September 2015 in Deutschland geleistete Arbeit 8,50 EUR betragen habe und an ihn ausgezahlt worden sei (Bl. 45 f. HZA-Akte).
Mit Entscheidung jeweils vom 31. August 2016 wies das HZA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wie auch den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen ließ die Antragstellerin am 27. September 2016 Klage erheben sowie einen Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung stellen. Mit ihrem Aussetzungsantrag macht sie geltend, es bestünden aus folgenden Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung vom 22. Oktober 2015:
Dem HZA fehle bereits die polizeivollzugsrechtliche Kompetenz zum Erlass und zur Durchführung der streitgegenständlichen Prüfungsverfügung. Der Bund verfüge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) zwar über die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, was auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erlaube. Diese Kompetenz berechtige aber nicht dazu, die Zollbehörden mit umfangreichen Polizeibefugnissen auszustatten. Da der Übergang vom Prüfverfahren zum Bußgeldverfahren fließend sei und keine klare Abgrenzung vorliege, habe das HZA auch die Prüfungsverfügung nicht erlassen dürfen, da ihr die diesbezügliche polizeivollzugsrechtliche Kompetenz als Bundesbehörde fehle. Die Prüfung habe zudem ausschließlich im Wege der Amtshilfe durch die polnischen Behörden und nicht durch den Antragsgegner selbst erfolgen dürfen.
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Auch in materieller Hinsicht bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung.
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Sie – die Antragstellerin – sei bereits kein geeigneter Adressat der Prüfungsverfügung, da sie weder Arbeitgeber i.S.d. § 20 MiLoG noch Auftraggeber i.S.d. § 21 Abs. 2 MiLoG sei. Da sie weder einen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland noch Arbeitsverträge nach deutschem Recht abgeschlossen habe, falle sie nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Sie habe zudem auch keine Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im Inland beschäftigt. Aufgrund der fehlenden Definition oder Konkretisierung im MiLoG sei der Begriff der „Beschäftigung im Inland“ anhand der im § 7 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch (SGB IV) enthaltenen sozialversicherungsrechtlichen Kriterien zu bestimmen. Da das Beschäftigungsverhältnis mit ihrem Fahrer im Ausland begründet worden sei und an eine dort bestehende Betriebsorganisation (Betriebsgelände, Verwaltung, Fuhrpark u.a.) sowie an ein Weisungsrecht anknüpfe, das von ihr im Ausland ausgeübt werde, seien die Kriterien des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht erfüllt und es könne folglich nicht von einer „Beschäftigung im Inland“ ausgegangen werden. Die teleologische Auslegung führe zum selben Ergebnis. Das MiLoG verfolge in erster Linie das Ziel, existenzgefährdende Niedriglöhne zu verhindern und einen Mindestschutz der Arbeitnehmer zu erreichen. Die Verwirklichung dieses Zwecks sei indes nicht geboten, wenn ein Arbeitnehmer – wie vorliegend ihre Fahrer – nicht oder nur sehr kurzfristig deutschen Lebenshaltungskosten unterliege. Schließlich habe auch das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - in seinem Beschluss vom 25. Juni 2015 (1 BvR 555/15) festgestellt, es sei auslegungsbedürftig, wer unter den Begriff der im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 20 MiLoG falle. Bereits diese Feststellung des BVerfG reiche aus, um „ernstliche Zweifel“ im Sinne des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu begründen.
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Darüber hinaus gebiete die verfassungskonforme Auslegung unter Beachtung der Art. 20 Abs. 3, Art. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und 3 GG, das MiLoG nicht auf ausländische Transportunternehmer anzuwenden, die lediglich kurzzeitige Tätigkeiten im Inland entfalteten. Das MiLoG habe eine Vielzahl von Sachfragen nicht geregelt. Neben der bereits angesprochenen Frage, welcher Arbeitgeber als Adressat des Gesetzes in Betracht komme, sei auch unklar, für welche Transportarten mit Inlandsberührung dieses gelten solle. Nachdem seitens der Bundesregierung und des Zolls anfänglich mitgeteilt worden sei, das Mindestlohngesetz umfasse sowohl Kabotagetransporte, internationale Transporte mit Be- oder Entladeort in Deutschland sowie reine Transittransporte durch Deutschland, habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 30. Januar 2015 in Folge des von der EU-Kommission am 21. Januar 2015 eingeleiteten Pilotverfahrens, das zwischenzeitlich in ein Vertragsverletzungsverfahren gemündet sei, in einer Pressemitteilung erklärt, die Kontrollen zur Überprüfung des Mindestlohngesetzes würden für den Bereich des reinen Transits bis zur Klärung der europarechtlichen Fragen ausgesetzt. Rechtliche Bindungswirkung entfalte diese Pressemitteilung jedoch nicht, sodass insoweit die Rechtsunsicherheit fortbestehe. Das MiLoG enthalte schließlich auch keine Regelungen dazu, welche Vergütungsbestandteile auf den Mindestlohn anzurechnen (in diesem Zusammenhang habe der Zoll seine Rechtsauffassung zu den Entsendezuschlägen bereits mehrfach geändert), wie Überstundenausgleiche und Arbeitszeitkonten zu berücksichtigen und welche Umrechnungskurse bei der Überprüfung des Mindestlohns zugrunde zu legen seien. Aufgrund dieser Regelungslücken liege ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Willkürverbot vor (Art. 20 Abs. 3 GG). Darüber hinaus liege aufgrund der Diskriminierung polnischer Transportunternehmer bei der Anrechnung von Entsendezuschlägen eine Art. 3 GG zuwiderlaufende Ungleichbehandlung und aufgrund der unverhältnismäßig großen Belastung mit administrativen Verpflichtungen ein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Dementsprechend könne bei verfassungskonformer Auslegung das MiLoG auf sie – die Antragstellerin – keine Anwendung finden.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung ergäben sich schließlich auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben. Durch die in §§ 16 und 17 MiLoG enthaltenen Melde-, Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten liege ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV], ABl. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 70) und in die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) vor, der unverhältnismäßig und daher auch durch die Arbeitnehmerentsenderichtlinie 96/71/EG (ABl. L 18 vom 21. Januar 1997, S. 1-6) nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere durch die Pflicht zur Vorlage von Unterlagen in deutscher Übersetzung und die je nach Transportweg und Zahl der berührten Mitgliedstaaten sich ergebende Vervielfältigung der Verpflichtungen würden ausländische Transportunternehmen über Gebühr belastet und – was die geforderte Übersetzung der Unterlagen angehe – im Vergleich zu einem deutschen Transportunternehmen diskriminiert. Auch hinsichtlich der Hauptleistungspflicht, der Zahlung des Mindestlohns, erscheine bei den Kurzzeiteinsätzen in der Transportbranche mehr als fraglich, ob diese durch die Arbeitnehmerentsenderichtlinie gerechtfertigt werden könne. Die Regelungen des MiLoG seien in Bezug auf die Transportbranche schließlich auch nicht mit Art. 8 und 9 der Rom I-Verordnung (VO [EG] 593/2008, ABl. L 177 vom 4. Juli 2008, S. 6-16) in Einklang zu bringen. Nach Art. 8 Abs. 2 der Rom I-Verordnung finde auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers grundsätzlich das Recht des Herkunftslandes Anwendung. Ausschließlich wenn eine Eingriffsnorm gemäß Art. 9 der Rom I-Verordnung vorliege, bestehe überhaupt die Möglichkeit, dass der Aufnahmestaat zwingende arbeitsrechtliche Regelungen schaffe, die den Regelungen des Herkunftslandes vorgingen. Das erfordere jedoch eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat als entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen werde. Ein solches Interesse bestehe nur bei echten Entsendungen, die über kurzzeitige Tätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland hinaus erfolgten. Folglich sei bei europarechtskonformer Auslegung des MiLoG festzustellen, dass die §§ 16, 17, 20 MiLoG auf sie – die Antragstellerin – keine Anwendung fänden.
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Selbst wenn man aber die verfassungsrechtliche und europarechtliche Konformität des MiLoG unterstellen wollte, so sei die angefochtene Prüfungsverfügung dennoch rechtswidrig, da sie den Regelungen des MiLoG und der dazu erlassenen Verordnungen nicht hinreichend Rechnung trage:
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In § 1 Abs. 1 der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) sei geregelt, dass die Pflicht zur Abgabe einer schriftlichen Anmeldung (§ 16 Abs. 1, 3 MiLoG), die Pflicht zur Abgabe einer Versicherung nach § 16 Abs. 2, 4 MiLoG sowie die Pflicht zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten nach § 17 Abs. 1, 2 MiLoG nicht bestehen, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt 2.000 EUR brutto übersteige. Ebenso ausgenommen seien gem. § 1 Abs. 2 MiLoDokV Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers bzw. der Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person oder Personengesellschaft. Die streitgegenständliche Prüfungsverfügung enthalte jedoch keine entsprechende Beschränkung bei der Pflicht zur Vorlage der angeforderten Dokumente und gehe damit weit über die im MiLoG bzw. in den zugehörigen Verordnungen geregelten Pflichten hinaus.
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Die Prüfungsverfügung enthalte zudem u.a. die Pflicht, die Auftraggeber zu benennen. Nach dem Verständnis des BMAS und des HZA seien von der Auftraggeberhaftung gem. § 21 Abs. 2 MiLoG in Anlehnung an Rechtsprechung zum Arbeitnehmerentsendegesetz private Auftraggeber, branchenfremde gewerbliche Auftraggeber und Auftraggeber von Einzelaufträgen („Werk- oder Dienstleistung in erheblichem Umfang“) nicht umfasst. Eine entsprechende Einschränkung enthalte die Prüfungsverfügung jedoch nicht, sodass sie auch aus diesem Grund rechtswidrig sei.
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Schließlich beschränke § 17 Abs. 2 MiLoG das Bereithalten der für die Kontrolle „erforderlichen Unterlagen“ auf die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung im Geltungsbereich des Gesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- und Dienstleistung. Die jeweilige Werkleistung in Form der Transportausführung sei jedoch in dem Moment beendet, in dem der Fahrer mit dem LKW die Bundesrepublik Deutschland verlasse. In diesem Moment erlösche auch die Pflicht zum Bereithalten der Dokumente. Vorliegend seien alle in dem von der Prüfungsverfügung erfassten Zeitraum erfolgten Transporte abgeschlossen gewesen, sodass zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsverfügung bereits keine Bereithaltung mehr habe verlangt werden können. Auch aus diesem Grund sei die Prüfungsverfügung rechtswidrig.
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Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Prüfungsverfügung vom 22. Oktober 2015 (P 4084/15 - E 1163) bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
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Das HZA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
20 
Bei summarischer Prüfung bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsverfügung. Insbesondere fehle es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht an der Prüfungskompetenz der Bundeszollverwaltung. Für die Prüfung der Einhaltung des allgemeinen Mindestlohns durch Arbeitgeber seien nach § 14 MiLoG die Behörden der Zollverwaltung zuständig. Die Prüfungen erfolgten durch das örtlich zuständige HZA gem. § 15 MiLoG auf der Grundlage von §§ 2 ff. SchwarzArbG. Dabei handele es sich um geltendes Recht, welches trotz vereinzelter kritischer Stimmen in der Literatur von der Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen werde. Es sei nicht ersichtlich, wie in einem Prüfverfahren – zumal im vorliegenden Fall, in dem lediglich Unterlagen angefordert würden – polizeivollzugsrechtliche Maßnahmen ergriffen worden sein sollen. Im Übrigen bedürfe ein Bußgeldverfahren einer förmlichen Einleitung, welche bei den HZÄ durch einen schriftlichen Einleitungsvermerk dokumentiert werde. Die Grenzen zwischen Prüf- und Bußgeldverfahren seien also keineswegs fließend.
21 
Die Prüfungsverfügung verletze dadurch, dass Unterlagen aus Polen angefordert worden seien, auch nicht polnisches Hoheitsrecht. Die Antragstellerin verkenne, dass es sich bei dieser Vorgehensweise um eine Erleichterung für Transportunternehmen mit Sitz im Ausland handele. Diese könnten wahlweise die Unterlagen nicht in Deutschland, sondern in ihrem Heimatstaat vorhalten, wenn sie versicherten, diese Unterlagen auf Aufforderung bereitzustellen (§ 2 Abs. 3 Satz 3 der Mindestlohnmeldeverordnung - MiLoMeldV -). Grundsätzlich sei nämlich jedes Transportunternehmen nach § 17 Abs. 2 MiLoG verpflichtet, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen in Deutschland in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland bereitzuhalten. Nur sofern der Arbeitgeber bei Abgabe der Einsatzplanung die Option wähle, die Unterlagen im Ausland aufzubewahren, und versichere, diese auf Anforderung bereitzustellen, entfalle diese Pflicht. Bei der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen handele es sich nicht um einen Rechtsakt, der einer förmlichen Zustellung, einer Vollstreckungsmaßnahme o.ä. bedürfte. Mithin sei auch kein Amtshilfeersuchen erforderlich.
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Die §§ 16, 17 und 20 MiLoG seien entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin auch auf diese anwendbar. Der Umstand, dass sich ihre Fahrer ggf. nur kurzfristig im Inland aufhielten, stehe einer Beschäftigung im Inland im Sinne des § 20 MiLoG nicht entgegen. Zwar gebe es in der Literatur Stimmen, welche forderten, dass der Arbeitnehmer mit einer gewissen Beständigkeit in Deutschland tätig sei. Eine Entsendung liege jedoch grundsätzlich vor, wenn sich die entsandte Person auf Weisung ihres Arbeitgebers bei fortbestehender Integration im Heimatland vorübergehend in das Ausland begebe, um dort eine Beschäftigung für den Arbeitgeber auszuüben. Bereits die Begriffsbestimmungen des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG (Arbeitnehmerentsenderichtlinie) bestimmten als entsandten Arbeitnehmer ohne Einschränkungen jeden Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringe, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeite. Wie lange der ausländische Arbeitnehmer sich im Inland aufhalte, sei dabei unerheblich. Ein zeitliches Kriterium sei für die Auslegung des § 20 MiLoG auch gänzlich ungeeignet. Soweit die Antragstellerin auf den Beschluss des BVerfG vom 25. Juni 2015 (1 BvR 555/15) verweise, in dem das BVerfG ausgeführt habe, es sei auslegungsbedürftig, wer unter den Begriff der im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer i.S.d. § 20 MiLoG falle, sei festzuhalten, dass die angeführte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden sei, weil sie dem Grundsatz der Subsidiarität nicht genügt habe. Solange es aber keine abweichende (höchst-)richterliche Entscheidung gebe, bleibe die Zollverwaltung bei ihrer Rechtsauffassung, dass § 20 MiLoG jede – auch nur kurzfristige – Arbeitsleistung erfasse, welche auf deutschem Staatsgebiet erbracht werde.
23 
Im grenzüberschreitenden Güterverkehr in einen anderen Mitgliedstaat bestehe die Arbeitsleistung zum einen in der Fahrtätigkeit an sich, zum anderen aber auch – im Gegensatz zum reinen Transit – in der unzweifelhaft ortsbezogenen Aufnahme oder Abgabe der Waren. Selbst wenn der Kraftfahrer die tatsächliche Be- und Entladung nicht in eigener Person vornehme, so habe er doch zumindest am Zielort den Kontakt mit dem Versender bzw. Empfänger aufzunehmen, die Formalitäten abzuwickeln, die Be- und Entladung zu überwachen oder Ähnliches durchzuführen. Diese Tätigkeiten stellten unstreitig Arbeitszeit dar und fielen typischerweise mit der Tätigkeit als Berufskraftfahrer an. Im vorliegenden Fall habe die Kontrolle des Fahrers der Antragstellerin an einem Werkstor der Firma X in Y stattgefunden. Es könne daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um eine Transitfahrt gehandelt habe, sondern dass zumindest Teile der Fracht dort be- oder entladen worden seien. Des Weiteren könne davon ausgegangen werden, dass der Fahrer auf dem Weg von/bis zur polnischen Grenze für einen relevanten Zeitraum im Inland beschäftigt worden sei. Im Übrigen diene eine Prüfung auch dazu, überhaupt erst einmal festzustellen, wie viele Stunden der fragliche Fahrer im Prüfungszeitraum innerhalb von Deutschland gefahren sei.
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Soweit die Antragstellerin weiter einwende, sie sei weder Arbeitgeberin noch Auftraggeberin im Sinne des § 20 MiLoG, da sie weder eine Niederlassung in Deutschland besitze noch mit ihren Fahrern Arbeitsverträge nach deutschem Recht abgeschlossen habe, verkenne sie, dass es für die Anwendbarkeit des MiLoG allein auf den Ort der Tätigkeit, also darauf ankomme, wo die Arbeitsleistung erbracht werde. Der Beschäftigungsort i.S.v. § 20 MiLoG habe daher im Falle des am 23. September 2015 kontrollierten Fahrers F unzweifelhaft im Inland gelegen, weshalb auch die Antragstellerin als ausländische Arbeitgeberin verpflichtet sei, ihrem Arbeitnehmer den deutschen Mindestlohn nach § 20 MiLoG zu zahlen.
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Der von der Antragstellerin geforderten restriktiven Auslegung des MiLoG könne nicht gefolgt werden. Bereits in der Gesetzesbegründung zum MiLoG werde ausgeführt, dass mit dem Gesetz auch ein Beitrag zu fairen und funktionierenden Wettbewerbsbedingungen geleistet werde. Dass das MiLoG dem Mindestlohn auch eine sekundäre Wettbewerbsfunktion beimesse, werde in § 9 Abs. 2 Satz 1 MiLoG deutlich, wonach die Mindestlohnkommission prüfe, ob die Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu fairen und funktionierenden Wettbewerbsbedingungen beizutragen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin müssten dabei ausländische Unternehmen nicht vom Mindestlohn ausgenommen werden, zumal der Mindestlohn nur in denjenigen Zeiträumen anfalle, in denen deren Arbeitnehmer im Inland beschäftigt seien (§ 20 MiLoG). Schließlich sei die   Grundentscheidung des Gesetzgebers nicht zu beanstanden, dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht zu Lasten der Arbeitnehmer durch die Vereinbarung immer niedrigerer Löhne, sondern um die besseren Produkte und Dienstleistungen stattfinden solle (BT-DrS. 18/1 558 S. 2, 28, 38). Ausnahmen für ausländische Unternehmen würden dieses Regelungskonzept konterkarieren und inländische Unternehmen benachteiligen.
26 
Es liege entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) und gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) vor. Mit der Einführung des Mindestlohns sei ein völlig neues arbeitsrechtliches Instrument eingeführt worden. Wie bei jedem neuen Rechtsgebiet seien damit vielfältige rechtliche Fragen aufgeworfen worden. Mit den Änderungen auf der Homepage des Zolls sei lediglich der Fortentwicklung des Rechts Rechnung getragen worden. Soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, in Polen gebe es verbindliche Entsendezuschläge, die umgekehrt für deutsche Fahrer nicht gälten, weshalb deutsche Unternehmen hier im Vorteil seien, müsse sie dagegen in Polen wegen Inländerdiskriminierung gegen die polnischen Vorschriften klagen. Der Einwand der Antragstellerin, die angegriffene Prüfungsverfügung umfasse nur drei Monate und sei daher ungeeignet, die Einhaltung des Mindestlohns zu überprüfen, da ein Arbeitszeitkonto bis zu zwölf Monate umfassen könne, sei ebenfalls nicht erheblich. Der Antragstellerin stehe es frei, weitere – über die angeforderten Unterlagen hinausgehende – Dokumente vorzulegen, aus denen sich ergebe, dass der Mindestlohn eingehalten worden sei.
27 
Der von der Antragstellerin beklagte Aufwand im Zusammenhang mit der Durchführung des MiLoG führe schließlich auch nicht zu einem ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit. Übersetzungskosten entstünden nur für die angeforderten Unterlagen, also nur in Bezug auf sehr wenige Dokumente. Die Übersetzung dieser Dokumente in die deutsche Sprache stelle für ein in Deutschland und international tätiges Unternehmen wie die Antragstellerin keinen unzumutbaren Aufwand dar. Im Übrigen habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mit Urteil vom 18. Juli 2007 (C-490/04, Slg 2007, I-6095-6152) zu § 2 Abs. 3 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) a.F., der einen dem § 17 Abs. 2 MiLoG vergleichbaren Regelungsinhalt gehabt habe und der dem heutigen § 19 Abs. 2 AEntG entspreche, entschieden, dass die Verpflichtung zur Übersetzung der zur Kontrolle der Zahlung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstelle, jedoch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolge, nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und die Kontrolle der Gewährleistung dieses Schutzes. Dadurch, dass § 2 Abs. 3 AEntG a.F. zur Aufbewahrung der fraglichen Unterlagen in der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats verpflichte, solle es den zuständigen Behörden dieses Staates ermöglicht werden, die Kontrollen durchzuführen, die erforderlich seien, um die Einhaltung der nationalen Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere derjenigen über die Entlohnung und die Arbeitszeit, zu gewährleisten. Solche Kontrollen würden in der Praxis übermäßig erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, wenn diese Unterlagen in der Sprache des Sitzstaats des Arbeitgebers vorgelegt werden könnten, die die Beamten des Aufnahmemitgliedstaats womöglich nicht beherrschten. Weniger einschränkende Maßnahmen seien nicht gegeben. Nach Auffassung des EuGH sei daher die in § 2 Abs. 3 AEntG a.F. vorgesehene Pflicht gerechtfertigt gewesen und habe nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Entsprechendes müsse für die hier streitigen Melde-, Erstellungs- und Bereithaltungspflichten nach §§ 16 und 17 MiLoG gelten.
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Im vorliegenden Verfahren seien nur Angaben für einen Fahrer und nur für einen Zeitraum von drei Monaten verlangt worden. Die Auftraggeber und ihre Anschrift müssten in der Buchhaltung bekannt sein; bei einem Fahrer handele es sich dabei sicherlich nicht um – wie von der Antragstellerin ins Feld geführt – 135.000 verschiedene Auftraggeber. Ein international tätiges Unternehmen sollte in der Lage sein, entsprechende organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um diese Informationen kurzfristig zur Verfügung stellen zu können.
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Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertrete, dass wegen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens das MiLoG ausgesetzt werden müsse, gehe ihr Einwand fehl. Trotz des Vertragsverletzungsverfahrens seien das MiLoG und die hierzu ergangenen Rechtsvorschriften nach wie vor auch im Verkehrssektor geltendes deutsches Recht. Es treffe zwar zu, dass im Bereich des reinen Transits bis zur Klärung der europarechtlichen Fragen die Mindestlohnkontrollen ausgesetzt seien, so dass in diesem Bereich weder Standkontrollen noch Geschäftsunterlagenprüfungen stattfänden. Die Aussetzung der Kontrollen gelte allerdings nicht für den Bereich der sogenannten Kabotagebeförderung und nicht für den grenzüberschreitenden Verkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland.

Entscheidungsgründe

 
30 
II. 1. Gegenstand des Aussetzungsantrags ist die Prüfungsverfügung des HZA vom 22. Oktober 2015. Hierbei sind nach Auffassung des beschließenden Senats die beiden unter diesem Datum erstellten Schreiben des HZA dahin auszulegen, dass diese Teil eines einheitlichen Verwaltungsakts sind, mit dem (ausschließlich) geprüft werden sollte, ob die Antragstellerin ihrem Arbeitnehmer F für die Zeit, in der dieser in Deutschland tätig war, ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des geltenden Mindestlohns gezahlt hat. Auch wenn das mit „Prüfungsverfügung“ bezeichnete Schreiben vom 22. Oktober 2015 alle in § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 5 SchwarzArbG genannten Prüfungsaufgaben nennt, ist es durch das weitere – mit „Durchführung des Mindestlohngesetzes“ betitelte – Schreiben vom 22. Oktober 2015, das ausdrücklich auf die Prüfungsbefugnis nach §§ 14 f. MiLoG abstellt, nach seinem objektiven Erklärungsinhalt, wie ihn die Antragstellerin nach den ihr bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte (zur Auslegung Ratschow in Klein, AO, § 119 Rn. 8 m.w.N.), dahin einschränkend auszulegen, dass nur die Einhaltung der Vorschriften des MiLoG Gegenstand der angeordneten Prüfung sein sollte. Ausschließlich hiergegen wendet sich auch die Antragstellerin mit ihrem gerichtlichen Aussetzungsantrag.
31 
2. Der so verstandene Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig; er ist jedoch nicht begründet.
32 
a) Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu z.B. Beschlüsse des BFH vom 29. November 2005 – IX B 80/05, BFH/NV 2006, 719; vom 4. August 2003 – IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37, m.w.N.; Stapperfend in Gräber, FGO § 69 Rn. 196 f.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 122).
33 
Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen bei der gebotenen summarischen Prü-fung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsverfügung. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 2 SchwarzArbG, der zwar nicht ausdrücklich zum Erlass einer Prüfungsverfügung ermächtigt, der jedoch die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung im Einzelnen auflistet und damit die Möglichkeit, eine solche Prüfung anzuordnen, gleichsam voraussetzt (FG Hamburg, Beschluss vom 21. September 2011 – 4 V 148/11, juris). Besondere Anforderungen an die Prüfungsanordnung stellt das Gesetz nicht (BFH, Beschluss vom 17. April 2013 – VII B 41/12, BFH/NV 2013, 1131; FG Münster, Urteil vom 12. Februar 2014 – 6 K 2434/13 AO, EFG 2014, 864). Die Anordnung einer Prüfung i.S.d. § 2 SchwarzArbG steht daher im Ermessen der Finanzbehörde. Sie ist in aller Regel ermessensgerecht, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. November 2009 – 7 K 7024/07, EFG 2010, 463 unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 21. Juni 1994 – VIII R 54/92, BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678, 679 zu einer Außenprüfung nach den §§ 193 ff. AO; ebenso BFH, Beschluss vom 15. Februar 2008 – II B 79/07, BFH/NV 2008, 1102, der die Grenze für eine Prüfung nach §§ 2 ff. SchwarzArbG ebenfalls im Willkürverbot sieht).
34 
b) Die streitgegenständliche Prüfung(sverfügung) wäre nur dann willkürlich in diesem Sinne, wenn die Vorschriften des MiLoG, deren Einhaltung Gegenstand der Prüfungsmaßnahme sein soll, auf die Antragstellerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Anwendung finden könnten.
35 
aa) Dies ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin vorliegend nicht bereits deshalb der Fall, weil dem HZA die polizeivollzugsrechtliche Kompetenz zum Erlass und zur Durchführung der streitgegenständlichen Prüfungsverfügung fehlen würde. Der Bund verfügt gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG über die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, was auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erlaubt. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (BGBl. I 2014, 1348) von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und ein Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns erlassen, das in § 14 MiLoG den Behörden der Zollverwaltung die Zuständigkeit für die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers nach § 20 MiLoG einräumt. Das HZA forderte auf dieser Grundlage die Antragstellerin auf, für ihren Arbeitnehmer F für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 Unterlagen zu übersenden. Hierbei handelte es sich ganz offensichtlich nicht um eine polizeivollzugsrechtliche Maßnahme, sodass sich die Frage, ob dem Antragsgegner hierfür eine Befugnis eingeräumt werden konnte, in diesem Zusammenhang gar nicht stellt.
36 
bb) Die angefochtene Prüfungsverfügung verletzt auch kein polnisches Hoheitsrecht. Das HZA verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass nach § 17 Abs. 2 MiLoG grundsätzlich jeder – inländische oder ausländische Arbeitgeber – verpflichtet ist, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen in Deutschland in deutscher Sprache bereitzuhalten. § 2 Abs. 3 Satz 3 MiLoMeldV sieht eine Erleichterung für Transportunternehmen mit Sitz im Ausland in der Weise vor, dass sie die Unterlagen nicht in Deutschland, sondern wahlweise in ihrem Heimatstaat vorhalten können, wenn sie versichern, diese auf Aufforderung bereitzustellen. Die Antragstellerin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und bei Abgabe der Einsatzplanung versichert, die im Ausland aufbewahrten Unterlagen auf Anforderung bereitzustellen. Bei der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen handelte es sich daher lediglich um eine Konkretisierung dieser – von der Antragstellerin bereits zuvor übernommenen – Verpflichtung, die keines Amtshilfeersuchens bedurfte.
37 
cc) Die Antragstellerin ist auch taugliche Adressatin der angefochtenen Prüfungsverfügung. Hierfür ist unerheblich, dass sie ihren Sitz unstreitig in Polen hat. Denn die Verpflichtung, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG zu zahlen, besteht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 20 MiLoG für Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland in gleicher Weise (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG, § 20 Rn. 1, 28). Dasselbe gilt für die sich aus § 17 Abs. 1 und 2 MiLoG i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG ergebende Verpflichtung, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen zu erstellen und bereitzuhalten.
38 
dd) Die in materieller Hinsicht zentrale Frage, was unter einem „im Inland beschäftigten“ Arbeitnehmer i.S.d. § 20 MiLoG zu verstehen ist, bzw. ob §§ 16, 17 und 20 MiLoG für im Transportgewerbe tätige ausländische Arbeitgeber ggf. verfassungs- oder europarechtskonform einschränkend auszulegen sind, bedarf in einem gegen eine Prüfungsverfügung nach § 15 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG gerichteten Verfahren keiner abschließenden Klärung, solange – wie vorliegend – nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer eines ausländischen Transportunternehmens im Inland nicht lediglich Transitfahrten durchgeführt hat.
39 
aaa) In der Literatur wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass eine Auslegung, nach der die Mindestlohnzahlungspflicht des § 20 MiLoG sowie die diese ergänzenden Dokumentationspflichten nach § 16 MiLoG auch bei nur kurzfristiger Tätigkeit im Inland zur Anwendung kämen, einen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der Art. 56 ff. AEUV und die Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. AEUV darstelle. Außerdem sei der Regelungszweck des MiLoG, existenzgefährdende Niedriglöhne zu verhindern und einen Mindestschutz der Arbeitnehmer zu erreichen, nur dann berührt, wenn ein Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich deutschen Lebenshaltungskosten unterliege, da nur dann ein Bedürfnis bestehe, den deutschen Mindestlohn zu erhalten (so Sittard NZA 2015, 78; Bissels/Falter/Ewers, ArbRAktuell 2015, 4). Es wird daher teilweise vorgeschlagen, die Anwendung des MiLoG von einer Mindestbeschäftigungsdauer im Inland abhängig zu machen oder jedenfalls die reinen Transitfahrten aus dem Anwendungsbereich des MiLoG auszunehmen (Bissels/Falter/Ewers, a.a.O.; Sittard, NZA 2015, 78, 82: analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AEntG).
40 
bbb) Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das MiLoG, soweit der Verkehrssektor betroffen ist, mit EU-Recht im Einklang steht. Hierzu hat sie am 19. Mai 2015 nach Art. 258 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG § 16 Rn. 62, § 20 Rn. 28). Sie vertritt die Auffassung, dass die Anwendung des Mindestlohns auf bestimmte grenzüberschreitende Beförderungsleistungen, die nur einen geringen Bezug zum Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufweisen, nicht zu rechtfertigen sei, weil dadurch unangemessene Verwaltungshürden geschaffen würden, die ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts behinderten (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 16. Juni 2016, abrufbar unter https://ec.europa.eu). In ihrer Gesetzesinitiative vom 31. Mai 2017 schlägt sie vor, für den grenzüberschreitenden Verkehr Fahrer als entsandte – und damit dem Sozialschutz des Staates, in dem sie vorübergehend tätig werden, unterliegende – Arbeitnehmer zu betrachten, wenn sie sich mindestens drei Tage innerhalb eines Kalendermonats auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten. Bei der Kabotage (d.h. Beförderungen innerhalb eines Mitgliedstaats) soll dies bereits ab dem ersten Tag und unabhängig von der Dauer der Entsendung gelten (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 31. Mai 2017, abrufbar unter https://ec.europa.eu).
41 
ccc) Das BMAS hat diese Bedenken aufgegriffen und bis zur Klärung der unionsrechtlichen Fragen zur Anwendung des MiLoG entschieden, dass – begrenzt auf den Bereich des reinen Transitverkehrs – die Kontrollen durch die staatlichen Behörden zur Überprüfung des MiLoG ausgesetzt werden und Einsatzplanungen nicht (mehr) vorgelegt werden müssen. Diese vorübergehende Regelung für den Transitverkehr umfasst alle Verkehrsträger bzw. Verkehre mit Start- und Zielort außerhalb Deutschlands, die Deutschland durchqueren, ohne dabei in Deutschland Waren auf- oder abzuladen bzw. Passagiere aufzunehmen oder abzusetzen (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG, § 20 Rn. 14; Pressemeldung des BMAS vom 30. Januar 2015, abrufbar unter www.bmas.de).
42 
ddd) Der beschließende Senat teilt bei summarischer Prüfung die Auffassung, dass – von den reinen Transitfahrten abgesehen – die §§ 16, 17 und 20 MiLoG auch auf ausländische Arbeitgeber im Transportgewerbe – wie die Antragstellerin – je nach Sachverhalt Anwendung finden können. Der EuGH hat mit Urteil vom 18. September 2014 (C-549/13, ECLI:EU:C:2014:2235, Bundesdruckerei) entschieden, dass eine Lohnschutzregelung – in jenem Fall § 4 Abs. 3 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen –, die ein festes Mindestentgelt vorgebe, das keinen Bezug zu den in dem Mitgliedstaat, in dem die Leistungen ausgeführt werden, bestehenden Lebenshaltungskosten habe, über das hinausgehe, was erforderlich sei, um zu gewährleisten, dass das Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde, und daher eine – nicht gerechtfertigte – Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV darstelle. Auch wenn die EuGH-Entscheidung auf die Frage der Anwendbarkeit des MiLoG bei kurzfristiger Tätigkeit in Deutschland nicht unmittelbar übertragen werden kann, weil in dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt die Arbeitsleistung komplett in Polen erbracht wurde, kann aus ihr dennoch gefolgert werden, dass die Anwendung nationaler Mindestlohnvorschriften auf ausländische Arbeitnehmer (nur) gerechtfertigt ist, wenn diese in nennenswertem Umfang deutschen Lebenshaltungskosten unterliegen (vgl. Sittard, NZA 2015, 78, 81). Dies wird jedenfalls in den Fällen des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs mit Be- oder Entladung in Deutschland und in den Fällen der Kabotage nicht von vornherein auszuschließen sein.
43 
Vorliegend führte das HZA am 23. September 2015 eine Kontrolle eines LKW der Antragstellerin durch. Da der Fahrer F vor Tor des X Werks in Y angetroffen wurde, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin diesen entweder im grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland oder aber im Kabotageverkehr eingesetzt hat. Es ist daher nach den oben dargelegten Rechtsgrundsätzen nicht auszuschließen, dass das MiLoG auf die Antragstellerin Anwendung findet. Die Aufklärung der hierfür bedeutsamen tatsächlichen Umstände ist Ziel der angefochtenen Prüfungsverfügung. An deren Rechtmäßigkeit bestehen daher keine ernstlichen Zweifel, insbesondere verstößt diese nicht gegen das Willkürverbot.
44 
c) Im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes ist außerdem zu berücksichtigen, dass dieses die Hauptsache grds. nicht vorwegnehmen darf (BFH, BFH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2003 – I B 182/02, BFH/NV 2004, 815; vom 30. Oktober 1990 – VII B 33/90, BFH/NV 1991, 607). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn entweder die Rechtslage klar und eindeutig ist und deshalb die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht oder wenn die Maßnahme zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist, der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist. Diese Regeln sind für den Bereich der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) entwickelt worden, gelten aber ebenso für das Verfahren wegen Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung (BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – I B 182/02, BFH/NV 2004, 815 m.w.N.).
45 
Im Hinblick darauf, dass § 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG die Aufbewahrung der mit der angefochtenen Prüfungsverfügung vom 22. Oktober 2015 angeforderten Unterlagen für lediglich zwei Jahre vorschreibt, bestünde unter Berücksichtigung der üblichen Verfahrensdauer im Hauptsacheverfahren die Gefahr, dass bei einer stattgebenden Entscheidung im Aussetzungsverfahren die angeforderten Unterlagen nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr bereitgehalten werden müssten und auch nicht würden, wodurch deren Prüfung faktisch vereitelt und die Entscheidung in der Hauptsache im Ergebnis vorweggenommen würde.
46 
Diejenigen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine solche Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung zulässig ist, liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere ist weder ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich noch – wie die Ausführungen unter 2.b)dd) zeigen – die Rechtslage in einem der Antragstellerin günstigen Sinne eindeutig. Die Prüfungsverfügung weist angesichts dessen, dass mit ihr nur Angaben für einen Fahrer und nur für einen Zeitraum von drei Monaten verlangt werden, für die Antragstellerin auch keine solche Eingriffsintensität auf, dass deshalb eine Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt wäre.
47 
Nach alledem erweist sich die Prüfungsanordnung vom 22. Oktober 2015 bei summarischer Prüfung als rechts- und ermessensfehlerfrei.
48 
Der Antrag war daher abzuweisen.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
50 
Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der nach § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Der im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stehenden Frage, ob auch kurzfristige Tätigkeiten im Inland von § 20 MiLoG erfasst sind bzw. ob §§ 16, 17 und 20 MiLoG für im Transportgewerbe tätige ausländische Arbeitgeber ggf. verfassungs- oder europarechtskonform einschränkend auszulegen sind, kommt jedenfalls im Rahmen eines gegen eine Prüfungsverfügung nach § 15 MiLoG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SchwarzArbG gerichteten Verfahrens keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sich dieses auf die Überprüfung beschränken muss, ob die Anordnung der Zollbehörden als unverhältnismäßig, sachwidrig oder willkürlich anzusehen ist.

Gründe

 
30 
II. 1. Gegenstand des Aussetzungsantrags ist die Prüfungsverfügung des HZA vom 22. Oktober 2015. Hierbei sind nach Auffassung des beschließenden Senats die beiden unter diesem Datum erstellten Schreiben des HZA dahin auszulegen, dass diese Teil eines einheitlichen Verwaltungsakts sind, mit dem (ausschließlich) geprüft werden sollte, ob die Antragstellerin ihrem Arbeitnehmer F für die Zeit, in der dieser in Deutschland tätig war, ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des geltenden Mindestlohns gezahlt hat. Auch wenn das mit „Prüfungsverfügung“ bezeichnete Schreiben vom 22. Oktober 2015 alle in § 2 Abs. 1 Nr. 1 - 5 SchwarzArbG genannten Prüfungsaufgaben nennt, ist es durch das weitere – mit „Durchführung des Mindestlohngesetzes“ betitelte – Schreiben vom 22. Oktober 2015, das ausdrücklich auf die Prüfungsbefugnis nach §§ 14 f. MiLoG abstellt, nach seinem objektiven Erklärungsinhalt, wie ihn die Antragstellerin nach den ihr bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte (zur Auslegung Ratschow in Klein, AO, § 119 Rn. 8 m.w.N.), dahin einschränkend auszulegen, dass nur die Einhaltung der Vorschriften des MiLoG Gegenstand der angeordneten Prüfung sein sollte. Ausschließlich hiergegen wendet sich auch die Antragstellerin mit ihrem gerichtlichen Aussetzungsantrag.
31 
2. Der so verstandene Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig; er ist jedoch nicht begründet.
32 
a) Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu z.B. Beschlüsse des BFH vom 29. November 2005 – IX B 80/05, BFH/NV 2006, 719; vom 4. August 2003 – IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37, m.w.N.; Stapperfend in Gräber, FGO § 69 Rn. 196 f.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 122).
33 
Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen bei der gebotenen summarischen Prü-fung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsverfügung. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 2 SchwarzArbG, der zwar nicht ausdrücklich zum Erlass einer Prüfungsverfügung ermächtigt, der jedoch die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung im Einzelnen auflistet und damit die Möglichkeit, eine solche Prüfung anzuordnen, gleichsam voraussetzt (FG Hamburg, Beschluss vom 21. September 2011 – 4 V 148/11, juris). Besondere Anforderungen an die Prüfungsanordnung stellt das Gesetz nicht (BFH, Beschluss vom 17. April 2013 – VII B 41/12, BFH/NV 2013, 1131; FG Münster, Urteil vom 12. Februar 2014 – 6 K 2434/13 AO, EFG 2014, 864). Die Anordnung einer Prüfung i.S.d. § 2 SchwarzArbG steht daher im Ermessen der Finanzbehörde. Sie ist in aller Regel ermessensgerecht, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. November 2009 – 7 K 7024/07, EFG 2010, 463 unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 21. Juni 1994 – VIII R 54/92, BFHE 174, 397, BStBl II 1994, 678, 679 zu einer Außenprüfung nach den §§ 193 ff. AO; ebenso BFH, Beschluss vom 15. Februar 2008 – II B 79/07, BFH/NV 2008, 1102, der die Grenze für eine Prüfung nach §§ 2 ff. SchwarzArbG ebenfalls im Willkürverbot sieht).
34 
b) Die streitgegenständliche Prüfung(sverfügung) wäre nur dann willkürlich in diesem Sinne, wenn die Vorschriften des MiLoG, deren Einhaltung Gegenstand der Prüfungsmaßnahme sein soll, auf die Antragstellerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Anwendung finden könnten.
35 
aa) Dies ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin vorliegend nicht bereits deshalb der Fall, weil dem HZA die polizeivollzugsrechtliche Kompetenz zum Erlass und zur Durchführung der streitgegenständlichen Prüfungsverfügung fehlen würde. Der Bund verfügt gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG über die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, was auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erlaubt. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie vom 11. August 2014 (BGBl. I 2014, 1348) von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und ein Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns erlassen, das in § 14 MiLoG den Behörden der Zollverwaltung die Zuständigkeit für die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers nach § 20 MiLoG einräumt. Das HZA forderte auf dieser Grundlage die Antragstellerin auf, für ihren Arbeitnehmer F für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 Unterlagen zu übersenden. Hierbei handelte es sich ganz offensichtlich nicht um eine polizeivollzugsrechtliche Maßnahme, sodass sich die Frage, ob dem Antragsgegner hierfür eine Befugnis eingeräumt werden konnte, in diesem Zusammenhang gar nicht stellt.
36 
bb) Die angefochtene Prüfungsverfügung verletzt auch kein polnisches Hoheitsrecht. Das HZA verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass nach § 17 Abs. 2 MiLoG grundsätzlich jeder – inländische oder ausländische Arbeitgeber – verpflichtet ist, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen in Deutschland in deutscher Sprache bereitzuhalten. § 2 Abs. 3 Satz 3 MiLoMeldV sieht eine Erleichterung für Transportunternehmen mit Sitz im Ausland in der Weise vor, dass sie die Unterlagen nicht in Deutschland, sondern wahlweise in ihrem Heimatstaat vorhalten können, wenn sie versichern, diese auf Aufforderung bereitzustellen. Die Antragstellerin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und bei Abgabe der Einsatzplanung versichert, die im Ausland aufbewahrten Unterlagen auf Anforderung bereitzustellen. Bei der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen handelte es sich daher lediglich um eine Konkretisierung dieser – von der Antragstellerin bereits zuvor übernommenen – Verpflichtung, die keines Amtshilfeersuchens bedurfte.
37 
cc) Die Antragstellerin ist auch taugliche Adressatin der angefochtenen Prüfungsverfügung. Hierfür ist unerheblich, dass sie ihren Sitz unstreitig in Polen hat. Denn die Verpflichtung, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG zu zahlen, besteht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 20 MiLoG für Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland in gleicher Weise (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG, § 20 Rn. 1, 28). Dasselbe gilt für die sich aus § 17 Abs. 1 und 2 MiLoG i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG ergebende Verpflichtung, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen zu erstellen und bereitzuhalten.
38 
dd) Die in materieller Hinsicht zentrale Frage, was unter einem „im Inland beschäftigten“ Arbeitnehmer i.S.d. § 20 MiLoG zu verstehen ist, bzw. ob §§ 16, 17 und 20 MiLoG für im Transportgewerbe tätige ausländische Arbeitgeber ggf. verfassungs- oder europarechtskonform einschränkend auszulegen sind, bedarf in einem gegen eine Prüfungsverfügung nach § 15 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG gerichteten Verfahren keiner abschließenden Klärung, solange – wie vorliegend – nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Arbeitnehmer eines ausländischen Transportunternehmens im Inland nicht lediglich Transitfahrten durchgeführt hat.
39 
aaa) In der Literatur wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass eine Auslegung, nach der die Mindestlohnzahlungspflicht des § 20 MiLoG sowie die diese ergänzenden Dokumentationspflichten nach § 16 MiLoG auch bei nur kurzfristiger Tätigkeit im Inland zur Anwendung kämen, einen unzulässigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der Art. 56 ff. AEUV und die Warenverkehrsfreiheit der Art. 28 ff. AEUV darstelle. Außerdem sei der Regelungszweck des MiLoG, existenzgefährdende Niedriglöhne zu verhindern und einen Mindestschutz der Arbeitnehmer zu erreichen, nur dann berührt, wenn ein Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich deutschen Lebenshaltungskosten unterliege, da nur dann ein Bedürfnis bestehe, den deutschen Mindestlohn zu erhalten (so Sittard NZA 2015, 78; Bissels/Falter/Ewers, ArbRAktuell 2015, 4). Es wird daher teilweise vorgeschlagen, die Anwendung des MiLoG von einer Mindestbeschäftigungsdauer im Inland abhängig zu machen oder jedenfalls die reinen Transitfahrten aus dem Anwendungsbereich des MiLoG auszunehmen (Bissels/Falter/Ewers, a.a.O.; Sittard, NZA 2015, 78, 82: analoge Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AEntG).
40 
bbb) Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das MiLoG, soweit der Verkehrssektor betroffen ist, mit EU-Recht im Einklang steht. Hierzu hat sie am 19. Mai 2015 nach Art. 258 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG § 16 Rn. 62, § 20 Rn. 28). Sie vertritt die Auffassung, dass die Anwendung des Mindestlohns auf bestimmte grenzüberschreitende Beförderungsleistungen, die nur einen geringen Bezug zum Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufweisen, nicht zu rechtfertigen sei, weil dadurch unangemessene Verwaltungshürden geschaffen würden, die ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts behinderten (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 16. Juni 2016, abrufbar unter https://ec.europa.eu). In ihrer Gesetzesinitiative vom 31. Mai 2017 schlägt sie vor, für den grenzüberschreitenden Verkehr Fahrer als entsandte – und damit dem Sozialschutz des Staates, in dem sie vorübergehend tätig werden, unterliegende – Arbeitnehmer zu betrachten, wenn sie sich mindestens drei Tage innerhalb eines Kalendermonats auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten. Bei der Kabotage (d.h. Beförderungen innerhalb eines Mitgliedstaats) soll dies bereits ab dem ersten Tag und unabhängig von der Dauer der Entsendung gelten (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 31. Mai 2017, abrufbar unter https://ec.europa.eu).
41 
ccc) Das BMAS hat diese Bedenken aufgegriffen und bis zur Klärung der unionsrechtlichen Fragen zur Anwendung des MiLoG entschieden, dass – begrenzt auf den Bereich des reinen Transitverkehrs – die Kontrollen durch die staatlichen Behörden zur Überprüfung des MiLoG ausgesetzt werden und Einsatzplanungen nicht (mehr) vorgelegt werden müssen. Diese vorübergehende Regelung für den Transitverkehr umfasst alle Verkehrsträger bzw. Verkehre mit Start- und Zielort außerhalb Deutschlands, die Deutschland durchqueren, ohne dabei in Deutschland Waren auf- oder abzuladen bzw. Passagiere aufzunehmen oder abzusetzen (vgl. Ferme/Carsten, MiLoG, § 20 Rn. 14; Pressemeldung des BMAS vom 30. Januar 2015, abrufbar unter www.bmas.de).
42 
ddd) Der beschließende Senat teilt bei summarischer Prüfung die Auffassung, dass – von den reinen Transitfahrten abgesehen – die §§ 16, 17 und 20 MiLoG auch auf ausländische Arbeitgeber im Transportgewerbe – wie die Antragstellerin – je nach Sachverhalt Anwendung finden können. Der EuGH hat mit Urteil vom 18. September 2014 (C-549/13, ECLI:EU:C:2014:2235, Bundesdruckerei) entschieden, dass eine Lohnschutzregelung – in jenem Fall § 4 Abs. 3 des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen –, die ein festes Mindestentgelt vorgebe, das keinen Bezug zu den in dem Mitgliedstaat, in dem die Leistungen ausgeführt werden, bestehenden Lebenshaltungskosten habe, über das hinausgehe, was erforderlich sei, um zu gewährleisten, dass das Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde, und daher eine – nicht gerechtfertigte – Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV darstelle. Auch wenn die EuGH-Entscheidung auf die Frage der Anwendbarkeit des MiLoG bei kurzfristiger Tätigkeit in Deutschland nicht unmittelbar übertragen werden kann, weil in dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt die Arbeitsleistung komplett in Polen erbracht wurde, kann aus ihr dennoch gefolgert werden, dass die Anwendung nationaler Mindestlohnvorschriften auf ausländische Arbeitnehmer (nur) gerechtfertigt ist, wenn diese in nennenswertem Umfang deutschen Lebenshaltungskosten unterliegen (vgl. Sittard, NZA 2015, 78, 81). Dies wird jedenfalls in den Fällen des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs mit Be- oder Entladung in Deutschland und in den Fällen der Kabotage nicht von vornherein auszuschließen sein.
43 
Vorliegend führte das HZA am 23. September 2015 eine Kontrolle eines LKW der Antragstellerin durch. Da der Fahrer F vor Tor des X Werks in Y angetroffen wurde, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin diesen entweder im grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland oder aber im Kabotageverkehr eingesetzt hat. Es ist daher nach den oben dargelegten Rechtsgrundsätzen nicht auszuschließen, dass das MiLoG auf die Antragstellerin Anwendung findet. Die Aufklärung der hierfür bedeutsamen tatsächlichen Umstände ist Ziel der angefochtenen Prüfungsverfügung. An deren Rechtmäßigkeit bestehen daher keine ernstlichen Zweifel, insbesondere verstößt diese nicht gegen das Willkürverbot.
44 
c) Im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes ist außerdem zu berücksichtigen, dass dieses die Hauptsache grds. nicht vorwegnehmen darf (BFH, BFH, Beschlüsse vom 17. Dezember 2003 – I B 182/02, BFH/NV 2004, 815; vom 30. Oktober 1990 – VII B 33/90, BFH/NV 1991, 607). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn entweder die Rechtslage klar und eindeutig ist und deshalb die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht oder wenn die Maßnahme zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist, der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere Intensität aufweist. Diese Regeln sind für den Bereich der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) entwickelt worden, gelten aber ebenso für das Verfahren wegen Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung (BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – I B 182/02, BFH/NV 2004, 815 m.w.N.).
45 
Im Hinblick darauf, dass § 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG die Aufbewahrung der mit der angefochtenen Prüfungsverfügung vom 22. Oktober 2015 angeforderten Unterlagen für lediglich zwei Jahre vorschreibt, bestünde unter Berücksichtigung der üblichen Verfahrensdauer im Hauptsacheverfahren die Gefahr, dass bei einer stattgebenden Entscheidung im Aussetzungsverfahren die angeforderten Unterlagen nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr bereitgehalten werden müssten und auch nicht würden, wodurch deren Prüfung faktisch vereitelt und die Entscheidung in der Hauptsache im Ergebnis vorweggenommen würde.
46 
Diejenigen Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine solche Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung zulässig ist, liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere ist weder ein Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich noch – wie die Ausführungen unter 2.b)dd) zeigen – die Rechtslage in einem der Antragstellerin günstigen Sinne eindeutig. Die Prüfungsverfügung weist angesichts dessen, dass mit ihr nur Angaben für einen Fahrer und nur für einen Zeitraum von drei Monaten verlangt werden, für die Antragstellerin auch keine solche Eingriffsintensität auf, dass deshalb eine Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt wäre.
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Nach alledem erweist sich die Prüfungsanordnung vom 22. Oktober 2015 bei summarischer Prüfung als rechts- und ermessensfehlerfrei.
48 
Der Antrag war daher abzuweisen.
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
50 
Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der nach § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Der im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stehenden Frage, ob auch kurzfristige Tätigkeiten im Inland von § 20 MiLoG erfasst sind bzw. ob §§ 16, 17 und 20 MiLoG für im Transportgewerbe tätige ausländische Arbeitgeber ggf. verfassungs- oder europarechtskonform einschränkend auszulegen sind, kommt jedenfalls im Rahmen eines gegen eine Prüfungsverfügung nach § 15 MiLoG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SchwarzArbG gerichteten Verfahrens keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sich dieses auf die Überprüfung beschränken muss, ob die Anordnung der Zollbehörden als unverhältnismäßig, sachwidrig oder willkürlich anzusehen ist.

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