Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 11 K 1102/15

Tenor

1. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheids (AT xxx) vom 8. Februar 2013 und der Einspruchsentscheidung (RL xxx) vom 7. April 2015 verpflichtet, die mit Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer für folgende Einfuhrvorgänge

Position

        

Nacherhebung zu Registrierkennzeichen

        

Betrag in EUR

 1    

        

[ ... 

        

9.454,20

 2    

                        

11.935,77

 4    

                        

8.361,78

 5    

                        

11.194,00

 6    

                        

6.136,47

 8    

                        

4.450,62

 9    

                        

10.182,49

10    

                        

4.420,48

14    

                        

7.254,59

16    

                        

7.486,30

17    

                        

7.771,50

18    

                        

9.696,55

19    

                        

4.491,78

20    

                        

8.127,99

44    

                        

13.821,66

45    

                        

4.458,60

54    

                        

6.390,66

55    

                        

6.762,21

58    

                        

6.316,35

59    

                        

4.161,36

62    

                        

7.118,90

63    

                        

11.963,91

65    

                        

10.774,95

66    

                        

12.261,15

68    

                        

6.151,10

73    

                        

6.883,37

74    

                        

8.421,14

75    

                        

5.638,50

77    

                        

4.119,79

78    

                        

55,18 

83    

                        

70,36 

84    

        

... ] 

        

1.566,27

– insgesamt also i.H.v. 227.899,98 EUR – zu erlassen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65% und der Beklagte zu 35%.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über den Erlass von Einfuhrabgaben.
Die Klägerin ist ein auf dem Gebiet des [ ... ] - baus tätiges Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. In den Jahren 2007 bis 2011 war sie an der Errichtung des Objektes X-Market, einer Wohn- und Geschäftsimmobilie in London, beteiligt. In diesem Zusammenhang meldete sie, vertreten durch die T-Spedition, Schweiz, im Jahr 2009 beim Zollamt X mehrfach Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahren 4200) an. Hierbei wurde als Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Anmelders jeweils die USt-IdNr. xxx der Firma B, Y / Deutschland, die als Fiskalvertreterin der Klägerin nach § 22a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auftrat, angegeben. Das Zollamt gab die Waren zunächst ohne Erhebung von Einfuhrabgaben frei.
Am 18. Januar 2012 erließ das beklagte Hauptzollamt (HZA) einen Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx), mit dem es in Bezug auf 85 Zollanmeldungen der Klägerin aus dem Jahr 2009 Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt 649.167,64 EUR gem. Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) nachträglich buchmäßig erfasste und nacherhob (Bl. 1 ff. HZA-Akte). Grund hierfür war, dass das HZA festgestellt hatte, dass die in den Zollanmeldungen angegebene USt-ldNr. xxx der Fiskalvertreterin B dieser vom zuständigen Finanzamt Z nicht für Zwecke der Fiskalvertretung zugeteilt worden war und daher auch nicht zur Fiskalvertretung verwendet werden durfte (vgl. § 22d UStG). Damit hätten – so die Begründung des HZA – die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG für eine steuerfreie Einfuhr jeweils nicht vorgelegen. Der Nacherhebungsbescheid wurde bestandskräftig.
Am 28. März 2012 ließ die Klägerin u.a. hinsichtlich des vorgenannten Einfuhrabgabenbescheids einen Antrag auf Erlass der Einfuhrabgaben nach Art. 236 ZK stellen (Bl. 13 ff. HZA-Akte). Mit Schreiben vom 30. April 2012 reichte sie zur weiteren Begründung dieses – und eines weiteren – Erlassantrags Kopien der streitgegenständlichen Nacherhebungsbescheide und von CMR-Frachtbriefen ein (Bl. 33 – 707 HZA-Akte).
Mit Bescheid vom 8. Februar 2013 (AT xxx) lehnte das HZA den Erlass der Einfuhrabgaben ab (Bl. 731 ff. HZA-Akte). Gegen den Ablehnungsbescheid ließ die Klägerin am 1. März 2013 Einspruch einlegen (Bl. 755 HZA-Akte), den das HZA mit Entscheidung vom 7. April 2015 als unbegründet zurückwies (Bl. 777 ff. HZA-Akte).
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 24. April 2015 erhobenen Klage. Zur Begründung lässt sie unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2010 (11 K 47/07) ausführen, dass die Einfuhrumsatzsteuer zwar entstanden, nach Art. 236 ZK im Nachhinein aber zu erlassen sei, wenn der Nachweis erbracht werde, dass die sich an die Einfuhr anschließende innergemeinschaftliche Lieferung bzw. innergemeinschaftliche Verbringung tatsächlich durchgeführt worden sei. Die Zollbehörde dürfe bei Vorlage der entsprechenden Verbringungsnachweise (CMR-Frachtbriefe etc.) den Erstattungs- bzw. Erlassantrag dann nicht mehr mit der Begründung ablehnen, die USt-IdNr. sei in der Zollanmeldung unrichtig oder gar nicht angegeben worden. Die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten CMR-Frachtbriefe, erbrächten den Nachweis für das innergemeinschaftliche Verbringen der eingeführten Waren. Bei diesen habe es sich um Konstruktionen und Materialien gehandelt, die für die Ausführung eines Auftrags in Großbritannien verwendet worden seien. Vertragsgegenstand sei die Planung, die Herstellung, der Korrosionsschutz sowie die Lieferung und Montage von sogenannten „... schächte“ am Bauprojekt X-Market in London gewesen. Ihr Vertragspartner sei die Firma C Ltd. gewesen, die bei dem Projekt als Generalunternehmer tätig gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 reichte die Klägerin erneut die bereits vorliegenden CMR-Frachtbriefe ein und ordnete diese nunmehr den einzelnen Bezugsvorgängen des Einfuhrabgabenbescheids (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 zu. Dem Schriftsatz als Anlage beigefügt waren außerdem die von der Klägerin bei den britischen Finanzbehörden (HM Revenue & Customs) eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2009 sowie ein an sie gerichtetes Bestätigungsschreiben der C Ltd. vom 20. Dezember 2007, wonach ihr – der Klägerin – Beitrag zu dem Projekt nicht der Umsatzsteuer unterliege (vgl. Bl. 48 f. FG-Akte und zugehörigen Anlagenhefter: „is not subject to VAT“).
Am 30. Mai 2016 reichte die Klägerin außerdem für die streitgegenständlichen 85 Zollanmeldungen – ausgenommen die Position 72 des Einfuhrabgabenbescheids (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 – Handelsrechnungen und eine Excel-Liste bei Gericht ein und erklärte hierzu, aus dieser Liste sei ersichtlich, welche Rechnung zu welcher Position des Einfuhrabgabenbescheids bzw. AT/C-Nummer gehöre. Die AT/C-Belege selbst seien amtliche Dokumente der Zollverwaltung und müssten daher von ihr nicht beigebracht werden. Die AT/C-Belege lägen ihr zudem nicht vor, sondern seien bei der mittlerweile insolventen T-Spedition verblieben (vgl. Bl. 66 ff. FG-Akte und zugehörigen Anlagenhefter).
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2016 schließlich reichte die Klägerin für die streitgegenständlichen 85 Zollanmeldungen – ausgenommen die Position 72 des Einfuhrabgabenbescheids (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 – Gelangensbestätigungen nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) bei Gericht ein und führte hierzu aus, da es sich um ein innergemeinschaftliches Verbringen gehandelt habe und sie somit zugleich Versenderin und Empfängerin der Waren gewesen sei, habe sie – was unschädlich sei – die Gelangensbestätigungen selbst unterschrieben. Dem entsprechend seien die o.g. Warenrechnungen ebenfalls an sie    – die Klägerin – selbst unter der Adresse K International, G/Großbritannien gerichtet gewesen. Hierbei habe es sich um die Anschrift ihres damaligen steuerlichen Vertreters SV gehandelt, der für sie die gesamte Mehrwertsteuerabrechnung in Großbritannien vorgenommen habe. Abgesehen von den Gelangensbestätigungen lägen außerdem Frachtbriefe vor, die einen eigenständigen Nachweis für das Verbringen darstellten. Die Gelangensbestätigungen wiesen einen Bezug sowohl zur jeweiligen Handelsrechnung als auch zur Position des Nacherhebungsbescheids auf und könnten somit dem jeweiligen Einfuhrvorgang zugeordnet werden (vgl. Bl. 77 f. FG-Akte und zugehörigen Anlagenhefter).
10 
In rechtlicher Hinsicht führt die Klägerin weiter aus, dass es sich bei ihrer Tätigkeit um eine Werklieferung gehandelt habe, die nach § 3 Abs. 4 UStG einer Lieferung gleichgestellt sei. Art. 30 des britischen Umsatzsteuergesetzes (Value Added Tax Act 1994) treffe eine grundsätzliche Regelung für steuerbefreite Umsätze. Anhang 8 zu diesem Gesetz nenne in Gruppe 5 die verfahrensgegenständlichen Bauleistungen. Diese Befreiung von der Umsatzsteuer beinhalte auch die Befreiung von der Erwerbsbesteuerung. Denn die Erwerbsbesteuerung stelle eine Erhebung von Umsatzsteuer dar, auch wenn die erklärte Einfuhrumsatzsteuer im Regelfall als Vorsteuer abgezogen werden müsse.
11 
Wäre aus Sicht der britischen Steuerverwaltung eine Erwerbsbesteuerung erforderlich gewesen, so wäre sie – die Klägerin – aufgrund der gegenüber der deutschen Finanzverwaltung gemachten Angaben von der britischen Zollverwaltung auf dieses Versäumnis hingewiesen worden. Der Kontrollmechanismus in der EU, der auf einem Abgleich der im Versendungsmitgliedstaat abgegebenen Zusammenfassenden Meldungen mit der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat beruhe, hätte hier zu einer Beanstandung geführt.
12 
Die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gehe davon aus, dass das Entstehen der Zollschuld einerseits und der Einfuhrumsatzsteuerschuld andererseits unabhängig voneinander zu prüfen sei, da sie unterschiedlicher Natur seien. Mit Urteilen vom 2. Juni 2016 (C-226/16 und C-228/14) sowie vom 18. Mai 2017 (C-154/16) habe der EuGH entschieden, dass für eine Ware, die nachweislich nicht in der Gemeinschaft verblieben sei oder aus anderen Gründen wie etwa Zerstörung nicht in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft habe gelangen können, keine Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden dürfe. Ungeklärt sei bisher, ob diese Gesichtspunkte auch auf die Einfuhr von Waren im Verfahren 4200 anzuwenden seien. In der Literatur werde die Auffassung vertreten, dass einfuhrumsatzsteuerrechtlich eine Einfuhr nur dann vorliege, wenn der eingeführte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf desjenigen Mitgliedstaats gelange, in dem die Einfuhr stattfinde. Dies sei hier nicht der Fall, da die eingeführte Ware nachweislich nach Großbritannien verbracht und dort verwendet worden sei.
13 
Der Senat habe im Verfahren 11 V 3174/10, das vergleichbare Vorgänge betroffen habe, entschieden, dass für eine einfuhrumsatzsteuerfreie Einfuhr im Verfahren 4200 eine gültige USt-IdNr. des Lieferers oder dessen Fiskalvertreters erforderlich sei, obwohl sich dies damals aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. nicht ausdrücklich ergeben habe. Höchstrichterlich sei diese Frage noch nicht entschieden.
14 
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids (AT xxx) vom 8. Februar 2013 und der Einspruchsentscheidung (RL xxx) vom 7. April 2015 das HZA zu verpflichten, die mit Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 festgesetzten Einfuhrabgaben zu erlassen.
15 
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
16 
Die Einfuhr von Waren im Inland sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG grundsätzlich einfuhrumsatzsteuerpflichtig. Steuerfrei sei die Einfuhr der Gegenstände, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet würden (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG, § 6a UStG). Die Steuerfreiheit hänge davon ab, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr
a) seine im Inland erteilte USt-ldNr. oder die im Inland erteilte USt-ldNr. seines Fiskalvertreters und
b) die im anderen Mitgliedstaat erteilte USt-ldNr. des Abnehmers mitteile sowie
c) nachweise, dass die Gegenstände zur Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestimmt seien.
17 
Bei der Klägerin handele es sich um ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, das sich gem. § 22a UStG durch einen Fiskalvertreter habe vertreten lassen müssen. Hierfür habe sie die Dienste der Firma B, in Y / Deutschland in Anspruch genommen. In den Zollanmeldungen sei die der B erteilte USt-ldNr. xxx angegeben. B sei jedoch zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen, als Fiskalvertreterin aufzutreten, da sie die persönlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfülle. Die mitgeteilte USt-ldNr. xxx sei ihr vom zuständigen Finanzamt Z nicht für Zwecke der Fiskalvertretung, sondern für deren Tätigkeit als Verzollungsagentur zugeteilt worden. Somit sei im Zeitpunkt der Einfuhr eine für die Fiskalvertretung ungültige USt-ldNr. mitgeteilt worden, sodass die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a UStG genannte Vorgabe nicht erfüllt gewesen sei. Da sämtliche Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 UStG kumulativ erfüllt sein müssten, sei die Steuerfreiheit zu versagen, selbst wenn der Nachweis einer Beförderung/Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. c UStG erbracht würde.
18 
Das von der Klägerin angeführte Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2010 (11 K 47/07) stehe dem angesichts der Eindeutigkeit der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht entgegen. Dieses Urteil stelle eine Einzelfallentscheidung dar. Hieran sei die Zollbehörde nicht allgemein gebunden. Die Ausführungen des FG zur Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer bei unzutreffender USt-IdNr. im Zeitpunkt der Abfertigung (Rn. 57 der Urteilsbegründung) ergänzten zudem lediglich die Urteilsbegründung zu einer anderen Thematik (Vertretungsverhältnis), die vorliegend gar nicht streitig sei.
19 
Im Übrigen sei auch die ordnungsgemäße Durchführung der innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. des innergemeinschaftlichen Verbringens im Anschluss an die Einfuhr nicht im Sinne der §§ 17a und 17c UStDV nachgewiesen. Zwar sei von der Klägerin ein Bezug der erstmals im Klageverfahren vorgelegten Warenrechnungen zu den AT/C-Belegen aufgezeigt und – mit Ausnahme der Position 72 – der von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV geforderte Nachweis erbracht worden. Der Belegnachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV allein reiche jedoch nicht aus. Soweit mit den handschriftlichen Ergänzungen auf den vorgelegten CMR-Frachtbriefen auf die 85 Einzelpositionen im Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 Bezug genommen werde, sei festzustellen, dass zu den Positionen 32, 46-47, 57, 72 sowie 79-81 kein Frachtbrief vorgelegt worden und somit kein Belegnachweis nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStDV erbracht sei. Generell werde mit den Frachtbriefen der Bezug zu den in Rede stehenden Einfuhrvorgängen lediglich behauptet, aber nicht nachgewiesen. Zwar könnten den vorgelegten Frachtbriefen Angaben wie Absender, Empfänger, Auslieferungsort, Anzahl der Verpackungen, Warenbezeichnung und Bruttogewicht entnommen werden. Diese Angaben seien jedoch weder im Ablehnungsbescheid (AT xxx) vom 8. Februar 2013 noch im Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012, sondern nur in den jeweiligen AT/C-Zollanmeldungen enthalten. Zur Nachweisführung bedürfe es daher zusätzlich der lückenlosen Vorlage der AT/C-Zollanmeldungen. Die Klägerin sei diesbezüglich nachweispflichtig.
20 
Die von der Klägerin nunmehr eingereichten Gelangensbestätigungen stünden hinsichtlich des Gegenstands und des Umfangs der Lieferung teilweise im Widerspruch zum Inhalt der bereits vorgelegten Handelsrechnungen (zu den Abweichungen im Einzelnen: Schriftsatz des HZA vom 16. August 2016, Bl. 81 f. FG-Akte). Außerdem habe die Klägerin die Gelangensbestätigungen als schweizerischer Versender und vermeintlicher Empfänger in Großbritannien selbst ausgestellt; dies sei für eine Nachweisführung nicht ausreichend.
21 
Abgesehen davon habe die Klägerin auch nicht den Nachweis erbracht, dass die streitgegenständlichen Umsätze in Großbritannien der Erwerbsbesteuerung unterlegen hätten. Die eingereichten Unterlagen ließen im Gegenteil vielmehr den Schluss zu, dass die betreffenden Vorgänge dort nicht besteuert worden seien. So seien diese in den monatlichen Steueranmeldungen (Value Added Tax Return) als steuerfreie Umsätze und Erwerbe erklärt worden. Zudem habe die C Ltd. der Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 und vom 11. Februar 2009 bestätigt, dass deren Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Mit dem „Sub-Contractors Statement of Final Account“ vom 27. November 2006 schließlich sei über einen Gesamtbetrag von 11.466.857 Pfund – „Excluding VAT“ – abgerechnet worden und dieser Betrag sei auch bezahlt worden (Anlagen 4-6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30. April 2017, Bl. 130 ff. FG-Akte).
22 
Soweit die Klägerin geltend mache, dass es sich bei den Bauleistungen um steuerfreie Umsätze im Sinne von Art. 30 Value Added Tax Act 1994 (VATA) i.V.m. Schedule 8 Group 5 (Construction of Buildings) handele, sei dies aus mehreren Gründen zweifelhaft. Die Klägerin sei nicht mit dem Projekt an sich, sondern nur mit einem Teil davon, nämlich mit der Errichtung der [ ... ] -Schächte, betraut gewesen. Außerdem habe es sich bei dem Projekt X-Market nicht um eine reine Wohnbebauung gehandelt. X-Market stelle sich als Wohn- und Einzelhandelskomplex in [ ... ], London dar. Nach wie vor fehle es am Nachweis der Besteuerung in Großbritannien.
23 
Am 9. März 2017 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert; am 14. November 2017 wurde die Sache mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist zulässig, sie ist allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Hinsichtlich der dort genannten Einfuhrvorgänge ist das HZA verpflichtet, die mit Bescheid vom 18. Januar 2012 (AT/xxx) festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 227.899,98 EUR gem. Art. 236 Abs. 1 UAbs. 2 ZK zu erlassen.
25 
Nach dieser Vorschrift werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.
26 
I. Zwar schließt Art. 236 ZK die Erstattung bzw. den Erlass der Einfuhrumsatzsteuer (unmittelbar) nicht ein, da es sich bei ihr nicht um eine Einfuhrabgabe i.S.d. Art. 236 i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK handelt (EuGH, Urteile vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, ECLI:EU:C:2016:405, Rn. 81 und vom 29. Juli 2010, C-248/09, Pakora Pluss, Slg 2010, I-7701-7726, Rn. 47). Das ändert aber nichts daran, dass Art. 211 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Einzelheiten der Entrichtung der Mehrwertsteuer für die Einfuhr von Gegenständen festzulegen. Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Befugnis in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie in § 5 Abs. 3 UStG i.V.m. § 14 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV) die für Zölle geltenden Regelungen über die Erstattung und den Erlass von Einfuhrabgaben (Art. 235 bis 242 ZK) für sinngemäß anwendbar erklärte. Damit ist der Regelungsinhalt der genannten unionsrechtlichen Vorschriften des Zollrechts – zulässigerweise – in das nationale Umsatzsteuerrecht inkorporiert worden (vgl. BFH, Urteile vom 17. August 2000 – VII R 108/95, BFH/NV 2001, 133 und 9. Dezember 2010 – VII R 20/10, BFH/NV 2011, 875; Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor Art. 235-242 ZK Rn. 12, Art. 235-236 ZK Rn. 14; Alexander in Witte, Zollkodex, Vor Art. 235 Rn. 5, Art. 236 Rn. 2; Gellert in Rüsken, Zollrecht, Art. 236 ZK, Rn. 62 ff.).
27 
Die Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über die Erstattung oder den Erlass von Einfuhrabgaben – speziell des Art. 236 ZK – auf die Einfuhrumsatzsteuer wird im Grundsatz auch nicht durch die neuere Rechtsprechung des EuGH in Frage gestellt. Der EuGH hat in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, denen gemein war, dass aufgrund der Ausnahmeregelungen in Art. 61 MwStSystRL bzw. Art. 7 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste Richtlinie) in Deutschland gar keine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne vorlag, zwar die direkte Anwendung des Art. 236 ZK auf die Einfuhrumsatzsteuer verneint. Dies schließt nach Auffassung des Senat indes nicht aus, in Fällen, in denen – wie vorliegend – von einer Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland auszugehen ist (hierzu unten II.2.a), über § 5 Abs. 3 UStG und § 14 EUStBV die Vorschrift des Art. 236 ZK sinngemäß anzuwenden (zweifelnd Schrömbges/Lux/Hannl, Aw-Prax 2016, 328, 330; Scheller, UR 2016, 557, 566).
28 
II. Die Einfuhrumsatzsteuer ist vorliegend lediglich in Höhe von 421.267,66 EUR und nicht – wie vom HZA festgesetzt – in Höhe von 649.167,64 EUR gesetzlich geschuldet.
29 
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der (Einfuhr-)Umsatzsteuer.
30 
Das Umsatzsteuergesetz regelt selbst nicht, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG auszugehen ist; der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 30 MwStSystRL bestimmen. Danach gilt als Einfuhr die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV; jetzt: Art. 29 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -) befindet, in die Gemeinschaft. Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung wurden die streitgegenständlichen Waren – überwiegend ... konstruktionen – aus einem Drittland (Schweiz) in die Europäische Union verbracht und damit eingeführt.
31 
Wann von einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbaren Einfuhr „im Inland“ auszugehen ist, folgt aus § 1 Abs. 2 UStG sowie Art. 60 und 61 MwStSystRL. Inland ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG genannten Gebiete. „Im Inland“ erfolgt die Einfuhr grundsätzlich dann, wenn sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Verbringens in die Gemeinschaft dort befindet (Art. 60 MwStSystRL). Dies war vorliegend der Fall, weil die streitgegenständlichen Waren aus der Schweiz über den Landweg mit dem LKW nach Deutschland eingeführt wurden. Dort wurden sie vom Zollamt X jeweils zum freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahren 4200) abgefertigt. Die Voraussetzungen einer steuerbaren Einfuhr im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG sind damit erfüllt.
32 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig (Urteil vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, ECLI:EU:C:2016:405). Der EuGH hat dort im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen im Zolllager- sowie im externen Versandverfahren entschieden, dass in den Ausgangsverfahren von einer Einfuhr i.S.d. Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie nicht ausgegangen werden könne, da die in Rede stehenden Waren – obwohl sie sich zwischenzeitlich physisch im Zollgebiet der Union befunden hätten – zum Zeitpunkt ihrer Wiederausfuhr nach wie vor den genannten Nichterhebungsverfahren (und damit auch der zollamtlichen Überwachung) unterlegen hätten (Rn. 66). Insofern habe keine Gefahr bestanden, dass sie in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt seien (Rn. 65). Soweit die Klägerin diese Rechtsgrundsätze unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Schrömbges/Killmann in AW-Prax 2017, 119) auf die hier zu beurteilende Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung im Verfahren 4200 mit der Begründung übertragen möchte, eine Einfuhr liege nur dann vor, wenn der eingeführte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf desjenigen Mitgliedstaates gelange, in dem die Einfuhr stattfinde, überzeugt dies nicht.
33 
Der Begriff der „Einfuhr im Inland“ setzt nämlich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, dass der Gegenstand in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangen ist. Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig. Vielmehr sieht der EuGH den Tatbestand der Einfuhr als erfüllt an, wenn die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind, was vorliegend unstreitig der Fall ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Mitgliedstaat die Einfuhr erfolgt. Dies ist nach den Vorschriften der Art. 60 und 61 MwStSystRL zu beurteilen (FG München, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 14 K 1770/13, ZfZ Beilage 2017, Nr. 7, 35-40). Da die in Rede stehenden Waren gerade in Deutschland in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 61 Abs. 1 der MwStSystRL unterlagen, bestimmt sich der Einfuhrmitgliedstaat nach Art. 60 MwStSystRL, sodass – wie ausgeführt – sämtliche im Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 genannten 85 Bezugsvorgänge im Inland steuerbare Einfuhren i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG darstellen. Dass die Waren dann im freien Verkehr in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sind, ändert daran nichts. Andernfalls wäre die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL inhaltsleer, weil sie die grundsätzliche Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer im Einfuhrmitgliedstaat erfordert, um unter den dort genannten Voraussetzungen von dieser Einfuhrumsatzsteuer wieder zu befreien (zutreffend österr. VwGH, Erkenntnis vom 25. April 2017, Ra 2016/16/0059, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at).
34 
2. Die (steuerbaren) Einfuhren sind jedoch nur zum Teil einfuhrumsatzsteuerpflichtig.
35 
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung ist die Einfuhr der Gegenstände, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden, steuerfrei. Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 bis 3 UStG nachzuweisen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 HS 2 UStG).
36 
a) Wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß nach den Vorschriften für Zölle. Zollrechtlich ist gem. Art. 201 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 ZK der Anmelder der Waren (Art. 4 Nr. 18 ZK) Zollschuldner. Vorliegend meldete die T-Spedition in direkter Vertretung für die Klägerin die streitgegenständlichen Waren zum Verfahren 4200 an, sodass diese Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer ist.
37 
b) § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG setzt weiter voraus, dass der Gegenstand im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet wird. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Senat auch bei Ausschöpfung aller im vorliegenden Verfahren erreichbaren Erkenntnisgrundlagen lediglich hinsichtlich eines Teils der streitbefangenen Einfuhren feststellen.
38 
aa) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen – Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG). Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung gem. § 3 Abs. 4 UStG als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.
39 
Im Streitfall hat die Klägerin als Sub-Unternehmerin im Auftrag des Hauptunternehmers C Ltd. sog. „... schächte“ am Objekt X-Market in London errichtet. Hierzu ließ sie von ihr vorgefertigte Konstruktionen an die Baustelle nach London transportieren und montierte sie selbst vor Ort (vgl. Schreiben vom 3. April 2017, Bl. 114 FG-Akte sowie „Sub-Contract Agreement“ als Anlage 2 zum Schriftsatz vom 30. April 2017, Bl. 135 f. FG-Akte). Das Eigentum an den Konstruktionen sollte dabei laut Vertrag bereits mit Anlieferung an der Baustelle in London auf die C Ltd. übergehen, die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der Teile dagegen erst mit deren vollständigem Einbau (Sub-Contract Agreement, Appendix, Part A - General Matters, Nr. 8 Unfixed Materials). Über die von der Klägerin erbrachten vertraglichen Leistungen wurde einheitlich mit Pauschalpreisen („lump sum“) abgerechnet. Da es sich bei den von der Klägerin gefertigten und gelieferten Teilen nicht lediglich um Zutaten und Nebensachen handelte und diese nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt der gemischten Leistung der Klägerin das Gepräge geben, geht das Gericht davon aus, dass sich den streitgegenständlichen Einfuhren – soweit die Klägerin dies nachgewiesen hat (dazu nachfolgend) – Werklieferungen i.S.d § 3 Abs. 4 UStG anschlossen.
40 
bb) Die Lieferung muss die Anforderungen nach § 6a Abs. 1 UStG an eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllen. Dies hat die Klägerin indessen nur für einen Teil derjenigen Einfuhren nachgewiesen, für die sie eine Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer begehrt.
41 
Um die Feststellung der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu ermöglichen, hat der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bei der Anmeldung der Waren zur Abfertigung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr nachzuweisen, dass die eingeführte Ware von ihm oder in seinem Auftrag in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Daneben hat er nachzuweisen, dass der Abnehmer eine der in § 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG genannten Personen ist und der Erwerb im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG).
42 
Wie und in welcher Form der Nachweis der Zollstelle gegenüber zu erbringen ist, regelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. – anders als die vom HZA angeführte, erst seit 1. Januar 2011 gültige Neufassung der Vorschrift – nicht. Von den Nachweisvorschriften der §§ 17a bis 17c UStDV kann allein § 17a UStDV hinsichtlich der Voraussetzung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer oder der Abnehmer die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, zur Anwendung kommen (so zutreffend Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 5 Rn. 199, Stand 2003). Für den Nachweis kommen dann die in §§ 17a Abs. 2 bis 4 UStDV genannten, leicht nachprüfbaren Belege (Rechnung, Lieferschein usw.) in Betracht, sofern diese im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung bereits zur Verfügung stehen (Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 5 Rn. 199 f., Stand 2003; Hillek/Müller in Rau/Dürrwächter, UStG, 169. Lieferung 10.2016, § 5 Rn. 353 ff.).
43 
aaa) Nach § 17a Abs. 4 UStDV in der Fassung vom 21. Februar 2005 soll in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, der Unternehmer den Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen. Eine Rechnung i.S.d. § 14 UStG ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Sie muss – neben anderen Angaben – den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Unternehmers und des Leistungsempfängers enthalten (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Leistungsempfänger i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 UStG ist derjenige, der nach dem zugrunde liegenden, regelmäßig zivilrechtlichen Rechtsverhältnis die Gegenleistung schuldet. Wie sich aus der Klarstellung durch § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG ergibt, wonach die in der Rechnung unrichtig ausgewiesene Steuer gegenüber dem „Leistungsempfänger“ zu berichtigen ist, ist dieser zugleich der Rechnungsadressat (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rn. 309).
44 
Diesen Anforderungen entsprechen die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 eingereichten (Pro-forma-)Rechnungen nicht. Sie sind nicht an die C Ltd., die nach dem Sub-Contract Agreement zur Gegenleistung verpflichtet war, sondern an die Klägerin selbst unter der Adresse ihres damaligen steuerlichen Vertreters in Großbritannien und damit nicht an den Leistungsempfänger i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG gerichtet. Die C Ltd. wird in den vorgelegten Rechnungen lediglich als Lieferadresse (Delivery Adress) genannt; ihre nach § 14a Abs. 3 Satz 2 UStG erforderliche USt-IdNr. wird hierbei ebenfalls nicht angegeben. Die Klägerin hat damit – unabhängig davon, ob die von ihr vorgelegten CMR-Frachtbriefe die Anforderungen an einen Beleg entsprechend § 10 UStDV erfüllen (näher dazu unter ccc)) – den von § 17a Abs. 4 UStDV vorgesehenen belegmäßigen Nachweis innergemeinschaftlicher (Anschluss-)Lieferungen nicht geführt. Denn nach § 17 Abs. 4 Satz 1 UStDV müssen sowohl ein Doppel der Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG als auch ein Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV vorliegen („und“).
45 
bbb) In formeller Hinsicht ist überdies zu beanstanden, dass in den die streitgegenständlichen Einfuhren betreffenden Zollanmeldungen jeweils eine Anmelder-USt-IdNr. angegeben war (xxx), die der Fiskalvertreterin der Klägerin nicht – wie von § 22d UStG vorausgesetzt – für Zwecke der Fiskalvertretung, sondern für deren Tätigkeit als Verzollungsagentur zugeteilt worden war. Es fehlte damit im Zeitpunkt der Einfuhr an der Angabe der (zutreffenden) USt-IdNr. des Lieferers bzw. seines Fiskalvertreters.
46 
Nach Auffassung des Senats ist die Angabe der USt-IdNr. des Erwerbers und des Lieferers bzw. seines Fiskalvertreters aber Voraussetzung für eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer im Zeitpunkt der Einfuhr (vgl. Urteil des Senats vom 26. Oktober 2010 – 11 K 47/07, StE 2011, 217-218; gleicher Ansicht: Weymüller in Dorsch, Zollrecht, § 5 UStG, Rn. 44, Stand Januar 2010). Der Senat hat seine Rechtsauffassung bereits im Rahmen des unter dem Az. 11 V 3174/10 zwischen den Beteiligten geführten, vergleichbare Einfuhren betreffenden gerichtlichen Aussetzungsverfahrens ausführlich hergeleitet und sieht sich durch die mit Gesetz vom 8. Dezember 2010 (Jahressteuergesetz 2010, BGBl. I 2010, 1768) getroffene Neuregelung mit Wirkung vom 1. Januar 2011, die klarstellend die Angabe der USt-IdNr. des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer oder seines Fiskalvertreters nunmehr ausdrücklich verlangt, in dieser bestätigt.
47 
ccc) Allerdings führen formelle Verstöße für sich alleine nicht stets dazu, dass für die streitgegenständlichen Einfuhren die Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG zu versagen wäre. Vielmehr erfordert es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige – wie hier – bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat (zuletzt EuGH, Urteil vom 9. Februar 2017 –
C-21/16, Euro Tyre, ECLI:EU:C:2017:106). Nach der Rechtsprechung des EuGH zur innergemeinschaftlichen Lieferung (Art. 28c Teil A Buchst. a Sechste Richtlinie bzw.  Art. 138 MwStSystRL) gibt es nur zwei Fälle, in denen bereits die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung nach sich ziehen kann (vgl. EuGH, Urteile vom 9. Februar 2017, C-21/16, Euro Tyre, ECLI:EU:C:2017:106; vom 20. Oktober 2016, C-24/15, Plöckl, EU:C:2016:791, Rn. 43). Zum einen kann sich ein Steuerpflichtiger, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat – wofür hinsichtlich der Klägerin keine Anhaltspunkte bestehen –, für die Zwecke der Mehrwertsteuerbefreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen. Zum anderen kann der Verstoß gegen eine formelle Anforderung zur Versagung der Mehrwertsteuerbefreiung führen, wenn er den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – C-24/15, Plöckl, EU:C:2016:791, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Steuerbefreiung ist daher trotz Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH, Urteile vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 6. Dezember 2007 – V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, BFH/NV 2008, 515; Beschluss vom 19. März 2014 – V B 26/13, BFH/NV 2014, 1102 alle zur innergemeinschaftlichen Lieferung).
48 
Diese zur steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ergangene Rechtsprechung ist zwar insoweit auf die Beurteilung der Steuerfreiheit bei der Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG übertragbar, als eine Erstattung oder ein Erlass der Einfuhrumsatzsteuer nicht unter Hinweis auf formale Verstöße zum Zeitpunkt der Einfuhr abgelehnt werden kann, wenn (nachträglich) der Nachweis einer im Anschluss durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 – 11 K 47/07, EFG 2011, 1102; offen gelassen BFH, Urteil vom 26. Januar 2012 – VII R 77/10, BFH/NV 2012, 1491). Der Senat konnte sich nach den Gesamtumständen des Falles (§ 96 Abs. 1 FGO) auf Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen jedoch nur hinsichtlich eines Teils der streitgegenständlichen Einfuhren davon überzeugen, dass die betreffenden Waren im Anschluss an die Einfuhr tatsächlich nach Großbritannien versendet worden sind. Im Einzelnen ist er dabei von folgenden Erwägungen ausgegangen:
49 
Ein Beleg zum Nachweis der Durchführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kann auch ein Frachtbrief sein (§ 17a Abs. 4 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV in der Fassung vom 21. Februar 2005); hierzu zählt auch ein auf Grundlage des CMR-Übereinkommens (BGBl. II 1961, 1120) ausgestellter Frachtbrief (BFH, Urteil vom
4. Mai 2011 – XI R 10/09, BFHE 233, 374, BStBl II 2011, 797 m.w.N.).
50 
Die Klägerin hatte zum Nachweis der Durchführung der innergemeinschaftlichen (Anschluss-)Lieferungen bereits im Verwaltungsverfahren CMR-Frachtbriefe vorgelegt (Bl. 33 – 707 HZA-Akte), die sie während des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 erneut einreichte und nunmehr den einzelnen Bezugsvorgängen des Einfuhrabgabenbescheids (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 zuordnete (vgl. Bl. 48 f. FG-Akte und zugehörigen Anlagenhefter). Die CMR-Frachtbriefe sind allerdings in dem für den Empfänger der Waren vorgesehenen Feld nicht in sämtlichen Fällen unterschrieben.
51 
Zwar war es im Gegensatz zur Neuregelung in § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStDV nach der im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einfuhren gültigen Fassung des § 17a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV nicht erforderlich, dass der Empfänger der Ware in Feld 24 des CMR-Frachtbriefs durch seine Unterschrift den tatsächlichen Erhalt des Liefergegenstandes bestätigt (BFH, Urteile vom
4. Mai 2011 – XI R 10/09, BFHE 233, 374, BStBl II 2011, 797 und vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, a.A. BMF vom 5. Mai 2010, IV D 3-S 7141/08/10001, FMNR317000010, BStBl I 2010, 508). In diesem Fall entfaltet der CMR-Frachtbrief jedoch eine geringere Beweiskraft, die sich auf die Übernahme des Transportguts durch den Frachtführer beschränkt (so zutreffend Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, 173. Lieferung 07.2017, § 6a UStG, Rn. 653 und 734).
52 
Andere Nachweise als die eingereichten CMR-Frachtbriefe, die die Versendung der streitgegenständlichen Waren nach Großbritannien zweifelsfrei belegen könnten, hat die Klägerin aber nicht vorgelegt. Als taugliche Nachweise scheiden nach Auffassung des erkennenden Senats insbesondere die von der Klägerin erstellten (Pro-forma-) Rechnungen, die nicht an den Leistungsempfänger, C Ltd., sondern an sie selbst unter der Adresse ihres damaligen steuerlichen Vertreters in Großbritannien gerichtet sind, aus. Dasselbe gilt für die Gelangensbestätigungen, die die Klägerin nach den Angaben ihrer Prozessbevollmächtigten erst im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens auf Grundlage der Rechnungen und CMR-Frachtbriefe erstellt hat (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. November 2017) und denen deshalb naturgemäß kein über letztere hinausgehender Beweiswert beigemessen werden kann. Unter den konkreten Umständen des Falles hält der Senat daher die Empfänger-Unterschrift auf dem CMR-Frachtbrief – als einzige von der Klägerin unabhängige Bestätigung – für den Nachweis, dass die Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet worden sind, für unverzichtbar.
53 
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sieht sich der Senat nur in denjenigen Fällen zu einer Feststellung innergemeinschaftlicher Anschlusslieferungen in der Lage, in denen die von der Klägerin hergestellte Zuordnung der vorgelegten Unterlagen zu den einzelnen Einfuhrvorgängen zum einen schlüssig erscheint, zum anderen die Tatsache, dass die eingeführten Waren nach Großbritannien gelangt sind, dadurch untermauert wird, dass zusätzlich unterschriebene CMR-Frachtbriefe vorliegen.
54 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält es der Senat lediglich bei den im Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 unter den Positionen 1, 2, 4-6, 8-10, 14, 16-20, 44, 45, 54, 55, 58, 59, 62, 63, 65, 66, 68, 73-75, 77, 78, 83 sowie 84 aufgeführten Einfuhren für erwiesen, dass die Klägerin die nach Deutschland eingeführten Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Hinsichtlich des Frachtbriefs mit der Dossier-Nr. xxx, der als Liefergegenstand „[ .. ]“ und als Gewicht 2.200 kg ausweist, geht der Senat aufgrund der Angaben in der Handelsrechnung und der Frachtrechnung zu Pos. 84 davon aus, dass die Klägerin diesen versehentlich dem Einfuhrvorgang mit der Pos. 85 (AT/C/xxx) anstelle der Pos. 84 (AT/C/yyy) zugeordnet hat und dass somit ein Versendungsnachweis für die im Einfuhrabgabenbescheid unter Pos. 84 – nicht aber Pos. 85, da hierfür kein passender Frachtbrief vorliegt – aufgeführte Einfuhr erbracht ist.
55 
Dagegen hat die Klägerin den ihr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 HS 2 UStG insoweit obliegenden Nachweis bei den übrigen Einfuhren nicht zu führen vermocht. So fehlt es hinsichtlich der Einfuhrvorgänge der Positionen 32, 46, 47, 57, 72, 79-81 und 85 überhaupt an einem Versendungsbeleg (Frachtbrief) sowie bei den Positionen 3, 11, 12, 15, 21, 22, 24, 28, 36-40, 48, 50, 53, 61, 64, 71 und 76 an einer Bestätigung des Empfängers im dafür vorgesehenen Feld des CMR-Frachtbriefs, dass er die Waren erhalten habe. Bei den Positionen 7, 11, 12, 13, 15, 21-23, 25-31, 33-35, 41-43, 49-52, 56, 60, 67, 69, 70 sowie 82 weicht (zusätzlich) der Liefergegenstand nach Art und/oder Menge laut CMR-Frachtbrief wesentlich von dem in den vorgelegten Rechnungen genannten ab. So sollen beispielsweise Gegenstand der unter Pos. 7 des Einfuhrabgabenbescheids aufgeführten Lieferung laut CMR-Frachtbrief „[ ... ]“ mit einem Gewicht von 9.104 kg gewesen sein, während die von der Klägerin diesem Vorgang zugeordnete Rechnung samt „Lieferschein“ als Liefergegenstand „[ ... ]“ mit einem Gewicht von 1.000 kg ausweist.
56 
Von der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR entfällt damit ein Betrag von 227.899,98 EUR auf Einfuhren, hinsichtlich derer die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen nachgewiesen hat, dass sie die nach Deutschland eingeführten Gegenstände im Anschluss in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet hat, und ein Betrag von 421.267,66 EUR auf solche Einfuhren, hinsichtlich derer ihr dieser Nachweis nicht gelungen ist.
57 
ddd) Soweit nach den vorstehenden Ausführungen eine Versendung der eingeführten Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet zur Überzeugung des Senats feststeht, sind auch die weiteren Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt. Dies gilt insbesondere für das Erfordernis, dass der Erwerb im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Der Erwerb „unterliegt“ in diesem Sinne der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland, wenn der Abnehmer im anderen Mitgliedstaat nach den dortigen (harmonisierten) Vorschriften den Tatbestand der Erwerbsbesteuerung verwirklicht und damit der Erwerb dort steuerbar ist. Unerheblich ist – entgegen der Auffassung des HZA –, ob die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchgeführt wird (BFH, Urteil vom 8. November 2007 – V R 72/05, BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 6a Rn. 389). Die Voraussetzung, dass der Erwerb der Erwerbsbesteuerung „unterliegt“, ist insbesondere auch dann erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb im anderen Mitgliedstaat steuerfrei ist oder dem sog. Nullsatz unterliegt (vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 18 Satz 4 des Umsatzsteueranwendungserlasses - UStAE -; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 6a Rn. 393). Danach haben auch die streitgegenständlichen Einfuhren der Erwerbsbesteuerung unterlegen.
58 
Nach Art. 30 Abs. 2 VATA i.V.m. Schedule 8 Group 5 (Construction of Buildings etc.) werden Bauleistungen, die – wie hier – an neu errichteten, renovierten oder umgewidmeten Wohnimmobilien erbracht werden, in Großbritannien umsatzsteuerlich privilegiert. Dies wird in der Weise bewirkt, dass die entsprechenden Lieferungen oder Leistungen entweder mit einem ermäßigten oder mit dem Steuersatz 0% („zero-rated“) besteuert werden. Grundsätzlich bleiben die Lieferungen und Leistungen aber steuerbar (vgl. Art. 30 Abs. 1 Buchst. b VATA: „it shall in all other respects be treated as a taxable supply“), sodass die streitgegenständlichen Lieferungen der Klägerin im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG im anderen Mitgliedstaat Großbritannien der Erwerbsbesteuerung unterlagen. Dies gilt erst recht, wenn – wie vom HZA geltend gemacht – die Lieferungen der Klägerin nicht ausschließlich den der Wohnnutzung dienenden Teilen der Immobilie X-Market zuzuordnen sein sollten.
59 
Nach alledem ist von der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR ein Betrag von 227.899,98 EUR nach Art. 236 Abs. 1 UAbs. 2 ZK zu erlassen, da die Klägerin insoweit nachgewiesen hat, dass sie die eingeführten Gegenstände im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Insoweit war der Klage daher stattzugeben.
60 
Die Klägerin hat am 15. November 2017 einen Schriftsatz mit rechtlichen Erwägungen eingereicht, die das Gericht unberücksichtigt lassen musste, nachdem es die mündliche Verhandlung bereits geschlossen hatte.
61 
___________      ___________      ___________
62 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
63 
Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter – wie hier – teils obsiegt, teils unterliegt. Das Maß des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens i.S.d. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich in einem Prozessrechtsverhältnis aus der Differenz zwischen dem maßgeblichen Sachantrag und dem endgültig Erreichten (Ratschow in Gräber, FGO, § 136 Rn. 1 m.w.N.). Das Gericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es das HZA abgelehnt hat, 227.899,98 EUR der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR zu erlassen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin in etwa zu 35% obsiegt hat
227.899,98 EUR
649.167,64 EUR.
64 
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151, 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
65 
3. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen. Der Rechtsstreit bietet dem BFH Gelegenheit, zu der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage Stellung zu nehmen, ob und ggf. in welchen Fällen – unter Berücksichtigung der neueren EuGH-Rechtsprechung in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig – die zollrechtliche Vorschrift des Art. 236 ZK über § 21 Abs. 2 UStG auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden ist. Außerdem kann in diesem Zusammenhang geklärt werden, ob der Begriff der „Einfuhr im Inland“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) voraussetzt, dass der Gegenstand in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangen ist.

Gründe

 
24 
Die Klage ist zulässig, sie ist allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Hinsichtlich der dort genannten Einfuhrvorgänge ist das HZA verpflichtet, die mit Bescheid vom 18. Januar 2012 (AT/xxx) festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 227.899,98 EUR gem. Art. 236 Abs. 1 UAbs. 2 ZK zu erlassen.
25 
Nach dieser Vorschrift werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.
26 
I. Zwar schließt Art. 236 ZK die Erstattung bzw. den Erlass der Einfuhrumsatzsteuer (unmittelbar) nicht ein, da es sich bei ihr nicht um eine Einfuhrabgabe i.S.d. Art. 236 i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK handelt (EuGH, Urteile vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, ECLI:EU:C:2016:405, Rn. 81 und vom 29. Juli 2010, C-248/09, Pakora Pluss, Slg 2010, I-7701-7726, Rn. 47). Das ändert aber nichts daran, dass Art. 211 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Einzelheiten der Entrichtung der Mehrwertsteuer für die Einfuhr von Gegenständen festzulegen. Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Befugnis in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie in § 5 Abs. 3 UStG i.V.m. § 14 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV) die für Zölle geltenden Regelungen über die Erstattung und den Erlass von Einfuhrabgaben (Art. 235 bis 242 ZK) für sinngemäß anwendbar erklärte. Damit ist der Regelungsinhalt der genannten unionsrechtlichen Vorschriften des Zollrechts – zulässigerweise – in das nationale Umsatzsteuerrecht inkorporiert worden (vgl. BFH, Urteile vom 17. August 2000 – VII R 108/95, BFH/NV 2001, 133 und 9. Dezember 2010 – VII R 20/10, BFH/NV 2011, 875; Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vor Art. 235-242 ZK Rn. 12, Art. 235-236 ZK Rn. 14; Alexander in Witte, Zollkodex, Vor Art. 235 Rn. 5, Art. 236 Rn. 2; Gellert in Rüsken, Zollrecht, Art. 236 ZK, Rn. 62 ff.).
27 
Die Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über die Erstattung oder den Erlass von Einfuhrabgaben – speziell des Art. 236 ZK – auf die Einfuhrumsatzsteuer wird im Grundsatz auch nicht durch die neuere Rechtsprechung des EuGH in Frage gestellt. Der EuGH hat in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, denen gemein war, dass aufgrund der Ausnahmeregelungen in Art. 61 MwStSystRL bzw. Art. 7 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste Richtlinie) in Deutschland gar keine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne vorlag, zwar die direkte Anwendung des Art. 236 ZK auf die Einfuhrumsatzsteuer verneint. Dies schließt nach Auffassung des Senat indes nicht aus, in Fällen, in denen – wie vorliegend – von einer Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG im Inland auszugehen ist (hierzu unten II.2.a), über § 5 Abs. 3 UStG und § 14 EUStBV die Vorschrift des Art. 236 ZK sinngemäß anzuwenden (zweifelnd Schrömbges/Lux/Hannl, Aw-Prax 2016, 328, 330; Scheller, UR 2016, 557, 566).
28 
II. Die Einfuhrumsatzsteuer ist vorliegend lediglich in Höhe von 421.267,66 EUR und nicht – wie vom HZA festgesetzt – in Höhe von 649.167,64 EUR gesetzlich geschuldet.
29 
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der (Einfuhr-)Umsatzsteuer.
30 
Das Umsatzsteuergesetz regelt selbst nicht, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG auszugehen ist; der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 30 MwStSystRL bestimmen. Danach gilt als Einfuhr die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV; jetzt: Art. 29 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -) befindet, in die Gemeinschaft. Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung wurden die streitgegenständlichen Waren – überwiegend ... konstruktionen – aus einem Drittland (Schweiz) in die Europäische Union verbracht und damit eingeführt.
31 
Wann von einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbaren Einfuhr „im Inland“ auszugehen ist, folgt aus § 1 Abs. 2 UStG sowie Art. 60 und 61 MwStSystRL. Inland ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG genannten Gebiete. „Im Inland“ erfolgt die Einfuhr grundsätzlich dann, wenn sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Verbringens in die Gemeinschaft dort befindet (Art. 60 MwStSystRL). Dies war vorliegend der Fall, weil die streitgegenständlichen Waren aus der Schweiz über den Landweg mit dem LKW nach Deutschland eingeführt wurden. Dort wurden sie vom Zollamt X jeweils zum freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Verfahren 4200) abgefertigt. Die Voraussetzungen einer steuerbaren Einfuhr im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG sind damit erfüllt.
32 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig (Urteil vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, ECLI:EU:C:2016:405). Der EuGH hat dort im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen im Zolllager- sowie im externen Versandverfahren entschieden, dass in den Ausgangsverfahren von einer Einfuhr i.S.d. Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie nicht ausgegangen werden könne, da die in Rede stehenden Waren – obwohl sie sich zwischenzeitlich physisch im Zollgebiet der Union befunden hätten – zum Zeitpunkt ihrer Wiederausfuhr nach wie vor den genannten Nichterhebungsverfahren (und damit auch der zollamtlichen Überwachung) unterlegen hätten (Rn. 66). Insofern habe keine Gefahr bestanden, dass sie in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt seien (Rn. 65). Soweit die Klägerin diese Rechtsgrundsätze unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Schrömbges/Killmann in AW-Prax 2017, 119) auf die hier zu beurteilende Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung im Verfahren 4200 mit der Begründung übertragen möchte, eine Einfuhr liege nur dann vor, wenn der eingeführte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf desjenigen Mitgliedstaates gelange, in dem die Einfuhr stattfinde, überzeugt dies nicht.
33 
Der Begriff der „Einfuhr im Inland“ setzt nämlich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht voraus, dass der Gegenstand in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangen ist. Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig. Vielmehr sieht der EuGH den Tatbestand der Einfuhr als erfüllt an, wenn die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind, was vorliegend unstreitig der Fall ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Mitgliedstaat die Einfuhr erfolgt. Dies ist nach den Vorschriften der Art. 60 und 61 MwStSystRL zu beurteilen (FG München, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 14 K 1770/13, ZfZ Beilage 2017, Nr. 7, 35-40). Da die in Rede stehenden Waren gerade in Deutschland in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 61 Abs. 1 der MwStSystRL unterlagen, bestimmt sich der Einfuhrmitgliedstaat nach Art. 60 MwStSystRL, sodass – wie ausgeführt – sämtliche im Einfuhrabgabenbescheid (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 genannten 85 Bezugsvorgänge im Inland steuerbare Einfuhren i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG darstellen. Dass die Waren dann im freien Verkehr in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sind, ändert daran nichts. Andernfalls wäre die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL inhaltsleer, weil sie die grundsätzliche Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer im Einfuhrmitgliedstaat erfordert, um unter den dort genannten Voraussetzungen von dieser Einfuhrumsatzsteuer wieder zu befreien (zutreffend österr. VwGH, Erkenntnis vom 25. April 2017, Ra 2016/16/0059, abrufbar unter www.ris.bka.gv.at).
34 
2. Die (steuerbaren) Einfuhren sind jedoch nur zum Teil einfuhrumsatzsteuerpflichtig.
35 
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG in seiner bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung ist die Einfuhr der Gegenstände, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden, steuerfrei. Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 bis 3 UStG nachzuweisen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 HS 2 UStG).
36 
a) Wer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß nach den Vorschriften für Zölle. Zollrechtlich ist gem. Art. 201 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 ZK der Anmelder der Waren (Art. 4 Nr. 18 ZK) Zollschuldner. Vorliegend meldete die T-Spedition in direkter Vertretung für die Klägerin die streitgegenständlichen Waren zum Verfahren 4200 an, sodass diese Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer ist.
37 
b) § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG setzt weiter voraus, dass der Gegenstand im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet wird. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Senat auch bei Ausschöpfung aller im vorliegenden Verfahren erreichbaren Erkenntnisgrundlagen lediglich hinsichtlich eines Teils der streitbefangenen Einfuhren feststellen.
38 
aa) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen – Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG). Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung gem. § 3 Abs. 4 UStG als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.
39 
Im Streitfall hat die Klägerin als Sub-Unternehmerin im Auftrag des Hauptunternehmers C Ltd. sog. „... schächte“ am Objekt X-Market in London errichtet. Hierzu ließ sie von ihr vorgefertigte Konstruktionen an die Baustelle nach London transportieren und montierte sie selbst vor Ort (vgl. Schreiben vom 3. April 2017, Bl. 114 FG-Akte sowie „Sub-Contract Agreement“ als Anlage 2 zum Schriftsatz vom 30. April 2017, Bl. 135 f. FG-Akte). Das Eigentum an den Konstruktionen sollte dabei laut Vertrag bereits mit Anlieferung an der Baustelle in London auf die C Ltd. übergehen, die Gefahr des Untergangs oder der Verschlechterung der Teile dagegen erst mit deren vollständigem Einbau (Sub-Contract Agreement, Appendix, Part A - General Matters, Nr. 8 Unfixed Materials). Über die von der Klägerin erbrachten vertraglichen Leistungen wurde einheitlich mit Pauschalpreisen („lump sum“) abgerechnet. Da es sich bei den von der Klägerin gefertigten und gelieferten Teilen nicht lediglich um Zutaten und Nebensachen handelte und diese nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt der gemischten Leistung der Klägerin das Gepräge geben, geht das Gericht davon aus, dass sich den streitgegenständlichen Einfuhren – soweit die Klägerin dies nachgewiesen hat (dazu nachfolgend) – Werklieferungen i.S.d § 3 Abs. 4 UStG anschlossen.
40 
bb) Die Lieferung muss die Anforderungen nach § 6a Abs. 1 UStG an eine innergemeinschaftliche Lieferung erfüllen. Dies hat die Klägerin indessen nur für einen Teil derjenigen Einfuhren nachgewiesen, für die sie eine Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer begehrt.
41 
Um die Feststellung der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu ermöglichen, hat der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bei der Anmeldung der Waren zur Abfertigung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr nachzuweisen, dass die eingeführte Ware von ihm oder in seinem Auftrag in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Daneben hat er nachzuweisen, dass der Abnehmer eine der in § 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG genannten Personen ist und der Erwerb im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG).
42 
Wie und in welcher Form der Nachweis der Zollstelle gegenüber zu erbringen ist, regelt § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG a.F. – anders als die vom HZA angeführte, erst seit 1. Januar 2011 gültige Neufassung der Vorschrift – nicht. Von den Nachweisvorschriften der §§ 17a bis 17c UStDV kann allein § 17a UStDV hinsichtlich der Voraussetzung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer oder der Abnehmer die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, zur Anwendung kommen (so zutreffend Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 5 Rn. 199, Stand 2003). Für den Nachweis kommen dann die in §§ 17a Abs. 2 bis 4 UStDV genannten, leicht nachprüfbaren Belege (Rechnung, Lieferschein usw.) in Betracht, sofern diese im Zeitpunkt der Einfuhrabfertigung bereits zur Verfügung stehen (Müller-Eiselt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 5 Rn. 199 f., Stand 2003; Hillek/Müller in Rau/Dürrwächter, UStG, 169. Lieferung 10.2016, § 5 Rn. 353 ff.).
43 
aaa) Nach § 17a Abs. 4 UStDV in der Fassung vom 21. Februar 2005 soll in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, der Unternehmer den Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen. Eine Rechnung i.S.d. § 14 UStG ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Sie muss – neben anderen Angaben – den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Unternehmers und des Leistungsempfängers enthalten (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Leistungsempfänger i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 UStG ist derjenige, der nach dem zugrunde liegenden, regelmäßig zivilrechtlichen Rechtsverhältnis die Gegenleistung schuldet. Wie sich aus der Klarstellung durch § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG ergibt, wonach die in der Rechnung unrichtig ausgewiesene Steuer gegenüber dem „Leistungsempfänger“ zu berichtigen ist, ist dieser zugleich der Rechnungsadressat (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 Rn. 309).
44 
Diesen Anforderungen entsprechen die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 2016 eingereichten (Pro-forma-)Rechnungen nicht. Sie sind nicht an die C Ltd., die nach dem Sub-Contract Agreement zur Gegenleistung verpflichtet war, sondern an die Klägerin selbst unter der Adresse ihres damaligen steuerlichen Vertreters in Großbritannien und damit nicht an den Leistungsempfänger i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG gerichtet. Die C Ltd. wird in den vorgelegten Rechnungen lediglich als Lieferadresse (Delivery Adress) genannt; ihre nach § 14a Abs. 3 Satz 2 UStG erforderliche USt-IdNr. wird hierbei ebenfalls nicht angegeben. Die Klägerin hat damit – unabhängig davon, ob die von ihr vorgelegten CMR-Frachtbriefe die Anforderungen an einen Beleg entsprechend § 10 UStDV erfüllen (näher dazu unter ccc)) – den von § 17a Abs. 4 UStDV vorgesehenen belegmäßigen Nachweis innergemeinschaftlicher (Anschluss-)Lieferungen nicht geführt. Denn nach § 17 Abs. 4 Satz 1 UStDV müssen sowohl ein Doppel der Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG als auch ein Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV vorliegen („und“).
45 
bbb) In formeller Hinsicht ist überdies zu beanstanden, dass in den die streitgegenständlichen Einfuhren betreffenden Zollanmeldungen jeweils eine Anmelder-USt-IdNr. angegeben war (xxx), die der Fiskalvertreterin der Klägerin nicht – wie von § 22d UStG vorausgesetzt – für Zwecke der Fiskalvertretung, sondern für deren Tätigkeit als Verzollungsagentur zugeteilt worden war. Es fehlte damit im Zeitpunkt der Einfuhr an der Angabe der (zutreffenden) USt-IdNr. des Lieferers bzw. seines Fiskalvertreters.
46 
Nach Auffassung des Senats ist die Angabe der USt-IdNr. des Erwerbers und des Lieferers bzw. seines Fiskalvertreters aber Voraussetzung für eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer im Zeitpunkt der Einfuhr (vgl. Urteil des Senats vom 26. Oktober 2010 – 11 K 47/07, StE 2011, 217-218; gleicher Ansicht: Weymüller in Dorsch, Zollrecht, § 5 UStG, Rn. 44, Stand Januar 2010). Der Senat hat seine Rechtsauffassung bereits im Rahmen des unter dem Az. 11 V 3174/10 zwischen den Beteiligten geführten, vergleichbare Einfuhren betreffenden gerichtlichen Aussetzungsverfahrens ausführlich hergeleitet und sieht sich durch die mit Gesetz vom 8. Dezember 2010 (Jahressteuergesetz 2010, BGBl. I 2010, 1768) getroffene Neuregelung mit Wirkung vom 1. Januar 2011, die klarstellend die Angabe der USt-IdNr. des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer oder seines Fiskalvertreters nunmehr ausdrücklich verlangt, in dieser bestätigt.
47 
ccc) Allerdings führen formelle Verstöße für sich alleine nicht stets dazu, dass für die streitgegenständlichen Einfuhren die Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG zu versagen wäre. Vielmehr erfordert es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige – wie hier – bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat (zuletzt EuGH, Urteil vom 9. Februar 2017 –
C-21/16, Euro Tyre, ECLI:EU:C:2017:106). Nach der Rechtsprechung des EuGH zur innergemeinschaftlichen Lieferung (Art. 28c Teil A Buchst. a Sechste Richtlinie bzw.  Art. 138 MwStSystRL) gibt es nur zwei Fälle, in denen bereits die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung nach sich ziehen kann (vgl. EuGH, Urteile vom 9. Februar 2017, C-21/16, Euro Tyre, ECLI:EU:C:2017:106; vom 20. Oktober 2016, C-24/15, Plöckl, EU:C:2016:791, Rn. 43). Zum einen kann sich ein Steuerpflichtiger, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat – wofür hinsichtlich der Klägerin keine Anhaltspunkte bestehen –, für die Zwecke der Mehrwertsteuerbefreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen. Zum anderen kann der Verstoß gegen eine formelle Anforderung zur Versagung der Mehrwertsteuerbefreiung führen, wenn er den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – C-24/15, Plöckl, EU:C:2016:791, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Steuerbefreiung ist daher trotz Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten zu gewähren, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH, Urteile vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511; vom 6. Dezember 2007 – V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, BFH/NV 2008, 515; Beschluss vom 19. März 2014 – V B 26/13, BFH/NV 2014, 1102 alle zur innergemeinschaftlichen Lieferung).
48 
Diese zur steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ergangene Rechtsprechung ist zwar insoweit auf die Beurteilung der Steuerfreiheit bei der Einfuhr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG übertragbar, als eine Erstattung oder ein Erlass der Einfuhrumsatzsteuer nicht unter Hinweis auf formale Verstöße zum Zeitpunkt der Einfuhr abgelehnt werden kann, wenn (nachträglich) der Nachweis einer im Anschluss durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht wird (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 – 11 K 47/07, EFG 2011, 1102; offen gelassen BFH, Urteil vom 26. Januar 2012 – VII R 77/10, BFH/NV 2012, 1491). Der Senat konnte sich nach den Gesamtumständen des Falles (§ 96 Abs. 1 FGO) auf Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen jedoch nur hinsichtlich eines Teils der streitgegenständlichen Einfuhren davon überzeugen, dass die betreffenden Waren im Anschluss an die Einfuhr tatsächlich nach Großbritannien versendet worden sind. Im Einzelnen ist er dabei von folgenden Erwägungen ausgegangen:
49 
Ein Beleg zum Nachweis der Durchführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung kann auch ein Frachtbrief sein (§ 17a Abs. 4 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV in der Fassung vom 21. Februar 2005); hierzu zählt auch ein auf Grundlage des CMR-Übereinkommens (BGBl. II 1961, 1120) ausgestellter Frachtbrief (BFH, Urteil vom
4. Mai 2011 – XI R 10/09, BFHE 233, 374, BStBl II 2011, 797 m.w.N.).
50 
Die Klägerin hatte zum Nachweis der Durchführung der innergemeinschaftlichen (Anschluss-)Lieferungen bereits im Verwaltungsverfahren CMR-Frachtbriefe vorgelegt (Bl. 33 – 707 HZA-Akte), die sie während des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 12. Februar 2016 erneut einreichte und nunmehr den einzelnen Bezugsvorgängen des Einfuhrabgabenbescheids (AT/xxx) vom 18. Januar 2012 zuordnete (vgl. Bl. 48 f. FG-Akte und zugehörigen Anlagenhefter). Die CMR-Frachtbriefe sind allerdings in dem für den Empfänger der Waren vorgesehenen Feld nicht in sämtlichen Fällen unterschrieben.
51 
Zwar war es im Gegensatz zur Neuregelung in § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStDV nach der im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einfuhren gültigen Fassung des § 17a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV nicht erforderlich, dass der Empfänger der Ware in Feld 24 des CMR-Frachtbriefs durch seine Unterschrift den tatsächlichen Erhalt des Liefergegenstandes bestätigt (BFH, Urteile vom
4. Mai 2011 – XI R 10/09, BFHE 233, 374, BStBl II 2011, 797 und vom 12. Mai 2009 – V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, a.A. BMF vom 5. Mai 2010, IV D 3-S 7141/08/10001, FMNR317000010, BStBl I 2010, 508). In diesem Fall entfaltet der CMR-Frachtbrief jedoch eine geringere Beweiskraft, die sich auf die Übernahme des Transportguts durch den Frachtführer beschränkt (so zutreffend Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, 173. Lieferung 07.2017, § 6a UStG, Rn. 653 und 734).
52 
Andere Nachweise als die eingereichten CMR-Frachtbriefe, die die Versendung der streitgegenständlichen Waren nach Großbritannien zweifelsfrei belegen könnten, hat die Klägerin aber nicht vorgelegt. Als taugliche Nachweise scheiden nach Auffassung des erkennenden Senats insbesondere die von der Klägerin erstellten (Pro-forma-) Rechnungen, die nicht an den Leistungsempfänger, C Ltd., sondern an sie selbst unter der Adresse ihres damaligen steuerlichen Vertreters in Großbritannien gerichtet sind, aus. Dasselbe gilt für die Gelangensbestätigungen, die die Klägerin nach den Angaben ihrer Prozessbevollmächtigten erst im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens auf Grundlage der Rechnungen und CMR-Frachtbriefe erstellt hat (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. November 2017) und denen deshalb naturgemäß kein über letztere hinausgehender Beweiswert beigemessen werden kann. Unter den konkreten Umständen des Falles hält der Senat daher die Empfänger-Unterschrift auf dem CMR-Frachtbrief – als einzige von der Klägerin unabhängige Bestätigung – für den Nachweis, dass die Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet worden sind, für unverzichtbar.
53 
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sieht sich der Senat nur in denjenigen Fällen zu einer Feststellung innergemeinschaftlicher Anschlusslieferungen in der Lage, in denen die von der Klägerin hergestellte Zuordnung der vorgelegten Unterlagen zu den einzelnen Einfuhrvorgängen zum einen schlüssig erscheint, zum anderen die Tatsache, dass die eingeführten Waren nach Großbritannien gelangt sind, dadurch untermauert wird, dass zusätzlich unterschriebene CMR-Frachtbriefe vorliegen.
54 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält es der Senat lediglich bei den im Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 unter den Positionen 1, 2, 4-6, 8-10, 14, 16-20, 44, 45, 54, 55, 58, 59, 62, 63, 65, 66, 68, 73-75, 77, 78, 83 sowie 84 aufgeführten Einfuhren für erwiesen, dass die Klägerin die nach Deutschland eingeführten Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Hinsichtlich des Frachtbriefs mit der Dossier-Nr. xxx, der als Liefergegenstand „[ .. ]“ und als Gewicht 2.200 kg ausweist, geht der Senat aufgrund der Angaben in der Handelsrechnung und der Frachtrechnung zu Pos. 84 davon aus, dass die Klägerin diesen versehentlich dem Einfuhrvorgang mit der Pos. 85 (AT/C/xxx) anstelle der Pos. 84 (AT/C/yyy) zugeordnet hat und dass somit ein Versendungsnachweis für die im Einfuhrabgabenbescheid unter Pos. 84 – nicht aber Pos. 85, da hierfür kein passender Frachtbrief vorliegt – aufgeführte Einfuhr erbracht ist.
55 
Dagegen hat die Klägerin den ihr nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 HS 2 UStG insoweit obliegenden Nachweis bei den übrigen Einfuhren nicht zu führen vermocht. So fehlt es hinsichtlich der Einfuhrvorgänge der Positionen 32, 46, 47, 57, 72, 79-81 und 85 überhaupt an einem Versendungsbeleg (Frachtbrief) sowie bei den Positionen 3, 11, 12, 15, 21, 22, 24, 28, 36-40, 48, 50, 53, 61, 64, 71 und 76 an einer Bestätigung des Empfängers im dafür vorgesehenen Feld des CMR-Frachtbriefs, dass er die Waren erhalten habe. Bei den Positionen 7, 11, 12, 13, 15, 21-23, 25-31, 33-35, 41-43, 49-52, 56, 60, 67, 69, 70 sowie 82 weicht (zusätzlich) der Liefergegenstand nach Art und/oder Menge laut CMR-Frachtbrief wesentlich von dem in den vorgelegten Rechnungen genannten ab. So sollen beispielsweise Gegenstand der unter Pos. 7 des Einfuhrabgabenbescheids aufgeführten Lieferung laut CMR-Frachtbrief „[ ... ]“ mit einem Gewicht von 9.104 kg gewesen sein, während die von der Klägerin diesem Vorgang zugeordnete Rechnung samt „Lieferschein“ als Liefergegenstand „[ ... ]“ mit einem Gewicht von 1.000 kg ausweist.
56 
Von der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR entfällt damit ein Betrag von 227.899,98 EUR auf Einfuhren, hinsichtlich derer die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen nachgewiesen hat, dass sie die nach Deutschland eingeführten Gegenstände im Anschluss in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet hat, und ein Betrag von 421.267,66 EUR auf solche Einfuhren, hinsichtlich derer ihr dieser Nachweis nicht gelungen ist.
57 
ddd) Soweit nach den vorstehenden Ausführungen eine Versendung der eingeführten Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet zur Überzeugung des Senats feststeht, sind auch die weiteren Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt. Dies gilt insbesondere für das Erfordernis, dass der Erwerb im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Der Erwerb „unterliegt“ in diesem Sinne der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland, wenn der Abnehmer im anderen Mitgliedstaat nach den dortigen (harmonisierten) Vorschriften den Tatbestand der Erwerbsbesteuerung verwirklicht und damit der Erwerb dort steuerbar ist. Unerheblich ist – entgegen der Auffassung des HZA –, ob die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchgeführt wird (BFH, Urteil vom 8. November 2007 – V R 72/05, BFHE 219, 422, BStBl II 2009, 55; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 6a Rn. 389). Die Voraussetzung, dass der Erwerb der Erwerbsbesteuerung „unterliegt“, ist insbesondere auch dann erfüllt, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb im anderen Mitgliedstaat steuerfrei ist oder dem sog. Nullsatz unterliegt (vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 18 Satz 4 des Umsatzsteueranwendungserlasses - UStAE -; Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 6a Rn. 393). Danach haben auch die streitgegenständlichen Einfuhren der Erwerbsbesteuerung unterlegen.
58 
Nach Art. 30 Abs. 2 VATA i.V.m. Schedule 8 Group 5 (Construction of Buildings etc.) werden Bauleistungen, die – wie hier – an neu errichteten, renovierten oder umgewidmeten Wohnimmobilien erbracht werden, in Großbritannien umsatzsteuerlich privilegiert. Dies wird in der Weise bewirkt, dass die entsprechenden Lieferungen oder Leistungen entweder mit einem ermäßigten oder mit dem Steuersatz 0% („zero-rated“) besteuert werden. Grundsätzlich bleiben die Lieferungen und Leistungen aber steuerbar (vgl. Art. 30 Abs. 1 Buchst. b VATA: „it shall in all other respects be treated as a taxable supply“), sodass die streitgegenständlichen Lieferungen der Klägerin im Sinne des § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG im anderen Mitgliedstaat Großbritannien der Erwerbsbesteuerung unterlagen. Dies gilt erst recht, wenn – wie vom HZA geltend gemacht – die Lieferungen der Klägerin nicht ausschließlich den der Wohnnutzung dienenden Teilen der Immobilie X-Market zuzuordnen sein sollten.
59 
Nach alledem ist von der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR ein Betrag von 227.899,98 EUR nach Art. 236 Abs. 1 UAbs. 2 ZK zu erlassen, da die Klägerin insoweit nachgewiesen hat, dass sie die eingeführten Gegenstände im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen verwendet hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Insoweit war der Klage daher stattzugeben.
60 
Die Klägerin hat am 15. November 2017 einen Schriftsatz mit rechtlichen Erwägungen eingereicht, die das Gericht unberücksichtigt lassen musste, nachdem es die mündliche Verhandlung bereits geschlossen hatte.
61 
___________      ___________      ___________
62 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
63 
Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter – wie hier – teils obsiegt, teils unterliegt. Das Maß des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens i.S.d. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO ergibt sich in einem Prozessrechtsverhältnis aus der Differenz zwischen dem maßgeblichen Sachantrag und dem endgültig Erreichten (Ratschow in Gräber, FGO, § 136 Rn. 1 m.w.N.). Das Gericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es das HZA abgelehnt hat, 227.899,98 EUR der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 18. Januar 2012 insgesamt festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 649.167,64 EUR zu erlassen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin in etwa zu 35% obsiegt hat
227.899,98 EUR
649.167,64 EUR.
64 
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151, 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
65 
3. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen. Der Rechtsstreit bietet dem BFH Gelegenheit, zu der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage Stellung zu nehmen, ob und ggf. in welchen Fällen – unter Berücksichtigung der neueren EuGH-Rechtsprechung in den verbundenen Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig – die zollrechtliche Vorschrift des Art. 236 ZK über § 21 Abs. 2 UStG auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden ist. Außerdem kann in diesem Zusammenhang geklärt werden, ob der Begriff der „Einfuhr im Inland“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) voraussetzt, dass der Gegenstand in den inländischen Wirtschaftskreislauf eingegangen ist.

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