Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 13 K 1723/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Vornahme der Absetzungen für Abnutzung (AfA) bei einem Gebäude anstelle der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer eine kürzere Nutzungsdauer von 30 Jahren zugrunde gelegt werden kann.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mit der X. GmbH (GmbH) im Oktober 2008 einen Mietvertrag über einen neuen, erweiterten Einzelhandelsmarkt geschlossen hat. Die GbR errichtete in der Folge in massiver und hochwertiger Bauweise einen eingeschossigen Anbau an ein mehrstöckiges Gebäude, in dessen Erdgeschoss sich schon bisher ein Lebensmittelmarkt befunden hatte. Der erweiterte Einzelhandelsmarkt wurde 2011 fertiggestellt; die Herstellungskosten betrugen einschließlich nachträglicher Herstellungskosten in 2012 rd. 1,5 Mio. EUR. Der Einzelhandelsmarkt hat nach der Erweiterung eine Gebäudenutzfläche von 1.680 m² (s. Präambel des Mietvertrages zwischen der Klägerin und GmbH, FG-Akten Bl. 64).
Die Klägerin begehrte mit den Feststellungserklärungen für die Streitjahre 2011 und 2012 vom 25. März 2013 und vom 18. September 2013 eine AfA von 2,5 % (s. Feststellungs-Akten -Feststellungs-A.- Bl. 39, 62).
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) stellte die Besteuerungsgrundlagen für die Klägerin mit Bescheiden vom 15. April 2013 für 2011 und vom 28. Januar 2014 für 2012 einheitlich und gesondert fest. Das FA legte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bei der Vornahme der AfA die gesetzlich typisierte Nutzungsdauer von 50 Jahren und einen AfA-Satz von 2 % zugrunde (s. Rechtsbehelfsakten -RbA- Bl. 37 f und Feststellungs-A. Bl. 39 und 62). Die Bescheide wurden gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen.
Die Klägerin beanstandete (im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bei der Firmengruppe der Gesellschafter der Klägerin) die vom FA zugrunde gelegte Nutzungsdauer von 50 Jahren und beantragte mit Schreiben vom 30. April 2014 die Änderung der Feststellungsbescheide für 2011 und 2012. Die Klägerin trug vor, nach den Wertermittlungs-Richtlinien des Bundes und dem Runderlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 1.12.2001 "Normalherstellungskosten 2000 -NHK 2000-“  betrage die Gesamtnutzungsdauer bei Einkaufsmärkten 30 bis 50 Jahre; die Klägerin habe (in ihren Feststellungserklärungen) mit 40 Jahren den mittleren Wert angenommen. Nach den aktuellen Erfahrungen (an anderen Standorten) könnten (derartige) Märkte nach nicht einmal 20 Jahren nicht mehr als solche genutzt werden. Es sei im vorliegenden Fall fraglich, ob nach Ablauf des Mietvertrages und der Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Y eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 oder 40 Jahren erreicht werden könne. Der Standort Y habe im Gegensatz zu umliegenden Gemeinden an Kaufkraft und Wirtschaftsattraktivität verloren. Die vom FA hervorgehobene Bauwerksqualität alleine könne (daher) kein Argument für eine verlängerte Abschreibungsdauer sein, entscheidend sei die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer.
Das FA lehnte den Antrag auf Änderung der Feststellungsbescheide für die Streitjahre mit Bescheid vom 26. Juni 2014 ab. Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2016 wird Bezug genommen (s. RbA Bl. 42). Das FA führte aus, die Klägerin habe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass dem Gebäude eine von der gesetzlichen Typisierung in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG abweichende kürzere Nutzungsdauer zukommt. Der bloße Hinweis auf die Sachwertrichtlinie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung gebe keinerlei Auskunft darüber, dass das Gebäude wirtschaftlich verbraucht ist. Die Klägerin habe keinerlei konkrete Gründe zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer dargetan. Das FA wies weiter darauf hin, dass selbst ein Wirtschaftsgut, dessen Nutzbarkeit in Bezug zu seinem früheren Einsatzzweck entfallen ist, jedoch für Dritte weiterhin nutzbar bleibt, nach der Rechtsprechung wirtschaftlich noch nicht verbraucht sei.
Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin, der Berechnung der AfA für das Gebäude („Objekt X.“) eine tatsächliche Nutzungsdauer von 30 Jahren zugrunde zu legen. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG könnten anstelle der AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer sei der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden könne (§ 11c Abs. 1 EStDV). Die zu schätzende Nutzungsdauer werde bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Die Klägerin ist der Auffassung, die in der Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG niedergelegte Einschätzung der gewöhnlichen Nutzungsdauer könne für die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG grundsätzlich übernommen werden. Wenn der Gesetzgeber in der Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG bei Verbrauchermärkten von einer wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer von 30 Jahren ausgehe, sei auch im Bereich des Einkommensteuerrechts anzunehmen, dass ein solches Gebäude nach Ablauf dieser Zeit wirtschaftlich verbraucht ist. Das FA habe keine Besonderheiten des Einzelfalls vorgebracht, die zur Annahme einer längeren Nutzungsdauer führen könnten. Das FA verkenne, dass die Beantwortung der Frage, wann ein Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, von der Rechtsprechung gerade anhand der amtlichen AfA-Tabellen vorgenommen wird. Die gesetzliche Typisierung in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG entspreche aber den amtlichen AfA-Tabellen, insbesondere normiere die Anlage die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer. Die Klägerin trage nach dem BFH-Urteil in BStBl. II 1972, 176 auch nicht die Feststellungslast für eine kürzere Nutzungsdauer. Aus diesem Urteil ergebe sich vielmehr, dass eine Schätzung vorzunehmen ist, an die keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfe. Die Vorlage eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich. Die Schätzung der Klägerin beruhe auf den Erkenntnissen der sachkundig erarbeiteten Sachwertrichtlinie und deren Übernahme durch den Gesetzgeber. Ein vorsichtig überlegender und vernünftig wirtschaftender Steuerpflichtiger orientiere sich an gesetzlichen Vorgaben und an von Vertretern des Staates erarbeiteten Richtlinien. Bessere Erkenntnisgrundlagen seien nicht ersichtlich.  Die Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG sei als antizipiertes Sachverständigengutachten zu behandeln, auch wenn keine Bindung an die dort genannten üblichen Nutzungsdauern eines Verbrauchermarktes angenommen werde. Die Klägerin sei insoweit jedenfalls ihrer Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Ablehnung der Änderung der Feststellungsbescheide für  Bescheide für 2011 und 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Feststellungsbescheide dahin zu ändern, dass die AfA für das errichtete Gebäude entsprechend einer tatsächlichen Nutzungsdauer von 30 Jahren berechnet wird, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Das FA trägt vor, die von der Klägerin angesprochene Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG sei nur für die Ermittlung von Verkehrswerten anzuwenden und nicht für die Ableitung von Abschreibungsdauern im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Soweit die Klägerin der Auffassung sei, sie trage nicht die Feststellungslast für eine kürzere Nutzungsdauer, sei dem entgegenzutreten. Da weitere Umstände zur Glaubhaftmachung einer mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit bestehenden kürzeren Nutzungsdauer nicht vorgetragen worden sind, könne die Klage keinen Erfolg haben.
11 
Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 5. Juli 2017 damit einverstanden erklärt, dass der Rechtsstreit vom Berichterstatter anstelle des Senats entschieden wird.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die Klage ist unbegründet.
14 
Die Ablehnung des Antrags auf Änderung der Bescheide für 2011 und 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften ist rechtmäßig. Das FA hat die AfA zu Recht gemäß  § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mit einem AfA-Satz von 2 % vorgenommen.
15 
1. a) Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertig gestellt worden sind und -wie im Streitfall- nicht zu den sog. Wirtschaftsgebäuden nach Nr. 1 der Regelung gehören- als AfA jährlich 2 % abzuziehen (sog. gesetzliche Typisierung der AfA; s. BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BStBl II 1972, 176). Davon abweichend können nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden.
16 
Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können (s. im Einzelnen BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 16/08, BFH/NV 2009, 899, m.w.N.).
17 
b) Bei der Schätzung der Nutzungsdauer ist auszugehen von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, indem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer ist als die technische Nutzungsdauer, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann den AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls (s. BFH in BFH/NV 2009, 899).
18 
§ 7 Abs. 4 EStG stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Im Rahmen von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Zeitraum zu schätzen, in dem das Gebäude erfahrungsgemäß vom jeweiligen Eigentümer verwendet werden kann. Maßgebend ist die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung, der es im Einzelfall unterliegt. Als Hilfsmittel für die Schätzung der Nutzungsdauer hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) unter Beteiligung der Fachverbände der Wirtschaft AfA-Tabellen herausgegeben. Sie berücksichtigen sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts und haben zunächst die Vermutung der Richtigkeit für sich, ohne dass sie jedoch für die Gerichte bindend wären.
19 
2. Nach diesen Maßstäben hat das FA bei der Vornahme der AfA zu Recht die gesetzlich typisierte Nutzungsdauer von 50 Jahren zugrunde gelegt. Es gibt im Streitfall keine greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die gesetzliche Nutzungsdauer unterschreitet.
20 
a) Eine Verkürzung der gesetzlichen Nutzungsdauer aus technischen Gründen kommt im Streitfall nicht in Betracht. Das Gebäude ist in Massivbauweise errichtet und von gehobener Qualität. Es sind -auch nach der Erörterung der baulichen Gegebenheiten in der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage der vom FA am 10. Januar 2018 nachgereichten Unterlagen sowie der Erklärung des Prozessbevollmächtigten- keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer wegen technischem Verschleiß begründen könnten.
21 
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bei der Vornahme der AfA auch nicht eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass das streitbefangene Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist.
22 
aa) Der Ansatz einer von der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer abweichenden, kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Verkürzung als für ihn günstige Tatsache konkret darlegt und greifbare Anhaltspunkte benennt, die im Einzelfall für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer sprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 2013 IX B 181/12, BFH/NV 2013, 1267, m.w.N.; s. ferner z.B. Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 2017, § 7 EStG Rn. 89). Daran fehlt es im Streitfall. Der Vortrag der Klägerin, derartige Märkte könnten nach ihren Erfahrungen bereits nach weniger als 20 Jahren nicht mehr als solche genutzt werden und es sei fraglich, ob nach Ablauf des Mietvertrages und der Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Y überhaupt eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 oder 40 Jahren erreicht werden könne, ist nicht hinreichend substantiiert und im Grunde spekulativ. Eine gegenüber der gesetzlichen Typisierung kürzere Nutzungsdauer wird dadurch nicht konkret dargetan. Außerdem hätte der Umstand, dass ein Einzelhandelsmarkt in den vermieteten Räumlichkeiten nach dem Auslaufen des Mietvertrages möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, nicht notwendig zur Folge, dass das Wirtschaftsgut objektiv wirtschaftlich verbraucht ist und eine wirtschaftlich sinnvolle anderweitige Nutzung oder Verwertung entfallen ist. Das FA hat zu Recht darauf hingewiesen, dass (selbst) nach der wirtschaftlichen Abnutzung ein technischer Verschleiß in der Regel noch nicht vorliegt und eine anderweitige Nutzung, ggf. auch eine Verwertung durch Verkauf, in Betracht kommt.
23 
bb) Durch den Hinweis auf Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG und die dort aufgeführte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bei Verbrauchermärkten von 30 Jahren hat die Klägerin ebenfalls keine  greifbaren Anhaltspunkte dafür dargetan, dass den streitbefangenen  AfA im konkreten Einzelfall eine gegenüber der gesetzlichen Typisierung kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen ist.
24 
Die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG aufgeführten typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern sind auf die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht anwendbar. Die Regelung steht im Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG und betrifft die Bewertung von Grundbesitz für erbschaftsteuerliche Zwecke. Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2008 wurde die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer nach dem Beschluss des BVerfG vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (BStBl II 2007, 195) in enger Anlehnung an die Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des BauGB reformiert. Das Sachwertverfahren nach §§ 190 ff BewG wurde an die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 5. September 2012 angepasst (s. BT-Drucksache 121/15, S. 63, Zu Nummer 3 §190). Der Gesetzgeber wollte mit der Anpassung der verfassungsrechtlichen Maßgabe der Bewertung mit dem gemeinen Wert Rechnung tragen. Die Festlegung typisierter wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauern durch Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG gilt damit für die Grundbesitzbewertung im Rahmen der Erbschaftsteuer und nicht für die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.
25 
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch eine entsprechende Anwendung der in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG aufgeführten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht in Betracht. Die Regelungen stehen in einem unterschiedlichen Regelungs- und Sachzusammenhang mit der Folge, dass  die „wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer“ in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG nicht als „tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes“ in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG angesetzt werden kann.  § 7 EStG hat den Zweck, den Wertverzehr eines Wirtschaftsguts durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (s. Brandis in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 7 EStG Rz. 32, m. zahlr. Nachw.; s. ferner Urteil des FG Köln vom 30. Juni 2016 11 K 3657/14, juris). Als Folge der Typisierung ist dabei hinzunehmen, dass der einem Wirtschaftsgut zum jeweiligen Stichtag infolge der AfA beizumessende Wert nicht mit dem wirklichen Wert (Teilwert/gemeiner Wert) übereinstimmt (s. Brandis in Blümich, a.a.O. Rz. 33). Demgegenüber sind die Regelungen zum Ertragswert- und Sachwertverfahren ausdrücklich dazu bestimmt, den gemeinen Wert zu ermitteln (s. §§ 177, 198 i.V.m. § 9 BewG). Der Sach- und Regelungsbereich der Normen ist damit nicht vergleichbar und steht einem Ansatz der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer bzw. der Restnutzungsdauer (s. § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG) als tatsächliche Nutzungsdauer in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegen.
26 
Die fehlende Vergleichbarkeit der „wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer“ bzw. der als Differenz zu errechnenden „Restnutzungsdauer“ mit der tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG wird deutlich am Beispiel eines Altbaus, der im Laufe der Jahrzehnte mehrfach veräußert wurde. Die für die Gebäude-AfA maßgebliche Nutzungsdauer beginnt nach jedem Eigentumswechsel (wieder) neu mit der Folge, dass eine gesamte Nutzungsdauer von deutlich mehr als 100 Jahren erreicht werden kann und die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG festgeschriebene „wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer“ damit erheblich übertroffen werden kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BStBl II 1972, 176, wonach es im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht auf die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes, sondern auf die Nutzungsdauer „ in der Hand des jeweiligen Steuerpflichtigen“ ankommt).
27 
c) Im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärung war es nicht geboten, ein Sachverständigengutachten zu erheben. Die Notwendigkeit einer (weiteren) Beweiserhebung hat sich für das Gericht nicht aufgedrängt. Ein Abweichen von der gesetzlichen Typisierung des § 7 Abs.4 Satz 1 EStG ist nur gerechtfertigt, wenn im konkreten Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer festgestellt werden können. Die Klägerin hat indes keine konkreten Anhaltspunkte für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes dargetan. Der Hinweis auf Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG genügt insoweit nicht, da diese Regelung auf die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist (s. oben unter 2. b bb). Die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG bzw. in Anlage 3 zur SW-RL aufgeführten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern enthalten im Übrigen grob typisierte Werte („Orientierungswerte“) und können für sich genommen eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in einem konkreten Einzelfall ohnehin nicht begründen. Deshalb kommt es auch nicht in Betracht, Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG im Streitfall als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten zu werten (zur Funktion und Bedeutung sog. antizipierter Sachverständigengutachten vgl. Rittstieg, NJW 1983, 1098, m.w.N.)
28 
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
29 
4. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung steht in Einklang mit den Maßstäben der Rechtsprechung des BFH und -soweit ersichtlich- mit der einschlägigen Rechtsprechung der Finanzgerichte (s. Urteil des FG Köln vom 30. Juni 2016 11 K 3657/14, juris, betr. Beurteilung der Bedeutung der für Bewertungszwecke geregelten Restnutzungsdauer im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).
30 
5. Die Entscheidung wurde durch den Einzelrichter getroffen, nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß § 79 a Abs. 3 und Abs. 4 FGO einverstanden erklärt haben.

Gründe

 
13 
Die Klage ist unbegründet.
14 
Die Ablehnung des Antrags auf Änderung der Bescheide für 2011 und 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften ist rechtmäßig. Das FA hat die AfA zu Recht gemäß  § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mit einem AfA-Satz von 2 % vorgenommen.
15 
1. a) Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1924 fertig gestellt worden sind und -wie im Streitfall- nicht zu den sog. Wirtschaftsgebäuden nach Nr. 1 der Regelung gehören- als AfA jährlich 2 % abzuziehen (sog. gesetzliche Typisierung der AfA; s. BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BStBl II 1972, 176). Davon abweichend können nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden.
16 
Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können (s. im Einzelnen BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 16/08, BFH/NV 2009, 899, m.w.N.).
17 
b) Bei der Schätzung der Nutzungsdauer ist auszugehen von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, indem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer ist als die technische Nutzungsdauer, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann den AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls (s. BFH in BFH/NV 2009, 899).
18 
§ 7 Abs. 4 EStG stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Im Rahmen von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Zeitraum zu schätzen, in dem das Gebäude erfahrungsgemäß vom jeweiligen Eigentümer verwendet werden kann. Maßgebend ist die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung, der es im Einzelfall unterliegt. Als Hilfsmittel für die Schätzung der Nutzungsdauer hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) unter Beteiligung der Fachverbände der Wirtschaft AfA-Tabellen herausgegeben. Sie berücksichtigen sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts und haben zunächst die Vermutung der Richtigkeit für sich, ohne dass sie jedoch für die Gerichte bindend wären.
19 
2. Nach diesen Maßstäben hat das FA bei der Vornahme der AfA zu Recht die gesetzlich typisierte Nutzungsdauer von 50 Jahren zugrunde gelegt. Es gibt im Streitfall keine greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die gesetzliche Nutzungsdauer unterschreitet.
20 
a) Eine Verkürzung der gesetzlichen Nutzungsdauer aus technischen Gründen kommt im Streitfall nicht in Betracht. Das Gebäude ist in Massivbauweise errichtet und von gehobener Qualität. Es sind -auch nach der Erörterung der baulichen Gegebenheiten in der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage der vom FA am 10. Januar 2018 nachgereichten Unterlagen sowie der Erklärung des Prozessbevollmächtigten- keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer wegen technischem Verschleiß begründen könnten.
21 
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bei der Vornahme der AfA auch nicht eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden. Es kann nicht festgestellt werden, dass das streitbefangene Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist.
22 
aa) Der Ansatz einer von der gesetzlich typisierten Nutzungsdauer abweichenden, kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Verkürzung als für ihn günstige Tatsache konkret darlegt und greifbare Anhaltspunkte benennt, die im Einzelfall für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer sprechen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 2013 IX B 181/12, BFH/NV 2013, 1267, m.w.N.; s. ferner z.B. Pfirrmann in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 2017, § 7 EStG Rn. 89). Daran fehlt es im Streitfall. Der Vortrag der Klägerin, derartige Märkte könnten nach ihren Erfahrungen bereits nach weniger als 20 Jahren nicht mehr als solche genutzt werden und es sei fraglich, ob nach Ablauf des Mietvertrages und der Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter angesichts der Entwicklung der wirtschaftlichen Situation in Y überhaupt eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 30 oder 40 Jahren erreicht werden könne, ist nicht hinreichend substantiiert und im Grunde spekulativ. Eine gegenüber der gesetzlichen Typisierung kürzere Nutzungsdauer wird dadurch nicht konkret dargetan. Außerdem hätte der Umstand, dass ein Einzelhandelsmarkt in den vermieteten Räumlichkeiten nach dem Auslaufen des Mietvertrages möglicherweise nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, nicht notwendig zur Folge, dass das Wirtschaftsgut objektiv wirtschaftlich verbraucht ist und eine wirtschaftlich sinnvolle anderweitige Nutzung oder Verwertung entfallen ist. Das FA hat zu Recht darauf hingewiesen, dass (selbst) nach der wirtschaftlichen Abnutzung ein technischer Verschleiß in der Regel noch nicht vorliegt und eine anderweitige Nutzung, ggf. auch eine Verwertung durch Verkauf, in Betracht kommt.
23 
bb) Durch den Hinweis auf Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG und die dort aufgeführte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer bei Verbrauchermärkten von 30 Jahren hat die Klägerin ebenfalls keine  greifbaren Anhaltspunkte dafür dargetan, dass den streitbefangenen  AfA im konkreten Einzelfall eine gegenüber der gesetzlichen Typisierung kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen ist.
24 
Die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG aufgeführten typisierten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern sind auf die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht anwendbar. Die Regelung steht im Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG und betrifft die Bewertung von Grundbesitz für erbschaftsteuerliche Zwecke. Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2008 wurde die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer nach dem Beschluss des BVerfG vom 7. November 2006 1 BvL 10/02 (BStBl II 2007, 195) in enger Anlehnung an die Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des BauGB reformiert. Das Sachwertverfahren nach §§ 190 ff BewG wurde an die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 5. September 2012 angepasst (s. BT-Drucksache 121/15, S. 63, Zu Nummer 3 §190). Der Gesetzgeber wollte mit der Anpassung der verfassungsrechtlichen Maßgabe der Bewertung mit dem gemeinen Wert Rechnung tragen. Die Festlegung typisierter wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauern durch Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG gilt damit für die Grundbesitzbewertung im Rahmen der Erbschaftsteuer und nicht für die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch eine entsprechende Anwendung der in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG aufgeführten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht in Betracht. Die Regelungen stehen in einem unterschiedlichen Regelungs- und Sachzusammenhang mit der Folge, dass  die „wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer“ in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG nicht als „tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes“ in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG angesetzt werden kann.  § 7 EStG hat den Zweck, den Wertverzehr eines Wirtschaftsguts durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (s. Brandis in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 7 EStG Rz. 32, m. zahlr. Nachw.; s. ferner Urteil des FG Köln vom 30. Juni 2016 11 K 3657/14, juris). Als Folge der Typisierung ist dabei hinzunehmen, dass der einem Wirtschaftsgut zum jeweiligen Stichtag infolge der AfA beizumessende Wert nicht mit dem wirklichen Wert (Teilwert/gemeiner Wert) übereinstimmt (s. Brandis in Blümich, a.a.O. Rz. 33). Demgegenüber sind die Regelungen zum Ertragswert- und Sachwertverfahren ausdrücklich dazu bestimmt, den gemeinen Wert zu ermitteln (s. §§ 177, 198 i.V.m. § 9 BewG). Der Sach- und Regelungsbereich der Normen ist damit nicht vergleichbar und steht einem Ansatz der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer bzw. der Restnutzungsdauer (s. § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG) als tatsächliche Nutzungsdauer in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG entgegen.
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Die fehlende Vergleichbarkeit der „wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer“ bzw. der als Differenz zu errechnenden „Restnutzungsdauer“ mit der tatsächliche Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG wird deutlich am Beispiel eines Altbaus, der im Laufe der Jahrzehnte mehrfach veräußert wurde. Die für die Gebäude-AfA maßgebliche Nutzungsdauer beginnt nach jedem Eigentumswechsel (wieder) neu mit der Folge, dass eine gesamte Nutzungsdauer von deutlich mehr als 100 Jahren erreicht werden kann und die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG festgeschriebene „wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer“ damit erheblich übertroffen werden kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BStBl II 1972, 176, wonach es im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht auf die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes, sondern auf die Nutzungsdauer „ in der Hand des jeweiligen Steuerpflichtigen“ ankommt).
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c) Im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärung war es nicht geboten, ein Sachverständigengutachten zu erheben. Die Notwendigkeit einer (weiteren) Beweiserhebung hat sich für das Gericht nicht aufgedrängt. Ein Abweichen von der gesetzlichen Typisierung des § 7 Abs.4 Satz 1 EStG ist nur gerechtfertigt, wenn im konkreten Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer festgestellt werden können. Die Klägerin hat indes keine konkreten Anhaltspunkte für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes dargetan. Der Hinweis auf Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG genügt insoweit nicht, da diese Regelung auf die Schätzung der tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist (s. oben unter 2. b bb). Die in Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG bzw. in Anlage 3 zur SW-RL aufgeführten wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauern enthalten im Übrigen grob typisierte Werte („Orientierungswerte“) und können für sich genommen eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in einem konkreten Einzelfall ohnehin nicht begründen. Deshalb kommt es auch nicht in Betracht, Anlage 22 zu §§ 185 Abs. 3 Satz 3, 190 Abs. 4 Satz 2 BewG im Streitfall als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten zu werten (zur Funktion und Bedeutung sog. antizipierter Sachverständigengutachten vgl. Rittstieg, NJW 1983, 1098, m.w.N.)
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung steht in Einklang mit den Maßstäben der Rechtsprechung des BFH und -soweit ersichtlich- mit der einschlägigen Rechtsprechung der Finanzgerichte (s. Urteil des FG Köln vom 30. Juni 2016 11 K 3657/14, juris, betr. Beurteilung der Bedeutung der für Bewertungszwecke geregelten Restnutzungsdauer im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).
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5. Die Entscheidung wurde durch den Einzelrichter getroffen, nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gemäß § 79 a Abs. 3 und Abs. 4 FGO einverstanden erklärt haben.

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