Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 12 K 2323/17

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2010, zuletzt geändert am 11. Dezember 2017, wird geändert. Die Umsatzsteuer wird um... EUR ermäßigt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist Alleingesellschafterin und Organträger der X… GmbH -X-GmbH-. Ihre Alleingesellschafterin ist X. Die X-GmbH ist überwiegend als Bauträgerin tätig. Sie errichtet Wohn- und Geschäftshäuser auf eigenem Boden zum Zwecke der Veräußerung von Wohn-und Teileigentum. Hierzu nimmt sie Leistungen diverser Bauhandwerker in Anspruch.
Die Klägerin als Organträgerin der X-GmbH behielt im Streitjahr 2010 unter Berücksichtigung der BMF-Schreiben vom 16. Oktober 2009, 11. März 2010 und 17. November 2011 als vermeintliche Steuerschuldnerin im Sinne des § 13b Umsatzsteuergesetz -UStG- jeweils die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Bauleistungen ein und führte diese an das Finanzamt, den Beklagten, ab. Sie erklärte in ihrer am 9. November 2011 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für 2010 in der Anlage UR Leistungen nach § 13b UStG in Höhe von insgesamt... EUR. Sie führte hieraus Umsatzsteuer i.H.v. ... EUR an den Beklagten ab. Vorsteuerbeträge aus Leistungen im Sinne des § 13b UStG nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG erklärte sie in Höhe von... EUR. Die Steuererklärung galt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 1. Juli 2013 reichte die Klägerin beim Beklagten eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2010 mit höheren Vorsteuerbeträgen ein. Erst 2010 abziehbare Vorsteuern seien schon 2009 geltend gemacht und nach einer Betriebsprüfung die Steuerfestsetzung 2009 entsprechend geändert worden. Änderungen mit Bezug zu 13b UStG ergaben sich hieraus nicht.
Mit Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 29. Oktober 2013 legte der Beklagte der Besteuerung u.a. die von der Klägerin erklärten § 13b UStG-Beträge zugrunde. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Die Klägerin beantragte am 8. Dezember 2015 beim Beklagten die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2010, da der Bundesfinanzhof -BFH- mit Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10 (Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2014, 128) klargestellt habe, dass ein Bauträger keine Bauleistungen erbringe und damit kein Steuerschuldner als Leistungsempfänger von Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG sei. Sie beantragte die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer nach § 13b UStG um... EUR auf... EUR herabzusetzen und damit die Ermäßigung der Umsatzsteuer um... EUR auf... EUR. Eine Korrektur der Vorsteuer ergab sich dadurch nicht. Die Klägerin errechnete folglich eine Erstattung in Höhe von... EUR. Die Klägerin machte in einer Tabelle (vom 23. Dezember 2016) in elektronischer Form Angaben zu den leistenden Bauhandwerkern, zum Rechnungsdatum, zum Bauvorhaben, zur Rechnungsnummer und zum Entgelt. Sie machte Angaben zu 202 verschiedenen Bauhandwerkern.
Einige Bauhandwerker berichtigten ihre Rechnungen. In den berichtigten Rechnungen wiesen sie aufgrund des oben genannten BFH-Urteils die nunmehr vom Bauhandwerker geschuldete Umsatzsteuer offen aus und stellten sie der X-GmbH in Rechnung.
Die Umsatzsteuerforderungen der Bauhandwerker gegen die X-GmbH wurden an den Beklagten nach § 27 Abs. 19 UStG abgetreten. Bis zum 12. Mai 2017 hatten 19 Bauhandwerker ihre Rechnungen berichtigt und die Forderungen an den Beklagten abgetreten. Die Summe der Entgelte dieser berichtigten Rechnungen betrug... EUR und die Höhe der abgetretenen Forderungen insgesamt... EUR. Im Verrechnungsvertrag vom 12./29. Mai 2017 (Umsatzsteuerakten 2010, S. 41 ff.) stimmte die Klägerin der Verrechnung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs mit diesen an das Finanzamt abgetretenen zivilrechtlichen Umsatzsteuerzahlungsansprüchen der Bauhandwerker gegenüber der X-GmbH zu.
Der Beklagte änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 mit Bescheid vom 5. Juli 2017. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Dessen Änderung führte zu einer Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe von... EUR. Auf dieses Restguthaben wurden die Regelungen des Verrechnungsvertrages angewandt. Der Beklagte entsprach dem Antrag der Klägerin nicht vollumfänglich, sondern nur in der Höhe, wie die Umsatzsteuerfestsetzungen der leistenden Bauunternehmer für 2010 noch änderbar seien bzw. ein zivilrechtliche Anspruch der Bauhandwerker gegen die X-GmbH auf Zahlung der Umsatzsteuer bestehe. Die Umsatzsteuer sei zwar auch in Höhe von... EUR ohne Rechtsgrundlage entrichtet worden. Eine Erstattung könne aber nur erfolgen, wenn die X-GmbH als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer bezahle oder wenn der zivilrechtliche Anspruch des Bauhandwerkers gegen die X-GmbH auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abgetreten und die Klägerin der Verrechnung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs mit den abgetretenen Ansprüchen zustimme. Er, der Beklagte, sei der Auffassung, bei der Rückforderung der zu Unrecht an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer sei der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.
10 
Die Klägerin macht mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage im Wesentlichen geltend, der Grundsatz von Treu und Glauben stehe einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nicht entgegen. Dieser wirke im Steuerrecht nicht rechtsbegründend, sondern allenfalls rechtsbegrenzend. Eine Steuerschuldnerschaft könne nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben begründet werden. Im Übrigen erkenne sie kein treuwidriges Verhalten ihrerseits. Sie habe entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung der Finanzverwaltung gehandelt. Verlange sie nun aufgrund der Rechtsprechung des BFH die Änderung ihrer Umsatzsteuerfestsetzung sei dies nicht treuwidrig. Ihre Umsatzsteuerschuld entfalle unabhängig davon, ob sie als Bauträgerin als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer erstatte. Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie, die Bauträgerin, dem Bauhandwerker die Umsatzsteuer auf den ihm in Rechnung gestellten Nettobetrag bezahle oder dass das Finanzamt mit dem Anspruch des Bauhandwerkers gegen den Bauträger auf Zahlung der Umsatzsteuer aufrechnen könne. So habe das Finanzgericht -FG- Münster mit Urteil vom 31. Januar 2017 15 K 3998/15 (Entscheidungen der FG -EFG- 2017, 527) entschieden. Auch das FG München habe mit Urteil vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16 (EFG 2017, 1842) entschieden, dass ein Bauträger in den Jahren bis 2013 nicht die Umsatzsteuer für Bauleistungen schulde, die inländische Unternehmer (Bauhandwerker) an ihn erbracht haben. § 27 Abs. 19 UStG stehe einer Festsetzung zu ihren Gunsten mit Erstattung von Umsatzsteuer nicht entgegen. Diese Vorschrift befasse sich nicht mit dem Leistungsempfänger, dem Bauträger, sondern nur mit dem Leistenden, dem Bauhandwerker. Entgegen den Ausführungen des Beklagten äußere sich der BFH mit Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (BStBl. II 2017, 760) nicht zu den Auswirkungen auf den Bauträger. Vielmehr halte der BFH an seinem Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2016, 716) mit einer analogen Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht mehr fest.
11 
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2010, zuletzt vom 11. Dezember 2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um... EUR ermäßigt wird.
12 
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13 
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, nach BFH-Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (BFH/NV 2016, 716) sei bei der Rückforderung der zu Unrecht an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer durch die Klägerin der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen. Danach entstehe der Erstattungsanspruch der Klägerin, wenn der zivilrechtliche Anspruch, den der leistende Bauhandwerker gegen die X-GmbH habe, an das Finanzamt abgetreten werde und die Klägerin einer Verrechnung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs mit dem an den Beklagten abgetretenen zivilrechtlichen Umsatzsteuerzahlungsanspruch gegenüber der X-GmbH zustimme. Eine Erstattung der Umsatzsteuer an die Klägerin ohne das Vorliegen der genannten Voraussetzungen, würde bei der Klägerin als Organträgerin der X-GmbH zu einem umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Leistungsbezug führen. Dies sei nach der Rechtsprechung des BFH nicht möglich, so z.B. BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (BStBl. II 2017, 760). Die Abtretungen von insgesamt 19 Bauhandwerkern seien berücksichtigt worden. Bei insgesamt 116 Bauhandwerkern könnten wohl die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre, in denen die Leistung erbracht worden sei, nicht mehr geändert werden. Es werde geprüft, ob Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Bei diesen Bauhandwerkern komme es wohl nicht zu einer Rechnungsberichtigung und Abtretung der Umsatzsteuerzahlungen an ihn, den Beklagten. An diese 116 Bauhandwerker habe die X-GmbH ein Entgelt von insgesamt... EUR gezahlt. Die Klägerin habe dafür Umsatzsteuer nach § 13b UStG i.H.v. ... EUR entrichtet. Insoweit stehe fest, dass eine Herabsetzung der Leistungen eines im Inland ansässigen Unternehmers und eine Erstattung der Umsatzsteuer nicht möglich sei. Bei weiteren 5 Bauhandwerkern stehe aus anderen Gründen fest, dass es weder zu einer Rechnungsberichtigung noch zu einer Abtretung kommen werde. An diese 5 Bauhandwerker habe die X-GmbH ein Entgelt von insgesamt... EUR gezahlt. Die Klägerin habe dafür Umsatzsteuer nach § 13b UStG i.H.v. ... EUR entrichtet. Es stehe fest, dass eine Herabsetzung der Leistungen eines im Inland ansässigen Unternehmers und eine Erstattung der Umsatzsteuer auch insoweit nicht möglich sei. Wenn es bei den noch bleibenden 62 Bauhandwerkern zu einer Rechnungsberichtigung, zur Abtretung der Umsatzsteuer und zum Abschluss eines Verrechnungsvertrages komme, werde der Umsatzsteuerbescheid 2010 (erneut) entsprechend geändert.
14 
Der Beklagte änderte die Umsatzsteuerfestsetzung 2010 mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 nach Anhörung der Klägerin nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Der Beklagte setzte Umsatzsteuer in Höhe von... EUR fest. Dies führte zu einem Restguthaben i.H.v. ... EUR. Er erläuterte: „Über die Verrechnung des Guthabens wird folgendes mitgeteilt: Es wird auf den Verrechnungsvertrag vom 11. Oktober 2017 verwiesen. Dieser Bescheid wird nach § 68 FGO Gegenstand des beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az. 12 K 2323/17 geführten Klageverfahrens wegen Umsatzsteuer 2010.“ Die Änderung beruhte darauf, dass weitere 16 leistende Unternehmer die Rechnungen berichtigt und die Forderungen an das Finanzamt abgetreten hatten. Die Summe der Entgelte der berichtigten Rechnungen betrug... EUR, die Höhe der abgetretenen Umsatzsteuerforderung... EUR. Das Guthaben wurde nicht ausbezahlt. Der Erstattungsanspruch wurde mit den abgetretenen Ansprüchen verrechnet.
15 
Am 17. Januar 2018 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Beklagte erklärte, weitere berichtigte Rechnungen lägen vor. Insoweit könne grundsätzlich die Umsatzsteuer um 19 % aus Bauleistungen in Höhe von... EUR gemindert werden. Der Geschäftsführer der Klägerin stimmte insoweit einer Verrechnung des Erstattungsanspruchs zu. Er erklärte ferner, für die im Klageverfahren streitigen Bauleistungen sei kein Vorsteuerabzug geltend gemacht worden. Der Vertreter des Beklagten erklärte, dies sei sachlich zutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Klage ist begründet.
17 
Der Umsatzsteuerbescheid für 2010, zuletzt geändert am 11. Dezember 2017, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin ist als Leistungsempfängerin unter Beachtung des Urteils des BFH vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl. II 2014, 128) nicht Steuerschuldnerin nach § 13b UStG, da sie eigene Grundstücke bebaut bzw. bebauen lässt und sodann veräußert oder vermietet. Sie führt Leistungen als Bauträgerin aus und erbringt keine Bauleistungen. Sie führt bloße Grundstückslieferungen aus (Bunjes/Leonard, UStG, 16. Aufl. 2017, § 13b Rn. 59 f.). Folglich ist der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2010 nach § 164 Abs. 2 AO zugunsten der Klägerin zu ändern und zwar in beantragter Höhe. Die Umsatzsteuer 2010 vermindert sich dadurch um... EUR. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob in diesem Umfang berichtigte Rechnungen sowie Abtretungen von Ansprüchen vorliegen. Die von ihm genannten Voraussetzungen sieht das Gesetz nicht vor. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
18 
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist § 17 UStG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (so auch FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG  2017, 1842; FG Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217).
19 
§ 17 UStG kommt dem Wortlaut nach nicht zur Anwendung. Es wurde nicht das vereinbarte Entgelt nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG uneinbringlich. Ferner stehen einer Anwendung von § 17 UStG Sinn und Zweck der Norm entgegen. § 17 UStG begründet keine Steuerpflicht. Die Norm regelt zum einen die Voraussetzungen für eine Änderung der Bemessungsgrundlage beim leistenden Unternehmer. Eine zunächst entstandene Steuerschuld kann nach § 17 UStG aufgrund nachträglich eingetretener Umstände geändert werden. Im Streitfall ist die Klägerin nicht die leistende Unternehmerin. Außerdem begehrt die Klägerin eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung, da die Umsatzsteuer nach § 13b UStG von Anfang an vom Beklagten zu Unrecht festgesetzt worden ist. Die Umsatzsteuerfestsetzung beruht auf einer Auslegung des § 13b UStG durch die Verwaltung. Eine (spätere) Auslegung des § 13b UStG durch die Gerichte, die von der Auffassung der Verwaltung abweicht, stellt keinen nachträglich eingetretenen Umstand im Sinne des § 17 UStG dar. Zum anderen normiert § 17 UStG die Voraussetzungen für eine Berichtigung von Vorsteuern beim Leistungsempfänger. Im Streitfall geht es nicht um einen Vorsteuerabzug.
20 
Eine analoge Anwendung von § 17 UStG scheidet mangels planwidriger Lücke aus. Dem steht nicht entgegen, dass nach FG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2016 1 K 3504/15 (EFG 2016, 1826) die für eine entsprechende Anwendung der Norm erforderliche Regelungslücke darin liegen „mag“, dass mit § 27 Abs. 19 UStG eine verfahrensrechtliche Vorschrift geschaffen wurde, die nur im Rahmen einer Änderung des Steuerbescheids  -nicht aber auch bei erstmaligen Steuerfestsetzungen- anwendbar ist. § 17 UStG ist nach seinem Sinn und Zweck keine fehlerbeseitigende Änderungsnorm. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Andeutung des BFH mit Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (BFH/NV 2016, 716), dass es nicht „zu erheblichen Steuerausfällen“ käme, da der Rückforderung der zu Unrecht an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger eine entsprechend § 17 Abs. 1 S. 1 und S. 2 UStG „zeitgleich auch beim Leistungsempfänger“ vorzunehmende Berichtigung entgegenstehe. Der BFH gab lediglich „angesichts dieser ungeklärten Rechtslage“ der beantragten Aussetzung der Vollziehung statt. Er betonte, die „Entscheidung dieser schwierigen Rechtsfrage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.“ Mithin kann aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden, es komme auf die tatsächliche Zahlung der Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer an (a.A. Sterzinger, Aktuelle Bestandsaufnahme zur Rückabwicklung der Bauträgerfälle unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des V. Senates des BFH vom 23.2.2017, UR 2017, 325, 333 mit Verweis auf den BFH-Beschluss). Außerdem kommt es nach BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (UR 2017, 357) auf die mögliche Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beim leistenden Unternehmer nicht an. Hieraus schließt der Senat, dass die Norm auch keine Anwendung für den Leistungsempfänger findet.
21 
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagte geht zwar zu Recht davon aus, dass der Grundsatz von Treu und Glauben ein in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannter Grundsatz ist, der auch im Steuerrecht gilt und sich aus ihm auch eine Bindung des Steuerpflichtigen ergeben kann (Klein/Gersch, AO, 13. Aufl. 2016, § 4 Rn. 15). Der Grundsatz von Treu und Glauben kann jedoch infolge des in § 38 AO festgelegten Vorbehalts des Gesetzes keine Steueransprüche begründen oder erlöschen lassen. Aus dem in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- genannten Rechtsstaatsprinzip lässt sich die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ableiten. Die Steuerleistungspflicht hängt davon ab, dass beim Steuerpflichtigen ein Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (Klein/Gersch, AO, 13. Aufl. 2016, § 3 Rn. 11). Hieran fehlt es im Streitfall.
22 
Ferner fehlt es an einem treuwidrigen Verhalten der Klägerin. Sie hatte ihre Umsätze unter Berücksichtigung der damaligen Verwaltungsauffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2008 bzw. Abschnitt 13b.1 Abs. 11 UStAE 2010) erklärt. Eine Verwaltungsauffassung kann zwar unter Beachtung des Grundsatzes einer gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, aber nach Ansicht des Senats nicht verhindern, dass sich der Steuerpflichtige auf die Rechtsprechung beruft und Gerichte anruft, um das Handeln der Verwaltung (über-)prüfen zu lassen. Ansonsten könnte die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) ins Leere laufen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verlöre an Bedeutung.
23 
Die Klägerin hat auch die vom Beklagten geforderte Einzelaufstellung über die bezogenen Bauleistungen dem Beklagten zur Prüfung seiner Ansprüche gegen den leistenden Unternehmer vorgelegt (vgl. FG Düsseldorf vom 10. Juni 2016 1 K 467/15 AO, EFG 2016, 2032, das einen Antrag mangels Vorlage der Aufstellung abgelehnt und der BFH die Revision (Az. XI R 22/16) zugelassen hat). Die Klägerin ist grundsätzlich bereit, den (ggf.) zivilrechtlich geschuldeten Steuerbetrag an den Bauleistenden zu zahlen oder einem Verrechnungsvertrag zuzustimmen. Dies belegt ihr bisheriges Verhalten. Sie hat jedenfalls bislang Verrechnungsverträge unterzeichnet. Im Übrigen ist es nicht treuwidrig, dass die Klägerin keine weiteren Zahlungen (einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer) an ihre Vertragspartner, die leistenden Unternehmer, gezahlt hat. Bislang wurde sie von diesen nicht zur Zahlung aufgefordert. Treten diese ihre Ansprüche an den Beklagten ab, kann der Beklagte einen Anspruch gegen die Klägerin auf (Rück-) Zahlung der (erstatteten) Umsatzsteuer (zivilrechtlich) geltend machen. § 27 Abs. 19 UStG sieht jedenfalls die Möglichkeit vor, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt.
24 
§ 27 Abs. 19 UStG steht einer Änderung zugunsten der Klägerin nicht entgegen. Diese Norm gilt ihrem Wortlaut nach lediglich für den leistenden Unternehmer (so auch FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842). § 27 Abs. 19 UStG ist unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht analog anzuwenden.
25 
Aus den genannten Gründen sprechen Wortlaut und Systematik des UStG für eine vollumfängliche Änderung. Auch § 37 Abs. 2 AO spricht für eine vollumfängliche Auszahlung an die Klägerin (vgl. Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, § 27 Rn. 193). So stellt § 37 Abs. 2 AO nicht darauf ab, ob die Klägerin als Erstattungsberechtigte die Belastung selbst getragen hat (vgl. Klein/Ratschow, AO, 13. Aufl. 2016, § 37 Rn. 61). Hinzu kommt: Hat die Klägerin die Zahlung von Umsatzsteuer 2010 nach § 13b UStG an den Beklagten ohne rechtlichen Grund geleistet und fällt ihre Schuld weg, hat sie, die Klägerin, auf ihre vermeintliche Schuld bezahlt (vgl. Klein/Ratschow, AO, 13. Aufl. 2016, § 37 Rn. 61). Ihre Zahlung erfolgte aufgrund der Umsatzsteuerfestsetzung 2010 und ist nicht als Leistung auf eine fremde Schuld (vgl. § 48 Abs. 1 AO) anzusehen (so auch Gieseler/Dürr, Behandlung der Bauträgerfälle nach § 27 Abs. 19 UStG, BB 2017, 2075, 2079; a.A. Rau/Dürrwächter/Stadie, UStG, § 13b A 36, A 37).
26 
Es gibt keine Rechtsgrundlage, nach der es für eine Änderung der Steuerfestsetzung und/oder für die Erstattung der zu Unrecht festgesetzten Umsatzsteuer darauf ankommt, dass die Klägerin einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an ihren jeweiligen Vertragspartner gezahlt hat. Dies entspricht dem Grundsatz, die Finanzbehörden sollen das Innenverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Dritten nicht erforschen müssen (vgl. BFH vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BStBl. II 1990, 41). Der Beklagte hat grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der leistende Unternehmer einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- hat (vgl. Sterzinger, Aktuelle Bestandsaufnahme zur Rückabwicklung der Bauträgerfälle unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des V. Senates des BFH vom 23.2.2017, UR 2017, 325, 330).
27 
Eine andere Beurteilung ergibt sich ferner nicht aus Gemeinschaftsrecht. Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität führt nicht zu einer Belastung des Steuerpflichtigen (FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842).
28 
Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Durchführung einer Teilabhilfe bereit gewesen ist, da zwischenzeitlich berichtigte Rechnungen weiterer Bauhandwerker vorliegen.
29 
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
30 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Revisionsverfahren sind bereits anhängig (XI R 21/17, V R 49/17).
31 
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar nach §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.

Gründe

 
16 
Die Klage ist begründet.
17 
Der Umsatzsteuerbescheid für 2010, zuletzt geändert am 11. Dezember 2017, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin ist als Leistungsempfängerin unter Beachtung des Urteils des BFH vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl. II 2014, 128) nicht Steuerschuldnerin nach § 13b UStG, da sie eigene Grundstücke bebaut bzw. bebauen lässt und sodann veräußert oder vermietet. Sie führt Leistungen als Bauträgerin aus und erbringt keine Bauleistungen. Sie führt bloße Grundstückslieferungen aus (Bunjes/Leonard, UStG, 16. Aufl. 2017, § 13b Rn. 59 f.). Folglich ist der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2010 nach § 164 Abs. 2 AO zugunsten der Klägerin zu ändern und zwar in beantragter Höhe. Die Umsatzsteuer 2010 vermindert sich dadurch um... EUR. Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es nicht darauf an, ob in diesem Umfang berichtigte Rechnungen sowie Abtretungen von Ansprüchen vorliegen. Die von ihm genannten Voraussetzungen sieht das Gesetz nicht vor. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
18 
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist § 17 UStG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (so auch FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG  2017, 1842; FG Düsseldorf vom 28. April 2017 1 K 2634/15 U, EFG 2017, 1217).
19 
§ 17 UStG kommt dem Wortlaut nach nicht zur Anwendung. Es wurde nicht das vereinbarte Entgelt nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 UStG uneinbringlich. Ferner stehen einer Anwendung von § 17 UStG Sinn und Zweck der Norm entgegen. § 17 UStG begründet keine Steuerpflicht. Die Norm regelt zum einen die Voraussetzungen für eine Änderung der Bemessungsgrundlage beim leistenden Unternehmer. Eine zunächst entstandene Steuerschuld kann nach § 17 UStG aufgrund nachträglich eingetretener Umstände geändert werden. Im Streitfall ist die Klägerin nicht die leistende Unternehmerin. Außerdem begehrt die Klägerin eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung, da die Umsatzsteuer nach § 13b UStG von Anfang an vom Beklagten zu Unrecht festgesetzt worden ist. Die Umsatzsteuerfestsetzung beruht auf einer Auslegung des § 13b UStG durch die Verwaltung. Eine (spätere) Auslegung des § 13b UStG durch die Gerichte, die von der Auffassung der Verwaltung abweicht, stellt keinen nachträglich eingetretenen Umstand im Sinne des § 17 UStG dar. Zum anderen normiert § 17 UStG die Voraussetzungen für eine Berichtigung von Vorsteuern beim Leistungsempfänger. Im Streitfall geht es nicht um einen Vorsteuerabzug.
20 
Eine analoge Anwendung von § 17 UStG scheidet mangels planwidriger Lücke aus. Dem steht nicht entgegen, dass nach FG Baden-Württemberg vom 19. Mai 2016 1 K 3504/15 (EFG 2016, 1826) die für eine entsprechende Anwendung der Norm erforderliche Regelungslücke darin liegen „mag“, dass mit § 27 Abs. 19 UStG eine verfahrensrechtliche Vorschrift geschaffen wurde, die nur im Rahmen einer Änderung des Steuerbescheids  -nicht aber auch bei erstmaligen Steuerfestsetzungen- anwendbar ist. § 17 UStG ist nach seinem Sinn und Zweck keine fehlerbeseitigende Änderungsnorm. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Andeutung des BFH mit Beschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15 (BFH/NV 2016, 716), dass es nicht „zu erheblichen Steuerausfällen“ käme, da der Rückforderung der zu Unrecht an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger eine entsprechend § 17 Abs. 1 S. 1 und S. 2 UStG „zeitgleich auch beim Leistungsempfänger“ vorzunehmende Berichtigung entgegenstehe. Der BFH gab lediglich „angesichts dieser ungeklärten Rechtslage“ der beantragten Aussetzung der Vollziehung statt. Er betonte, die „Entscheidung dieser schwierigen Rechtsfrage muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.“ Mithin kann aus dieser Entscheidung nicht abgeleitet werden, es komme auf die tatsächliche Zahlung der Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer an (a.A. Sterzinger, Aktuelle Bestandsaufnahme zur Rückabwicklung der Bauträgerfälle unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des V. Senates des BFH vom 23.2.2017, UR 2017, 325, 333 mit Verweis auf den BFH-Beschluss). Außerdem kommt es nach BFH-Urteil vom 23. Februar 2017 V R 16, 24/16 (UR 2017, 357) auf die mögliche Anwendung von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beim leistenden Unternehmer nicht an. Hieraus schließt der Senat, dass die Norm auch keine Anwendung für den Leistungsempfänger findet.
21 
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagte geht zwar zu Recht davon aus, dass der Grundsatz von Treu und Glauben ein in allen Rechtsgebieten allgemein anerkannter Grundsatz ist, der auch im Steuerrecht gilt und sich aus ihm auch eine Bindung des Steuerpflichtigen ergeben kann (Klein/Gersch, AO, 13. Aufl. 2016, § 4 Rn. 15). Der Grundsatz von Treu und Glauben kann jedoch infolge des in § 38 AO festgelegten Vorbehalts des Gesetzes keine Steueransprüche begründen oder erlöschen lassen. Aus dem in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG- genannten Rechtsstaatsprinzip lässt sich die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ableiten. Die Steuerleistungspflicht hängt davon ab, dass beim Steuerpflichtigen ein Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (Klein/Gersch, AO, 13. Aufl. 2016, § 3 Rn. 11). Hieran fehlt es im Streitfall.
22 
Ferner fehlt es an einem treuwidrigen Verhalten der Klägerin. Sie hatte ihre Umsätze unter Berücksichtigung der damaligen Verwaltungsauffassung der Finanzverwaltung (Abschnitt 182a Abs. 11 UStR 2008 bzw. Abschnitt 13b.1 Abs. 11 UStAE 2010) erklärt. Eine Verwaltungsauffassung kann zwar unter Beachtung des Grundsatzes einer gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, aber nach Ansicht des Senats nicht verhindern, dass sich der Steuerpflichtige auf die Rechtsprechung beruft und Gerichte anruft, um das Handeln der Verwaltung (über-)prüfen zu lassen. Ansonsten könnte die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) ins Leere laufen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung verlöre an Bedeutung.
23 
Die Klägerin hat auch die vom Beklagten geforderte Einzelaufstellung über die bezogenen Bauleistungen dem Beklagten zur Prüfung seiner Ansprüche gegen den leistenden Unternehmer vorgelegt (vgl. FG Düsseldorf vom 10. Juni 2016 1 K 467/15 AO, EFG 2016, 2032, das einen Antrag mangels Vorlage der Aufstellung abgelehnt und der BFH die Revision (Az. XI R 22/16) zugelassen hat). Die Klägerin ist grundsätzlich bereit, den (ggf.) zivilrechtlich geschuldeten Steuerbetrag an den Bauleistenden zu zahlen oder einem Verrechnungsvertrag zuzustimmen. Dies belegt ihr bisheriges Verhalten. Sie hat jedenfalls bislang Verrechnungsverträge unterzeichnet. Im Übrigen ist es nicht treuwidrig, dass die Klägerin keine weiteren Zahlungen (einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer) an ihre Vertragspartner, die leistenden Unternehmer, gezahlt hat. Bislang wurde sie von diesen nicht zur Zahlung aufgefordert. Treten diese ihre Ansprüche an den Beklagten ab, kann der Beklagte einen Anspruch gegen die Klägerin auf (Rück-) Zahlung der (erstatteten) Umsatzsteuer (zivilrechtlich) geltend machen. § 27 Abs. 19 UStG sieht jedenfalls die Möglichkeit vor, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt.
24 
§ 27 Abs. 19 UStG steht einer Änderung zugunsten der Klägerin nicht entgegen. Diese Norm gilt ihrem Wortlaut nach lediglich für den leistenden Unternehmer (so auch FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842). § 27 Abs. 19 UStG ist unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung nicht analog anzuwenden.
25 
Aus den genannten Gründen sprechen Wortlaut und Systematik des UStG für eine vollumfängliche Änderung. Auch § 37 Abs. 2 AO spricht für eine vollumfängliche Auszahlung an die Klägerin (vgl. Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, UStG, § 27 Rn. 193). So stellt § 37 Abs. 2 AO nicht darauf ab, ob die Klägerin als Erstattungsberechtigte die Belastung selbst getragen hat (vgl. Klein/Ratschow, AO, 13. Aufl. 2016, § 37 Rn. 61). Hinzu kommt: Hat die Klägerin die Zahlung von Umsatzsteuer 2010 nach § 13b UStG an den Beklagten ohne rechtlichen Grund geleistet und fällt ihre Schuld weg, hat sie, die Klägerin, auf ihre vermeintliche Schuld bezahlt (vgl. Klein/Ratschow, AO, 13. Aufl. 2016, § 37 Rn. 61). Ihre Zahlung erfolgte aufgrund der Umsatzsteuerfestsetzung 2010 und ist nicht als Leistung auf eine fremde Schuld (vgl. § 48 Abs. 1 AO) anzusehen (so auch Gieseler/Dürr, Behandlung der Bauträgerfälle nach § 27 Abs. 19 UStG, BB 2017, 2075, 2079; a.A. Rau/Dürrwächter/Stadie, UStG, § 13b A 36, A 37).
26 
Es gibt keine Rechtsgrundlage, nach der es für eine Änderung der Steuerfestsetzung und/oder für die Erstattung der zu Unrecht festgesetzten Umsatzsteuer darauf ankommt, dass die Klägerin einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an ihren jeweiligen Vertragspartner gezahlt hat. Dies entspricht dem Grundsatz, die Finanzbehörden sollen das Innenverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Dritten nicht erforschen müssen (vgl. BFH vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BStBl. II 1990, 41). Der Beklagte hat grundsätzlich nicht zu prüfen, ob der leistende Unternehmer einen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- hat (vgl. Sterzinger, Aktuelle Bestandsaufnahme zur Rückabwicklung der Bauträgerfälle unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung des V. Senates des BFH vom 23.2.2017, UR 2017, 325, 330).
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Eine andere Beurteilung ergibt sich ferner nicht aus Gemeinschaftsrecht. Der unionsrechtliche Grundsatz der Neutralität führt nicht zu einer Belastung des Steuerpflichtigen (FG München vom 10. Oktober 2017 14 K 344/16, EFG 2017, 1842).
28 
Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Durchführung einer Teilabhilfe bereit gewesen ist, da zwischenzeitlich berichtigte Rechnungen weiterer Bauhandwerker vorliegen.
29 
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
30 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Revisionsverfahren sind bereits anhängig (XI R 21/17, V R 49/17).
31 
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar nach §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.

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