Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 K 1303/06

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist eine von der Klägerin im Jahresabschluss 1999 vorgenommene Teilwertberichtigung i.H.v. 93.022,00 DM auf eine gegenüber der Stadt S. bestehende Zuschussforderung streitig.

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Die Klägerin handelt mit bebauten und unbebauten Grundstücken, erbringt Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten oder bedient sich hierzu weiterer Subunternehmer. Am 11. Dezember 1998 schloss die Klägerin mit der Stadt S. eine Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zur Behebung von Baumängeln und Missständen i.S.v. § 177 Baugesetzbuch bezüglich des mit einem sanierungsbedürftigen Gebäude bebauten Grundstücks in der …straße 74 in S. (Straße … 74, Flurstück … der Flur 57). Danach war die Klägerin verpflichtet, bestimmte Modernisierungsmaßnahmen auf ihre Kosten innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten nach Vertragsschluss durchzuführen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt, für die Finanzierung der voraussichtlich förderungsfähigen Kosten der Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von 3.991.650,00 DM einschließlich 15 % Baunebenkosten einen Sanierungszuschuss aus Denkmalschutzmitteln in Höhe von höchstens 1.800.000,00 DM zu gewähren. Vereinbart war weiter, dass von dem Zuschuss im Jahr 1999 maximal 500.000,00 DM ausgezahlt werden konnten und die Auszahlung des Restbetrages in den Folgejahren erfolgen sollte. Nach einer weiteren Vereinbarung vom 11. Dezember 1998 sollten vom Zuschuss im Jahr 2000 ein Betrag i.H.v. 800.000,00 DM und im Jahr 2001 der Restbetrag i.H.v. 500.000,00 DM ausgezahlt werden. Die Beträge waren jeweils am 15. März des Jahres fällig.

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Mit Vertrag vom 18. Dezember 1998 erwarb die Klägerin dieses Grundstück von der ... GmbH & Co. KG, S. zu einem Kaufpreis in Höhe von 500.000,00 DM, der zum 31. Januar 1999 fällig war. Mit Vertrag vom 22. Dezember 1998 verkaufte die Klägerin das Grundstück an die GbR …straße 74 … Der Vertrag beinhaltet die Verpflichtung der Verkäuferin, den Grundbesitz gemäß einer anliegenden Baubeschreibung zu sanieren, die Sanierungsarbeiten bis zum 31. Dezember 1999 fertig zu stellen und den Kaufgegenstand endsaniert dem Käufer spätestens zum 31. Dezember 1999 zu übergeben. Als Kaufpreis waren - unter kalkulatorischer Berücksichtigung des Modernisierungszuschusses - 2.725.000,00 DM vereinbart, wobei vom Kaufpreis auf das Grundstück im damaligen Zustand 500.000,00 DM und auf die von der Verkäuferin durchzuführenden Sanierungsarbeiten 2.225.000,00 DM entfielen. Vom Kaufpreis war ein Teilbetrag in Höhe von 2.225.000,00 DM bis zum 31. Dezember 1998 fällig, der restliche Betrag in Höhe von 500.000,00 DM bis zum 30. September 1999.

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Mit der Modernisierung und Sanierung beauftragte die Klägerin die P. GmbH als Generalunternehmerin. Die Modernisierungsmaßnahmen wurden vereinbarungsgemäß erbracht. Im Dezember 1999 erfolgte der Besitzübergang des Grundstücks an die Käuferin.

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Der Zuschuss wurde tatsächlich wie folgt ausgezahlt: 430.000,00 DM im Jahr 1999, und zwar am 23. Februar 1999 ein Betrag i.H.v. 250.000,00 DM und am 02. Juni 1999 ein Betrag i.H.v. 180.000 DM, 870.000 DM im Jahr 2000, und zwar am 06. September 2000 ein Betrag i.H.v. 70.000,00 DM, am 21. November 2000 ein Betrag i.H.v. 425.500,00 DM und am 05. Dezember 2000 ein Betrag i.H.v. 374.500,00 DM sowie 500.000,00 DM im Jahr 2001, und zwar am 31. Mai 2001 ein Betrag i.H.v. 450.000,00 DM, am 06. Juni 2001 ein Betrag i.H.v. 40.000,00 DM und am 16. August 2001 ein Betrag i.H.v. 10.000,00 DM.

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Zur Vorfinanzierung der Zuschussforderung nahm die Klägerin bei der ... ein Darlehen von 1.800.000,00 DM auf, wofür ihr Zinsaufwendungen im Jahr 2000 i.H.v. 79.842,55 DM und im Jahr 2001 i.H.v. 13.179,45 DM, mithin insgesamt 93.022,00 DM entstanden.

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Der erzielte Verkaufspreis i.H.v. 2.725.000,00 DM und der Zuschuss i.H.v. 1.800.000,00 DM wurden bei der Erstellung des Jahresabschlusses 1999 berücksichtigt. In Höhe von 1.370.000,00 DM wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 die noch offene Zuschussforderung gegenüber der Stadt verbucht. In Höhe der gezahlten Zinsen der Jahre 2000 und 2001 wurde eine Teilwertberichtigung der Zuschussforderung durchgeführt.

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Im Jahr 2004 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, die eine Wertminderung der Zuschussforderung verneinte. Der Beklagte folgte dem und erließ am 04. April 2005 entsprechend geänderte Bescheide. Danach wurden der Gewinn des Jahres 1999 um 93.022,00 DM erhöht und die Zinsen in den Jahren 2000 und 2001 als Aufwand angesetzt. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10. August 2006 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 11. September 2006 eingegangene Klage.

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Die Klägerin meint, es sei 1999 eine Wertberichtigung der Zuschussforderung gegenüber der Stadt S. nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) vorzunehmen, da wegen der verzögerten Auszahlung des Zuschusses über mehrere Jahre eine Abzinsung bzw. eine Bewertung der Forderung mit dem entsprechenden niedrigeren Teilwert erforderlich sei. Die Höhe der Wertberichtigung sei nach dem tatsächlichen Zinsaufwand  aus dem aufgenommenen Darlehen berechnet worden. Andernfalls würde nicht realisierter Gewinn zu Unrecht ausgewiesen. Ein gedachter Erwerber würde aufgrund der späteren Zahlung wegen des Zinsverlustes ebenfalls einen Abschlag auf die Forderung vornehmen. Der Zuschuss sei auch verkehrsfähig.

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Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 04. April 2005 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 10. August 2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 93.022 DM gemindert auf 318.477,25 DM festgestellt werden sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte meint, die Zuschussforderung sei zum 31. Dezember 1999 mit dem Nennwert anzusetzen, da öffentliche Forderungen einerseits nicht mit einem Ausfallrisiko behaftet seien, andererseits bei der Zuschussforderung mangels Verkehrsfähigkeit eine Wertminderung durch Abzinsung nicht möglich sei. Die Wertermittlung von Forderungen stehe in keinem Zusammenhang mit Kreditaufnahmen wegen verzögert eingehender Forderungen.

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Dem Senat haben 13 Bände Verwaltungsakten, unter anderem die Feststellungs- sowie die Betriebsprüfungsakte, vorgelegen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin im Rahmen der Wertberichtigung der noch nicht fälligen Zuschüsse vorgenommene Abzinsung der Zuschussforderung hat der Beklagte zu Recht korrigiert.

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1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die buchführende Klägerin in ihrer Bilanz das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Forderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Diese entsprechen auch dann ihrem Nennwert, wenn die Forderung unverzinslich ist (vgl. für unverzinsliche Darlehen BFH, Urteil vom 23. April 1975, I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875; Urteil vom 30. November 1988, I R 114/84, BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117; Urteil vom 19. Mai 1998, I R 54/97, BFHE 186, 230, BStBl II 1999, 277).

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2. Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, so "kann" nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Der Teilwert entspricht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Da in Bezug auf den Zuschuss alle Voraussetzungen erfüllt waren und auch kein Ausfallrisiko bestand, hätte grundsätzlich ein gedachter Erwerber für die Zuschussforderung auch den Nennwert angesetzt, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 und Nr. 2 Satz 2 EStG.

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3. Die von der Klägerin sinngemäß vertretene Auffassung, wegen der erst späteren Fälligkeit der Forderung sei im Zusammenhang mit deren Vorfinanzierung deren Abzinsung geboten, teilt der Senat nicht.

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a) Bei der Forderung handelt es sich nicht um eine - unverzinsliche - Darlehensforderung, bei der nach der Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil v. 30. 11. 1988, I R 114/84, BStBl 1990 II S. 117) eine Teilwertabschreibung auf den Barwert in Betracht kommen kann. Die Zulässigkeit einer solchen Abzinsung liege in der Natur der Darlehensforderung, die darauf gerichtet sei, durch Zinsen Ertrag zu erwirtschaften. Bei der streitigen Forderung handelt es sich dagegen um einen gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Kommune bestehenden Anspruch auf einen Zuschuss, der von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen durch die Klägerin abhängig war, nicht aber um einen Fall der vergütungsfreien Kapitalüberlassung. Insofern bestehen bereits Bedenken, ob diese verkehrsfähig war, da nur die Klägerin einen vertraglich geregelten Anspruch auf den Zuschuss hatte.

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b) Dies kann aber letztlich offen bleiben, da die von der Klägerin vertretene Auffassung dazu führen würde, dass innerbetrieblicher Zinsverlust auf den davon unabhängig zu betrachtenden Wert einer Forderung durchschlägt (vgl. dazu und im Folgenden BFH, 01. April 1958, I 60/57 U, BStBl III 1958, 291, BFHE 67, 47). Sofern wegen der erst später fällig werdenden Zuschüsse Baumaßnahmen vorzufinanzieren sind, kommt es dadurch nicht zu einer dauernden Wertminderung der Forderung selbst.

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aa) Zwar kann es auf den Wert einer Forderung von Einfluss sein, dass der Schuldner vertragswidrig verspätet zahlt und Verzugszinsen trotzdem nicht zu zahlen braucht. Der Erwerber des ganzen Betriebs würde auf Forderungen, die erst nach längerer Zeit fällig und dabei unverzinslich sind, einen Abschlag vom Nennwert machen. Es ist aber nicht möglich, auch entferntere wirtschaftliche Folgen verspäteter Zahlung mit der Bewertung der Forderungen zu koppeln. Das Bilanzsteuerrecht beruht auf dem Grundsatz der Einzelbewertung von Wirtschaftsgütern. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind das Wirtschaftsgut selbst und der Vorgang der Finanzierung zur Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts zu trennen (vgl. BFH, Urteil vom 13. August 1957, I 18/57 U, BStBl III 1957, 349). Muss der Kaufmann, weil seine Kunden säumig sind, Bankkredite aufnehmen, so handelt es sich um selbständige Betriebsvorgänge, die sich in dem Jahr, in dem sie vorkommen, gewinnmindernd auswirken. Es widerspräche dem Grundsatz der Bilanzklarheit und Bilanzwahrheit, solche möglichen Verluste, ehe sie eintreten, durch Minderbewertung der Kundenforderungen bilanzmäßig in Erscheinung treten zu lassen.

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bb) In der Streitsache kommt hinzu, dass die Fälligkeiten der jeweils auszuzahlenden Teilbeträge von Anfang an feststanden. Damit konnte die Klägerin bei der Bestimmung des Veräußerungspreises kalkulieren. Insofern ist der zukünftig zu erwartende Zinsaufwand innerbetrieblich bereits berücksichtigt worden. Eine Teilwertabschreibung bedarf aber grundsätzlich einer Veränderung der im Anschaffungszeitpunkt der Forderung bestehenden Verhältnisse (vgl. BFH, Urteil vom 19. Oktober 1972, I R 244/70, BFHE 107, 214, BStBl II 1973, 54). Zu einer späteren Veränderung bereits bestehender Verhältnisse ist es jedoch nicht gekommen. Zudem war die Fälligkeit der Zuschusszahlung in Bezug auf den im April 2000 fälligen Zuschuss nicht langfristig hinausgeschoben worden.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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III. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO zugelassen. Die Bewertung von Zuschussforderungen der öffentlichen Hand zur Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die in Raten ausgezahlt werden, ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt.


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