Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 K 1568/07

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003 vom 25. Januar 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2007 werden aufgehoben.

Die Ablehnungsbescheide wegen des Antrags auf gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung vom 26. Juni 2006 wegen 2004 und vom 5. Juli 2007 wegen 2005 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 18. Oktober 2007 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die Feststellung wie beantragt durchzuführen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine (atypisch) stille Gesellschaft der Kläger zivilrechtlich wirksam begründet wurde.

2

Der Kläger zu 3), Einzelunternehmen B. Bauunternehmen, Inhaber D. B., erzielte in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte. Mit gleichlautenden Verträgen, jeweils vom 27. Dezember 2002, vereinbarte Herr D. B. mit seinen beiden Kindern, dem am 19. Dezember 1987 geborenen A. - Kläger zu 1) - und der am 25. Januar 1990 geborenen C. - Klägerin zu 2) -, dass diese zum 1. Januar 2003 (§ 13 Absatz 1 der Verträge) mit ihm eine stille Gesellschaft gründen. Die stillen Gesellschafter beteiligten sich jeweils mit einer Einlage i.H.v. 17.500 € (§ 2 Abs. 1 der Verträge) und erhielten eine Gewinnbeteiligung für die Streitjahre von jeweils 12,5 v.H. (§ 3 Abs. 1 der Verträge). Nach § 4 Abs. 1 der Verträge nehmen die Gesellschafter am der Verlust der Firma gemäß § 3 Abs. 1 der Verträge teil.

3

In § 7 der Verträge, der die Haftung des stillen Gesellschafters regelt, ist vereinbart, dass eine Haftung des stillen Gesellschafters gegenüber Dritten ausgeschlossen und im Innenverhältnis auf die Höhe der Beteiligung beschränkt ist.

4

Nach § 14 der Verträge erfolgt bei Ausscheiden eines stillen Gesellschafters eine Auseinandersetzung, bei der die stillen Reserven aufzulösen sind. Unterschrieben waren die Verträge von Herrn D. B. und zum einen durch den Kläger zu 1) und zum anderen durch die Klägerin zu 2) sowie jeweils durch einen Herrn E. F. aus T., der Vertrag und Unterschriften der Kläger zu 1) und zu 2) als „Ergänzungspfleger“ „genehmigt“. Auf die Verträge vom 27. Dezember 2002 wird Bezug genommen. Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss wurde am 30. Dezember 2003 die Einlagen der stillen Gesellschafter durch Schenkung des Herrn D. B. geleistet, indem von diesem eine Neueinlage (aus einer Auszahlung aus einem Bausparvertrag zwecks Sondertilgung eines betrieblichen Darlehens) auf die Einlagen der Kläger zu 1) und zu 2) umgebucht wurde.

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Zwischen dem Kläger zu 3) und der X. Bau GmbH bestanden im Streitjahr aufgrund der Verpachtung von wesentlichen Betriebsgrundlagen (Baumaschinen) eine Betriebsaufspaltung und eine umsatzsteuerliche Organschaft.

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In der Zeit vom 26. Juli 2005 bis 19. Dezember 2005 fand bei der B. Bauunternehmen atypisch stillen Gesellschaft mit den Beteiligten D., A. und C. B. eine Betriebsprüfung wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Gewerbesteuer 2003 statt. Im gleichen Zeitraum erfolgte bei Herrn D. B. eine Prüfung der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer 2001 bis 2003.

7

Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Verträge über die Gründung der (atypisch) stillen Gesellschaft mit den Kindern A. und C. B. im Prüfungszeitraum aufgrund der (schwebenden) zivilrechtlichen Unwirksamkeit steuerlich unbeachtlich seien und die Gesellschaft nicht zu veranlagen sei (Tz. 12 des Berichtes vom 10. Januar 2006 bei B. Bauunternehmen & atypisch still sowie Tzn. 13 und 17 des Berichtes vom 10. Januar 2006 bei Herrn D. B.). Die im Jahr 2003 gebuchten Gewinnanteile der stillen Gesellschafter seien bei Herrn D. B. als Privatentnahme zu berücksichtigen.

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Dementsprechend ergingen - teilweise geänderte - Veranlagungen wie folgt: Der am 23. Juni 2005 erklärungsgemäß erlassene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003 wurde mit Bescheid vom 25. Januar 2006 aufgehoben. Der Antrag zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2004 wurde mit Bescheid vom 26. Juni 2006 abgelehnt. Und der Antrag zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2005 wurde mit Bescheid vom 5. Juli 2007 abgelehnt.

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Die form- und fristgerecht eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen vom 18. Oktober 2007 zurückgewiesen und hiergegen am 16. November 2007 Klage erhoben.

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Die Kläger meinen, die Frage, ob für die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft mit Minderjährigen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sei, sei umstritten. Auch sei diese Frage nur dann zu stellen, wenn es um einen Gesellschaftsvertrag gehe, der zu Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen werde.

11

Das Bauunternehmen B. sei aber kein Erwerbsgeschäft, denn es sei Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und nur vermögensverwaltend tätig. Insoweit seien Minderjährige keinem rechtsgeschäftlichen Risiko ausgesetzt. Eines Ergänzungspflegers und dessen Genehmigung habe es hier nicht bedurft.

12

Zudem sei selbst bei einem Formfehler nach wirtschaftlicher Betrachtung der Vertrag anzuerkennen. Dies sei den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH, insbesondere Az. IX R 4/04 und IX R 45/06) zu entnehmen. Entscheidend sei der Bindungswille der Parteien, der sich eindeutig aus der Bestellung eines - wenn auch nicht vom Vormundschaftsgericht bestellten - Ergänzungspflegers ergebe.

13

Die Kläger beantragen, den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2003 vom 25. Januar 2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2007aufzuheben, den Ablehnungsbescheid wegen des Antrags auf gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2004 vom 26. Juni 2006 sowie wegen des Antrags auf gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen zur Einkommensbesteuerung 2005 vom 5. Juli 2007 jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine Feststellung wie beantragt durchzuführen.

14

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

15

Der Beklagte meint, dass die Beteiligungsverträge nicht wirksam geschlossen seien, weil die Einräumung einer atypisch stillen Beteiligung mit Verlustbeteiligung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei und eine zwischen dem Vater und den Kindern erfolgte schenkweise Zuwendung einerseits die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfordere und aufgrund der Verlustbeteiligung nach § 1822 Nr. 3 BGB zudem eine vormundschaftliche Genehmigung erforderlich sei. Dies fehle hier.

16

Aufgrund der grundsätzlichen Verlustbeteiligung sei unerheblich, dass eine Betriebsaufspaltung gegeben sei und die Kinder am Besitzunternehmen beteiligt seien.

17

Hinsichtlich der Anerkennung des Vertrags mit dem Kläger zu 1) ab dem Kalenderjahr 2005 sei darauf hinzuweisen, dass eine Genehmigung der Vereinbarung durch diesen bislang nicht erfolgte, das Rechtsgeschäft damit weiter schwebend unwirksam sei.

18

Zweifelhaft sei zudem, ob aufgrund der Schenkung der Einlagen überhaupt eine endgültige Vermögensverschiebung stattgefunden habe.

19

Auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen vom 18. Oktober 2007 sowie im Schriftsatz vom 7. März 2008 wird Bezug genommen.

20

Dem Senat haben neun Bände Verwaltungsakten (Einkommensteuerakte, die Feststellungsakte, die Gewerbesteuerakte, Vertragsakte, drei Bände der Betriebsprüfung und zwei Bände Rechtsbehelfsakten) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

21

I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide sind rechtswidrig, da zwischen den Klägern in den Streitjahren eine atypisch stille Gesellschaft bestand.

22

1. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer findet gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) dann statt, wenn an Einkünften mehrere Personen beteiligt und diese Einkünfte den Personen zuzurechnen sind.

23

Dies erfolgt bei einer atypisch stillen Gesellschaft sowohl hinsichtlich der regulären als auch hinsichtlich der atypisch stillen Gesellschafter, so dass bei einer steuerlich anzuerkennenden Gesellschaft eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stattzufinden hat.

24

Eine stille Gesellschaft nach §§ 230ff. Handelsgesetzbuch (HGB) liegt vor, wenn der stille Gesellschafter in das Vermögen des Handelsgewerbes eines tätigen Gesellschafters eine Vermögenseinlage leistet und im Gegenzug einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung erhält. Im Gegensatz zur typischen Gesellschaft, bei der das tatsächliche Verhältnis der Gesellschafter dem handelsrechtlichen Modell entspricht und die Beteiligung des stillen Gesellschafters nicht über eine Kapitalbeteiligung mit gewinnabhängiger Verzinsung hinausgeht, ist ein atypisch stiller Gesellschafter nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen außer am laufenden Jahresgewinn wirtschaftlich auch noch an den im Anlagevermögen des Einzelunternehmens ruhenden stillen Reserven und an seinem Geschäftswert beteiligt. Dies ist hier anzunehmen, da die Kläger zu 1) und 2) sowohl am Gewinn als auch am Verlust und an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt sind.

25

2. Die Gesellschaftsverträge sind auch nicht rechtsunwirksam. Insbesondere waren weder die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers (§§ 1629 Abs. 2, 1795, 1909 BGB) noch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (§§ 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1822 Nr. 3 BGB) erforderlich, da die im Schenkungsweg gewährten Beteiligungen an der (atypisch) stillen Gesellschaft nebst Einlage für die Kläger zu 1) und 2) i.S.v. § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft sind.

26

a) Es bedarf daher nicht der Mitwirkung beider Eltern bzw., da der Vater der Kläger zu 1) und 2) Gesellschafter ist, der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers. Die Schenkungen der Einlagen und die Beteiligung an der stillen Gesellschaft begründen für die minderjährigen Kläger zu 1) und 2) keine persönlichen Verpflichtungen und sind deshalb lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB).

27

Die Beteiligung der Kläger zu 1) und 2) an dem Einzelunternehmen des Herrn D. B. im Wege einer atypisch stillen Gesellschaft beinhaltete für diese zunächst eine Gewinnchance. Anhaltspunkte für besondere Bindungen und Beschränkungen, denen die atypisch stillen Gesellschafter innerhalb dieser unterworfen sind und die die Beteiligung als insgesamt rechtlich nachteilig erscheinen lassen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

28

Im Außenverhältnis treten die Kläger zu 1) und zu 2) nicht in Erscheinung und haften als stille Gesellschafter Dritten gegenüber nicht, soweit sie sich nicht hierzu besonderes, z.B. vertraglich, verpflichten. Die Beschränkung der „Haftung“ im Innenverhältnis bezieht sich auf die Verlustbeteiligung und den hierdurch möglichen Verzehr der Einlage.

29

Soweit im Gesellschaftsvertrag jeweils eine Verlustbeteiligung der Kläger zu 1) und 2) vorgesehen ist, ist dies insoweit nicht rechtlich nachteilig, als die geschenkten Einlagen hierdurch aufgezehrt werden können. Denn in diesem Fall werden allenfalls die möglichen Vorteile des Geschäfts verringert (OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 181; OLG Bremen-Beschluss vom 16. Juni 2008 2 W 38/08, GmbHR 2008, 1263, zum Fall der schenkweisen Übertragung eines voll eingezahlten Kommanditanteils, m.w.N., anders BFH-Urteil vom 28. November 1973 I R 101/72, BFHE 111, 85, BStBl II 1974, 289).

30

Soweit die Verluste die Einlage übersteigen, entsteht ein negatives Einlagekonto, welches mit künftigen Gewinnanteilen auszugleichen ist, nicht aber dazu führt, dass während des Bestehens oder nach Beendigung der stillen Gesellschaft, Einlagenminderungen durch zusätzliche Beträge auszugleichen sind (§ 232 Abs. 2 HGB). Die Verlustbeteiligung beinhaltet damit keinen rechtlichen Nachteil.

31

Die geschenkte Beteiligung und die Einlage sind im Zusammenhang zu betrachten. Es ist kein Grund zu ersehen, allein aufgrund der Tatsache, dass die Kläger zu 1) und 2) über die geschenkte Einlage nicht frei verfügen können, einen rechtlichen Nachteil anzunehmen. Um die beabsichtigte und auch eingetretene Gewinnbeteiligung der Kläger zu 1) und 2) überhaupt zu ermöglichen, musste diesen die Einlage zunächst zugewandt werden. Durch die mögliche Verlustbeteiligung mindert sich allenfalls ihr Vorteil bis auf Null.

32

b) Die Schenkung ist auch nicht gem. § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungsbedürftig. Die lediglich rechtlich vorteilhafte Beteiligung der Kläger zu 1) und zu 2) ist für diese mit keinem weiteren unternehmerischen Risiko verbunden, insbesondere wurden ihnen keine Geschäftsführungsbefugnisse übertragen, weshalb sie auch keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungspflicht nach § 1822 Nr. 3 BGB bedarf (LG Münster FamRZ 1997, 842; OLG Bremen GmbHR 2008, 1263, m.w.N.).

33

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

34

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 2 ZPO.

35

IV. Der Senat lässt die Revision zu, da die Entscheidung von der des BFH mit Urteil vom 28. November 1973 (a.a.O.) abweicht, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.


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