Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (5. Senat) - 5 K 1166/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

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Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung der vom Kläger gezahlten Nutzungspauschale für die private Nutzung für zwei nacheinander genutzte Firmenfahrzeuge.

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Der seit dem Jahr 1995 bei der in Y ansässigen Arbeitgeberin angestellte Kläger ist in leitender Funktion im Außendienst tätig. Nach dem Anstellungsvertrag befinden sich das Innendienstbüro des Klägers in Z und sein Heimbüro in X.

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Die Arbeitgeberin überließ dem Kläger von ihr geleaste Firmenwagen zur privaten Nutzung auf der Grundlage einer Firmenwagenregelung für alle deutschen Unternehmen der Arbeitgeberin (Firmenwagenregelung) sowie auf der Grundlage individueller Kraftfahrzeug-Benutzungsabkommen mit dem Kläger (vom 13. Dezember 2005 und vom 1. September 2008). Im Streitjahr nutzte der Kläger bis August einen BMW 320d (Bruttolistenpreis 33.300 €) und ab September einen BMW 318d (Bruttolistenpreis 38.100 €). Daraus ergab sich für den Kläger im Streitjahr nach der 1%-Methode ein Nutzungspauschalbetrag i.H.v. 4.188 € [(33.300 € x 1% x 8 Monate) + (38.100 € x 1% x 4 Monate)], den die Arbeitgeberin wegen des Unternehmenseintritts des Klägers vor dem Jahr 2006 nicht versteuerte (Tz. 7.4.1 Firmenwagenregelung), sondern monatlich vom Überweisungsbetrag des Monatsgehalts abzog.

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In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger den Nutzungspauschalbetrag als Werbungskosten geltend, was das beklagte Finanzamt (FA) – anders als im Vorjahr –gegenüber den zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Klägern ablehnte. Im Einspruchsverfahren beriefen sich die Kläger u.a. auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.10.2007 VI R 59/06, wonach Arbeitnehmer grundsätzlich die im Zusammenhang mit dem überlassenen Firmenwagen entstanden Aufwendung als Werbungskosten geltend machen könnten. Im Vorjahr habe das FA dies auch anerkannt. Die jetzige Ablehnung sei nicht nachvollziehbar, da der Sachverhalt unverändert fortbestünde. Um Kosten für die private Lebensführung würde es sich nur handeln, wenn der geldwerte Vorteil für die private Firmenwagennutzung im Rahmen der Bruttoversteuerung bereits durch den Arbeitgeber abgeführt worden sei. Dies treffe auf den Kläger nicht zu, da ihm der volle 1% Bruttolistenpreis des Fahrzeugs monatlich vom Nettogehalt abgezogen worden sei. Nach weiterem Schriftverkehr wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage. Ergänzend verweisen die Kläger auf die Urteile des BFH vom 7.11.2006 VI R 95/04 sowie vom 18.10.2007 VI R 59/06. Danach können Zuzahlungen des Arbeitnehmers im Rahmen der privaten Kfz Nutzung des Dienstwagens in Höhe des durch §§ 8 Abs. 2 S. 2 und Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) festgelegten Betrages den Besteuerungsbetrag wegen des Dienstwagens entfallen lassen. Dies würde nicht nur für die vom BFH entschiedenen Fälle gelten, in denen tatsächlich im Brutto eine Pauschale angesetzt und entsprechende Zuzahlungen des Arbeitnehmers geleistet worden seien, sondern auch dann, wenn der geldwerte Vorteil der Firmenwagen Nutzung nicht im Brutto der Gehaltsabrechnungen erschienen sei. Die gesetzliche Besteuerung nach der 1% Regelung sowie die Zuzahlung seien gegeben. Die Nichtberücksichtigung würde bei den gleichen Klägern im Vergleich zum Fall des Erscheinens des geldwerten Vorteils im Brutto zu einer höheren Einkommensteuer führen, wofür die Kläger eine Vergleichsberechnung erstellt hätten. Die Zuzahlungen des Klägers seien jedenfalls insoweit zu berücksichtigen, als die klägerische Einkommensteuer jene nicht übersteigt, die bei Ausweis des geldwerten Vorteils im Brutto entstehen würde. Anderenfalls wären die Kläger gegenüber Steuerpflichtigen, bei denen der geldwerte Vorteil der Firmenwagen Nutzung im Brutto erscheint, ungerechtfertigt benachteiligt.

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Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
dass bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2008 ein Betrag von 4.188 € als Werbungskosten zu berücksichtigen ist.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Nach Ansicht des FA handele es sich zusammenfassend bei der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Firmenwagens durch den Arbeitgeber an Arbeitnehmer zu dessen privater Nutzung um einen geldwerter Vorteil, der als Einnahme bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit mit 1% des inländischen Bruttolistenpreises zu erfassen sei. Die private Nutzung könne abweichend mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch existieren würde, was vorliegend der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt habe. Zahle der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung des Pkws ein Entgelt, mindere dies den als Arbeitslohn zu versteuernden Nutzungswert. Vorliegend zahle der Kläger exakt den Betrag, den er grundsätzlich als Arbeitslohn als geldwerten Vorteil versteuern gehabt hätte, sodass kein ausgleichsfähiger Betrag mehr verbleibe. Demnach könne auch kein Steuernachteil entstehen, wenn kein Werbungskostenabzug für die Aufwendung zugelassen wird. Der Kläger erspare sich die Anschaffung eines privaten Fahrzeuges für seine Privatfahrten, da er den Firmenwagen dazu nutzen könne.

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Die Beteiligten haben im Erörterungstermin übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt, dass anstelle des Senats der Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheidet; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

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Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung 1 Band Einkommensteuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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1. Der Berichterstatter konnte als Einzelrichter i. S. d. § 79a Abs. 3, 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) und ohne mündliche Verhandlung i. S. d. § 90 Abs. 2 FGO entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend Ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

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2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die im Streitjahr von der Arbeitgeberin einbehaltene Nutzungspauschale i.H.v. 4.188 €, die identisch ist mit dem geldwerten Vorteil für die Privatnutzung beider BMW nach der 1%-Methode, wirkt sich steuerlich nicht aus.

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Entgegen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wurde der geldwerte Vorteils aus der privaten Firmenwagennutzung weder von der Arbeitgeberin noch vom Kläger als Bruttoarbeitslohn weder beim Lohnsteuerabzug noch im Zuge der streitgegenständlichen Einkommensteuerveranlagung angesetzt, sodass es in Gänze bereits an einem versteuerten, verrechenbaren geldwerten Vorteil fehlt [(siehe unter b)]. Ungeachtet der vorliegend fehlenden Versteuerung eines geldwerten Vorteils ist die vom Kläger wirtschaftlich getragene Nutzungsvergütung aus Rechtsgründen steuerrechtlich unbeachtlich [siehe unter c)].

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a) Mangels anderweitiger Anhaltspunkte geht das Gericht zunächst mit den Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass sich die Überlassung der Firmenfahrzeuge auch für private Zwecke allein auf dem Dienstverhältnis des Klägers (Außendienstler) gründete (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 07.11.2006 VI R 95/04, BStBl II 2007, 269).

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b) Nach ständiger BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 30.11.2016 VI R 49/14, BFH/NV 2017, 516 m.w.N.) führt die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die (teil)unentgeltliche Kfz-Gestellung stellt daher nach der Gesetzessystematik dem Grunde nach zwingend Arbeitslohn dar (z.B. BFH, Urteile vom 7.11.2006 VI R 95/04, BStBl II 2007, 269 und vom 6.10.2011 VI R 56/10, BStBl II 12, 362). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser seit dem Jahr 1996 geltenden Regelung des § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder nach der 1%-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Ein Wahlrecht besteht damit nur hinsichtlich der Wahl der Bewertungsmethode des geldwerten Vorteils.

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Diese gesetzlich zwingende Bewertungsregelung nach der 1%-Methode kann insbesondere auch nicht durch die Zahlung eines Nutzungsentgelts vermieden werden kann, selbst wenn dieses als angemessen anzusehen ist (BFH, Urteil vom 7.11.2006 VI R 95/04, BStBl II 2007, 269 und vom 18.12.2014 VI R 75/13, BStBl II 2015, 670). Vom Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß gezahlte Nutzungsvergütungen sind von den nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ermittelten Werten in Abzug zu bringen, weil der Arbeitnehmer insoweit nicht bereichert ist.

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Nach Maßgabe vorstehender Grundsätze fehlt es vorliegend an einer steuerlichen Belastung des Klägers in Gänze, weil weder durch die Arbeitgeberin im Rahmen des Lohnsteuerabzugs noch durch den Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung der zwingenden gesetzlichen Systematik entsprechend der Arbeitslohns um einen geldwerten Vorteil erhöht worden ist. Ob der Kläger verpflichtet war, diese Nutzungspauschale zu zahlen (ohne Wahlmöglichkeit) oder ob er sich dazu entschieden hat, dies anlässlich des Arbeitsvertragsschlusses so zu vereinbaren (Wahlmöglichkeit), ist dabei unerheblich. Erschwerend kommt vorliegend noch hinzu, dass die PKW's ausdrücklich auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden dürften. Für solche Fahrten erhöht sich nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zwingend der geldwerte Vorteil für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sodass für den Kläger zwingend zusätzlich zur 1%-Methode für die Privatnutzung auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein entsprechender geldwerter Vorteil hätte ermittelt und als Bruttoarbeitslohn erfasst werden müssen.

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Bei dieser Sachlage ist dem FA darin zuzustimmen, dass dem Kläger mangels steuerlicher Belastung (mit geldwertem Vorteil) auch keine steuerliche Entlastung (Verrechnung der Nutzungspauschale mit geldwertem Vorteil) zukommen kann. Dem Gericht erschließt sich nicht, worin die vom Kläger behauptete ungerechtfertigte Benachteiligung liegen soll.

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b) Ungeachtet des bereits vollständig fehlenden Ansatz eines geldwerten Vorteils scheidet vorliegend ein Ansatz der Nutzungspauschale auch aus Rechtsgründen aus.

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aa) Die vom Kläger wirtschaftlich getragene Nutzungspauschale kann zunächst nicht als Zuzahlung auf die Anschaffungskosten eines PKW des Arbeitgebers qualifiziert werden (z.B. BFH, Urteil vom 18.10.2007 VI R 59/06, BStBl II 2009, 200), weil vorliegend weder die Firmenwagenregelung noch die Kraftfahrzeug-Benutzungsabkommen dafür einen Anhaltspunkt bieten, sondern vielmehr die Nutzungspauschale nach der 1%-Methode bemessen wurde.

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bb) Soweit nach dem Erörterungstermin unterschiedliche Urteile zu der Frage ergangen sind, ob über den geldwerten Vorteil hinausgehende Nutzungsvergütungen des Arbeitnehmers (sog. „überschießende Nutzungsvergütungen“) steuerlich beachtlich sind (bejahend Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2014, 5 K 284/13, EFG 2014,896: überschießender Betrag sind Werbungskosten – Revisionsverfahren VI R 24/14; verneinend Sächsisches FG, Urteil vom 5.2.2014, 4 K 2256/09, EFG 2014,896: kein negativer Arbeitslohn – Revisionsverfahren VI R 49/14), hat das Gericht den Ausgang dieser Revisionsverfahren abgewartet.

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Mit Parallel-Urteilen vom 30.11.2016 VI R 49/14 (BFHE 256, 107, BFH/NV 2017, 516) und VI R 24/14 (BFH/NV 2017, 448) hat der BFH nunmehr eine steuerrechtliche Berücksichtigung überschießender Nutzungsvergütungen grundsätzlich verneint. Es handelt sich danach weder um einen negativen geldwerten Vorteil (geldwerter Nachteil) noch handelt es sich um Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

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3. Auch aus dem Umstand, dass das FA im Vorjahr die Nutzungsvergütung anerkannt hat, folgt für das Streitjahr keine Bindung. Nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ergibt sich allein aus der früheren, selbst aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung eines Sachverhalts keine Bindung für die Zukunft. Die Finanzbehörden haben vielmehr in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung müssen sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte (vgl. BFH, Entscheidungen vom 13.4. 1967 V 235/64, BStBl III 1967, 442, m. w. N.; vom 28.2.1990 I R 120/86, BStBl II 1990, 553; vom 29.5.2007 III B 37/06, BFH/NV 2007, 1865; vom 12.7.2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m. w. N.). Dies gilt sogar dann, wenn das FA über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten haben sollte (BFH, Urteil vom 22.6.1971 VIII 23/65, BStBl II 1971, 749).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.


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