Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 6 K 491/90 E
Tenor
Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.08.1990 und Abänderung des Einkommensteuerbescheids vom 08.11.1988 wird die Einkommensteuer 1986 auf 37.538 DM festgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
1
Gründe:
2Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer (veranlagt werden. Die Klägerin betreibt in ihrem eigenen Haus in (), eine Krankengymnastikpraxis und erzielt insoweit Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
3Bis Ende 1986 befand sich die Praxis im Erdgeschoß des Hauses mit einer Nutzfläche von 77,94 m². Der als notwendiges Betriebsvermögen bilanzierte Grund und Boden- und Gebäudeanteil betrug danach 20 v.H. Ende 1986 baute die Klägerin die Räume im Kellergeschoß (Souterrain) als Praxisräume mit einer Nutzfläche von 76,66 m² aus. Die Praxis wurde noch im Dezember 1986 in das Souterrain verlegt. Die Räume im Erdgeschoß wurden Anfang 1987 umgebaut und werden seitdem von den Klägern zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der betrieblich genutzte Grund und Boden- und Gebäudeanteil beträgt auch nach der Verlegung in das Souterrain 20 v.H.
4Anläßlich einer Außenprüfung bei der Klägerin für die Jahre 1984 bis 1986, die im März 1988 begann, vertrat der Betriebsprüfer u.a. die Ansicht, durch die Verlegung der Krankengymnastikpraxis von den Räumen im Erdgeschoß in die Räume im Souterrain sei eine entsprechende Entnahme des betrieblich genutzten Grund und Boden- und Gebäudeanteils im Erdgeschoß zum Jahresende 1986 eingetreten. Der Prüfer ermittelte den Gewinn aus der Entnahme des Grund und Bodenanteils (20 v.H.) mit 4.235,00 DM und den Gewinn aus der Entnahme des Gebäudeanteils (20 v.H.) mit 24.180,00 DM. Wegen der Darstellung im einzelnen wird auf die Textziffern 17 und 18 des Bp-Berichts vom 26.08.1988 Bezug genommen. Der Prüfer ging des weiteren davon aus, daß jeweils ein Anteil von 20 v.H. des Grund und Boden- und des Gebäudewerts bei Aufnahme der Nutzung der Räume- --im Souterrain für betriebliche Zwecke zum 31.12.1986 als notwendiges Betriebsvermögen eingelegt worden sei. Die Einlagewerte ermittelte der Prüfer in identischer Höhe mit den Entnahmewerten für die Praxisräume im Erdgeschoß mit einem Anteil von 11.000,00 DM für Grund und Boden und 51.000,00 DM für das Gebäude. Auf die Darstellung in Textziffer 19 des Bp-Berichts wird im einzelnen Bezug genommen.
5Der Beklagte folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und erhöhte die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der Klägerin für das Jahr 1986 u.a. um einen Betrag von 28.415,00 DM. Gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1986 wendet sich die Kläger mit ihrer Klage, nachdem der Einspruch erfolglos geblieben ist.
6Die Kläger sind der Ansicht, der Beklagte sei zu Unrecht von einem Entnahmetatbestand ausgegangen. Eine Entnahme als Wertabgabe zu betriebsfremden Zwecken sei deshalb nicht anzunehmen, weil die betrieblich genutzten Gebäudeteile auf demselben Grundstück lediglich ausgetauscht worden seien. Diese ausgetauschten Wirtschaftsgüter entsprächen sich völlig. Die Räume im Souterrain seien gleich groß wie die zuvor im Erdgeschoß betrieblich genutzten Räume, sie dienten dem gleichen Betriebszweck und hätten auch den gleichen Wert. Nach wie vor verbliebe ein bestimmter Bruchteil des Grundstücks (nämlich 20 v.H.) im Betriebsvermögen der Klägerin.
7Jedenfalls habe der Beklagte aber zu Unrecht eine gewinnrealisierende Entnahme des Grund-und Bodenanteils angenommen. Mit dem Umzug vom Erdgeschoß in das Souterrain sei lediglich bezüglich der Gebäudenutzung eine Änderung erfolgt. Bezüglich des anteiligen Grund und Bodens habe sich keinerlei Änderung ergeben.
8Die Kläger wenden sich im übrigen gegen die Wertermittlung des Beklagten. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 24.09.1990 Bezug genommen.
9Die Kläger beantragen,
10die mit Bescheid vom 08.11.1988 festgesetzte Einkommensteuer 1986 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23.08.1990 herabzusetzen und die Gewinne entsprechend Textziffer 18 des Bp-Berichts vom 26.08.1988 nicht anzusetzen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er ist der Ansicht, bei dem vorgenommenen Tausch der betrieblich genutzten Gebäudeflächen könne in keinem Fall Artgleichheit festgestellt werden. Ein Erdgeschoß eines Gebäudes sei nicht gleichartig gegenüber dem Souterrain des Gebäudes. Insoweit seien die ausgetauschten Wirtschaftsgüter wirtschaftlich nicht identisch.
14Auch bezüglich des anteiligen Grund- und Bodenwerts liege eine gewinnrealisierende Entnahme vor. Der zum eigenbetrieblich genutzten Gebäude gehörende Grund und Boden gehöre zum notwendigen Betriebsvermögen, weil der Grund und Boden und ein darauf errichtetes Gebäude nur einheitlich entweder als Betriebs- oder als Privatvermögen qualifiziert werden könnten. Werde ein Teil des Gebäudes eigenbetrieblich genutzt, so gehöre der zum Gebäude gehörende Grund und Boden anteilig zum notwendigen Betriebsvermögen. Bei der Entnahme des entsprechenden Gebäudeanteils folge der Grund und Boden dem Gebäude.
15Die Klage ist begründet.
16Der Beklagte hat zu Unrecht einen Entnahmegewinn aus der Aufgabe der betrieblichen Nutzung der Räume in dem Erdgeschoß des Hauses () angesetzt. Wegen der größenidentischen gleichzeitigen Einlage eines entsprechend genutzten Gebäudeanteils auf demselben Grundstück ist ein Entnahmewert nicht anzusetzen. Die ursprünglichen Buchwerte für Grund und Boden und Gebäude sind vielmehr fortzuführen.
17Eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) liegt dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut seine Eigenschaft als Betriebsvermögen durch die Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb verliert; die Entnahme setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Entnahmehandlung voraus, die von einem Entnahmewillen getragen ist (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.1991 XI R 27/90, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV -1992, 454 m.w.N.) Das schlüssige Verhalten eines steuerpflichtigen, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird, reicht für den Entnahmetatbestand aus (vgl. BFH-Beschluß vom 07.10.1974 GrS 1/73, BStBI II 1975, 168).
18In Anwendung dieser Grundsätze kann bei isolierter Betrachtung des ursprünglich betrieblich genutzten Gebäudeanteils im Erdgeschoß im Dezember 1986 von einer Entnahme des Gebäude- und Grund- und Bodenanteils ausgegangen werden. Dies folgt daraus, daß die Klägerin die betriebliche Nutzung dieser Räume eingestellt hat und die Kläger die Räume danach zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Diese Betrachtung berücksichtigt jedoch nicht, daß zeitgleich ein wertidentischer Ausgleich für das Betriebsvermögen durch Aufnahme der betrieblichen Nutzung in den gleich großen Räumen im Souterrain desselben Hauses gegeben war. Damit liegen keine getrennt zu beurteilenden Entnahme- und Einlagevorgänge bezüglich der entsprechend genutzten Grundstücksanteile vor, sondern eine einheitlich zu sehende räumliche Verlagerung der betrieblichen Nutzung auf demselben Grundstück, die grundsätzlich keine bilanz- und gewinnmäßigen Auswirkungen bei unverändert gebliebenen betrieblichen Nutzungsanteil zur Folge hat (vgl. Finanzgericht München, Urteil vom 16.05.1990 1 K 1243/85, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG -1991, 64 - vom BFH bestätigt durch BFH/NV 1992, 454; vgl. auch Schmidt-Heinicke, Einkommensteuergesetz ,12. Auflage, § 4 Anm. 38c m.w.N.). Wie das Finanzgericht München mit Urteil vom 16.05.1990 (a.a.o.) zutreffend festgestellt hat, führt der Austausch einzelner betrieblich genutzter, wirtschaftlich identischer Teile eines gemischtgenutzten Grundstücks ohne Veränderung der Betriebs- und Eigentumsverhältnisse nicht zwangsläufig zur Entnahme des bisher betrieblich genutzten Teils mit Gewinnrealisierung; jedenfalls können im Rahmen der Wertgleichheit die bisherigen Buchwerte fortgeführt werden.
19Wie der Bundesfinanzhof bereits in seinem sogenannten Tauschgutachten vom 16.12.1958 (I D 1/57 S, BStBI III 1958, 30) für den Tausch von Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften festgestellt hat, kann die bei der Veräußerung eines betrieblich genutzten Wirtschaftsguts auch unter gleichzeitiger Hereinnahme eines anderen (Ersatz-) Wirtschaftsguts gebotene Aufdeckung der stillen Reserven dann unterbleiben, wenn die hingegebenem und eingetauschten Wirtschaftsgüter identisch sind. Dem liegt letztlich der Gesichtspunkt zugrunde, daß nach dem Sinn und Zweck der Entnahmeregelungen im Einkommensteuergesetz generell von einer sofortigen Gewinnrealisierung abgesehen werden kann, wenn durch die Buchwertfortführung die spätere Erfassung der stillen Reserven gesichert bleibt (vgl. FG München, EFG 1991, 64 m.w.N.).
20In Anwendung dieser Grundsätze, denen der Senat folgt, ist im Streitfall von einer Buchwertfortführung der betrieblich genutzten Grund- und Boden- und Gebäudeanteile auf dem Grundstück () auszugehen. Bezüglich des Grund- und Bodenanteils ergibt sich dies bereits deshalb, weil der Grund- und Bodenanteil während der betrieblichen Nutzung im Erdgeschoß genauso 20 v. H. betragen hat, wie die danach vorliegende Nutzung durch die Praxis im Souterrain. Es läßt sich danach nicht feststellen, daß der betrieblich genutzte Grund- und Bodenanteil ab Dezember 1986 ein anderer ist, als er für die Zeit zuvor bestanden hat. Aber auch bezüglich des Gebäudeanteils ist die wirtschaftliche Identität der betrieblich genutzten Anteile im Erdgeschoß und im Souterrain gegeben. Das in der Bilanz der Klägerin zu bilanzierende Wirtschaftsgut (20 v.H. des Gebäudewerts ) ist vorher und nachher identisch. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Streitfall auch wesentlich von dem vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 15.01.1970 (IV 134/64, BStBI II 1970, 313) entschiedenen Sachverhalt. In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte der Steuerpflichtige auf das Erdgeschoß des betrieblich genutzten Gebäudes ein Obergeschoß errichtet, und dieses sodann betrieblich genutzt, sowie das Erdgeschoß ausdrücklich aus dem Betrieb entnommen, um es aus dem Privatvermögen fremdzuvermieten. Der Bundesfinanzhof hatte bei dieser Fallgestaltung letztlich auf die eindeutige Entnahmehandlung und den Entnahmewillen des Steuerpflichtigen bezüglich der Räume im Erdgeschoß abgestellt. Im vorliegenden Streitfall hat die Klägerin demgegenüber ihren klaren Willen bekundet, den betrieblich genutzten Grund- und Boden- und Gebäudeanteil mit 20 v.H. beizubehalten.
21Die Einkommensteuer 1986 ist wie folgt herabzusetzen:
22()
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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