Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 9 K 5414/96 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Kläger sind Ehegatten, die in den Streitjahren (1993 und 1994) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide bezogen in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In 1993 betrugen diese Einnahmen des Klägers 139.150,00 DM, wovon 96.650,00 DM auf Versorgungsbezüge entfielen, die der Klägerin 110.908,00 DM, in 1994 197.240,00 DM, davon 97.635,00 DM Versorgungsbezüge und 112.141,00 DM. Für die Klägerin wurden vom Arbeitgeber Ausgaben zur Zukunftssicherung im Sinne von § 3 Nr. 62 Einkommensteuer -EStG- erbracht. In ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 28.731,00 DM (1993) und 29.891,00 DM (1994) geltend. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erkannte in den Einkommensteuerbescheiden vom 13.10.1995 (für 1993) und vom 20.3.1997 (für 1994) Vorsorgeaufwendungen nur in Höhe von 7830,00 DM an, indem es den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 EStG um jeweils 12.000,00 DM kürzte. Die Einsprüche der Kläger, mit denen eine Kürzung der Vorwegabzüge nur für die Ehefrau um 6.000,00 DM, nicht aber mit weiteren 6.000,00 DM für den Ehemann begehrt wurde, wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 15.8.1996 für 1993 und vom 15.5.1997 für 1994 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte da FA im wesentlichen aus, § 10 Abs. 3 EStG 1993 sei unter Berücksichtigung seines Sinns und Zweckes und der Entstehungsgeschichte dahin auszulegen, daß bei zusammenveranlagten "Doppelverdiener - Ehegatten" die für jeden der Eheleute maßgebliche Beitragsbemessungsgrundlage anzusetzen sei. Dieser Verwaltungsauffassung habe sich auch der Bundesfinanzhof -BFH- mit Urteil vom 12.10.1994 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995, S. 119) angeschlossen. Hieran ändere auch nichts, daß nach § 26a EStG in der ab Veranlagungszeitraum 1990 anzuwendenden Fassung bei einer getrennten Veranlagung eine gemeinsame Ermittlung der Sonderausgaben nicht mehr vorzunehmen sei. Denn es handele sich hierbei um eine spezielle Vorschrift für die getrennte Veranlagung.
3Die Kläger haben am 20.9.1996 und am 9.6.1997 Klage erhoben, die der Senat mit Beschluß vom 21.4.1999 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.
4Sie tragen vor, die bis zum Veranlagungszeitraum 1992 zulässige Kürzung des Vorwegabzuges des einen Ehegatten wegen der Einkünfte des anderen Ehegatten sei nach der ab 1993 geltenden Fassung des Gesetzes nicht mehr zulässig. Sie verweisen darauf, daß die Kürzungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 3 Nr. 2 a EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung vom Kläger nicht erfüllt werden. Eine Saldierung dieser Begünstigung durch Einbeziehung der Einkünfte der Klägerin sei unzulässig. Ab Veranlagungszeitraum 1990 sei hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gemeinsamer Veranlagung und getrennter Veranlagung § 26a Abs. 2 EStG dahin geändert, daß Sonderausgaben von dieser Vorschrift nicht mehr erfaßt würden. Damit sei die Vergleichbarkeit entscheidend verschoben. Ab 1993 habe der Gesetzgeber die Eigenvorsorge ausdrücklich privilegiert. Der Gesetzgeber habe nämlich erstmals vorgesehen, daß Einkünfte aus Arbeit - hier die Versorgungsbezüge - nicht mitzurechnen seien. Er habe ferner vorgesehen, daß bei Versorgungsempfängern nur solche Einkünfte anzurechnen seien, mit denen Leistungen für eine Zukunftssicherung verbunden seien, die der Kläger nicht gehabt habe. Die BFH-Ent-scheidung vom 4.3.1998 X R 109/95, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/VN- 1998, S. 1466 spreche nur scheinbar gegen die Erfolgsaussichten der Klage, da der BFH nicht den hier geltend gemachten Fall, sondern einen anderen entschieden habe, nämlich ausdrücklich Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG. Insoweit sei der Inhalt des Gesetzes nicht verändert worden. Entscheidend für die Erfolgsaussicht der Klage sei aber sei die Aufnahme des Passus "wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62 erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 gehört." Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich ins Gesetz geschriebene Situation dürfe nun aber nicht durch Einnahmen der Ehefrau wegsaldiert und damit vereitelt werden. Weiterhin berufen sich die Kläger auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 10.11.1998 2 BvR 1057/91; 1226/91; 980/91 zum Kinderlastenausgleich und vom 28.11.1998 2 BvL 26/91 u.a. zur Alimentationspflicht des Dienstherrn gegenüber verheirateten Beamten mit unterhaltsberechtigten Kindern. Aus diesen Entscheidungen, die als Ehe- und Familienpaket des BVerfG zu bezeichnen seien, sei zu erkennen, daß eine Benachteiligung von Verheirateten, bei denen nur bei einem Ehegatten die Voraussetzung zur Kürzung des Vorwegabzuges vorlägen, durch Kürzung auch beim anderen Ehegatten, nicht mit Art. 1 und 3 des Grundgesetzes -GG- zu vereinbaren sei. Dies sei auch im Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.11.1990 15 K 444/85 E so gesehen worden.
5Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 1993 vom 13.10.1995 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 15.8.1996 und den Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 20.3.1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.5.1997 in der Weise zu ändern, daß zusätzliche Ver- sorgungsaufwendungen in Höhe von je 6.000,00 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden,
6Das FA beantragt Klageabweisung, hilfsweise Revisionszulassung.
7Es verweist auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend aus, die Systematik der Kürzungen habe sich durch die Gesetzesänderung nicht geändert. Änderungen des von der Kürzung betroffenen Personenkreises wirkten sich hier nicht aus, da die Klägerin auch nach der Änderung zum von der Kürzung betroffenen Personenkreis gehöre und der Vorwegabzug auch des Gatten damit zu kürzen sei.
8Die Kläger haben gegen den Gerichtsbescheid wegen Einkommensteuer 1993 vom 22.8.1997 am 9.9.1997 mündliche Verhandlung beantragt; das FA hat erklärt, es sehe die Klage nicht mehr als verfristet an, da nach dem Organisationsablauf im FA zur Zeit der Einspruchsentscheidung verspätete Absendungen von Schreiben möglich gewesen seien.
9E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
10Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.
11Die Klage wegen Einkommensteuer 1993 ist nicht verfristet. Der Zeitpunkt der Absendung der Einspruchsentscheidung ist nicht feststellbar, so daß von einer rechtzeitigen Klageerhebung auszugehen ist.
12Die Klage ist aber unbegründet. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat sich anschließt, steht der Vorwegabzug für Sonderausgaben auch in der für den Veranlagungszeitraum 1993 geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes zusammen veranlagten Eheleuten gemeinsam zu, dies gilt auch für den Veranlagungszeitraum 1994, da das Gesetz, soweit es hier einschlägig ist, für beide Jahre den gleichen Regelungsinhalt besitzt. Die Kürzung ist auch dann von dem vollen Abzugsbetrag vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen nur in der Person eines Ehegatten erfüllt sind. Dies gilt nicht nur für die Vorläufervorschrift, für die der BFH in ständiger Rechtsprechung eine gemeinsame Berechnung durchgeführt hat (s. hierzu die Rechtsprechungsnachweise im BFH - Urteil X R 109/95 a.a.O.), sondern in gleicher Weise für die hier anzuwendende Fassung des Gesetzes. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber durch die Neuformulierung hieran etwas ändern wollte. Es würde dem Zweck der Neuregelung, der in einer Vereinfachung des Vorwegabzug - Verfahrens liegt, geradezu widersprechen, wenn in einer Höchstbetragsgemeinschaft nunmehr danach differenziert werden müßte, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang einer oder beide Ehegatten die Voraussetzung eine Kürzung erfüllen, so auch BFH X R 109/95 a.a.O.. Entgegen der Auffassung der Kläger behandelt diese Entscheidung keinen Sachverhalt, der sich vom hier zu entscheidenden wesentlich unterscheidet. Sowohl hier als auch in dem vom BFH entschiedenen Fall erfolgt die Kürzung des Vorwegabzuges wegen nichtselbständiger Einkünfte bei erbrachten Leistungen nach § 3 Nr. 62 EStG. Auch aus dem Wortlaut des Gesetzestextes läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Für eine Zusammenveranlagung ist nach dem eindeutigen Wortlaut von einem Vorwegabzug von 12.000,00 DM auszugehen, damit von einem einheitlichen, gemeinsamen Betrag. Dieser Betrag wird dann nach Maßgabe des folgenden Satzes um einen Prozentsatz der Summe von Einnahmen einer bestimmten Qualität gekürzt, ohne daß darauf abgestellt wird, welcher der Ehegatten die schädlichen Einkünfte bezogen hat. Dies läßt bei verständiger Würdigung nur die Auslegung zu, daß die Summe ohne Differenzierung nach dem Einkunftserzieler gebildet werden muß, eine Aufteilung des Vorwegabzuges und Differenzierung der Einnahmen nach Einkommensbeziehern darf nicht vorgenommen werden. Nichts anderes folgt aus dem von den Klägern herangezogenen § 26 a EStG in der ab 1990 geltenden Fassung. Denn es handelt sich um eine Vorschrift, die gerade nicht bei der Zusammenveranlagung, sondern nur bei der getrennten Veranlagung anzuwenden ist. Ein allgemeiner, auch bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten zu berücksichtigender Grundsatz läßt sich hieraus nicht ableiten. Die Begünstigung, die § 10 EStG Abs. 3 für Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 EStG enthalten ist, erschöpft sich darin, daß diese Bezüge bei der Kürzung des Vorwegabzuges nicht zu berücksichtigen sind. Es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, daß immer dann, wenn Versorgungsbezüge vorhanden sind, eine Kürzung gänzlich zu unterbleiben hat. Für eine solche Auslegung, die auch mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren ist, fehlt jede Begründung. Denn es ist kein Grund zu ersehen, aus dem heraus höhere Vorsorgeaufwendungen anerkannt werden müßten, nur weil ein Arbeitnehmer neben aktiven Einkünften oder entsprechenden Einkünften seines Ehegatten Versorgungsbezüge erhält.
13Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gemeinsame Ermittlung des Kürzungsbetrages bestehen nicht. Der Senat sieht keine Benachteiligung von Eheleuten. Er folgt den Klägern und den genannten Entscheidungen des BVerfGs, besonders 2 BvR 1057/91 u.a., darin, daß Art. 6 Grundgesetz -GG- einen besonderen Gleichheitssatz enthält, der es verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Gleiches gilt im Vergleich Verheirateter mit Nichtverheirateten. Der Senat vermag aber keine Schlechterstellung zu erkennen. Soweit die Zusammenveranlagung durch die gemeinsame Berücksichtigung des Vorwegabzuges für Eheleute zu einer höheren Steuerbelastung führt als bei einer Veranlagung der Steuerpflichtigen als Unverheiratete, haben die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG zu wählen und damit die nachteiligen Folgen zu vermeiden. Darin unterscheidet sich die hier zu beurteilende Situation von der Problematik, die den Entscheidungen des BVerfGs zugrunde lag. Dort konnte diese Wahl die Benachteiligung nicht beseitigen, weil die den Eheleuten durch den Gesetzgeber vorenthaltenen Vorteile nur unverheirateten Eltern zukommen.
14Die Kostentscheidung beruht auf § 135 FGO.
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