Beschluss vom Finanzgericht Düsseldorf - 6 V 5427/99 A (K,AO)
Tenor
Die Vollziehung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1995 - 1998 vom 05.08.1999 wird bis einen Monat nach dem Ergehen einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung des Antragsgegners ab Fälligkeit ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
1
G r ü n d e:
2Streitig ist, ob sich die Steuerbefreiung einer Stiftung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz -KStG- in Verbindung mit §§ 51 ff. Abgabenordnung -AO- auch auf Einkünfte erstreckt, die bei einer Errichtung der Stiftung durch Verfügung von Todes wegen im Zeitraum zwischen dem Todestag des Stifters und der Erstellung der Stiftungsurkunde erzielt wurden.
3Nach einem privatschriftlichen Testament der am 17.09.1994 verstorbenen "E" (geb. "M") sollte das gesamte Vermögen der Familie "M"-"E" als Ausstattung einer Stiftung dienen. Der Erbschein des Amtsgerichts (vom 12.04.1995; Az. "01 I 00/95") weist eine "noch zu gründende Stiftung des Vermögens der Familien "E"-"M"" als (Allein-) Erbin aus (für den Inhalt der letztwilligen Verfügung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Dokuments vom 04.05.1986 verwiesen). Der Nachlaßpfleger - das spätere Vorstandsmitglied der Stiftung Rechtsanwalt "P" - ersuchte das Amtsgericht "H-Stadt" (Nachlaßgericht), die Genehmigung der Stiftung zu beantragen (Präambel vom 23.09.1998 und Stiftungssatzung vom 27.10.1998 - für Einzelheiten wird auf den jeweiligen Inhalt der Urkunden verwiesen). Unter dem 12.11.1998 genehmigte die Bezirksregierung "E-Stadt" die Stiftung unter Hinweis auf ein "Stiftungsgeschäft vom 23.09.1998 und Stiftungssatzung vom 27.10.1998".
4Mit den im Nachlaß befindlichen Kapitalforderungen wurden Kapitalerträge erzielt. Der Antragsgegner forderte zur Abgabe von Steuererklärungen auf; dieser Aufforderung wurde entsprochen. Nach einer Aufteilung der Zinsen des Jahres 1994 auf einen Zeitraum bis zum Todestag der Erblasserin (einkommensteuerpflichtige Einkünfte der Erblasserin) und ab diesem Zeitpunkt wurden die auf den zuletzt angeführten Zeitraum (bis zum 26.10.1998 - dem Tag vor der Errichtung der Stiftungssatzung) entfallenden Zinsen vom Antragsgegner der Körperschaftsteuer unterworfen. Nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer ergab sich für den Veranlagungszeitraum 1994 ein Erstattungsbetrag, für die Jahre 1995 bis 1998 ein Nachzahlungsbetrag (Festsetzungen vom 05.08.1999). Gegen diese Festsetzungen - gerichtet an ein "unselbständiges Zweckvermögen" - wurde Einspruch eingelegt. Ein im Einspruchsverfahren gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb erfolglos (Verfügung des Antragsgegners vom 19.08.1999).
5Die Stiftung (ab 27.10.1998) wird vom Antragsgegner auf der Grundlage der eingereichten Satzung als gemeinnützig anerkannt.
6Die Antragstellerin trägt vor, daß die Gemeinnützigkeit den Zeitraum ab dem Todestag der Stifterin abdecke, wie auch die Regelung des § 84 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- eine Fiktion für die Existenz einer erst nach dem Todesfall genehmigten Stiftung anordne. Die Besteuerung sei auch nicht zweckgerecht, da sie das Stiftungsvermögen schmälere.
7Die Antragstellerin beantragt,
8die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide für 1995, 1996, 1997 und 1998 vom 05.08.1999 auszusetzen und die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
9Der Antragsgegner beantragt,
10den Antrag abzulehnen.
11Der Antragsgegner verweist darauf, daß ab dem Todestag der Stifterin bis zu dem Zeitpunkt, an dem erstmals eine Satzung auf der Grundlage von §§ 51 ff. AO errichtet wurde (27.10.1998), ein eigenständiges Steuersubjekt als unselbständiges Zweckvermögen vorliege. Da für dieses Steuersubjekt eine den Gemeinnützigkeitsvorschriften entsprechende Satzung nicht vorgelegt worden sei, sei dieses Vermögen steuerpflichtig. § 60 Abs. 2 AO verbiete ausdrücklich eine Rückwirkung bis auf den Todestag der Stifterin.
12Der Antrag ist begründet.
13Entgegen der Ansicht des Antragsgegners bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungen gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entsprechende Satzung der Stiftung nicht bis zum Tag nach dem Todestag der Stifterin zurückwirkt mit der Folge, daß wegen einer persönlichen Steuerbefreiung eine Besteuerung der erzielten Erträge aus Kapitalvermögen bei dem "unselbständigen Zweckvermögen" ausscheidet.
14Das tatsächliche Bestreben, gemeinnützige Zwecke zu verfolgen, reicht für die Gewährung von Steuervergünstigungen nicht aus; die Körperschaft muß auch nach ihrer "Verfassung" - der Satzung - auf diese Zweckverfolgung hin ausgerichtet sein. Nur die in § 60 Abs. 1 AO formulierte "formelle Satzungsmäßigkeit" gewährleistet eine Kontinuität dieser Zweckverfolgung und eine einerseits durch die Finanzbehörden nachprüfbare und andererseits für die Organe der Körperschaft notwendige Grundlage für den tatsächlichen Mitteleinsatz. Dies bringt das Gesetz auch in § 60 Abs. 2 AO (satzungsmäßige Bindung im gesamten Veranlagungs- oder Bemessungszeitraum) zum Ausdruck. Insoweit muß ab dem Zeitpunkt, ab dem ein tatsächliches Geschäftsgeschehen bzw. kraft ausschließlich eigenen Verfügungsrechts der Körperschaft ein Mitteleinsatz möglich ist, eine den gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entsprechende Satzung vorliegen.
15Im Streitfall dürfte die Antragstellerin zu Recht darauf verweisen, daß bei einem Stiftungsgeschäft von Todes wegen in der hier vorliegenden Konstellation sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt des Vermögenserwerbs als (damit verbunden) auch im Hinblick auf die Vermögenszweckbindung Besonderheiten bestehen. Wird im Stiftungsgeschäft (hier: im Testament der Erblasserin) die Stiftung als (Allein-) Erbe eingesetzt, erwirbt sie das Vermögen des Stifters auf der Grundlage von § 1922 BGB als Gesamtrechtsnachfolgerin, auch wenn sie rechtlich erst nach dem Tode des Stifters durch die staatliche Genehmigung im Sinne des § 80 Satz 1 BGB entsteht (§ 84 BGB - die Stiftung wird rückwirkend zur Vollerbin). Bis zur Genehmigung der Stiftung hat ein Nachlaßpfleger (§ 1960 BGB) den Nachlaß zu sichern; Verfügungsmöglichkeiten Dritter bestehen nicht (siehe zur Abgrenzung beim Stiftungsgeschäft unter Lebenden Finanzgericht Köln 1 K 1996/97 vom 12.05.1999, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 834). Im Streitfall dürfte als "Stiftungsgeschäft" auch nicht die Urkunde ("Präambel") vom 23.09.1998 anzusehen sein (so aber die Formulierung der Stiftungsgenehmigung), sondern bereits das Testament der Erblasserin - denn dort sind die in § 5 Abs. 1 Stiftungsgesetz Nordrhein-Westfalen genannten Merkmale bereits dem wesentlichen Inhalt nach festgelegt (lediglich die Stiftungsorgane sind - insoweit wohl rechtsbegründend - in der "Präambel" angeführt). Das Testament entspricht damit den Erfordernissen des Runderlasses des Innenministers NW vom 20.05.1978 zur Anwendung des Stiftungsgesetzes NW (KSt-Kartei NW § 5 KStG Karte H 8) - dort "zu §§ 4 und 5" ("Zu einem gültigen Stiftungsgeschäft gehört außer der Vermögenszusicherung ein Mindestmaß an Regelungen, ohne die eine selbständige Stiftung nicht lebensfähig sein würde. Dieses Mindestmaß ergibt sich aus § 5 Abs. 1."). Da aber schon das Stiftungsgeschäft durch die Benennung der Zuwendungsempfänger (einem im Sinne der Gemeinnützigkeitsvorschriften ebenfalls begünstigten Kreis von Empfängern) auf die gemeinnützige Ausrichtung der zu errichtenden Stiftung verweist, besteht schon unmittelbar eine entsprechende Vermögensbindung, die - nach der Errichtung der Stiftung - durch entsprechende Vermögensverwendung (einschließlich der in den Jahren 1994 bis 1998 erwirtschafteten Zinsen) ausgefüllt werden muß. Die Satzung der Antragstellerin füllt damit nur das aus, was durch die unwiderrufliche Vermögensbindung durch das Testament (nach Eintritt des Todes der Stifterin) schon begründet wurde.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.