Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 5216/97 E
Tenor
Unter Abweisung der Klage im übrigen werden die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995 (1993 vom 5.5.1994; 1994 vom 16.10.1996 und 1995 vom 26.2.1997) und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen geändert und die Einkommensteuer für das Jahr 1993 auf 22.684 DM, für das Jahr 1994 auf 44.440 DM und für das Jahr 1995 auf 34.880 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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Streitig ist, ob den Klägern für ein im Jahre 1993 angeschafftes Einfamilienhaus eine Wohnungseigentumsförderung gem. § 10 e Einkommensteuergesetz -EStG- zu gewähren ist.
2Am 30.9.1974 beschloß der Rat der Stadt "H-Stadt" den Bebauungsplan Nr. "01" für das dort als Ferienhausgebiet "X" bezeichnete Areal. Der Plan weist das Gebiet als Sondergebiet aus. Nach dem in der Begründung zum Bebauungsplan dargestellten Plankonzept sollten folgende Möglichkeiten angeboten werden: Freizeitwohnen, Kurzzeitwohnen und Ferienwohnen.
3Aufgrund einer Sammelbaugenehmigung der Stadt "H-Stadt" (Nr. "04"/78 vom 26.5.1978), auf die Bezug genommen wird, wurde in dem mit "Freizeitwohnen" ausgewiesenen Teil des Baugebietes unter anderem auch das von den Klägern später erworbene Haus errichtet. Im Jahre 1979 entstand Unsicherheit darüber, ob für die Wohnungen in dem Ferienhausgebiet "X" eine Steuervergünstigung nach den §§ 82 und 83 Abs. 2 II. WoBauG zu gewähren war. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen entschied mit Erlaß vom 24. 4.1979 (VI C 2-4.430-Ca 47), auf den Bezug genommen wird, daß Wohnungen, die in dem mit "Freizeitwohnen" ausgewiesenen Teil des Baugebietes lagen, als steuerbegünstigt anzuerkennen seien.
4Mit Bekanntmachung vom 28.4.1988 trat ein von der Stadt "H-Stadt" geänderter Bebauungsplan für das Ferienhausgebiet "X" in Kraft. Darin wurde das Gebiet, in dem sich das von den Klägern später erworbene Gebäude befindet, als "Sondergebiet-Ferienhausgebiet (§ 10 Abs. 4 Baunutzungsverordnung)"ausgewiesen.
5Im Jahre 1993 erwarben die Kläger das Haus und bewohnten es seit dem 1.9.1993 selbst. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1993 beantragten sie einen Abzugsbetrag gem. § 10 e Abs. 1 EStG i.H.v. 17.645 DM und einen Abzugsbetrag gem. § 10 e Abs. 6 EStG i.H.v. 11.334 DM. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1994 und 1995 beantragten sie jeweils die Berücksichtigung eines Abzugsbetrages gem. § 10 e Abs. 1 EStG i.H.v. 17.645 DM. Der Beklagte versagte in den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1993 bis 1995 die Förderung nach § 10 e -EStG- unter Hinweis auf die Lage der Wohnung der Kläger in einem Ferienhausgebiet.
6Nach erfolglosem Einspruchsverfahren tragen die Kläger zur Begründung ihrer Klage vor:
7Aufgrund der Sammelbaugenehmigung sei ihnen das dauernde Wohnen in ihrem Haus gestattet. Im übrigen sei das Dauerwohnen auch deswegen erlaubt, weil nahezu alle Häuser im Ferienhausgebiet auf diese Art genutzt würden.
8Die Kläger beantragen,
9die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995 (1993 vom 5.5.1994; 1994 vom 16.10.1996 und 1995 vom 26.2.1997)
10und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen zu ändern, im Jahre 1993 Abzugsbeträge nach § 10 e Abs. 1 und 6 EStG wie in der Steuererklärung beantragt zu berücksichtigen, im Jahre 1994 die Steuer auf 44.440 DM und im Jahre 1995 auf 34.840 DM herabzusetzen,
11hilfsweise die Revision zuzulassen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen,
14hilfsweise die Revision zuzulassen.
15Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.11.2001 haben die Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet und sich damit einverstanden erklärt, daß der Berichterstatter an Stelle des Senats entscheidet.
16Zur Begründung trägt er vor:
17Gefördert werden könnten nur Wohnungen, die dauernd bewohnt werden dürften. Das Gebiet "X" sei ein Sondergebiet, für das der Bebauungsplan lediglich Ferien- und Wochenendhausbebaung vorsehen. Wie der Präsident des Landtages aufgrund einer Petition der Landhausgemeinschaft "X" mitgeteilt habe, sei es aufgrund der planerischen Festsetzungen auf der Ebene des Landes Nordrhein-Westfalen unmöglich, das Sondergebiet im Bebauungsplan künftig als Wohngebiet auszuweisen. Gegenstand der Sammelbaugenehmigung seien Ferienhäuser gewesen, in denen dauerndes Wohnen nicht gestattet sei.
18II.
19Die Klage ist begründet.
20Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung-FGO-).
21Zu Unrecht hat der Beklagte den Klägern die Steuervorteile gemäß § 10 e EStG verweigert. Die Wohnungseigentumsförderung ist zu gewähren, denn aufgrund der Sammelbaugenehmigung vom 26.5.1978, die auch für die Kläger als Rechtsnachfolger des Bauherrn gilt, ist das dauernde Wohnen in der erworbenen Immobilie gestattet.
22Gemäß § 10 e Abs. 1 Satz 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist neben dem hier unstreitig erfüllten Tatbestandsmerkmal der Selbstnutzung weitere Voraussetzung für die Grundförderung, daß die vom Steuerpflichtigen im Abzugszeitraum selbst genutzte Wohnung keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH-(Urteil vom 29.9.2000 X B 23/00 Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH-BFH/NV- 2001,437 mit weiteren Nachweisen) liegt eine steuerlich nicht begünstigte Ferien- oder Wochenendwohnung vor, wenn die Wohnung rechtlich oder tatsächlich zum dauernden Wohnen ungeeignet ist. Da Zweifel an der tatsächlichen Möglichkeit zur dauernden Nutzung weder ersichtlich noch geltend gemacht worden sind, kommt es allein darauf an, ob aufgrund der bauplanerischen Festsetzungen das Dauerwohnen ausgeschlossen gewesen und auch nicht im Einzelfall im Rahmen der Baugenehmigung gestattet worden ist (Urteil vom 29.9.2000 X B 23/00 BFH/NV 2001,437 mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall geht das Gericht davon aus, daß aufgrund der Sammelbaugenehmigung vom 26.5.1978 das dauernde Wohnen in den zu errichtenden Immobilien genehmigt worden ist. Zwar ist in dem genannten Verwaltungsakt der Neubau von 142 Ferienhäusern als Bauvorhaben genannt worden. Der Beklagte weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß gem. § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Baunutzungsverordnung -BauNVO- (in der damals geltenden Fassung v.15.9.1977 BGBl. I 1763) ein Ferienhaus nur dem zeitweiligen Aufenthalt eines wechselnden Personenkreises zu Erholungszwecken dient. Ein an § 10 BauNVO orientiertes Verständnis der Sammelbaugenehmigung setzte jedoch voraus, daß auch die Baubehörde den Begriff "Ferienhaus" im Sinne der im Jahre 1978 erstmals anzuwendenden Verordnung verstanden hat. Davon ist nicht auszugehen, denn die Gemeinde "H-Stadt" wollte in dem hier maßgeblichen Teil des beplanten Gebietes eine Nutzung zum dauernden Wohnen gerade zulassen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Stadt "H-Stadt" vom 29.9.1978 an den Oberkreisdirektor des Kreises "L", auf das sich der Innenminister in seinem Erlaß vom 24.4.1979 bezieht. Darin habe die Stadt "H-Stadt" mitgeteilt, sie habe in Übereinstimmung mit den ihr bekannten Bestrebungen der Käufer ein Dauerwohnen ermöglichen wollen. Für diese Interpretation der erteilten Sammelbaugenehmigung spricht auch die Tatsache, daß schon der im Bebauungsplan vom 30.09.1974 gebrauchte Begriff des "Freizeitwohnens" nach Auskunft der Stadt "H-Stadt" lt. Schreiben vom 29.9.1978 so zu verstehen war, daß eine dauernde Nutzung der in diesem Bereich zu errichtenden Gebäude, anders als bei den Wochenendhäusern, zulässig sein sollte. Demgegenüber ist kein Grund ersichtlich, warum die Stadt "H-Stadt" trotz Übereinstimmung mit den Bestrebungen der Käufer und der aus ihrer Sicht bestehenden planungsrechtlichen Möglichkeit dazu ein Dauerwohnen nicht ermöglicht haben sollte.
23Die erteilte Genehmigung gilt gem. § 88 Abs. 2 Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen -BauONw- (v. 27.1.1970 Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen -GVBl.Nw- 1970,96; § 75 Abs. 2 i.d.Fassung vom 1.3.2000 GVBl.NW 2000, 439) auch für die Kläger, die durch den Erwerb der Immobilie Rechtsnachfolger des Bauherrn geworden sind.
24Unmaßgeblich ist demgegenüber, daß das Gebäude bei Erwerb durch die Kläger aufgrund der später geänderten Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Ferienhausgebiet im Sinne von § 10 Abs. 4 BauNVO gelegen hat, da für die Förderung die Verhältnisse im Zeitpunkt der Fertigstellung entscheidend sind (BFH vom 8. März 1983 VIII R 181/81 Entscheidungssammlung des BFH -BFHE- Band 138, S.220).
25Die dem Grunde nach zulässige Förderung ist auch in dem von den Klägern beantragten Umfange zu gewähren, denn die geltend gemachten Kosten wurden vom Beklagten weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren beanstandet. Aus den Steuerakten ist auch kein anderer Grund ersichtlich, der die Wohnungseigentumsförderung ausschließen könnte, insbesondere liegt in allen Streitjahren der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger unter den nach § 10 e Abs. 5 a EStG maßgeblichen Beträgen.
26Hinsichtlich des Jahres 1995 war die Klage insoweit abzuweisen, als der Kläger die Herabsetzung der Einkommensteuer auf 34.840 DM beantragt hat. Unter Berücksichtigung eines Förderbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG von 17.645 DM ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen von 136.728 DM, auf das unter Anwendung der Splittingtabelle eine Steuer von 34.880 DM entfällt. Gründe, die zu einer weitergehenden Herabsetzung der Steuer führen könnten, haben die Kläger nicht vorgetragen und sind aus den Akten nicht ersichtlich.
27Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob im Falle der Genehmigung des dauernden Wohnens aufgrund einer Baugenehmigung ein Gebäude auch dann steuerlich begünstigt ist, wenn es in einem Sondergebiet liegt, ist höchstrichterlich geklärt. Das Gericht ist der Rechtsprechung des BFH gefolgt.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 S. 3 FGO. Den Klägern waren keine Kosten aufzuerlegen, weil sie nur zu einem geringen Teil unterlegen sind.
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