Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 6288/01 F
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob die Veräußerung der Teilanteile an der "Klinik X-Stadt-YStadt Dr. A und Dr. B GbR" (Klinik GbR) und an der "Arzneimittelvertriebsgesellschaft Dres. A und B" (Arzneimittelvertriebsgesellschaft) an Herrn Dr. C zum 01.01.1998 gemäß §§ 18 Abs. 3, 16 und 34 EStG (in der damals geltenden Fassung) tarifbegünstigt ist.
3Die Kläger sind Tierärzte und seit 1992 je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks in Y-Stadt. 1993 gründeten sie die Klinik GbR, welche auf dem o. g. Grundstück betrieben wurde. Das Festkapital der GbR betrug insgesamt 500.000 DM, wovon den Klägern jeweils 250.000 DM zuzurechnen war. Ebenfalls zur Hälfte waren sie auch an der Arzneimittelvertriebsgesellschaft beteiligt. Bis zum 31.12.1997 bilanzierten sie das Grundstück, in Y-Stadt, aufgrund der Gesellschafteridentität und Anteilsgleichheit in der Bilanz der Klinik GbR.
4Mit Wirkung ab 01.01.1998 nahmen die Kläger Herrn Dr. C als weiteren Gesellschafter der Klinik GbR und der Arzneimittelvertriebsgesellschaft auf. Von diesem Zeitpunkt an war jeder Gesellschafter zu je einem Drittel an den Gesellschaften beteiligt. Von dem Festkapital der Klinik GbR i. H. v. 510.000 DM waren den Klägern und Herrn Dr. C jeweils 170.000 DM zuzurechnen. Die Aufnahme von Herrn Dr. C erfolgte zum einen durch Verkauf von Teilanteilen, zum anderen durch eine Bareinlage bei der Klinik GbR. Als Kaufpreis für die übertragenen Anteile zahlte Herr Dr. C an die Kläger jeweils 267.500 DM. Für ihn wurde zum 01.01.1998 eine positive steuerliche Ergänzungsbilanz mit einem variablen Kapitalkonto von 365.000 DM erstellt ((2 x 267.500 DM) - 170.000 DM = 365.000)).
5Mit Wirkung ab 01.01.1998 vermieteten die Kläger das Grundstück, in Y-Stadt, an die Klinik GbR. Den Buchwert des Grundstücks führten sie in Sonderbilanzen fort (Buchwert zum 31.12.1997 2.479.900 DM, Teilwert 3.000.000 DM).
6In der Erklärung der Klinik GbR zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wurde für die Kläger ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn von jeweils 187.500 DM (= 267.500 DM - 80.000 DM) erklärt. Im Feststellungsbescheid 1998 vom 31.07.2001 und dem Änderungsbescheid vom 16.08.2001 berücksichtigte der Beklagte jedoch den gesamten Gewinn als laufenden Gewinn. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, den der Beklagte am 24.10.2001 als unbegründet zurückwies. Ein Mitunternehmeranteil könne nur dann nach §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt veräußert werden, wenn die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens ruhenden stillen Reserven gleichzeitig aufgelöst wurden. Ein Mitunternehmeranteil i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG umfasse nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht nur den Anteil des Mitunternehmers am Vermögen der Gesellschaft, sondern auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters.
7Hiergegen haben die Kläger am 05.11.2001 Klage erhoben. Sie tragen vor:
8Die Veräußerung des Mitunternehmeranteils der Klinik GbR sowie der Arzneimittelvertriebsgesellschaft stelle bei der Klinik GbR die Veräußerung eines Teilbetriebs und bei der Arzneimittelvertriebsgesellschaft die Veräußerung des gesamten Anteils dar. Hinsichtlich des nicht mitveräußerten Anteils am Grundstück liege ein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs als Teilbetrieb vor. Unterstelle man eine gewerbliche Betriebsaufspaltung, lägen zwischen Schwesterpersonengesellschaften zwei separate Teilbetriebe vor, die jeweils eigenständig den Kriterien der §§ 16 und 34 EStG unterlägen. Die Veräußerung der Teilanteile sei genauso zu behandeln, wie die Veräußerung eines Anteils am Besitzunternehmen bei einer bestehenden Betriebsaufspaltung zwischen Schwesterpersonengesellschaften. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei nicht anteiligem Mitverkauf von Sonderbetriebsvermögen, die stillen Reserven im Bereich des Grundstücks weiterhin steuerverhaftet seien. Hier sei lediglich kein exaktes Zusammenfallen der Aufdeckung der stillen Reserven gegeben.
9Die Kläger beantragen,
10die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1998 vom 16.08.2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2001 dahingehend abzuändern, dass die Besteuerungsgrundlagen mit 375.000 DM auf tarifbegünstigte Veräußerungsgewinne festgesetzt werden.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er trägt vor:
14Eine Betriebsaufspaltung liege nicht vor. Die Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG erfordere, dass auch die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens aufgedeckt würden.
15Im Übrigen wiederholt der Beklagte sein Vorbringen aus der Einspruchsentscheidung.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
18Der durch die Veräußerung der Teilanteile der Klinik GbR und der Arzneimittelvertriebsgesellschaft entstandene Gewinn ist nicht nach §§ 18 Abs. 3, 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt, weil die in dem zum (wesentlichen) Sonderbetriebsvermögen der Kläger gehörenden Grundstück, in Y-Stadt, ruhenden stillen Reserven nicht gleichzeitig im Umfang der veräußerten Anteile aufgedeckt wurden. Dies ergibt sich aus der Anwendung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf den vorliegenden Streitfall (vgl. BFH-Urteil vom 24.08.2000, IV R 51/98, BFHE 192, 534; BFH/NV 2000, 1554; BFH-Urteil vom 12.04.2000, XI R 35/99, BFHE 192, 419, BStBl II 2001, 26). Die für eine Tarifbegünstigung notwendige zusammengeballte Realisierung stiller Reserven ist hier nicht gegeben.
19Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte im Sinn des Absatzes 1 u. a. (nur) Veräußerungsgewinne i. S. der §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG in Betracht. Gemäß § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Dieser Anteil am Vermögen umfasst einkommensteuerrechtlich die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft, einschließlich der dinglichen Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen und etwaiges Sonderbetriebsvermögen (Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 18 Rz. 350 m. w. N.). Bei der Veräußerung eines Praxisanteils gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Veräußerung eines gewerblichen Mitunternehmeranteils (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG) (vgl. Blümich/Hutter, EStG, § 18 Rz. 269 ff).
20Ein Mitunternehmeranteil kann nur dann nach § 16, 34 EStG tarifbegünstigt veräußert werden, wenn die in den wesentlichen Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens ruhenden stillen Reserven gleichzeitig aufgelöst werden (BFH-Urteil vom 19.03.1991, VIII R 76/87, BFHE 164, 260, BStBl II 1991, 635). Die Teilanteilsveräußerung bedeutet eine "vertikale Spaltung" des vollständigen Anteils; ihre Begünstigung setzt die Veräußerung eines Teils des Anteils, zugleich aber auch die quotale Mitveräußerung des (wesentlichen) Sonderbetriebsvermögens voraus. Wird ein Anteil veräußert, ohne dass ein entsprechender Bruchteil des Sonderbetriebsvermögens mitveräußert wird, so ist nicht ein vollständiger Teilanteil Gegenstand der Veräußerung (BFH-Urteil vom 12.04.2000, XI R 35/99, BStBl II 2001, 26; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 410).
21Das Grundstück, in Y-Stadt, gehört zum wesentlichen Sonderbetriebsvermögen der Klinik GbR. Es ist als Klinikgrundstück für die Klinik funktional wesentlich und es beinhaltet auch erhebliche stille Reserven. Bei der Übertragung des anteiligen Gesamthandsvermögens auf Dr. C, wurde das Grundstück nicht anteilig mitveräußert, sodass die stillen Reserven nicht kongruent mitaufgedeckt wurden. Entgegen der Ansicht der Kläger spricht gerade der Umstand, dass die stillen Reserven des Grundstücks weiterhin steuerverstrickt sind und nicht in einem einheitlichen Vorgang mit der Teilanteilsübertragung anteilig aufgedeckt werden, gegen die Anwendung der Tarifbegünstigung nach § 34 EStG. Im Übrigen wird auf die rechtlichen Ausführungen im Beschluss vom 04.01.2002 (Az. 7 V 6289/01 A (F)) verwiesen.
22Der Veräußerungsgewinn i. H. v. 375.000 DM ist auch nicht deswegen als tarifbegünstigter Gewinn zu beurteilen, weil die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einem Betriebsunternehmen bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von Schwesterpersonengesellschaften möglicherweise nach §§ 16, 34 EStG begünstigt sind.
23Richtig ist, dass § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 2. HS EStG (Sonderbetriebseinnahmen, Sondervergütungen) nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Leistungen einer Schwesterpersonengesellschaft, die gewerblich tätig oder gewerblich geprägt ist, nicht anzuwenden ist. Die Qualifikation des Vermögens als Gesellschaftsvermögen und die Einkünfte aus der Verpachtung dieses Vermögens als Einkünfte der gewerblich tätigen Personengesellschaft bei ganz oder teilweise gesellschafteridentischen Personengesellschaften hat nämlich Vorrang vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen und der Einkünfte aus der Verpachtung als Sonderbetriebseinkünfte der Gesellschafter bei der leistungsempfangenden Gesellschaft ( vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1994, VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93). Ebenso steht eine Schwesterpersonengesellschaft, die nur als Besitzgesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung gewerblich tätig ist, diesen Gesellschaften insofern gleich als bei einer Nutzungsüberlassung Betriebseinnahmen und Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft Vorrang vor Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen der Doppelgesellschafter bei der Betriebsgesellschaft haben (BFH-Urteil vom 23.4.1996, VIII R 13/95, BFHE 181, 1; BStBl II 1998, 325). Dies hat nach Ansicht in der Literatur u.a. den Vorteil, dass die isolierte Veräußerung der Anteile an der Besitzpersonengesellschaft nach §§ 16, 34 EStG begünstigt ist (vgl. Schmidt/Schmidt, EStG, § 15 Rz. 605). Das Gleiche dürfte wohl auch für die isolierte Veräußerung der Anteile an der Betriebspersonengesellschaft gelten, so dass insofern das Vorbringen der Kläger zutreffend ist. Im Streitfall finden die Grundsätze der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von Schwesterpersonengesellschaften jedoch keine Anwendung, da dafür die Erzielung von gewerblichen Einkünften Voraussetzung ist. Die Klinik GbR erzielt aber Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.
24Die Ungleichbehandlung von Schwesterpersonengesellschaften im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung im Gegensatz zu der Behandlung im Streitfall verstößt auch nicht gegen das Gleichheitsgebot. Es wird nämlich nicht wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Die Gesellschafter bei einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Diese unterliegen der Gewerbesteuer. Die Rechtsprechung zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von Schwesterpersonengesellschaften hat nicht nur Folgen bezüglich der Gewinne aus Anteilsveräußerungen, sondern eine Vielzahl von einkommensteuerlichen und gewerbesteuerlichen Konsequenzen (vgl. BMF vom 28.4.1998, IV B 2 - S 2241 - 42/98, BStBl I 1998, 583 Tz. 2: z. B ein nur Besitzgesellschafter hat auch gewerbliche Einkünfte, Darlehen zwischen Schwesterpersonengesellschaften sind eventuell Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 GewStG), ein negativer Gewerbeertrag der Besitzpersonengesellschaft darf nicht mit dem positiven Gewerbeertrag der Betriebsgesellschaft verrechnet werden). Wegen dieser erheblichen Nachteile wird diese Rechtsprechung von der Finanzverwaltung erst für nach dem 31.12.1998 beginnende Wirtschaftsjahre angewandt. Im Streitfall erzielen die Gesellschafter der Klinik GbR Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG). Eine Gewerbesteuerpflicht besteht nicht. Die Kläger können nicht für das Streitjahr 1998 die Anwendung der Vorteile einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung für sich in Anspruch nehmen und sämtliche anderen Konsequenzen hier unbeachtet lassen. Zudem ist die Rechtsprechung zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung von Schwesterpersonengesellschaften nur eine Ausnahmerechtsprechung. Daneben gilt weiterhin der Grundsatz, dass Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen die Rechtsfolgen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung verdrängen (vgl. BFH-Urteil vom 24.3.1999, I R 114/97 BStBl II 2000, 399).
25Entgegen der Ansicht der Kläger stellen auch weder der Teilanteil an der Klinik noch das zurückbehaltene Grundstück einen Teilbetrieb dar. Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 143 m.w.N.). Er ist begrifflich u. a. von unselbständigen Betriebsteilen und einzelnen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens abzugrenzen.
26Ein Anteil an einer GbR kann schon nach dem Wortsinn kein Teilbetrieb sein. Das Grundstück ist ebenfalls kein Teilbetrieb, sondern nur ein einzelnes Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens. Das Betriebsvermögen der Klinik GbR umfasst hier nämlich neben dem Grundstück vor allem auch den Praxiswert der Klinik. Das Grundstück, der Praxiswert und das übrige Betriebsvermögen stellen zusammen einen Gesamtbetrieb dar. Insofern ist das Klinikgrundstück kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes. Es ist ohne Klinik, die darin betrieben wird, für sich allein nicht lebensfähig. Zudem ist die Vermietung eines bebauten Grundstücks i. d. R. weder Gewerbebetrieb noch gewerblicher Teilbetrieb. Eine Ausnahme kann nur vorliegen, wenn der Vermieter wesentliche Sonderleistungen erbringt (vgl. Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rz. 160 "Grundstück"). Solche Sonderleistungen sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
27Die Veräußerung des Anteils an der Arzneimittelvertriebsgesellschaft ist für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich, da hier nur die Behandlung des im Rahmen der Beteiligung an der Klinik GbR erklärten Gewinns i. H. v. 375.000 DM streitig ist.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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