Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 6600/01 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 17.12.2002 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten (Fahrtkosten) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 4.610 DM sowie Sonderausgaben (gezahlte Kirchensteuer) in Höhe von 615 DM berücksichtigt werden.
Der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 17.12.2002 wird dahingehend geändert, dass weitere Werbungskosten (Fahrtkosten) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 12.915 DM sowie Sonderausgaben (gezahlte Kirchensteuer) in Höhe von 444 DM berücksichtigt werden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 78,5 v.H. und der Beklagte in Höhe von 21,5 v.H.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Streitig ist die Berücksichtigung von Fahrkosten als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit, die Anerkennung von gezahlten Kirchensteuern als Sonderausgaben und die Einordnung von Aufwendungen für den Ausbau einer Wohnung als Erhaltungsaufwendungen oder Herstellungskosten bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung.
3Der Kläger war in den Streitjahren aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages für die Firma "T" GmbH nichtselbständig tätig. In den Einkommensteuererklärungen 1996 und 1997 machte er Fahrtkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 4.610 DM für 1996 (12.873 DM abzüglich Erstattung des Arbeitgebers in Höhe von 8.263 DM) und in Höhe von 12.915 DM für 1997 (24.328 DM abzüglich Erstattung des Arbeitgerbers in Höhe von 11.413 DM) geltend. Die Fahrtkosten für 1998 in Höhe von 11.089 DM (14.089 DM abzüglich 3.000 DM Erstattung des Arbeitgebers) machte er nicht geltend (vgl. Schriftsatz des Stb. vom 21.9.1999). Im Jahr 1999 erstattete der Arbeitgeber insgesamt 29.429,48 DM.
4Die seit 1980 verheirateten Kläger wohnen auf der Hofanlage "S-Straße 2" in "U-Stadt". Das Obergeschoss des Haupthauses bewohnen sie mit ihrer Familie selbst. Das Erdgeschoss nutzen die Eltern der Klägerin, die früheren Eigentümer, zu Wohnzwecken. Das Hofgebäude war 1908 errichtet worden. Der hintere Gebäudeteil wurde bis 1952 als Wohnraum für Knechte, Mägde und Saisonarbeiter genutzt. Seit 1952 wurden die Räumlichkeiten nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt. 1993 bauten die Kläger das Dachgeschoss des hinteren Gebäudeteils zu einer Mietwohnung um. Die Aufwendungen machten sie als Herstellungskosten im Rahmen jährlicher Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend. Im Veranlagungsjahr 1996 bauten die Kläger das Erdgeschoss des hinteren Hofgebäudes zu einer Mietwohnung um. Die Aufwendungen dafür in Höhe von 87.402,07 DM machten sie als Erhaltungsaufwendungen geltend und verteilten diese auf drei Jahre.
5Aufgrund einer im Jahre 1999 durchgeführten Betriebsprüfung erkannte der Beklagte die geltend gemachten Fahrtkosten nicht als Werbungskosten an, da diese seiner Auffassung nach mit steuerfreien Einnahmen in Zusammenhang stünden. Die geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen sah er als Herstellungskosten an und berücksichtigte diese lediglich im Rahmen einer AfA in Höhe von 2 v. H. als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Bescheide für die Veranlagungsjahre 1996 und 1997 änderte er gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, den Bescheid für den Veranlagungszeitraum 1998 änderte er gem. § 164 Abs. 2 AO. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger am 23.11.2001 Klage erhoben.
6Sie tragen vor:
71996 und 1997 habe nicht festgestanden, ob eine Erstattung der Fahrtkosten durch den Arbeitgeber erfolgen werde, weil dieser in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sei. Überraschend habe der Arbeitgeber im Jahr 1999 rückwirkend die Fahrtkosten erstattet, wobei dies als normaler Arbeitslohn der Einkommensteuer unterworfen worden sei. Es handele sich also um Aufwendungen, die mit steuerpflichtigen und nicht mit steuerfreien Einnahmen zusammenhingen. § 3 c Einkommensteuergesetz (EStG), dessen Zweck das Verbot eines doppelten Vorteils durch die Steuerfreiheit der Einnahmen einerseits und den steuerwirksamen Abzug der Werbungskosten andererseits sei, greife im Streitfall nicht ein.
8Bei den Umbaumaßnahmen 1993 und 1996 seien die Räumlichkeiten lediglich auf einen Stand gebracht worden, der neuesten Wohnansprüchen genüge. Tatsächlich sei der Anbau entgegen den Feststellungen des Bausachverständigen, der anlässlich der Hofübertragung das Gebäude beurteilt habe, schon kurz nach Errichtung des Hofes errichtet worden und von diesem Zeitpunkt an bis 1952 zu Wohnzwecken genutzt worden. In der Zeit danach bis zu den Baumaßnahmen Anfang der 90er Jahre seien die Räumlichkeiten nur als Heu- und Strohlager genutzt worden. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) lägen keine Herstellungskosten vor, denn das Gebäude sei weder erweitert noch aufgestockt worden. Auch sei die nutzbare Fläche nicht vergrößert worden. Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung sei ebenfalls nicht festzustellen. Es seien keine tragenden Außenwände, keine Decken oder Fundamente erneuert worden. Die Lebensdauer des Gebäude sei nicht wesentlich verändert worden. Auch sei der finanzielle Aufwand derart gering, dass dadurch nicht auf eine Substanzveränderung geschlossen werden könne.
9Die Kläger beantragen,
10die Bescheide für 1996 bis 1998 in der Weise zu ändern, dass 1996 weitere Werbungskosten in Höhe von 4.610 DM und weitere Sonderausgaben in Höhe von 615 DM, für 1997 weitere Werbungskosten in Höhe von 12.915 DM und weitere Sonderausgaben in Höhe von 444 DM sowie für alle drei Jahre Erhaltungsaufwendungen in Höhe von jeweils 29.134 DM steuermindernd berücksichtigt werden.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er trägt unter Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht ergänzend vor:
14Die Fahrtkosten seien nach dem Abzugsverbot des § 3 c EStG nicht als Werbungskosten zu erfassen. Dem Kläger seien diese Fahrtkosten im vollen Umfang gem. § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei von seinem Arbeitgeber erstattet worden. Dass dies nicht im Jahr des Entstehens der Aufwendungen geschehen ist, steht dem nicht entgegen, denn § 3 c EStG fordere keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang.
15Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide 1996 und 1997 mit Bescheiden vom 17.12.2002 wegen eines Kirchensteuererstattungsüberhangs im Veranlagungszeitraum 1998 geändert und für 1996 die als Sonderausgaben geltend gemachten gezahlte Kirchensteuer um 615 DM für 1996 und um 444 DM für 1997 gemindert.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist nur teilweise begründet.
18Soweit der Beklagte die geltend gemachten Fahrtkosten nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit anerkannt hat, sind die Bescheide rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
19Bei den Fahrtkosten handelt es sich um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Kläger hat sie zur Erzielung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Immobilienberater für die Firma "T" GmbH aufwenden müssen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Entgegen der Ansicht des Beklagten steht die Vorschrift des § 3 c EStG dem Abzug der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit nicht entgegen. Zwar können nach § 3 c Abs. 1 EStG Werbungskosten insoweit nicht abgezogen werden, als sie mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang stehen. Der Kläger hat jedoch in den Streitjahren und darüber hinaus keine steuerfreien Einnahmen erzielt. Insbesondere sind die Fahrtkostenerstattungen des Jahres 1999 nicht als steuerfreie Einnahmen zu werten. Insoweit handelt es sich um in diesem Veranlagungsjahr als steuerpflichtige Einnahmen zu erfassende negative Werbungskosten (vgl. Drenseck in Schmidt, EStG, 21. Auflage 2002, § 9 Rdnr. 65). Der Kläger selbst hatte auch die Erstattungen teilweise als Fahrtkostenersatz in der Einkommensteuererklärung 1999 (Anlage "N") geltend gemacht. Dass diese vom Beklagten in dem Veranlagungsjahr 1999 nicht der Besteuerung unterworfen worden sind, steht dem Abzug der Fahrtkosten in den Streitjahren nicht entgegen.
20Die Klage hat auch Erfolg im Hinblick auf die in den Steuererklärungen als Sonderausgaben geltend gemachten gezahlten Kirchensteuerbeträge. Insoweit sind den Klägern Aufwendungen entstanden, die gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Der Beklagte war nicht berechtigt, die insoweit bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern.
21Zwar ist nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 28.5.1998 (X R 7/96, Sammlung amtlicher Entscheidungen des BFH - BFHE - 186, 521, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1999, 95) die Änderung einer bestandskräftigen Veranlagung möglich, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Sozialversicherungspflicht nicht bestand und die als Sonderausgaben geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge zurückgezahlt werden. Dasselbe gilt nach BFH vom 24.4.2002 (XI R 40/01, BFHE 199, 167, BStBl. II 2002, 569) wenn ein Zinsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die als Sonderausgaben berücksichtigten Nachzahlungszinsen aufgrund der Aufhebung oder Änderung erstattet werden. Die in diesen Urteilen zum Ausdruck kommende Rechtsansicht ist jedoch nicht auf alle Sonderausgaben, insbesondere den Abzug von gezahlten Kirchensteuern als Sonderausgaben zu übertragen. Anders als in den genannten Urteilen ist im Streitfall nämlich kein rückwirkendes Ereignis (nachträglicher Wegfall der Sozialversicherungspflicht oder Aufhebungs- oder Änderungsbescheid) erkennbar. Die Erstattung von Kirchensteuern im Veranlagungszeitraum 1998 führt lediglich dazu, dass die wirtschaftliche Belastung mit Kirchensteuern in diesem Veranlagungsjahr gemindert wird oder - wie im Streitfall - ganz wegfällt. Die in den Veranlagungsjahren 1996 und 1997 gezahlten Kirchensteuern werden davon jedoch nicht berührt. Tatsächlich waren die Kläger durch die Zahlungen wirtschaftlich belastet. Anders als in den zitierten BFH-Urteilen ist die Rechtsgrundlage für diese Belastung auch nicht - nachträglich - weggefallen. Das Urteil des BFH vom 18.5.2000 (IV R 28/98, Sammlung nicht amtlicher Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2000, 1455) steht der hier vertretenen Rechtsauffassung ebenfalls nicht entgegen. In dem dort entschiedenen Fall hatte der BFH lediglich die Rechtmäßigkeit der Verrechnung von gezahlten Kirchensteuern mit in demselben Jahr erstatteten Kirchensteuern zu beurteilen. Lediglich am Rande hat er - allgemein - die Möglichkeit der Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erwähnt, ohne diese im konkreten Rechtsstreit anzuwenden.
22Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Kläger die Aufwendungen für den Ausbau einer Wohnung über drei Jahre verteilt als Erhaltungsaufwendungen bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Bei den Aufwendungen handelt es sich nämlich um Herstellungskosten im Sinne des § 255 Handelsgesetzbuch (HBG), die lediglich im Rahmen der Absetzung für Abnutzung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
23Nach § 255 Abs. 2 HGB sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird (BFH-Urteile vom 9. Mai 1995, IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632,; vom 13. Oktober 1998, IX R 38/95, BFH/NV 1999, 603; vom 20. August 2002, IX R 61/99, BFH/NV 2003, 148). Eine wesentliche Verbesserung ist danach immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert eines Wohngebäudes von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird. Voraussetzung ist ferner, dass in mindestens drei der maßgebenden Kernbereiche der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär-, Elektroinstallation, Fenster) eine deutliche Steigerung des Nutzungswerts eingetreten ist (BFH-Urteil vom 12. September 2001, IX R 39/97, BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968).
24Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die streitigen Aufwendungen Herstellungskosten, denn die Baumaßnahmen haben das Gebäude wesentlich verbessert. Sie betreffen alle Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung (Heizung, Sanitär-, Elektroinstallation) und gehen über reine Reparaturarbeiten an vorhandenen Einrichtungen, wie z. B. das Ersetzen von defekten Heizkörpern oder die Grundrenovierung eines vorhandenen Badezimmers deutlich hinaus. Nach der Einlassung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde in den Räumen erstmalig eine Zentralheizung eingebaut. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur in einigen, nicht allen Räumen einen Kohleofen. Die sanitären Anlagen wurden komplett erneuert. Bis zur Renovierung habe es eine Toilette mit Waschgelegenheit geben, wobei lediglich ein kalter Wasseranschluss vorhanden gewesen sei. Nach den Baumaßnahmen gibt es ein Bad und ein WC mit Warmwasserbereitung. Ferner seien die vorhandenen einfach verglasten Fenster durch Isolierfenster, die alten Holzböden durch einen neuen Fußboden und die alten Elektroleitungen durch neue Leitungen ersetzt worden.
25Diese Maßnahmen zusammen genommen haben zu einer wesentlichen Verbesserung dieses Teils des Wohngebäudes geführt. Dabei kann der Vortrag des Klägers, die Räumlichkeiten hätten zumindest bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als Wohnraum gedient, als wahr unterstellt werden. Jedenfalls haben die Baumaßnahmen zu einer deutlichen Steigerung des Nutzungswerts in allen Kernbereiche geführt. Die - auch nach den Maßstäben zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes - einfach ausgestatteten Räumlichkeiten für Angestellte und Saisonarbeiter sind durch eine moderne, zumindest mittleren Wohnansprüchen genügende abgeschlossene Wohnung ersetzt worden.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
27Die Revision war zuzulassen. Die Entscheidung hat im Hinblick auf die Berücksichtigung der Kirchensteuer als Sonderausgaben über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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