Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 14 K 503/03 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2003 wird dahin abgeändert, dass der Kinderfreibetrag für zwölf Monate zu berücksichtigen ist. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu 85% und der Beklagte zu 15%.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die verheirateten Kläger sind beide japanische Staatsangehörige und wurden durch den Beklagten für das Streitjahr (1999) zusammenveranlagt.
3Der Kläger hatte im Januar 1996 seine nichtselbständige Tätigkeit bei der deutschen Tochterfirma eines japanischen Unternehmens aufgenommen und wurde dabei aufgrund einer Nettolohnvereinbarung tätig. Sein Bruttoarbeitslohn im Inland betrug laut Lohnsteuerbescheinigungen für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 09.07.1999 212.885,67 DM und für die Zeit danach 1.807,40 DM. Zum 10.07.1999 verzogen die Kläger zusammen mit ihrer am 23.01.1998 geborenen Tochter wieder nach Japan.
4Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1999 gaben die Kläger an, die ausländischen Einkünfte (aus nichtselbständiger Tätigkeit in Japan für ein dortiges Unternehmen) nach dem Umzug hätten 72.143 DM betragen. Sie widersprachen aber der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - auf diese ausländischen Einkünfte.
5Ferner machten sie Umzugskostenpauschalen in Höhe von 7.704,20 DM sowie einen Verlustrücktrag aus 2000 wegen negativer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus der Auszahlung des Erstattungsbetrags an die deutsche Arbeitgeberin geltend.
6Der Beklagte setzte die ausländischen Einkünfte zwar nicht bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, wohl aber bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG an. Als Werbungskosten berücksichtigte der Beklagte nur den Arbeitnehmerpauschbetrag. Die Umzugskosten seien keine Werbungskosten, weil es sich um einen Rückumzug in die Familienwohnung nach Beendigung der doppelten Haushaltsführung handele und ein entsprechender Werbungskostenabzug nur für die ersten zwei Jahre nach Beginn der doppelten Haushaltsführung vom Gesetz zugelassen werde. Den Verlustrücktrag berücksichtigte der Beklagte zuerst nicht in voller Höhe, sondern erst später durch einen Änderungsbescheid im Einspruchsverfahren. Der Kinderfreibetrag wurde nur zeitanteilig gewährt und das erhaltene deutsche Kindergeld in Höhe von 1.500 DM nach §§ 31 Satz 5, 36 Abs. 2 Satz 1 EStG steuererhöhend berücksichtigt.
7Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 13.11.2000 rügten die Kläger neben der Nichtgewährung des vollen Verlustrücktrags vornehmlich die Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sie machten geltend, die wortlautgetreue Anwendung der Vorschrift verstoße gegen den Methodenartikel des Doppelbesteuerungsabkommens, weil dieser nur einen Progressionsvorbehalt für den Ansässigkeitsstaat vorsehe. Vor dem Zuzug in das Inland sei aber das Kaiserreich Japan der Ansässigkeitsstaat gewesen. Zudem verstoße die Vorschrift gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes; ohne rechtfertigenden Grund würden nämlich die Steuerpflichtigen in den Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG schlechter behandelt als ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtige mit Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat eines Abkommens. Bei diesen scheide die Anwendung des Progressionsvorbehalts aus; denn § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG knüpfe an den Progressionsvorbehalt des Abkommens an, der aber nur für den Ansässigkeitsstaat, nicht aber für den Quellenstaat vorgesehen sei.
8Der Beklagte ließ das Rechtsbehelfsverfahren zuerst wunschgemäß ruhen, half allerdings durch Bescheid vom 18.12.2000 hinsichtlich des Verlustrücktrags ab. Nach dem Ergehen der Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Dezember 2001 (I R 63/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2002, 584 sowie inzwischen auch Bundessteuerblatt - BStBl - II 2003, 302) und vom 15. Mai 2002 (I R 41/01, BStBl - II 2002, 660 = BFH/NV 2002, 1224) fragte der Beklagte an, ob der Rechtsbehelf eingeschränkt werde. Mangels entsprechender Reaktion der Kläger wies er den Einspruch am 28.01.2003 unter Hinweis auf die BFH-Urteile als unbegründet zurück, erklärte die Steuerfestsetzung zusätzlich wegen der nur zeitanteiligen Berücksichtigung des Kinderfreibetrags für nach § 165 der Abgabenordnung
9- AO - teilweise vorläufig.
10Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie meinen weiterhin, die wortlautgetreue Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sei mit dem Abkommensrecht und dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Zudem stehe ihnen der Kinderfreibetrag für das gesamte Streitjahr und nicht nur zeitanteilig zu. Vorrangig begehren sie aber eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung in dem Revisionsverfahren VIII R 111/01.
11Die Kläger beantragen,
121. das Verfahren auszusetzen
132. unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2003 und des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 16.08.2001 die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der nach dem Wegzug aus Deutschland im Ausland erzielten Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts sowie unter Gewährung eines Kinderfreibetrags für das ganze Jahr festzusetzen,
14hilfsweise, die Revision zuzulassen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen,
17hilfsweise, die Revision zuzulassen.
18Er verbleibt bei seiner Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren.
19Ein Hefter Steuerakten nebst Einspruchsvorgängen lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
20Den Beteiligten und dem Gericht war aus Parallelverfahren auch das Gutachten von Professor Dr. Vogel für das Verfahren im zweiten Rechtszug vor dem achten Senat des Finanzgerichts Köln bekannt.
21Entscheidungsgründe:
22Das Verfahren ist nicht nach § 74 der Finanzgerichtsordnung -FGO - oder in analoger Anwendung dieser Vorschrift auszusetzen. Es kann offen bleiben, ob ein Musterrevisionsverfahren zu einer Rechtsfrage eine solche Aussetzung rechtfertigen kann, weil eine solche Entscheidung - anders als die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - nicht von Gesetzes wegen über die Beteiligten des Rechtsstreits hinaus rechtliche Bindungswirkung entfaltet.
23Nach den BFH-Entscheidungen zur Auslegung des § 32b Abs. 2 EStG sind neue Revisionsverfahren keine Musterverfahren mehr, sondern nur noch Parallelverfahren zu derselben Rechtsfrage, die jedenfalls kein Aussetzung des Verfahrens mehr zulassen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. März 1999 II B 79/98, BFH7NV 1999, 1225 a. E.).
24Das noch anhängige Revisionsverfahren VIII R 111/01 gebietet ebenfalls keine Aussetzung des Verfahrens mit Rücksicht auf eine höchstrichterliche Entscheidung zur ganzjährigen oder nur zeitanteiligen Berücksichtigung des Kinderfreibetrags. Der Senat übt sein Ermessen im Sinne eines Absehens von einer Verfahrensaussetzung aus, weil nicht feststeht, dass in diesem Verfahren die Rechtsfrage entschieden wird. Ausweislich des Tatbestands der Vorinstanz (Urteil des Finanzgericht Baden-Württemberg - Außensenate in Stuttgart - vom 22. Mai 2001 4 K 97/98, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2002, 410) hatte nämlich das Finanzamt bereits ganzjährig den Kinderfreibetrag berücksichtigt, so dass eine etwaige Revisionsentscheidung diese Frage womöglich offen lassen kann.
25Es wird auch von einer Umdeutung in einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens abgesehen. Einem solchen Ruhensantrag der Kläger wäre nämlich nicht zu entsprechen.
26Es fehlt bereits an dem dafür nach § 155 Abs. 1 FGO i. V. m. § 251 der Zivilprozessordnung - ZPO - erforderlichen Einverständnis des Beklagten. Hieran ändert auch die Anhängigkeit einer erneuten Revision (Az.: I R 19/03) nichts. Das Zwangsruhen bei Anhängigkeit eines Verfahrens zu einer Rechtsfrage vor einem obersten Gerichtshof gilt nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO nur für das Einspruchsverfahren. Für das Klageverfahren fehlt es an einer entsprechenden Vorschrift in der FGO.
27Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
28Nur insoweit ist der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 16.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.01.2003 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
291. Der Beklagte hat das zu versteuernde Einkommen im Streitjahr weitgehend ohne Rechtsfehler ermittelt. Allerdings ist der Kinderfreibetrag ganzjährig zu berücksichtigen.
301.1 Die Kläger waren vom 01.01.1999 bis zum 09.07.1999 aufgrund ihres Wohnsitzes im Inland nach § 1 Abs. 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Für diesen Zeitraum konnte also nach dem nationalen Steuerrecht das erzielte Welteinkommen besteuert werden.
31Dazu gehörte der Arbeitslohn aus dem Dienstverhältnis des Klägers mit seiner inländischen Arbeitgeberin, der ihm in diesem Zeitraum zufloss.
32Mit dem im weiteren Verlauf des Streitjahres noch gezahlten Arbeitslohn in Höhe von 1.807,40 DM war der Kläger nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig. Er wurde ihm nämlich nachträglich - als Bonus oder ähnlich zu qualifizierende Zahlung - für die im Inland ausgeübte nichtselbständige Arbeit gezahlt.
331.2 Die Bundesrepublik Deutschland war auch nicht durch völkervertragsrechtliche Regelungen an der vollen Ausübung ihres Besteuerungsrechts für den vom Kläger im Inland erzielten Arbeitslohns gehindert. Eine Einschränkung ergibt sich namentlich nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Japan zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und anderer Steuern - DBA-Japan - vom 22. April 1966 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1967 II, 872).
34Die uneingeschränkte Befugnis zur Ausübung des nationalen Besteuerungsrechts folgt für den Bruttoarbeitslohn in Höhe von 212.885,67 DM aus Artikel 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Japan. Die Bundesrepublik Deutschland war nämlich für diesen Zeitraum der Ansässigkeitsstaat i. S. des DBA-Japan. Die Kläger waren aufgrund ihres Wohnsitzes im Inland hier unbeschränkt steuerpflichtig und dadurch im Inland ansässig nach Artikel 4 Abs. 1 DBA-Japan. Offen bleiben kann, ob sie zu diesem Zeitpunkt auch noch in Japan nach dem japanischen Steuerrecht ansässig waren. Nach Art 4 Abs. 2 DBA-Japan gelten für den Fall der Doppelansässigkeit nicht irgendwelche "tie breaker" oder Vorrangigkeitsregeln nach dem Vorbild des Art 4 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation of Economic Cooperation and Development - OECD-MA - , sondern die Lösung wird einem Verständigungsverfahren überlassen. Zwischenzeitlich haben die beiden Steuerverwaltungen für den Fall einer über ein Jahr dauernden Arbeitsabwesenheit von Japan vereinbart, dass nicht mehr von einer Ansässigkeit im Japan auszugehen ist (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 09.07.2002 IV B 4 - S 1304 JAPAN - 6/02, Steuererlasse in Karteiform, Doppelbesteuerung Japan Nr. 5). Der Kläger hielt sich wegen seines Dienstverhältnisses zu seiner inländischen Arbeitgeberin vom 04.01.1996 bis zum 09.07.1999, also mehr als zwölf Monate, im Inland auf. Für die Klägerin, die den von der Erwerbstätigkeit bestimmten Aufenthaltsort des Klägers teilte, kann nichts anderes gelten.
35Für den nachträglich gezahlten Arbeitslohn hält Artikel 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Japan das deutsche Besteuerungsrecht aufrecht. Er war nämlich Entlohnung für eine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit und durfte folglich von der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat besteuert werden, auch wenn der Kläger in diesem Zeitraum bereits wieder im Kaiserreich Japan abkommensrechtlich ansässig war. Ein Besteuerungsrecht des Kaiserreichs Japan und damit eine Einschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland folgt auch nicht aus Artikel 15 Abs. 3 DBA-Japan; denn die Voraussetzung des Artikels 15 Abs. 3 Buchstabe b) DBA-Japan ist nicht erfüllt. Der Arbeitslohn wurde nämlich von einer im Inland ansässigen Arbeitgeberin gezahlt.
361. 3 Gegen die Höhe des angesetzten Arbeitslohns bestehen keine Bedenken.
37Nach Aktenlage drängen sich keine Zweifel an dem von beiden Beteiligten zwischenzeitlich akzeptierten Ansatz auf.
381.4 Der Beklagte hat aber in dem angefochtenen Bescheid einen zu geringen Kinderfreibetrag berücksichtigt.
39In den Fällen der nur zeitweise unbeschränkten Einkommensteuerpflicht während eines Kalenderjahres ist der Kinderfreibetrag nicht nur zeitanteilig, sondern ganzjährig zu berücksichtigen.
40Keine Einschränkung ergibt sich aus § 32 EStG; eine zeitanteilige Kürzung nach dem Monatsprinzip ist dort nur für die Frage vorgesehen, ob es sich um ein zu berücksichtigendes Kind handelt (§ 32 Abs.4 Satz 6 EStG). Hieraus ergibt sich, dass dieses Prinzip für andere Voraussetzungen des Kinderfreibetrags in § 32 EStG nicht anzuwenden ist (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2001 4 K 97/97, a. a. O.). Es kann offen bleiben, ob für eine gesetzliche Regelung des zeitlichen Umfangs des Kinderfreibetrags in den Wechselfällen des § 2 Abs. 7 EStG ein besonderer Anlass bestand hätte. Eine gesetzliche Regelung ist jedenfalls nicht erfolgt und es ist auch keine teleologische Reduktion des Merkmals "zu berücksichtigendes Kind" möglich. Der Gesetzgeber hat sich nämlich in anderem Zusammenhang (§ 32 Abs. 6 Nr. 1 EStG bei unbeschränkter Steuerpflicht nur eines Ehegatten) für die volle Berücksichtigung des Kinderfreibetrags nach beiden Elternteilen bei dem allein unbeschränkt steuerpflichtigen Elternteil entschieden. Ob die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Steuersatzberechnung nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG allein bereits die ganzjährige Berücksichtigung des Kinderfreibetrags bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens gebietet (so allerdings FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2001 4 K 97/98, a. a. O.) oder unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht eine zeitanteilige Zuordnung zur Einkommens- und zur Steuersatzberechnung ausreichen würde, kann offen bleiben.
41Der Beklagte kann sich auch nicht auf § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG berufen, dessen Voraussetzungen in Form der beschränkten Steuerpflicht allerdings im Streitfall zum Teil vorliegen. Der Kläger war nämlich durch den ihm nach seinem Wegzug noch zugeflossenen Arbeitslohn beschränkt steuerpflichtig; die Klägerin war dagegen noch nicht einmal beschränkt steuerpflichtig.
42Für eine uneingeschränkte Anwendung des § 50 EStG auf den Zeitraum der beschränkten Einkommensteuerpflicht in den Wechselfällen ist jedoch kein Raum. Vielmehr gelten für die Veranlagung in diesen Wechselfällen die Vorschriften für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, soweit sich aus § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG nicht ausdrücklich etwas abweichendes ergibt. Die für das zeitliche Aufeinanderfolgen von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht in dieser Vorschrift angeordnete Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht bedeutet eine Steuerermittlung nach den Regeln für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht einschließlich aller in § 50 EStG für beschränkt Steuerpflichtige abbedungenen Vorschriften. Eine Einschränkung der Regeln über die unbeschränkte Steuerpflicht ergibt sich nur insoweit, als nur die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte einbezogen werden. Dies begrenzt die einzubeziehenden Einkünfte auf die inländischen Einkünfte nach § 49 EStG und erlaubt womöglich die Anwendung einschränkender, eindeutig einkünftebezogener Regelungen des § 50 Abs. 1 EStG, nicht aber den Ausschluss des § 32 EStG nach § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG. Für die Wechselfälle zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht existiert anders als für die Antragsveranlagungsfälle des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG auch kein besonderer Hinweis auf die Anwendbarkeit des § 50 Abs. 1 EStG. § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 Satz 5 EStG bedingt ausdrücklich den § 50 Abs. 1 Satz 6 EStG ab und zwingt daher zu dem Schluss, dass die anderen Sätze des § 50 Abs. 1 EStG anzuwenden sind. Zudem ist die Anwendung der Vorschriften über die Veranlagung unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger auf Fälle, bei denen nur inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingehen, dem EStG nicht fremd. Der Gesetzgeber hat diese Regelung ausdrücklich in § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen.
43Auch aus der - monatsweise durchzuführenden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 2003 VIII R 72/99, BFH/NV 2003, 898) - Günstigerprüfung ergeben sich keine Argumente gegen den ganzjährigen Ansatz des Kinderfreibetrags. Für den Zeitraum des Wohnsitzes des Kindes in Japan ergibt die Günstigerprüfung für alle Monate, dass der Ansatz des Kinderfreibetrags günstiger ist als die Berücksichtigung von mit Kindergeld vergleichbaren Leistungen in dem späteren Wohnsitzstaat des Kindes. Solche Leistungen sind für Japan nicht feststellbar. Eine Steuerentlastung bei der Einkommensteuer in Japan durch einen etwaigen Kinderfreibetrag ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Aus der technischen Abwicklung über § 36 Abs. 2 EStG und dem Abstellen auf gezahltes Kindergeld nach ausländischem Recht in § 31 Satz 6 EStG muss nämlich darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber nur getrennt ausbezahlte und damit eindeutig feststehende, nicht aber erst noch besonders zu ermittelnde Geldbeträge im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nach inländischem oder ausländischem Recht berücksichtigt wissen will.
44Für den Zeitraum der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ergibt sich aus der von der Klägerseite nicht beanstandeten Berechnung in dem angefochtenen Bescheid für alle Monate, dass der Ansatz des Kinderfreibetrags günstiger ist als eine Beschränkung des Familienleistungsausgleichs auf das gezahlte Kindergeld.
451. 5 Andere Rechtsfehler zum Nachteil der Kläger bei der Ermittlung des Einkommens als Bemessungsgrundlage sind weder gerügt noch nach Aktenlage erkennbar.
462. Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid auch zu Recht den besonderen Steuersatz gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG angewandt. Er hat dabei die anzusetzenden ausländischen Einkünfte zutreffend ermittelt.
472.1 Die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Progressionsvorbehalts lagen nämlich vor. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG sieht vor, dass in den Fällen der zeitweise unbeschränkten Steuerpflicht einschließlich der in § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG geregelten Fälle bei Bezug ausländischer Einkünfte im Veranlagungszeitraum, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, ein besonderer Steuersatz auf das zu versteuernde Einkommen nach § 32a Abs. 1 EStG anzuwenden ist.
48Die Kläger waren im Streitjahr nur für einen Teil des Jahres unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
49Der mit der Klägerin zusammenveranlagte Kläger hat im übrigen Teil des Streitjahres auch ausländische Einkünfte bezogen, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterlagen. Bei dem Gehalt in Japan handelte es sich um ausländische Einkünfte i. S. des § 34d Nr. 5 EStG; denn der Kläger übte die nichtselbständige Arbeit in einem Dienstverhältnis zu einem privaten Arbeitgeber in einem ausländischen Staat aus. Es unterlag auch nicht der deutschen Einkommensteuer, weil die Kläger nach ihrem Wohnsitzwechsel aus Deutschland gemäß des § 1 Abs. 4 EStG nur mit ihren inländischen Einkünften i. S. des § 49 EStG steuerpflichtig waren und das Gehalt in Japan nicht die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 EStG erfüllte.
50Eine abweichende Auslegung ist nicht aus systematischen Gründen geboten.
51Nach der früheren Ausgestaltung des Progressionsvorbehalts im deutschen Steuerrecht als einer teilweisen Rückgängigmachung der Wirkungen einer Steuerbefreiung für die Berechnung des Einkommens als Ausgangsgröße für die Ermittlung des auf das gekürzte Bemessungsgrundlageneinkommen anzuwendenden Steuersatz konnten im Rahmen des Progressionsvorbehalts nur steuerbare Einkünfte berücksichtigt werden. Mit dem neugeschaffenen § 32b EStG steht es dem Gesetzgeber aber frei, eigenständige Regeln zur Ermittlung des Steuersatzeinkommens im Rahmen des Progressionsvorbehalts aufzustellen und dabei über den Bereich der steuerbaren Einkünfte hinauszugreifen. Er kann für die Ermittlung des besonderen Steuersatzes alle Einkünfte heranziehen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht im Zeitpunkt ihres Erzielens zum Welteinkommen gehören würden. Eine dagegen sprechende, dem Gesetzgeber quasi vorgegebene Systematik gibt es nicht, wie die Rechtsvergleichung eindeutig zeigt. Im Schweizerischen Recht der interkantonalen und internationalen Doppelbesteuerung werden nämlich seit jeher die im einzelnen Kanton oder in der Schweiz nicht steuerbaren Einkünfte in die Steuersatzermittlung mit einbezogen (vgl. nur Artikel 44 des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer Wehrsteuer vom 9. Dezember 1940 mit späteren Änderungen sowie die in dem Gutachten von Professor Dr. Vogel angeführte ständige Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts).
522.2 Der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG im oben dargelegten Sinn steht auch nicht das Abkommensrecht - im Streitfall das DBA-Japan - entgegen.
532.2.1 Eine solche Einschränkung ergibt sich nicht aus der Verteilungsnorm für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - hier Artikel 15 DBA-Japan. Besteuern durfte diese Einkünfte allerdings nur der jeweils andere Vertragsstaat des DBA. Dies folgt bereits daraus, dass die nichtselbständige Arbeit in diesem Staat ausgeübt wurde - Artikel 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Japan -.
54Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland kann auch nicht auf die sog. 183-Tage-Klausel - Artikel 15 Abs. 2 DBA-Japan - gestützt werden. Es fehlt nämlich bereits die negative Tatbestandsvoraussetzung des Buchstaben b) der jeweiligen Abkommensvorschrift, weil der Arbeitslohn von einem in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber gezahlt wurde. Zudem war die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt des Erzielens dieser Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nicht mehr der Ansässigkeitsstaat i. S. des DBA, weil dies nach Artikel 4 Abs. 1 DBA-Japan eine unbeschränkte Steuerpflicht der natürlichen Person voraussetzt. Die Klägerin war in diesem Zeitraum aber unstreitig in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht einmal beschränkt einkommensteuerpflichtig und der Kläger nur beschränkt steuerpflichtig.
55Eine Einschränkung bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts auf die nach 1. in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte ergibt sich trotzdem nicht aus der Verteilungsnorm des DBA. Die Heranziehung der nach dem DBA nur im anderen Vertragsstaat oder in einem Drittstaat zu besteuernden Einkünfte für die Ermittlung des Steuersatzes auf nach dem Abkommen in dem Anwenderstaat zu besteuernde Einkünfte ist nämlich keine - auch keine verkappte - Besteuerung der in diesem Staat abkommensrechtlich steuerbefreiten Einkünfte. Es ist vielmehr nur Sinn und Zweck des Progressionsvorbehalts, auf den allein der Besteuerung unterliegenden Teil des Gesamteinkommens mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen den Steuersatz anzuwenden, der sich bei Berücksichtigung des Gesamteinkommens ergeben würde. Die Unrichtigkeit des Vorwurfs einer verkappten Besteuerung steuerbefreiter Einkünfte und damit eines Verstoßes gegen die Verteilungsnorm eines Doppelbesteuerungsabkommens wird evident, wenn die Anwendung des Progressionsvorbehalts nicht den Steuersatzvorteil, sondern vielmehr einen Steuersatznachteil aus dem Bezug steuerfreier Bezüge verhindert, etwa beim Ansatz eines Verlusts aus einer aktiven Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts.
562.2.2 Der Anwendung der nationalen Progressionsvorschriften steht auch der Methodenartikel des Abkommens - im Streitfall Artikel 23 Abs. 1 DBA-Japan - nicht entgegen.
57Dies folgt allerdings nicht aus dem ausdrücklich in der vorgenannten Abkommensnorm enthaltenen (abkommensrechtlichen) Progressionsvorbehalt. Die Bundesrepublik Deutschland war nämlich im entscheidenden Zeitraum nicht der Ansässigkeitsstaat nach dem Abkommen. Dabei ist nicht auf den Zeitpunkt des Erzielens der in das zu versteuernde Einkommen eingegangenen Einkünfte abzustellen in dem die Kläger in der Bundesrepublik auch abkommensrechtlich ansässig waren. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt des Erzielens der für die Steuersatzermittlung im Rahmen des Progressionsvorbehalts zusätzlich heranzuziehenden Einkünfte. In diesem Zeitraum konnte die Bundesrepublik Deutschland schon deshalb nicht der Ansässigkeitsstaat im Abkommenssinne sein, weil die Klägerin noch nicht einmal beschränkt einkommensteuerpflichtig und der Kläger nur beschränkt steuerpflichtig war.
58Der Methodenartikel hindert die Anwendung des nationalen Progressionsvorbehalts aber dennoch nicht: Es ist nämlich nicht erforderlich, dass ein ausdrücklicher Vorbehalt auch für den Quellensteuerstaat im Abkommen enthalten ist, sondern es reicht aus, dass das Abkommen dem Progressionsvorbehalt nicht entgegensteht (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, a. a. O. m.w.N.;. FG Köln, Urteil vom 10. Dezember 2002, 7 K 1169/99, IStR 2003, 272 und FG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2003, V 194/98, EFG 2003, 857). Nach geläutertem Rechtsverständnis sind in Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommene Progressionsvorbehalte nur deklaratorisch und können innerstaatliche gesetzliche Regelungen über den Progressionsvorbehalt weder ersetzen noch einschränken. Solche Abkommen begründen nämlich keine innerstaatlichen Besteuerungsansprüche, sondern wollen solche bestehenden Ansprüche in Form von Steuerbefreiungen oder Steuerermäßigungen nur einschränken. Sie begründen und verteilen auch keine Besteuerungsrechte der Vertragsstaaten, sondern setzen deren originäre Besteuerungsrechte voraus und koordinieren nur deren Ausübung, um eine Überbelastung der Abkommensberechtigten durch eine juristische Doppelbesteuerung tunlichst zu vermeiden. Es liegt von daher auf der Hand, dass sie vom Ansatz her auch nicht den nationalen Steuersatz für die Steuer auf Steuergüter regeln wollen, deren Besteuerung nach dem Abkommen voll einem Vertragsstaat zugewiesen ist.
59Die Behörden und Gerichte sind auch nicht im Hinblick auf § 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -BVerfGG- zu einer abweichenden Handhabung verpflichtet. Aus dem BVerfG - Beschluss vom 10. März 1971 (2 BvL 3/68, BStBl II 1973, 431) ergibt sich keine solche Bindung. Zwar führt das BVerfG in dem Beschluss aus, die aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens befreiten Einkünfte seien der inländischen Einkommensbesteuerung schlechthin entzogen; sie würden als nicht vorhanden gelten. Ohne einen Progressionsvorbehalt im Abkommen dürften die befreiten Einkünfte auch nicht für die Ermittlung des Steuersatzes herangezogen werden.
60Aus dem ausdrücklichen Hinweis auf das Fehlen einer mit § 8 Abs. 4 des Erbschaftssteuergesetzes - ErbStG - vergleichbaren Vorschrift im EStG ist aber abzuleiten, dass damit nur die damalige Rechtsprechung und Lehre zum Progressionsvorbehalt im Einkommensteuerrecht wiedergegeben wurde. Mit der Aufnahme einer innerstaatlichen Gesetzesvorschrift über den Progressionsvorbehalt in das EStG ist aber gerade eine mit § 8 Abs. 4 des damaligen ErbStG vergleichbare Vorschrift geschaffen worden. Eine Bindung an die damalige Auslegung des einfachen Rechts zum Progressionsvorbehalt durch das BVerfG kann folglich nicht mehr bestehen, wenn man nicht sogar angesichts der heutigen Existenz einer innerstaatlichen Norm zum Progressionsvorbehalt im EStG und angesichts des Verweises auf § 8 Abs. 4 ErbStG in der Entscheidung den Rückschluss ziehen will, dass das BVerfG bei der heutigen Gesetzeslage eine abweichenden Auffassung vertreten würde.
61Schließlich ist eine Bindungswirkung der BVerfG-Entscheidung auch deshalb zu verneinen, weil die Ausführungen zum Progressionsvorbehalt nur die Auslegung einfachen Gesetzesrecht bzw. der im damaligen Normenkontrollverfahren zu prüfenden Vorschrift betrafen, nicht aber die Auslegung von spezifischem Verfassungsrecht (so wohl Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Behtge, Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Anm. 88 und 267ff) bzw. der im jeweiligen Verfahren entscheidenden Maßstabsnorm (vgl. Rennert in Umbach/Clemens, Kommentar zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Rz. 75). In dem damaligen Verfahren war aber das Revisionsprotokoll zum früheren Abkommen am Maßstab der Verfassung zu überprüfen, nicht aber selbst Maßstabnorm für eine erst nachfolgende Prüfung.
62Eine Einzelauslegung des Methodenartikels ergibt auch keine theoretisch mögliche vom generellen Ansatz abweichende Auslegung dieser Norm. Aus der Aufnahme eines Progressionsvorbehalts mit eingeschränktem Anwendungsbereich, nämlich nur dem Ansässigkeitsstaat als Adressatem, folgt keine Abkommensauslegung dahin, dass ansonsten die Anwendung nationalstaatlicher Regeln über den Progressionsvorbehalt durch das Abkommen verboten sei. Der namentlich von Vogel (in Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Auflage - DBA -, Art. 23 Rz. und auch in dem eingereichten Gutachten) vertretenen Auffassung, eine Auslegung des jeweiligen Progressionsvorbehalts in dem speziellen Abkommen gebiete die Auslegung im Sinne des Verbots eines Progressionsvorbehalts ohne besondere abkommensrechtliche Grundlage, ist nicht zu folgen.
63Für die Auslegung des Artikels 23 Abs. 1 Buchstabe a ) Satz 2 DBA-Japan ist neben dem Wortlaut als besonderes Hilfsmittel der Kommentar zum Artikel 23 A des OECD-Musterabkommens - OECD-MA - 1963 heranzuziehen. Denn einmal entspricht der Progressionsvorbehalt im DBA-Japan dem Artikel 23A OECD-MA 1963, weil er nur einen Progressionsvorbehalt für nach dem Methodenartikel freigestellte Einkünfte vorsieht und ferner ist diese Regelung des DBA-Japan nach Erscheinen des Kommentars zum OECD-MA 1963 und vor Verabschiedung des OECD-MA 1977 völkerrechtlich vereinbart und durch die Parlamente transformiert bzw. mit dem innerstaatlichen Anwendungsbefehl versehen worden. Dies legt es nahe, die Auffassung des Kommentars zum OECD-MA 1963 in diesem Punkte angesichts der übereinstimmenden Regelung im DBA als besondere Wortbedeutung zu verstehen. In dem Kommentar wird aber entgegen der Auffassung im Gutachten nicht die Vereinbarung eines Progressionsvorbehalts für den Quellenstaat gefordert, wenn dieser eine entsprechende nationale Regelung anwenden will. In Ziffer 36 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Fassung des Artikels - also einschließlich des Progressionsvorbehalts für den Wohnsitzstaat - der Anwendung der Vorschriften des innerstaatlichen Rechts über die Progression nicht vorgreift (".. does not prejudice "). Zur Klarstellung der Zulässigkeit und Reichweite eines solchen Rechts des Quellenstaats kann es hierüber zweiseitige Verhandlungen geben ("If two Contracting States wish to clarify, ... they are left free to do so in bilateral negotiations."). Klarstellung ist aber eindeutig etwas anderes als Erforderlichkeit. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der von Vogel gezogene Gegenschluss zum ausdrücklichen Progressionsvorbehalt nur für den Wohnsitzstaat im Abkommen nicht. Es drängt sich vielmehr ein Gegenschluss zu den Steuersatzbegrenzungen für den Quellenstaat bei Dividenden, Zinsen und Lizenzen mit dem Ergebnis auf, dass abkommensrechtlich ohne solche Begrenzungen der Quellenstaat keinerlei Einschränkungen beim Steuersatz für die ihm vollständig zur Besteuerung überlassenen Steuergüter unterliegt.
64Anhaltspunkte für die vorstehende Abkommensauslegung finden sich in der im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen als völkerrechtlichen Vereinbarungen als zusätzliches Erkenntnismittel heranzuziehenden Staatenpraxis. Abzustellen ist dabei auf die kontinentaleuropäischen Staaten, weil für angelsächsische Staaten und von ihrem Steuerrecht beeinflusste andere Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorrangig die Anrechnungs- und nicht die Freistellungsmethode verwandt wird und sich bei jener die Frage eines Progressionsvorbehalts nicht stellt. Im deutschsprachigen Ausland wurde aber bereits seit längerem in unterschiedlichem Umfang die Zulässigkeit eines Progressionsvorbehalts auch im Quellenstaat allein aufgrund nationalstaatlicher Regelungen angenommen. Die Schweiz nimmt seit jeher das Recht zur Anwendung des Progressionsvorbehalts aufgrund nationalstaatlicher Regelungen auch ohne besondere Abkommensbestimmung für sich in Anspruch (vgl. die im Gutachten von Prof. Dr. Vogel angeführte Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts). Sie hat damit übereinstimmend im Revisionsprotokoll 1959 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Deutschen Reich von 1931 ausdrücklich einen Progressionsvorbehalt auch für den Quellenstaat i. S. des Abkommensrecht vereinbart und dabei die Auffassung vertreten, es handele sich nur um eine Klarstellung.
65Aufgenommen wurden dabei Überlegungen aus den Arbeiten des Völkerbundes für ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Artikel 11 des Konferenzentwurfs Nr. c lautete nämlich (hier zitiert nach Dorn, Die Entwicklung des internationalen Steuerrechts seit 1928, Steuer und Wirtschaft 1931, hier Spalte 1034): "Wenn in Ausführung der Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens einer der zwei vertragschließenden Staaten darauf verzichtet hat, einen Bestandteil des Einkommens oder Vermögens zu besteuern, so bleibt ihm das Recht, auf die nicht seiner Besteuerung entzogene Steuermasse den Tarifsatz seiner Gesamteinkommensteuer oder Gesamtvermögensteuer anzuwenden, der der Gesamtheit des Einkommens oder des Vermögens des Steuerpflichtigen entspricht."
66Gegen die Höhe der angesetzten ausländischen Einkünfte sind im Klageverfahren keine Einwendungen erhoben worden. Rechtsfehler drängen sich nach Aktenlage auch nicht auf.
673. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG in der unter 2. entwickelten Auslegung verstößt nicht gegen das Grundgesetz - GG -.
683.1 Namentlich der von den Klägern gerügte Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die denkbaren Vergleichsfälle werden genauso oder entsprechend ihrer Verschiedenheit unterschiedlich behandelt. Dabei kann offen bleiben, ob die Unterschiede zwischen den schon nicht steuerbaren, aber nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG in den Progressionsvorbehalt einbezogenen Einkünften und den als Teil des Welteinkommens steuerbaren, aber womöglich durch ein Doppelbesteuerungsabkommen befreiten, jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG in den Progressionsvorbehalt einbezogenen Einkünften nicht schon von vornherein eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würden. Selbst wenn man darauf abstellt, dass die nicht steuerbaren Einkünfte wegen ihrer weniger intensiven Inlandsverknüpfung nicht in weitergehendem Umfang in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden dürften als steuerbare, aber abkommensrechtlich steuerbefreite Einkünfte, liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vor. Nach neuerem Rechtsverständnis werden die vergleichbaren Sachverhalte nämlich gleich behandelt.
693.1.1 Soweit ein Vergleich mit ganzjährig unbeschränkt steuerpflichtigen und auch ganzjährig abkommensrechtlich in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Personen gezogen wird, ist darauf hinzuweisen, dass entsprechend den unterschiedlichen Voraussetzungen beide Sachverhalte von Gesetzes wegen nicht gleich behandelt werden: Bei dem ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit in der Bundesrepublik Deutschland werden die ausländischen Einkünfte (auch) in die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer einbezogen, während sie im Fall des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG nur im Rahmen des Steuersatzes von Bedeutung sind. Soweit nach einem Doppelbesteuerungsabkommen eine Befreiung eingreift, ist der Progressionsvorbehalt auch nach der von der Klägerseite vertretenen Auffassung aufgrund seines Vorbehalts im Abkommen von der Bundesrepublik als Ansässigkeitsstaat anzuwenden. Für die Annahme einer willkürlichen Gleichbehandlung ungleich gelagerter Sachverhalte, aus der sich gegebenenfalls ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben könnte, besteht folglich kein Ansatzpunkt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, a.a.O.).
703.1.2 Es liegt aber auch keine abweichende Behandlung im Vergleich zu ganzjährig unbeschränkten Steuerpflichtigen mit abkommensrechtlicher Ansässigkeit in einem ausländischen Staat vor. Auch in diesen Fällen kann nämlich die Bundesrepublik Deutschland nach geläutertem Rechtsverständnis gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG den Progressionsvorbehalt anwenden.
71Zur abkommensrechtlichen Zulässigkeit des Progressionsvorbehalts aufgrund einer nationalen Rechtsvorschrift gelten die vorstehenden Ausführungen unter 2. entsprechend.
72Aber auch die nationale Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG ist dahingehend auszulegen, dass wie im Abkommensrecht das DBA den Progressionsvorbehalt nicht ausdrücklich erlauben muss, sondern ihn nur nicht verbieten darf. Eine abweichende Auslegung würde nicht genügend die geläuterte Rechtsauffassung zur Auslegung eines Progressionsvorbehalts in den Doppelbesteuerungsabkommen berücksichtigen, zu sehr auf die Gesetzesmaterialien bei der erstmaligen Einführung des § 32b EStG abstellen und auch den mit der Neufassung des § 32b EStG ansonsten angestrebten weiten Anwendungsbereich der Vorschrift außer Betracht lassen. Nachdem die Aufnahme von Progressionsvorbehalten in Doppelbesteuerungsabkommen als nur klarstellend und nicht mehr als konstitutiv eingestuft werden, § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG aber erkennbar an das jeweilige Abkommen anknüpfen will, ist die neue Auslegung der nationalen Vorschrift durch den BFH zulässig, selbst wenn vom Wortlaut her eine andere Auslegung nahe liegen würde. Der Wortsinn lässt eine Auslegung der Worte " nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ... unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer steuerfrei sind " in dem Sinne noch zu, dass hierfür eine Befreiung unter auch nicht ausdrücklicher Zulassung durch das Abkommen ausreicht. Auch wenn § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG insoweit wörtlich den § 32b EStG aus dem Steuerreformgesetz 1975 übernimmt, zwingen die damaligen Ausführungen in der Begründung zum Gesetzentwurf nicht dazu, den heutigen Text im Sinne einer Anknüpfung an einen ausdrückliche Progressionsvorbehalt im Doppelbesteuerungsabkommen auszulegen. Die geläuterte Rechtsauffassung über die Rechtsnatur der abkommensrechtlichen Progressionsvorbehalte ist ein vom historischen Gesetzgeber nicht gewürdigter Umstand, der bei der teleologischen Auslegung entscheidend zu berücksichtigen ist. Zudem sieht § 32b Abs. 1 Nr. 3 2. Alternative EStG für die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG oder die Antragsveranlagung nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG ebenfalls einen Progressionsvorbehalt vor, bei dessen Anwendung genauso Doppelbesteuerungsabkommen einschlägig sein können, aber gerade nicht an einen abkommensrechtlichen Vorbehalt angeknüpft wird, sondern es nur auf die Zulässigkeit nach dem oder den Abkommen ankommt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine verfassungskonforme weite Auslegung von § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG geradezu geboten.
733.1.3 Es liegt auch kein Gleichheitsverstoß darin, dass bei ganzjähriger beschränkter Steuerpflicht anders als in den Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG regelmäßig kein Progressionsvorbehalt anzuwenden ist. Mit dem BFH (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2001, I R 63/00, a. a. O. m.w.N.;. FG Köln, Urteil vom 10. Dezember 2002, 7 K 1169/99, a. a. O. und FG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2003, V 194/98, a. a. O.) ist dafür auf die mangelnde Vergleichbarkeit von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht nach dem EStG abzustellen. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht werden nur ganz bestimmte inländische Einkünfte einer Besteuerung unterworfen, bei der im Ausland gegebene Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend unberücksichtigt bleiben. Die Ausgestaltung der Besteuerung nimmt nur rudimentär auf die persönliche Leistungsfähigkeit Rücksicht. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen bewirken in der Regel keine Steuerminderung. Auch Verlustausgleich und Verlustabzug sind nur eingeschränkt möglich. Die Einkommensteuer auf steuerabzugspflichtige Einkünfte gilt mit dem Abzug als abgegolten. Soweit nach § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG eine Veranlagung auch hinsichtlich der Lohneinkünfte erfolgt, sieht § 32b Abs. 1 Nr. 3 2. Alternative EStG gerade die Anwendung eines Progressionsvorbehalts vor.
743.2 Auch soweit die eingeleitete Änderung der Rechtsprechung des BFH in den vorgenannten Entscheidungen auf vor dem Entscheidungszeitpunkt verwirklichte Sachverhalte angewandt wird, greifen hiergegen gerichtete verfassungsrechtliche Bedenken letztlich nicht durch (vgl. auch FG Köln, Urteil vom 10. Dezember 2002, 7 K 1169/99, a.a.O.).
75Eine solche verschärfende Rechtsprechungsänderung ist zulässig. Sie wird seitens des BFH in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis darauf praktiziert, dass der BFH im Rahmen seiner Urteile kein neues Recht schaffe, sondern vielmehr die bestehende Rechtslage nunmehr zutreffend auslege, eine andere Ansicht zu einer Erstarrung der Rechtsprechung führe sowie die notwendige Rechtsfortbildung partiell unterbinde und schließlich die - von den Klägern angeführte - Norm (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO) die Zulässigkeit einer rückwirkenden steuerverschärfenden Rechtsprechung voraussetze (vgl. nur Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751).
76Wenn die geänderte Rechtsprechung entgegen der in den klägerischen Schriftsätzen anklingenden Auffassung kein neues Recht schafft, sondern nur - nunmehr zutreffend - erkennt, was immer schon geltendes Recht war, verbieten sich auch alle Überlegungen, die neue Rechtsprechung sei aus rechtsstaatlichen Überlegungen zwingend nur auf erst nach ihrem Ergehen zu erlassende Bescheide oder nicht auf zu diesem Zeitpunkt mit dem Einspruch angefochtene Bescheide anzuwenden. Vertrauensschutzgesichtspunkten ist vielmehr nur im Rahmen des § 176 AO und durch auf § 163 AO gestützte Übergangsregelungen der Verwaltung, nicht aber im Rahmen des materiellen Rechts für die Steuerfestsetzung Rechnung zu tragen.
774. Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht aus Gründen des Verfahrensrechts eine abweichende Entscheidung geboten.
784.1 Auf den Streitfall ist § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht direkt anwendbar. Der Beklagte hat im Streitfall zwar einen Änderungsbescheid erlassen, aber bereits im ursprünglichen Steuerbescheid den § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG wortlautgetreu angewandt. Es fehlt also - zumindest im Ergebnis - an der Anwendung der früheren BFH-Rechtsprechung durch die Finanzbehörde.
794.2 Die eindeutige Rechtsprechungsänderung zur Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG führt auch im Zusammenspiel mit § 176 AO nicht dazu, dass die wortlautgetreue Auslegung des § 32b Abs 1 Nr. 2 EStG gegen Artikel 3 GG verstößt.
80Die Frage, ob § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt, hängt nur von dem Inhalt des § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG, nicht aber von einer womöglich unzutreffenden früheren Auslegung der Vergleichsnorm ab. Die abweichende Rechtsauffassung der Kläger mit ihrem Ansatz einer Pflicht zur Erstreckung einer Fehlinterpretation auf verfassungsrechtlich unbedenkliche vergleichbare Gesetze würde auf eine dem GG widersprechende Verfügungsgewalt von Exekutive und Judikative über den gesetzlichen Normbestand auch für Vergleichsfälle hinauslaufen, die eben gerade nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte gerechtfertigt wäre. Zum Einen kann in Erstbescheiden zu Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG die geänderte BFH-Rechtsprechung angewandt werden, weil in diesen Fällen § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht eingreift. Nur mit diesen Fällen wäre der Streitfall vergleichbar, weil der Beklagte die Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem vergleichbaren Rechtsverständnis zum Progressionsvorbehalt von Anfang an angewandt hat. Zudem würde die von den Klägern geforderte strikte Gleichbehandlung von Fällen des § 32b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 1. Alternative EStG auch im Verwaltungsvollzug für das Übergangsrecht relevante Unterschiede vernachlässigen. Für die praktische Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 3 1. Alternative EStG bestanden mit der nunmehr geänderten BFH-Rechtsprechung und der Verwaltungsübung besondere Umstände, die Ansatzpunkt für Vertrauensschutzüberlegungen sein können. Für die im Streitfall anzuwendende neue Norm des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG bestanden solche Ansatzpunkte nicht, so dass insoweit eine unterschiedliche Behandlung im Verwaltungsvollzug bei grundsätzlicher gesetzlicher Gleichbehandlung gerechtfertigt wäre.
815. Von der Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in der unter 2. entwickelten Auslegung ist auch nicht im konkreten Einzelfall mit Rücksicht auf die Grundfreiheiten des primären Gemeinschaftsrechts abzusehen.
82Allerdings schützen die im europäischen Gemeinschaftsrecht durch den EG-Vertrag abgesicherten Grundfreiheiten die EU-Bürger ungeachtet der fehlenden Harmonisierung auf dem Gebiet der direkten Steuern durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht. Dies umfasst auch den Schutz davor, dass die Marktbürger nicht durch steuerrechtliche Vorschriften daran gehindert werden, von einem EU-Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat zu übersiedeln, insbesondere nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass ein Umzug von einem in einen anderen Staat der Gemeinschaft zu nachteiligen steuerlichen Folgen führt (vgl. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Geiger, Kommentar zum EUV/EGV, 3. Auflage 2000, Artikel 39 EG-Vertrag Rdn. 15 sowie Artikel 43 EG-Vertrag Rdn. 14) bzw. intrastaatliche Vorgänge nicht anders behandelt werden als rein innerstaatliche Vorgänge (vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 975).
83Im Streitfall kann sich der Kläger als allein möglicher Inhaber nicht auf die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 39 EG-Vertrag) berufen, weil er mangels Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft kein Marktbürger ist. Ob eine davon abgeleitete Rechtsstellung der Klägerin an der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit teilhätte (so wohl unter Berufung auf Artikel 42 EG-Vertrag Scheuer in Lenz, Kommentar zum EG-Vertrag, 2. Auflage, 1999, Art. 39 Rz. 16) oder sich ihre Rechtsstellung allein nach dem sekundären Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Wanderarbeiterverordnung 1408/71 in der Fassung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 C 28/1richtet, kann offen bleiben. In jedem Falle müsste der Kläger als der aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit originäre Berechtigte Staatsbürger eines Mitgliedsstaats sein, was im Streitfalle nicht der Fall ist.
84Ein Verstoß gegen die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 39 EG-Vertrag) scheidet zusätzlich deswegen aus, weil der im Streitfall allein zu beurteilende Wegzug aus dem Gemeinschaftsgebiet nach Japan kein Fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb des Gemeinschaftsgebietes ist.
85Ein Verstoß gegen die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 39 EG-Vertrag) scheidet auf jeden Falle deswegen aus, weil die unter 2. entwickelte Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG an den Wegzug aus dem Inland keine i. S. der Grundfreiheit als Diskriminierungsverbot relevanten nachteiligen steuerlichen Folgen knüpft. Unter 3.1.1 und 3.1.2 ist ausgeführt, warum es an einer unterschiedlichen Behandlung der von § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG erfassten Wechselfällen im Vergleich zur ganzjährigen unbeschränkten Steuerpflicht und damit auch im Vergleich zu einem bloßen Umzug im Inland als dem vergleichbaren rein innerstaatlichen Vorgang fehlt.. Aus denselben Gründen sind auch steuerliche Nachteile bei der Anwendung der Grundfreiheit in den Wechselfällen zu verneinen.
86Zur Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts ist ergänzend auf die Ausführungen von Generalanwalt Jacobs im Rahmen seiner Schlussanträge in dem Verfahren Kommission gegen Luxemburg vor dem Europäischen Gerichtshof (Rechtssache C-151/94, Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz 1995, I-3685 Tz. 24f) hinzuweisen. Danach führt nämlich ein Progressionssystem unter Einbeziehung in anderen Staaten erzielter Einkünfte in die Steuersatzermittlung nicht zu einer diskriminierenden Besteuerung der Wanderarbeiter, sondern verhindert nur eine Begünstigung im Vergleich zu den ständig Gebietsansässigen.
876. Schließlich gebietet auch das Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit des Artikels 24 DBA-Japan kein Absehen von der unter 2. entwickelten Auslegung des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG.
88Es fehlt bereits an der direkten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit, die allein aber vom abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot erfasst wird. Das steuerliche Ergebnis wäre gleich, wenn eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit aus dem Inland nach Japan verzogen wäre; denn die §§ 2 Abs. 7 und 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG knüpfen nur an die Frage des Endes der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht innerhalb eines Kalenderjahres völlig unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen an.
89Selbst wenn man dies anders sehen würde, scheidet aber eine gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende diskriminierende Benachteiligung aus den unter 5. dargestellten Gründen aus. Deshalb kann auch offen bleiben, ob das abkommensrechtliche oder ein anderes völkervertragliches Diskriminierungsverbot einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit zu den Marktbürgern zählenden deutschen Staatsbürgern vermittelt oder nicht.
90Da dem Beklagten für die Berechnung der Einkommensteuer unter Anwendung des besonderen Steuersatzes bessere technische Einrichtungen zur Verfügung stehen macht der Senat von der Möglichkeit des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO Gebrauch.
91Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S 1 FGO.
92Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen; denn die Frage eines Abzuges des Kinderfreibetrags für das ganze Kalenderjahr oder nur für die Monate der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Wechseljahr hat grundsätzliche Bedeutung.
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