Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 6232/00 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e st a n d:
2Die Kläger wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt und bezogen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Klägerin war zum einen als Geschäftsführerin einer GmbH tätig, insoweit betrugen ihre Einnahmen 97.500 DM, zum anderen als Justizangestellte mit Einnahmen von 26.403 DM. Der Kläger bezog als GmbH-Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 28.000 DM.
3Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 01.02.2000 als Bemessungsgrundlage zur Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 a EStG die Summe aller Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit, so dass ein Vorwegabzug von 0 DM verblieb.
4Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben.
5Sie tragen vor:
6Ziel der Kürzungsvorschrift sei es, die steuerfreie Zukunftssicherungsleistung auszugleichen. Die Klägerin als beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin sei keine rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmerin und finanziere ihre Altersversorgung aus versteuerten Eigenmitteln selbst. Nur der Bruttoarbeitslohn aus dem Justizdienst unterliege der Kürzungsvorschrift. Voraussetzung der Kürzung sei, dass der Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen i.S. von § 3 Nr. 62 EStG erbringe. Deshalb könne auch der Arbeitslohn des Ehegatten nicht eingerechnet werden.
7Die Kläger beantragen,
8unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 01.02.2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2000 die Einkommensteuer 1998 auf 35.728 DM festzusetzen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Der Beklagte trägt vor:
12Erziele der Arbeitnehmer sowohl Arbeitslohn, der zur Kürzung des Vorwegsabzugs führe, als auch solchen Arbeitslohn, der für sich allein betrachtet nicht zu einer Kürzung führen würde, seien beide Teile des Arbeitslohns in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung einzubeziehen. Die Kürzung knüpfe nur an die Summe der Einnahmen. Die Bezugnahme auf die Zukunftssicherungsleistungen beziehe sich nicht auf die Bemessungsgrundlage der Kürzung, sondern umschreibe nur den betroffenen Personenkreis. Auf die Einnahmen des Klägers komme es vorliegend nicht an, da bereits die Summe der Einnahmen der Klägerin zu einer vollständigen Kürzung führe.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
15Zu Recht hat der Beklagte die Summe aller Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 a EStG berücksichtigt.
16Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 a EStG ist der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 EStG ohne Versorgungsbezüge i.S. von § 19 Abs. 2 EStG zu kürzen, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. von § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10 c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört. Zu letzterem Personenkreis gehört die Klägerin nicht; für ihre Zukunftssicherung werden aber Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht. Die Tatsache, dass nur einer der beiden Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen erbringt, der andere - die GmbH - dagegen nicht, führt nicht dazu, dass lediglich die aus der Beschäftigung bei der Justizvollzugsanstalt resultierenden Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 71/00 BStBl II 2003,343) ist es für § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 a EStG unerheblich, ob der Arbeitgeber für sämtliche Lohnaufwendungen Sozialversicherungsbeiträge zu leisten hat. Entscheidend für die Kürzung ist, dass überhaupt Leistungen i.S. von § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden (vgl. auch BFH vom 14. Juni 2000 XI R 57/99 BFH/NV 2000,1398). Der Vorwegabzug soll insbesondere selbständig Tätigen einen Ausgleich dafür bieten, dass sie die Kosten ihrer Zukunftssicherung allein aufbringen müssen (BFH vom 12. Oktober 1994 X R 260/93, BFHE 175, 563, BStBl II 1995, 119; vom 27. Oktober 1998 X R 191/96, BFH/NV 1999, 608; vom 19. Mai 1999 XI R 64/98, BFHE 189, 361, BStBl II 2001, 64; vom 16. Oktober 2002 XI R 61/00 BStBl II 2003,183 und XI R 71/00 aaO.). Zu diesem Zweck wird der Vorwegabzug zunächst allen Steuerpflichtigen gewährt, dann aber um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gekürzt, wenn für die Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht worden sind. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber nicht, ob die jeweiligen Einnahmen der Sozialversicherungspflicht unterliegen oder sozialversicherungsfrei sind; vielmehr geht er davon aus, dass ein Bedürfnis für den Vorwegabzug nicht besteht, wenn Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 23/00 BFH/NV 2003,463; XI R 71/00 aaO.) handelt es sich dabei um
17eine generalisierende gesetzliche Regelung, die aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen erbracht werden, darauf schließt, dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist; eine individuelle Berechnung, die auf die Höhe der in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum erbrachten Zukunftssicherungsleistungen oder auf die Sozialversicherungspflicht der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abstellt, ist danach nicht geboten.
18Im Streitfall muss die Klägerin Aufwendungen für ihre Zukunftssicherung nicht allein aufbringen; vielmehr erbringt einer ihrer beiden Arbeitgeber für sie Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG. Auf die Höhe dieser Leistungen kommt es gerade nicht an (BFH vom 16. Oktober 2002 XI R 23/00 aaO.).
19Soweit nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 14. April 2003 (XI B 226/02 DStR 2003,1020) die Einkünfte des Ehegatten, für dessen Zukunftssicherung keine Leistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht werden, nicht in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs einzubeziehen sind, liegt dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt als der hier zu beurteilende zugrunde. Der BFH hatte über die Frage der Einbeziehung von Einkünften des Ehegatten zu befinden, der über die gesetzliche Sozialversicherung des anderen weder für den Fall der Krankheit noch für sein Alter versorgt war und dafür selbst Vorsorge treffen musste, ohne dass sein Arbeitgeber Zukunftssicherungsleistungen für ihn erbrachte. Um einen solchen Sachverhalt geht es vorliegend nicht. Die Einkünfte des Ehegatten der Klägerin, der als GmbH-Geschäftsführer nichtselbständig tätig ist und keine Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers erhält, sind hier unstreitig nicht zu berücksichtigen. Dagegen ist bei der Klägerin, dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes entsprechend, die Summe der Einkünfte aus ihren beiden nichtselbständigen Tätigkeiten als Bemessungsgrundlage für den Vorwegabzug maßgebend. Denn die Klägerin muss die Kosten ihrer Zukunftssicherung nicht allein aufbringen.
20Zwar richtete sich nach dem früheren Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG - bis 1992 - die Kürzung des Vorwegabzugs nach dem Arbeitslohn aus der Beschäftigung, mit der die Alters- oder Krankenversicherung zusammenhing. Die Kürzung erfasste damit nicht alle Einnahmen aus § 19 EStG. Die Gesetzesänderung ab 1993 durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 2310; BStBl I 1994,50) sollte gerade die Kürzung des Vorwegabzugs durch eine pauschalierende und typisierende Regelung grundlegend vereinfachen (so die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 12/5764,19). Soweit nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 14. April 2003 (aaO). Zweifel bestehen, ob der Gesetzgeber von der früheren Regelung abrücken wollte, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Denn der Gesetzgeber hat gerade durch die Neuregelung den früheren Wortlaut, der auf den Zusammenhang zwischen jeweiligem Beschäftigungsverhältnis und Alters- bzw. Krankenversorgung abstellte, geändert und eine pauschalierende und typisierende Regelung zu Vereinfachungszwecken getroffen.
21Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen aus Sicht des erkennenden Senates nicht. Wie der XI. Senat des Bundesfinanzhofes mit Urteilen vom 16. Oktober 2002 (XI R 61/00 aaO.; XI R 71/00 aaO.; XI R 75/00 aaO.) ausgeführt hat, ist die pauschalierende Kürzung des Vorwegabzugs nicht zu beanstanden. Es entspricht der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, im Besteuerungsverfahren durch die Festlegung typisierender Höchstgrenzen individuell gestaltbare Besonderheiten außer Acht zu lassen. Dementsprechend war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, den Umfang der Kürzung des Vorwegabzugs von der Höhe der in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum zugeflossenen Zukunftssicherungsleistungen abhängig zu machen (BFH vom 16. Oktober 2002 XI R 61/00 aaO.).
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
23Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Der Rechtsfrage, ob in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs alle Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Steuerpflichtigen auch dann einzubeziehen sind, wenn es sich um zwei Beschäftigungsverhältnisse bei unterschiedlichen Arbeitgebern handelt, von denen nur einer Zukunftssicherungsleistungen erbringt, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Im Hinblick auf den Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 14. April 2003, der von den Urteilen vom 16. Oktober 2002 abweicht, kommt der Frage darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung zu.
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