Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 14 K 6344/02 Kg
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist alleinerziehende Mutter der am 25. Juli 1984 geborenen "I". Der leibliche Vater des Kindes lebt ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland.
3Das Kind der Klägerin lebt seit dem 1. September 1998 - bis Anfang 2001 zusammen mit der Klägerin - auf dem Gut "J" in "C" bei der Familie "B".
4Nach ihrem Eintritt in den öffentlichen Dienst beantragte die Klägerin unter dem 13. Juni 2000 beim Beklagten die Gewährung von Kindergeld; die Kindergeldzahlung wurde in der Folgezeit aufgenommen.
5Unter dem 30. September 2001 beantragte Frau "B." beim Arbeitsamt "G" die Gewährung von Kindergeld für die Tochter der Klägerin.
6Zur Begründung machte sie folgende Angaben: Sie habe das Kind am 1. September 1998 in ihren Haushalt aufgenommen. Das Kind solle auf unbestimmte Dauer in ihrer Obhut verbleiben. Sie versorge das Kind ganztägig und durchgehend an allen Wochentagen. Das Jugendamt "Q" habe am 29. Juni 2001 eine Pflegeerlaubnis erteilt. Sie erhalte für das Kind kein Pflegegeld, weil am 29. Juni 2001 ausschließlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht an das Jugendamt gegangen sei. Ab dem 1. September 1998 bis zum 1. Februar 2001 habe sie von der Mutter des Kindes monatlich einen Betrag zwischen 600 DM und 700 DM erhalten. Seitdem bekomme sie jedoch gar nichts mehr.
7Dem beigefügt war eine Bescheinigung gemäß § 44 Abs. 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz -KJHG- des Landkreises "Q" vom 27. September 2001. Darin wird bescheinigt, dass das Kind "I" "seit dem Jahr 1998 in der Pflegestelle "B" voraussichtlich dauernd als Pflegekind betreut" wird.
8Desweiteren war dem Antrag beigefügt ein Beschluss des Amtsgerichts "G" vom 29. Juni 2001, mit dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind "I" vorläufig dem Jugendamt des Landkreises "Q" übertragen wurde.
9In den Gründen des Beschlusses heißt es: "Das betroffene Kind lebt seit mehr als zwei Jahren im Hause "B" und besucht von dort aus das "T-"Gymnasium in "G". Die Kindesmutter hat diesen Aufenthalt in die Wege geleitet. Sie ist in der vergangenen Zeit ihren beruflichen Verpflichtungen nachgekommen und hat gelegentlich ebenfalls in der Wohnung der Familie "B" gelebt, allerdings meist vorübergehend. Seitdem sie krankgeschrieben ist, hat sie sich im Jahre 2001 längere Zeit in der Wohnung der Familie "B" aufgehalten. Dies war u. a. Anlass zu ständigen Auseinandersetzungen. Zwischen der betroffenen Tochter und der Kindesmutter ist es über die Frage, wo das Kind zukünftig im 11. Schuljahr seinen Aufenthalt nehmen wird, zum Streit gekommen. Die Betroffene will die 11. Klasse des "T-"Gymnasiums absolvieren und weiterhin bei der Familie "B" wohnen bleiben. Die Kindesmutter wünscht, dass die Betroffene die Schule verlässt und für ein Jahr einen Auslandsaufenthalt absolviert."
10Mit Schreiben vom 3. Januar 2002 teilte das Arbeitsamt "G" dem Beklagten mit, dass das Kind "I" bei dem Pflegevater lebe und somit ein vorrangiger Anspruch gemäß § 64 Abs. 2 Einkommensteuergesetz -EStG- bestehe. Es sei beabsichtigt, ab Juli 2001 Herrn "B" das Kindergeld für das Kind zu zahlen.
11Mit Bescheid vom 18. Januar 2002 hob der Beklagte mit Wirkung vom 1. Juli 2001 die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind "I" gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf. Die laufende Zahlung wurde ab dem 1. Februar 2002 eingestellt. Außerdem forderte der Beklagte zu viel gezahltes Kindergeld in Höhe von insgesamt 985 EUR zurück.
12Mit Schreiben vom 23. Januar 2002 machte die Klägerin folgendes geltend:
13Sie habe mit ihrer Tochter von 1984 bis 1991 in "H", von 1991 bis 1998 in "D" und von 1998 bis 2001 in "J" im Hause "B" zur Miete gewohnt. Nach der Kündigung des letztgenannten Mietverhältnisses und ihrer Verweisung aus dem Haus Graf "B" am 27. März 2001 durch die Gräfin habe sie mit ihrer Tochter wieder kurz in "D", dann in "X (USA)" und schließlich in einer gemeinsamen Wohnung in "G" gelebt. Dort sei ihre Tochter im Mai 2001 ausgezogen, um - bis ca. Juni 2001 - bei einer Schulfreundin zu übernachten. Am 30. Juni 2001 sei die Tochter mit den Eheleuten Graf "B" in Urlaub nach Italien gefahren. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub habe sie beschlossen, bei den Eheleuten "B" bleiben zu wollen, wo sie sich seitdem befinde.
14Dies sei gegen ihren Willen und ihre Planung geschehen. Sie habe vorgehabt, ihre Ersparnisse zu verwenden, um dem Kind eine ordentliche Ausbildung in einer guten englischen Schule zu vermitteln. "I" habe bereits die Aufnahmeprüfung bei der "A" Schule in "L (Großbritannien)", im Februar 2001 bestanden gehabt. Sie selbst habe bereits Schulgebühren entrichtet gehabt.
15Unterstützt von den Eheleuten "B" habe die Tochter sodann gewünscht, in "G" zu bleiben und die dortige Schule, die sie schon gekannt habe, weiter besuchen zu dürfen. Gemeinsam mit und unterstützt von Frau "..." Gräfin "B" habe sich "I" zur Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts "G" begeben, um mit gerichtlicher Hilfe diesen Wunsch durchzusetzen. Dort habe ihre Tochter beantragt (Az. des Verfahrens 15 F 105/01), die elterliche Sorge für sie bis zur Volljährigkeit dem Jugendamt zu übertragen, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Jugendamt zu übertragen. Diesen Antrag habe das Amtsgericht im Beschluss vom 25. Dezember 2001 im Wesentlichen zurückgewiesen, und allein angeordnet, dass die Tochter in der Pflegefamilie "B" verbleibe.
16Klar sei, dass "I" nicht Pflegekind im Sinne des § 32 Abs. 1, 2 EStG sei. Sie sei leibliches Kind und ihr Kind im Sinne des § 32 EStG. Frau Gräfin "B" nehme sie auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch, und zwar in Höhe eines Betrages von 20.000,- DM für die Jahre 1998 bis 2001. Dies sei umso abwegiger, als sie selbst Kost und Logis und sonstigen Unterhalt für das Kind bereit halte.
17Die rechtlichen Voraussetzungen einer Pflegekindsituation lägen nicht vor. Es bestehe weder ein familienähnliches Band, noch betreuten die Eheleute "B" das Kind "I" etwa "wie ein eigenes". Auch sei "I" nicht vollständig in den Haushalt aufgenommen, stehe ihr doch ihr eigener Haushalt gleichzeitig eingerichtet zur Verfügung. Schließlich sei auch der Beschluss des Amtsgerichts "G" weder richtig noch rechtskräftig oder irgendwie maßgeblich. Falsch sei insbesondere, dass ein Obhuts- oder Pflegeverhältnis zu ihr nicht mehr bestünde. Sie habe vielmehr die alleinige elterliche Sorge; allein der Aufenthalt sei anders bestimmt. Dieser Splitter des elterlichen Sorgerecht sei vergleichsweise unbedeutend. Letztlich sei ein familienähnliches Band von "I" zu den Eheleuten Graf "B" nicht, wie es ein Pflegekindschaftsverhältnis als Grundlage voraussetze, auf längere Dauer angelegt. Vielmehr hätte das Verhältnis soeben erst begonnen, im Juli 2001 mit der Rückkehr aus dem Urlaub, und würde in Kürze enden, mit Eintritt der Volljährigkeit im Juli 2002.
18Ebenfalls mit Schreiben vom 23. Januar 2002 legte die Klägerin Einspruch gegen den vorgenannten Bescheid ein.
19Ausweislich einer Telefonnotiz vom 28. Januar 2002 erklärte Frau "B" gegenüber dem Arbeitsamt "H", dass es sich bei den von der Kindesmutter überwiesenen Beträgen von ca. 600 DM bis 700 DM monatlich nicht um Kindergeld, sondern um lediglich vom Kindesvater gezahlte Unterhaltsbeiträge gehandelt habe. Diese seien vom Jugendamt "H" an die Pflegeeltern weiter geleitet worden.
20Am selben Tag teilte das Arbeitsamt "G" dem Beklagten mit, dass man nach nochmaliger Überprüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die "Pflegeeltern "B"" bereits ab dem 1. September 1998 (Haushaltsaufnahme des Kindes "I") den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld hätten.
21Am 1. Februar 2002 ging beim Arbeitsamt "G" der Beschluss des Amtsgerichts (Familiengericht) "G" vom 27. Dezember 2001 ein. Danach wurde angeordnet, dass die Tochter der Klägerin in der Pflegefamilie "B" verbleibt. In den Gründen des Beschlusses heißt es, eine Verbleibensanordnung des Kindes gemäß § 1632 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- in der derzeitigen Pflegefamilie sei die schonendere, aber auch das Kindeswohl sichernde Maßnahme gegenüber dem Entzug des Sorgerechts. Zwar sei zwischen der sorgeberechtigten Mutter und der Pflegefamilie kein Pflegevertrag geschlossen worden, auch das Jugendamt sei nicht eingeschaltet gewesen. Die Vorschrift des § 1632 Abs. 4 BGB sei jedoch gleichwohl anwendbar. Es bestehe ein faktisches Pflegeverhältnis familienähnlicher Art. Zur Vermeidung von Schäden durch unzeitige Herauslösung eines Kindes aus einem Pflegeverhältnis könne es auf dessen rechtliche Bestandsvoraussetzungen nicht ankommen.
22Unter dem 8. Februar 2002 stellte die Klägerin bei Gericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, nachdem der Beklagte zuvor einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte.
23Zur Begründung des Antrages machte die Klägerin ergänzend geltend: Wegen Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sei der angefochtene Bescheid schon förmlich rechtswidrig. Er sei ferner rechtswidrig, weil er nicht begründet sei. Ihre Ansprüche würden nicht durch solche von Pflegeeltern verdrängt. Ein Pflegeelternverhältnis liege nicht vor. Dies scheitere schon daran, dass die selbst ernannten Pflegeeltern "B" noch nicht einmal den Unterhalt für das Kind "I" zu übernehmen bereit seien, sie sich vielmehr an ihr - der Klägerin - trotz der Bereitstellung von Sach- und Naturalunterhalt ihrerseits bereichern wollten. Ein Pflegekindschaftsverhältnis aber erfordere, dass die Pflegeperson das Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf eigene Kosten unterhalte. Schließlich bestehe das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu ihr trotz der anderweitigen Aufenthaltsbestimmung fort, da sie doch die elterliche Sorge habe.
24Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass sie neben der Bereitstellung von Naturalunterhalt diverse Barleistungen für ihre Tochter erbracht habe. Sie habe Zahlungen an die Tochter "B" für Amerika- und Oxfordreisen und Unterbringung im Hause, zum Zwecke der Förderung der Tochter "I" und zum Zwecke der Gegenleistung erbracht, sowie Nutzungsentgelte für Computer, Fax, Telefon, E-Mails und vieles andere mehr übernommen.
25Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis könne nicht mehr hergestellt werden. Das Pflegekindschaftsverhältnis setze nämlich voraus, dass zwischen Pflegeeltern und Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis bestehe, sodass die Pflegeeltern gleichsam an die Stelle der leiblichen Eltern träten, es wie ein eigenes Kind betreuten, sämtliche wesentliche Entscheidungen für das Kind träfen und dessen maßgebende Ansprechpartner seien und dies "auf längere Dauer berechnet" und nicht etwa "bloß als vorübergehende Überbrückung". Das nahezu volljährige "Kind" "I" sei in seiner Entwicklung bereits durch nahezu vollkommene Selbstständigkeit geprägt und könne selbst über seine Lebensführung bestimmen, sodass Elemente der Aufsicht, Erziehung und Betreuung entfielen oder allenfalls völlig in den Hintergrund treten würden. Dies werde vorliegend besonders dadurch plastisch, dass "I" ihren Aufenthaltsort abweichend von ihrer Vorstellung, die sie allein die elterliche Sorge habe, bestimme. Neben den eigenen Natural- und Barunterhaltsleistungen erfolgten noch Barunterhaltsleistungen des Vaters an "I" und zwar in Höhe von 630 DM monatlich - soweit bekannt - über das Jugendamt "G".
26Mit Schriftsatz vom 11. April 2002 hat die Klägerin die Beschwerdebegründung gegen den Beschluss des Amtsgerichts "G" überreicht sowie eine Stellungnahme vom 19. Januar 2002 beigefügt. Auf die vorgenannten Schriftstücke wird Bezug genommen.
27Unter dem 3. Juni 2002 hat die Tochter der Klägerin auf Nachfrage des Arbeitsamtes "G" erklärt, sie habe ihre Mutter seit Juli 2001 lediglich an drei Tagen getroffen.
28Auf eine Nachfrage des Beklagten erklärte Frau "B", "I" sei ihr Patenkind und seit ihrem sechsten oder siebten Lebensjahr in fast allen Schulferien bei ihrer Familie. Seit dem Schuljahr 1998/ 1999 lebe "I" ganz bei ihnen und besuche mit ihren eigenen Kindern zusammen ein Gymnasium "in G". Die Klägerin habe zu dem Zeitpunkt eine Arbeit beim Institut für "Z" in "E" angenommen und ihre Tochter (nur) sporadisch besucht. "I" habe ein eigenes Zimmer und teile mit der jüngsten Tochter das Bad. Die Wäsche werde von ihnen gewaschen, "I" esse mit ihnen, nutze ihr Telefon, Internet etc. Wenn Hefte oder Kleidungsstücke gefehlt hätten, hätten sie diese besorgt und zuweilen das Geld von der Mutter zurückbekommen. Die Klägerin habe ihnen seit September 1998 bis einschließlich Februar 2001 monatlich Geld überwiesen, durchschnittlich 680,- DM, von dem sich nachher herausgestellt habe, dass es sich dabei vor allem um den Unterhalt des Vaters (ca. 640,- DM) gehandelt habe, den die Klägerin anschließend an sie weitergeleitet habe. Seit Februar 2001 bekämen weder sie noch "I" Unterhalt von der Klägerin.
29Im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz überreichte die Klägerin ein an sie gerichtetes Schreiben, mit dem von der Familie "B" beauftragte Rechtsanwälte von der Klägerin für die Unterbringung der Tochter 19.329,- DM forderten.
30Mit Beschluss vom 28. August 2002 hat das Oberlandesgericht "K" den Beschluss des Amtsgerichts "G" vom 27. Dezember 2001 mit Wirkung ab dem Tag der Volljährigkeit von "I", dem 25. Juli 2002, insoweit aufgehoben, als darin der Verbleib von "I" in der Familie "B" angeordnet worden war.
31Mit Einspruchsentscheidung vom 8. November 2002 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
32Mit der am 19. November 2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
33Ergänzend macht sie geltend, ihre Tochter habe lediglich ein Jahr lang von Juli 2001 bis zur Volljährigkeit im Juli 2002 bei der Familie "B" gelebt. Der Aufenthalt sei auch nicht auf Dauer berechnet gewesen, wie es § 32 EStG voraussetze. Dazu habe der Aufenthalt viel zu spät vor Begründung der Volljährigkeit begonnen. Zum anderen habe die Dauer ihrer - letztlich maßgeblichen - Vorstellung widersprochen. Es sei kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu der Gräfin "B" begründet worden. Soweit das Kind die Ferien bei der Familie "B" verbracht habe, sei sie als Mutter dabei gewesen. Im Übrigen habe sie mit ihrer Tochter die Ferien verbracht.
34Auch habe ihre Tochter nicht etwa wesentlich auf Kosten der Familie "B" gelebt. Zum einen zahle der Vater des Kindes Unterhalt. Dies habe der Familie "B" nicht gereicht. Die Familie "B" habe von ihr zunächst 19.329,- DM, dann 3.779,54 und schließlich nur noch 1.932,45 DM verlangt. Im Ergebnis solle "I" nicht pflegekindschaftstypisch auf Kosten Gräfin "B" leben, sondern wolle Gräfin "B" kostkindtypisch auf Kosten des Kindes bzw. der Eltern verdienen.
35Nach einem Hinweis des Gerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2003 geltend gemacht, vor der Überlegung gemäß § 64 Abs. 3 EStG stehe die gemäß § 64 Abs. 2 EStG. Sie habe ihr Kind in ihren Haushalt aufgenommen. Die historische Entwicklung sei dargestellt. Die amtsgerichtliche Verfügung zur Aufenthaltsbestimmung sei gegenstandslos; die Entscheidung nicht rechtskräftig. Die tatsächlichen Verhältnisse bedingten eine Zuordnung des Kindes zu ihrem Haushalt. Sie habe jedenfalls bis zur Volljährigkeit des Kindes am 25. Juli 2002 die elterliche Sorge gehabt. Bis dahin und darüber hinaus habe sie ihren Haushalt dem Kind zur Verfügung gestellt. Sie habe eine 119 qm große Wohnung in "M" gemietet. Lage und Ausstattung der Wohnung sei entsprechend den gesundheitlichen Bedürfnissen der Tochter gewählt. Sie habe die Wohnung gezielt für zwei Personen, sich und ihre Tochter, ausgestattet ua. mit einem Schlafzimmer für die Tochter, voll eingerichtet mit Schreibtisch, Leuchten, Nachttisch, Bücherregalen, Einzelbett. Die Haushaltsaufnahme sei demgemäß auf längere Dauer gerichtet. Der Widerspruch des sorgeberechtigten Kindes sei unerheblich. Die eventuell widerrechtliche Entziehung des Kindes beende die Haushaltsaufnahme nicht. Insbesondere im Rahmen der elterlichen Sorge sei sie verpflichtet gewesen, ihren Haushalt zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Die Haushaltsaufnahme sei nicht beendet.
36Ob der Vater des Kindes eine, ggf. höhere Unterhaltsrente zahle, sei zweifelhaft. Fraglich sei schon, ob der nichteheliche Vater überhaupt eine Unterhaltsrente an das Kind bezahle. Er habe Zahlungen an das Jugendamt erbracht. Dieses habe Leistungen an das Kind erbracht. Diese mittelbaren Leistungen seien schon deshalb keine Unterhaltsrente an das Kind, weil die Unmittelbarkeit des Leistungsverhältnisses fehle. Auch der Rechtsgrund für die Leistung des Vaters an das Jugendamt sei verschieden von der Sozialverpflichtung des Jugendamtes gegenüber dem Kind. Entsprechend sei die Betragshöhe auch nicht notwendigerweise deckungsgleich. Die Höhe der Leistungen sei ihr unbekannt. Es werde bestritten, dass der Vater höhere Unterhaltsleistungen erbringe. Soweit bekannt, habe der Vater seit seiner kürzlichen Pensionierung seine Leistungen mindern wollen. So bedürfe die Kapitalisierung der Leistungen zunächst der Feststellung.
37Im Übrigen ließen die Umstände darauf schließen, dass sie es sei, die die höheren Unterhaltsleistungen erbringe. Die Unterhaltsrente bestehe aus Geld und Geldeswert. Schon ihre Barleistungen seien höher als die des Vaters. Dazu rechne die immer noch monatlich für das Kind mitgezahlte und in Anspruch genommene Krankenversicherung (kalkulatorisch 1/2 von 257 EUR). Dazu rechne das für das Kind gezahlte Schulgeld:
38- Eintrittsgeld bei Verteilung des Betrages gemäß dem planmäßigen Wertverzehr auf die Schuldauer von zwei Jahren EUR 5.000,-
39kalkulatorisch für Monate September 2001 bis September 2003 EUR 106,52.
40- das für das Schuljahr September 2001 bis September 2002 voraus-
41gezahlte weitere Schulgeld in Höhe von 12.000,- DM, monatlich EUR 511,30.
42Dazu gehörten ferner die sonstigen laufenden Ausgaben. Hinzu kämen die Beträge, deretwegen sie von der vermeintlichen Pflegemutter außergerichtlich und gerichtlich - wie vorgetragen - in Anspruch genommen werde.
43Dazu gehörten ferner die Naturalleistungen. Zu den Naturalleistungen gehöre die anteilige Bereitstellung der Wohnung, monatlich 650 EUR. Für sich alleine würde sie eine andere Wohnung in anderer Lage und anderer Ausstattung und kleinerem Zuschnitt wählen. Hinzu kämen Beträge, die sie aufwenden würde, wenn sie nicht an der Verausgabung gehindert werde.
44Schließlich widerspreche die förmliche Zuweisung der Kindergeldberechtigung an den nichtehelichen Kindesvater nach dem Gesamtbild der Verhältnisse dem Grundrecht von Ehe und Familie, welches immer noch vornehmlich das Band zwischen Mutter und nichtehelichem Kind schütze.
45Die Klägerin beantragt,
46den Bescheid des Beklagten vom 18. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2002 aufzuheben,
47hilfsweise, die Revision zuzulassen.
48Der Beklagte beantragt,
49die Klage abzuweisen.
50Er macht geltend, es bestehe sehr wohl ein familienähnliches Band zwischen der Tochter der Klägerin und den Pflegeeltern. Die Tochter lebe bereits seit dem 1. September 1998 bei den Pflegeeltern und sei in deren Haushalt aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Tochter erst 14 Jahre alt, also nicht volljährig gewesen. Aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - "G" vom 27. Dezember 2001 ergebe sich ferner, dass sich "I" in der Familie wohl fühle und nicht nur den Pflegeeltern, sondern auch den Kindern eng verbunden sei. Das 17-jährige Kind habe seit nunmehr einem Jahr keine erträgliche Kommunikationsbasis mit seiner Mutter gefunden.
51Am 25. April 2002 hat im Rahmen des zugehörigen Verfahrens 14 V 1065/02 A (KG) ein Erörterungstermin stattgefunden; auf das Protokoll wird Bezug genommen. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin u.a. erklärt, sie zahle ihrer Tochter keinen Unterhalt, komme aber nach wie vor für die Krankenversicherung der Tochter auf. Ein telefonischer Kontakt zwischen ihr und ihrer Tochter werde von Frau "B" unterbunden. Sie tausche jedoch mit ihrer Tochter E-Mails und Briefe aus.
52Ausweislich einer Notiz des Arbeitsamtes "G" ist die Kindergeldzahlung mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes "I" im Monat Juli 2002 eingestellt worden.
53Unter dem 25. August 2003 hat der Landkreis "Q" die Pflegebescheinigung nach § 44 KJHG vom 27. September 2001 mangels örtlicher Zuständigkeit zurückgenommen.
54Auf Nachfrage des Gerichts hat Frau "B" ein von ihr an ihre Rechtsanwälte verfasstes Schreiben vom 7. August 2003 überreicht. Daraus geht hervor, dass die Klägerin ihr für den Zeitraum von Oktober 1998 bis Februar 2001 monatlich einen Beitrag zwischen 600,- und 700,- DM überwiesen habe. Von Herrn "Y", dem Vater von "I", habe sie über das Jugendamt "G" für den Zeitraum von Juli 2001 bis zum Eintritt der Volljährigkeit im Juli 2002 monatlich 327 EUR bekommen.
55Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
56Entscheidungsgründe:
57Die Klage ist unbegründet.
58Der Bescheid vom 18. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld an die Klägerin ab dem Juli 2001 nicht mehr gegeben waren, da das Kind "I" ab diesem Zeitpunkt vorrangig bei einem anderen Berechtigten zu berücksichtigen war.
59Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist gemäß § 70 Abs. 2 EStG die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da "I" ab Juli 2001 ohne ihre Mutter bei der Familie "B" lebte und die Klägerin ab diesem Zeitpunkt lediglich nachrangig anspruchsberechtigt war.
60Für Kinder im Sinne des § 63 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz u.a., wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 62 Abs. 1 EStG). Zu den berücksichtigungsfähigen Kindern gehören gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG. Dies sind im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG), d.h. Kinder, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und die der Steuerpflichtige mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.
61Dementsprechend kämen vorliegend grundsätzlich als Kindergeldberechtigte folgende Personen in Betracht: die Klägerin als leibliche Mutter der "I", Herr "Y" als leiblicher Vater sowie Herr bzw. Frau "B" - vorausgesetzt, "I" ist ein Pflegekind der Familie "B" i.S.d. Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
62Für jedes Kind wird jedoch gemäß § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Im Hinblick darauf enthält das Einkommensteuergesetz verschiedene Konkurrenzregelungen. So ist ein Kind vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen, wenn ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind ist (§ 32 Abs. 2 Satz 2 EStG). Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Außerdem erhält in den Fällen, in denen das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist, derjenige das Kindergeld, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 1 EStG). Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG).
63Angesichts der vorstehenden Konkurrenzregelungen steht vorliegend jedenfalls nicht der Klägerin das Kindergeld für "I" zu. Dies ergibt sich aus Folgendem:
64Unterstellt, die Tochter "I" der Klägerin ist i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein Pflegekind der Familie "B", so wäre im Verhältnis zur Klägerin als leiblicher Mutter aufgrund des § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG die Familie "B" kindergeldberechtigt.
65Geht man jedoch davon aus, dass "I" kein Pflegekind der Familie "B" ist, weil ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band nicht mehr begründet werden konnte und/ oder das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu der Klägerin noch besteht und/ oder die Familie "B" "I" nicht auf ihre Kosten unterhielt, verbleiben als potentielle Kindergeldberechtigte die Klägerin sowie der leibliche Vater des Kindes. Wegen der Konkurrenzregelung des § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG wäre aber auch in diesem Falle das Kindergeld nicht an die Klägerin auszuzahlen. Die vorrangig zu prüfende Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG käme nicht zum Zuge, da "I", die sich seit Juli 2001 unstreitig durchgängig im Haus der Familie "B" aufhält, seitdem nicht im Haushalt "eines Berechtigten" aufgenommen war.
66Entgegen den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 10. Dezember 2003 ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin auch nach dem Juni 2001 ihre Tochter noch in ihrem Haushalt aufgenommen hatte. Die Frage der Haushaltsaufnahme entscheidet sich nach objektiven Kriterien, sie ist anhand der tatsächlichen Umstände zu beurteilen, unter denen das Kind lebt (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 21/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH/NV- 2001, 444 m.w.N.). Eine Aufnahme in einen Haushalt liegt nur dann vor, wenn der Berechtigte mit dem Kind in seinem Haushalt räumlich, d.h. örtlich gebunden, in einer gemeinsamen Familienwohnung zusammenlebt und das Kind dort durchgängig versorgt und betreut wird (BFH-Urteil vom 20. Juni 2001, VI R 224/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 713 m.w.N.).
67Davon ist vorliegend jedoch im Verhältnis zwischen "I" und ihren Eltern nicht auszugehen. "I" hält sich weder bei der Klägerin noch bei ihrem leiblichen Vater durchgängig auf; weder die in "M" belegene Wohnung ihrer Mutter noch die Wohnung ihres Vaters sind der Lebensmittelpunkt für das Kind. Darauf, dass die Klägerin in ihrer "M" Wohnung ein Zimmer etc. für ihre Tochter bereit hält, kommt es für die Frage der Haushaltsaufnahme nicht an.
68Zwar sind Fallgestaltungen denkbar, in denen trotz räumlicher Trennung von Kind und Berechtigtem die Aufnahme in den Haushalt des Berechtigten angenommen werden kann. Jedoch müssten dann - unter anderem - gesicherte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Trennung nur vorübergehender Natur ist und das Kind regelmäßig im Rahmen seiner Möglichkeiten immer wieder in den Haushalt des Anspruchsberechtigten zurückkehrt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 224/98, BStBl II 2001, 713).
69Auf eine nur vorübergehende Trennung zwischen Mutter und Tochter deutet vorliegend nichts hin. Vielmehr spricht nach Auffassung des Gerichts alles dafür, dass von einer auf Dauer angelegten, räumlichen Trennung zwischen der Klägerin und ihrer Tochter auszugehen ist. Die Tochter hat dem eigenen Vortrag der Klägerin zufolge nach ihrer Rückkehr aus dem gemeinsamen Urlaub mit der Familie "B" im Juli 2001 beschlossen, bei den Eheleuten "B" bleiben zu wollen. Seitdem lebt "I" durchgängig mit der Familie "B", hält sich auf dem Gut "J" auf, erfährt dort durchgängig ihre persönliche Versorgung und Betreuung und hat ihre Mutter seitdem unstreitig lediglich dreimal anlässlich offizieller Termine getroffen.
70Angesichts der Tatsache, dass "I" sich - wie die Klägerin selbst in ihrem Schreiben vom 23. Januar 2002 vorgetragen hat - aus eigenem Streben heraus entschlossen hatte, nicht mehr bei bzw. mit ihrer Mutter, der Klägerin, zu leben, ist die im Schriftsatz vom 10. Dezember 2003 aufgeworfene Frage nach der Haushaltszugehörigkeit für den Fall, dass dem sorgeberechtigten Elternteil das Kind rechtswidrig - durch ein als Kindesentführung zu qualifizierendes Verhalten - entzogen wird, nicht entscheidungserheblich (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2000, VI B 93/00, n.v.). Der Annahme einer "widerrechtlichen Entziehung" stünde im Übrigen auch der Beschluss des Amtsgerichts "G" vom 29. Juni 2001 und die darauf basierende Entscheidung des Jugendamtes des Landkreises "Q", "I" Aufenthaltnahme bei der Familie "B" mitzutragen, entgegen.
71Da die Haushaltsaufnahme ein tatsächlicher Vorgang ist, ist schließlich die Frage, wer die elternliche Sorge für das zu berücksichtigende Kind inne hatte, für die Beurteilung, ob eine Haushaltsaufnahme bei einem Berechtigten i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorliegt, ohne Belang.
72Ist das Kind aber nicht im Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, ist - wie bereits ausgeführt - in erster Linie ausschlaggebend, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt, ggf. wer von mehreren Berechtigten die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 EStG).
73Im vorliegenden Fall entrichtet der Vater des Kindes, "Y", jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab 1. Juli 2001 die höchste Unterhaltsrente, so dass der Klägerin im Ergebnis auch dann kein Kindergeld zu gewähren ist, wenn man unterstellt, dass ihre Tochter kein Pflegekind der Familie "B" ist.
74Zum Begriff der Unterhaltsrente enthält das Gesetz keine Definition. Angesichts der in § 64 Abs. 3 EStG enthaltenen Formulierung und der nur subsidiären Anwendung des Abs. 3 ergibt sich jedoch nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der erkennende Senat anschließt, dass mit Unterhaltsrenten lediglich Geldleistungen, d.h. Unterhalt i.S.d. § 1612 Abs. 1 Satz BGB, gemeint sind, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit gezahlt werden (Finanzgericht -FG- Köln, Urteil vom 31. August 2000, 2 K 6067/99, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2001, 297; FG Münster, Urteil vom 14. Dezember 2001, 5 K 5688/00 Kg, EFG 2002, 417; FG Hamburg, Urteil vom 5. November 1999, I 504/98 n.v.; FG Bremen, Urteil vom 29. Januar 1998, 497105 K 1 n.v.; Hildesheim in Bordewin/ Brandt, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 73; Felix in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghof, EStG-Kommentar, § 64 Rz. D 2; Heuermann in Blümich, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 57; Greite in Korn, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 12; Weber-Grellet in Schmidt, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 6; Dürr in Frotscher, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 18; Pust in Littmann/ Bitz/ Pust, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 151; Bergkemper in Hermann/ Heuer/ Raupach, EStG-Kommentar, § 64 Rz. 16). Unter dem Begriff der Unterhaltsrente, der erkennbar dem bürgerlichen Recht entnommen ist, ist also weder Naturalunterhalt noch eine einmalige oder gelegentliche finanzielle Zuwendung, sondern ausschließlich Barunterhalt in Form einer laufend wiederkehrenden und gleichmäßigen Geldleistung zu verstehen. Denn zum einen ist nach § 1612 Abs. 1 Satz BGB der Unterhalt grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente, also in Form von Barunterhalt, zu gewähren. Und zum anderen ist "Rente" ein Recht, dessen Erträge aus regelmäßig wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen von Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen. Nur eine solche Auslegung gewährleistet im Übrigen, dass bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten im Interesse der Rechtssicherheit und Praktikabilität an verhältnismäßig klare und leicht feststellbare Tatsachen angeknüpft wird.
75Nicht von Bedeutung ist, aus welchem Grund die Geldzahlungen geleistet werden; Unterhaltsrenten im Sinne des § 64 Abs. 3 EStG sind daher freiwillige Zahlungen wie auch Unterhaltsleistungen des gesetzlich Unterhaltsverpflichteten.
76Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen bleiben etwaige Naturalleistungen der Klägerin bei der Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe die Klägerin ihrer Tochter eine Unterhaltsrente i.S.d. § 64 Abs. 3 EStG gezahlt hat, unberücksichtigt.
77Entsprechendes gilt hinsichtlich des Schulgeldes für die englische Privatschule, da es sich dabei zum einen um einmalig entrichtete Beträge - Eintrittsgeld und ggf. Schulgebühr für ein Jahr - handelt. Darüber hinaus scheidet die Berücksichtigung dieser Geldbeträge auch deshalb aus, weil sie sich nicht als eine im Voraus für einen längeren Zeitraum erbrachte Unterhaltsleistung erweisen. Denn das ist nur dann anzunehmen, wenn es sich auf Grund der vom Leistenden getroffenen Leistungsbestimmung um Vorauszahlungen auf eine laufende Unterhaltsrente handelt. An einer solchen Leistungsbestimmung fehlt es hier. Somit mag dahinstehen, ob die Klägerin als "Eintrittsgeld" 5.000 EUR oder - wie sie im Rahmen des Erörterungstermins angab - 5.500 Pfund bezahlt hat und ob sie tatsächlich - wie erstmals mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2003 vorgetragen - zusätzlich weitere 12.000,- DM an Schulgeld entrichtet hat, obwohl ihre Tochter die Schule nie besucht hat.
78Da es Sinn der Vorschrift des § 64 Abs. 3 EStG ist, sicherzustellen, dass derjenige das Kindergeld erhält, der durch den Kindesunterhalt am meisten tatsächlich belastet ist (BT-Drucks. 13/1558, S. 165 zu § 3 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz -BKGG- n.F., der § 64 Abs. 3 entspricht), kommt eine Berücksichtigung etwaiger Beträge, die die Klägerin gezahlt hätte, wenn man sie - so die Klägerin - nicht an der Verausgabung gehindert hätte, nicht in Betracht. Was die Klägerin daran gehindert hat, ihrer Tochter monatlichen Barunterhalt zu zahlen, mag deshalb dahinstehen.
79Entsprechend scheidet eine Berücksichtigung solcher Beträge als Unterhaltsrente i.S.d. § 64 Abs. 3 EStG aus, deretwegen die Klägerin von Frau "B" gerichtlich in Anspruch genommen wird, denn bislang hat die Klägerin die Forderung nicht beglichen. Hinzu kommt, dass es fraglich wäre, ob die eingeklagten Beträge einer annähernd gleichmäßigen Geldleistung, wie sie im Rahmen des § 64 EStG erforderlich ist, gleichgestellt werden könnten, denn im Falle einer Verurteilung zur Zahlung der geforderten Beträge würde es sich um die nachträgliche Erstattung von Vorausleistungen für Frau "B" handeln, die ihrerseits jedenfalls teilweise den Unterhalt für das Kind verauslagt hat (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 16. Februar 2001, I 289/99 n.v.; Bergkemper in Hermann/ Heuer/ Raupach, a.a.O., § 64 Rz 16). Die Berücksichtigung solcher Zahlungen erscheint mit dem Sinn und Zweck der Regelung nicht vereinbar. Denn hiernach soll - wie bereits erwähnt - dem Berechtigten das Kindergeld zustehen, der durch laufende und regelmäßige Erfüllung seiner Unterhaltspflicht stärker belastet ist. Die Tilgung von Schulden ist aber gerade keine regelmäßige Erfüllung der Unterhaltspflicht.
80Dass die Klägerin über den Beitrag zur Krankenversicherung hinaus annähernd gleichmäßige Geldbeträge an ihre Tochter oder für ihre Tochter an die Familie "B" entrichtet hat, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Vielmehr hat sie im Rahmen des Erörterungstermins ausdrücklich erklärt, ihrer Tochter keinen Unterhalt zu zahlen. Dies steht im Übrigen im Einklang mit der Erklärung der Frau "B", wonach seit Februar 2001 weder sie noch "I" Unterhalt von der Klägerin erhalten haben.
81Somit stehen der regelmäßigen Entrichtung von Krankenversicherungsbeiträgen für die Tochter durch die Klägerin in Höhe von monatlich 128,50 EUR im fraglichen Zeitraum monatliche Unterhaltsleistungen des Kindesvaters in Höhe von 327 EUR gegenüber.
82Dass die Unterhaltsleistungen vom Vater an das Jugendamt erbracht und von diesem weitergeleitet wurden, ändert nichts an der Qualifizierung dieser Leistungen als Unterhaltsrente i.S.v. § 64 Abs. 3 EStG. Auf die "Unmittelbarkeit" des Leistungsverhältnisses kommt es nicht an; es ist unerheblich, ob die Geldbeträge direkt an das Kind ausgezahlt werden oder "zu Händen" eines Dritten überwiesen werden bzw. einem Dritten überwiesen werden, der für den Unterhalt des Kindes aufkommt (Hildesheim in Bordewin/ Brandt, a.a.O., § 64 Rz. 73; Felix in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghof, a.a.O., § 64 Rz. D 3). Dies ergibt sich bereits im Hinblick auf den schon mehrfach erwähnten Sinn und Zweck der Regelung, nämlich sicherzustellen, dass derjenige das Kindergeld erhält, der durch den Kindesunterhalt am meisten belastet ist. Ob derjenige, der die höchste Unterhaltsrente zahlt, dies "zu Händen" eines anderen tut oder das Geld direkt an das Kind ausgezahlt wird, ist danach nicht entscheidungserheblich.
83Soweit sich die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert hat, dass sie nicht wisse, ob "I" Vater tatsächlich den Unterhalt leiste, zu dem er verurteilt worden sei, steht dies der Annahme, dass Herr "Y" dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt, nicht entgegen. Zum einen handelt es sich um eine bloße, durch keinerlei objektive Anhaltspunkte belegte Behauptung. Zum anderen hat die Klägerin - zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Relevanz ihrer Äußerung noch nicht bewusst war - selbst mehrfach vorgetragen, dass der Vater ihrer Tochter "I" Unterhalt zahlt, so ua. im Schriftsatz vom 27. März 2002 (zum zugehörigen Eilverfahren 14 V 1065/02 A (Kg)), im Erörterungstermin am 25. April 2002 und mit Schriftsatz vom 6. August 2003. Entscheidend kommt hinzu, dass Frau "B" - ohne Zusammenhang mit dem hier anhängigen Rechtsstreit - bestätigt hat, über das Jugendamt "G" von Herrn "Y" bis zu "I" Volljährigkeit monatlich 327 EUR bekommen zu haben.
84Angesichts dessen geht auch die Vermutung der Klägerin, die Leistungen des Herrn "Y" entsprächen nicht dem Betrag, den das Jugendamt weitergereicht habe, ins Leere.
85Die These der Klägerin, der Rechtsgrund für die Leistung des Vaters an das Jugendamt sei verschieden von der "Sozialverpflichtung" des Jugendamtes gegenüber dem Kind, verkennt die Rolle des Jugendamtes in diesem Zusammenhang. Dem Jugendamt war die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der minderjährigen "I" gegen den Kindsvater übertragen worden. Der Unterhalt des Vaters ist auf dieser Grundlage "zu Händen" des Jugenamtes gezahlt und von dort weitergeleitet worden.
86Nur zur Klarstellung weist das Gericht darauf hin, dass mit den vorstehenden Ausführungen keinesfalls eine "förmliche Zuweisung" der Kindergeldberechtigung an den Kindesvater verbunden ist, so dass sich eine Stellungnahme zu den entsprechendem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 10. Dezember 2003 erübrigt.
87Angesichts des Vorstehenden ist auch die Rückforderung des für die Monate Juli 2001 bis einschließlich Januar 2002 bereits ausgezahlten Kindergeldes rechtmäßig.
88Das monatlich gezahlte Kindergeld zählt seit dem 1. Januar 1996 zu den Steuervergütungen (§ 31 Satz 2 EStG). Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 AO).
89Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn das Kindergeld für die Zeit von Juli 2001 bis Januar 2002 wurde - wie bereits ausgeführt - "ohne rechtlichen Grund" an die Klägerin gezahlt.
90Die Kostenentscheidung der nach alledem abzuweisenden Klage ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
91Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes erfordern (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO).
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