Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 4251/02 GE
Tenor
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 25.02.2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2002 wird aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger, ein eingetragener Verein, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. 12. 1998 von der katholischen Kirchengemeinde in ein Erbbaurecht an dem im Eigentum der Kirchengemeinde stehenden, mit einem Altenheim bebauten Grundstück Straße . Das Erbbaurecht wurde gemäß § 3 des Vertrages auf 60 Jahre vereinbart. Nach § 4 wurde es bestellt für den Betrieb einer katholischen Einrichtung der Altenhilfe mit dem Namen Alten- und Pflegeheim . Der Erbbauzins sollte nach § 16 des Vertrages 5 % des Verkehrswertes des Grund und Bodens (15 DM/qm), insgesamt jährlich 15.915 DM betragen. Die Kirchengemeinde verzichtete nach § 16 Nr. 4 des Vertrages auf die Entrichtung dieses Erbbauzinses so lange, wie der Erbbauberechtigte - der Kläger - in dem Haus soziale Aufgaben für bedürftige Menschen wahrnimmt.
3Der Beklagte setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. 2. 2002 die Grunderwerbsteuer auf 194.670 DM fest, nachdem der Bedarfswert des Grundstücks auf 5.562.000 DM festgestellt worden war. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und führte zur Begründung aus, der Ansatz des Bedarfswertes sei unzutreffend. Bei Erbbaurechtsverträgen bestimme sich die Bemessungsgrundlage nach dem Erbbauzins als Wert der Gegenleistung. Die Erbbauzinsverpflichtung sei unter Berücksichtigung der Laufzeit mit dem Kapitalwert nach § 13 Abs. 1 BewG anzusetzen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger bis zum Eintritt der Bedingung, nämlich der Aufgabe der Nutzung des Grundstücks für soziale Zwecke, von der Zahlung befreit sei. Damit liege eine freigebige Zuwendung unter Lebenden nach § 3 Nr. 2 GrEStG vor. Der Beklagte wies den Einspruch am 15. 7. 2002 zurück. Die Gegenleistung sei aufschiebend bedingt; da sie zunächst nicht zu ermitteln sei, habe die Besteuerung mit dem Grundbesitzwert zu erfolgen. § 3 Nr. 2 GrEStG greife nicht ein, da der Erwerber durch die Zuwendung des Erbbaurechts nicht bereichert sei.
4Hiergegen richtet sich die Klage.
5Der Kläger trägt vor:
6Die Erbbaurechtsbestellung erfolge solange unentgeltlich, wie das Grundstück für soziale Zwecke genutzt werde. Wenn die Gemeinde das Grundstück insgesamt unentgeltlich übertragen hätte, wäre auch keine Grunderwerbsteuer angefallen. Die Einräumung des Erbbaurechts und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit sei auch mit einer objektiven Bereicherung des Klägers verbunden. Dies entspreche gerade dem Willen der Kirchengemeinde. Wenn der Beklagte in der Nutzung für soziale Aufgaben eine Gegenleistung sehe, hätte der Wert dieser Gegenleistung ermittelt werden müssen. Eine Auflage dahingehend, das Grundstück für soziale Aufgaben zu nutzen, habe zu keiner Zeit bestanden. Sofern die Klägerin eine andere Nutzung vornehme, sei lediglich der Erbbauzins von 15.915 DM p.a. zu entrichten. Der Tatbestand der Schenkung unter Auflage sei damit nicht erfüllt. Jedenfalls habe die Klägerin auch ein erhebliches Eigeninteresse an der Fortführung der Alteneinrichtung auf dem Grundstück. Gehe man von einer Auflage aus, sei eine Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer von 285.355 DM anzusetzen, es sei nämlich der jährliche Erbbauzins mit dem Faktor von 17,930 auf Grund der Laufzeit des Vertrages von 60 Jahren zu multiplizieren. Dies ergebe eine Steuer von 5.106,50 EUR.
7Der Kläger beantragt,
8den Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. 2. 2002 in der Gestalt der
9Einspruchsentscheidung vom 15. 7. 2002 aufzuheben,
10hilfsweise, die Revision zuzulassen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er trägt vor:
14Das Grundstück könne nur zu sozialen Zwecken genutzt werden; in dieser sehr eingeschränkten Nutzung müsse die Gegenleistung gesehen werden. Der Wert der Nutzungsverpflichtung sei nicht zu ermitteln, so dass der Bedarfswert nach § 138 BewG anzusetzen sei. Ein Wille zur Unentgeltlichkeit i.S. einer Bereicherungsabsicht könne hier nicht angenommen werden. Der Kläger könne nicht frei über das Grundstück verfügen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die Klage ist begründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
17Zu Unrecht hat der Beklagte Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Erbbaurechts festgesetzt. Denn der Erwerb durch die Klägerin erfolgte - zunächst - unentgeltlich mit der Folge, dass die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG eingreift.
18Der Kläger hat das Erbbaurecht auf Grund freigebiger Zuwendung der Kirchengemeinde erworben. Durch den Erwerb des Erbbaurechts und der damit verbundenen Nutzung des Grundstücks für den Betrieb des Altenheims ist er objektiv bereichert. Diese Bereicherung ist ihm unentgeltlich zugewendet worden. Denn eine Gegenleistung ist hierfür nicht vereinbart worden.
19Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt sich die Einschränkung der Nutzung des Grundstücks durch den Kläger - Wahrnehmung sozialer Aufgaben für bedürftige Menschen - nicht als Gegenleistung dar. Zwar handelt es sich bei der von beiden Vertragsparteien angestrebten weiteren Nutzung des Grundbesitzes für soziale und karitative Zwecke um ein Motiv, das der vertraglichen Vereinbarung zu Grunde lag. Die Kirchengemeinde wollte sich der wirtschaftlichen Belastung durch den Betrieb eines Altenheims entledigen; der Kläger war auch wirtschaftlich und nach seiner Satzung in der Lage, diesen Betrieb fortzuführen. Eine rechtliche Verknüpfung dahingehend, dass der Erwerb des Erbbaurechts von dem Fortbestand des Altenheims oder die weitere Nutzung für soziale Zwecke abhängen sollte, ist aber gerade nicht vereinbart worden. Es stand dem Kläger nach dem Inhalt des Vertrages jederzeit frei, die bisherige Nutzung zu beenden und das Grundstück anderweitig zu nutzen. Anders als bei einer Schenkung unter Auflage i.S. von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG war die Übertragung des Erbbaurechts nicht an ein bestimmtes Verhalten des Klägers, nämlich den weiteren Betrieb des Heims, geknüpft.
20Auch der Erbbauzins stellt derzeit keine Gegenleistung i.S. von §§ 9 Abs. 1, 8 Abs. 1 GrEStG dar. Denn die Kirchengemeinde hat nach § 16 Nr. 4 des Vertrages auf den Erbbauzins so lange verzichtet, wie der Kläger das Altenheim weiter betreibt. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Gegenleistung unter einer aufschiebenden Bedingung, nämlich der Aufgabe der Nutzung des Grundstücks für soziale Zwecke, steht. Zwar kann auch eine aufschiebend bedingte Verpflichtung Gegenleistung i.S. der §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 GrEStG sein; dies aber erst dann, wenn sie mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung zivilrechtlich wirksam geworden ist. Mit Eintritt der Bedingung wird dann ein neuer Steuertatbestand i.S. von § 38 AO erfüllt, der die Steuerfestsetzung durch einen selbstständigen Steuerbescheid zulässt und gebietet (BFH Urteile vom 4. April 2001II R 22/99 BFH/NV 2001,1146; vom 22. November 1995 II R 26/95 BFHE 179,177 BStBl II 1996,162).
21Im Streitfall ist die Gegenleistung zivilrechtlich noch nicht wirksam geworden. Denn der Kläger nutzt das Grundstück wie bereits die Kirchengemeinde für den Betrieb des Altenheims weiter. Erst bei Aufgabe dieser Nutzung durch den Kläger wird der Steuertatbestand erfüllt.
22Die Vereinbarung stellt sich auch nicht als bloßes Hinausschieben der Fälligkeit der Gegenleistung dar (vgl. Pahlke/Franz § 8 GrEStG Tz. 19; BFH Urteil vom 22. Januar 1997 II R 23/96 BFH/NV 1997,705). Vielmehr entsprach es dem Willen von Veräußerer und Erwerber, dass der Kläger das Erbbaurecht unentgeltlich erhalten sollte, wenn er die von beiden Vertragsparteien angestrebte Nutzung des Grundstücks aufrecht erhielt. Erst bei einer Nutzungsänderung entfällt das Motiv für die unentgeltliche Übertragung und damit der Wille der Kirchengemeinde als Veräußerin, das Erbbaurecht dem Kläger freigebig zuzuwenden. Dies ergibt sich auch daraus, dass für den Zeitraum vor Nutzungsänderung nicht rückwirkend ein Entgelt in Form einer nachträglichen Zahlung von Erbbauzinsen zu leisten ist.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
24Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
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