Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 4173/03 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Versäumung der Frist zur Antragsveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG).
3Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2000 u.a. Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit bei einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Kläger wurden mit Bescheid vom 28.11.2002 zur Einkommensteuer 2000 veranlagt. Dabei schätzte der Beklagte mangels Abgabe einer Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abgabenordnung (AO). Zugleich setzte er wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung einen Verspätungszuschlag in Höhe von 255,65 EUR fest. Gegen diesen Schätzungsbescheid legten die Kläger am 27.12.2002 Einspruch ein. Darin führten sie aus, bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung werde sich ein Verlust von rd. 50.000 DM ergeben, der nach § 2 Abs. 3 EStG voll ausgleichsfähig sei. Die Einkommensteuererklärung werde noch in dieser Woche zur abschließenden Einspruchsbegründung eingereicht. Gleichzeitig beantragten die Kläger Aussetzung der Vollziehung.
4Mit einem auf den 3.1.2003 datierenden Schriftsatz forderte der Beklagte die Kläger zur weiteren Begründung ihres Einspruchs bis zum 31.1.2003 auf, die Einkommensteuererklärung einzureichen. Dieses Schreiben überschnitt sich mit der am selben Tag, nämlich am Freitag, dem 3.1.2003, eingegangenen Einkommensteuererklärung. Am 6.1.2003 setzte der Beklagte die Vollziehung des Schätzungsbescheids aus. Inhaltlich führte die Auswertung der von den Klägern eingereichten Steuererklärung zu folgenden Feststellungen: Die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte der Kläger, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, war im Veranlagungszeitraum 2000 negativ. Neben Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers in Höhe von 9.047 DM, Kapitaleinkünften der Kläger in Höhe von insgesamt ca. 10.000 DM erzielten sie Einkünfte aus Vermietung in Höhe von insgesamt ca. ./. 50.000 DM.
5Am 22.1.2003 teilte der Beklagte den Klägern mit, es sei beabsichtigt, den Schätzungsbescheid aufzuheben. Eine Antragsveranlagung komme wegen Fristversäumnis nicht in Betracht. Dagegen wandten sich die Kläger mit dem Schriftsatz vom 5.2.2003, in dem sie zugleich - vorsorglich - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragten.
6Am 7.3.2003 hob der Beklagte den Schätzungsbescheid ersatzlos auf und verfügte, dass eine Veranlagung zur Einkommensteuer 2000 nicht durchgeführt werde. Den dagegen eingelegten Einspruch vom 16.3.2003 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8.7.2003 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger vortragen:
7Es sei zwar zutreffend, dass für den Veranlagungszeitraum 2000 eine Antragsveranlagung durchzuführen sei. Die Durchführung derselben hätten sie jedoch rechtzeitig vor Ablauf der Frist beim Beklagte beantragt. Das Einspruchsschreiben vom 27.12.2002 sei als ein solcher Antrag anzusehen. Unter Berücksichtigung des Zwecks des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG seien keine zu strengen formalen Voraussetzungen an einen solchen Antrag zu stellen. Aus dem Einspruchsschreiben gehe ihr Begehren eindeutig hervor. Die außer acht gelassenen Einkünfte seien überschlägig ermittelt und die Besteuerungsgrundlagen angegeben worden. Der Abgabe des ausgefüllten amtlichen Formulars habe es insoweit nicht bedurft.
8Selbst wenn man von einer Fristversäumnis ausginge, sei jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Antragsfrist sei einer Wiedereinsetzung zugängig. Diese Frist hätten sie unverschuldet versäumt. Zum einen hätten sie keine Kenntnis von der Frist gehabt. Anderenfalls hätten sie unmittelbar mit dem Einspruchsschreiben die Erklärung abgegeben. Zum anderen könne sich der Beklagte ihnen gegenüber nicht auf die Fristversäumnis berufen. Dies sei nämlich treuwidrig. Der Beklagte habe sie ausdrücklich zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert und einen Verspätungszuschlag festgesetzt. Er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Veranlagung von Amts wegen erfolgen werde und ein Antrag nicht gestellt werden müsse.
9Die Kläger beantragen,
10den Bescheid vom 7.3.2003 in der Fassung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für das Streitjahr 2000 eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er trägt vor:
14Als Steuererklärung gelte nach § 150 AO allein der amtliche Vordruck. Nur durch Einreichung dieses ausgefüllten Vordrucks werde der Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt. Die von den Klägern vorgetragenen Gründe für eine Wiedereinsetzung seien nicht relevant. Dem Kläger hätte die Frist bereits von Berufs wegen bekannt sein müssen, insbesondere auch deshalb, da er zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn als Beamter der Finanzverwaltung in der täglichen Arbeit mit der Frist befasst war. Die vor Ablauf der Frist erfolgte Schätzung hebe die Frist nicht auf. Der Beklagte habe ohne die Steuererklärung nicht prüfen können, ob eine Antragsveranlagung oder eine Veranlagung von Amts wegen in Betracht komme.
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage ist unbegründet.
17Die Ablehnung der beantragten Antragsveranlagung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Kläger haben keinen Anspruch auf Durchführung einer Veranlagung zur Einkommensteuer von Amts wegen, denn sie haben nicht innerhalb der dafür nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG vorgesehenen Zweijahresfrist einen entsprechenden Antrag beim Beklagten gestellt.
18Die Frist für die Antragsveranlagung für den Veranlagungszeitraum 2000 endete am 31.12.2002. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht nach behördlichem Ermessen verlängerbar ist. Der Antrag der Kläger in Form der Einkommensteuererklärung 2000 ging erst am 3.1.2003 und damit verspätet beim Beklagten ein. Der Einspruch vom 27.12.2003 kann entgegen der Ansicht der Kläger nicht als Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG gewertet werden. Dafür ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG die Abgabe der Einkommensteuererklärung erforderlich. Letztere ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (§ 150 Abs. 1 AO).
19Geht die Einkommensteuererklärung nicht in der vorgeschriebenen Form fristgerecht beim Finanzamt ein, kann sie nur noch berücksichtigt werden, wenn dem Steuerpflichtigen gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, weil er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Letzteres trifft im Streitfall nicht zu.
20Der Vortrag des Klägers, er habe die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG nicht gekannt, begründet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum über eine Ausschlussfrist kann zwar, anders als ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich sein (BFH-Urteil vom 3.7.1986 IV R 133/84 in BFH/NV 1986, 717). Der Kläger hat sich aber nicht unverschuldet über die Frist geirrt. Fahrlässig und damit schuldhaft handelt, wer die gebotene und die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten mögliche Sorgfalt bei der Fristwahrung außer acht lässt und dadurch die Frist versäumt (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO Tz. 13 ff.). Als einem auf dem Gebiete des Steuerrechts tätigen berufsmäßigen Vertreter muss der Kläger die steuerliche Vorschriften betreffend das materielle und formelle Recht kennen (BFH-Urteil vom 10. August 1988, IX R 219/84, BStBl. II 1989, 131; Hessisches Finanzgericht Urteil vom 2. April 2003 11 K 4715/00). Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn als Beamter der Finanzverwaltung die Frist zur Antragsveranlagung gekannt und in seiner praktischen Tätigkeit mit deren Anwendung befasst war.
21Auch das Verhalten der Finanzverwaltung ist nicht geeignet, den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und der Erlass des entsprechenden Schätzungsbescheids führt nicht dazu, dass die Kläger darauf vertrauen durften, der Beklagte werde eine Veranlagung von Amts wegen durchführen und ein Antrag gerichtet auf Durchführung einer solchen Veranlagung sei entbehrlich. Die Voraussetzungen des § 162 AO waren zu diesem Zeitpunkt erfüllt, weil die Kläger ihren Mitwirkungspflichten, insbesondere der zu diesem Zeitpunkt aus Sicht des Beklagten bestehenden Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, nicht nachgekommen waren. Zudem konnte der Beklagte auf Grund der Veranlagungen der Vorjahre nicht sicher davon ausgehen, dass für den Veranlagungszeitraum 2000 nur eine Antragsveranlagung in Betracht kommen werde. Dies war erst ersichtlich, nachdem die Kläger ihre Steuererklärung eingereicht hatten. Ein Hinweis auf die Antragsveranlagung mag möglicherweise in dem Einspruchsschreiben vom 27.12.2002 enthalten sein, weil dort von Verrechnung negativer Einkünfte die Rede ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Schätzungsbescheid jedoch bereits ergangen. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags führt ebenfalls nicht dazu, dass die Kläger darauf vertrauen durften, eine Veranlagung werde von Amts wegen durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Festsetzung des Verspätungszuschlages konnte der Beklagte angesichts der Vorjahre davon ausgehen, dass die Kläger verpflichtet seien, auch für den Veranlagungszeitraum 2000 eine Steuererklärung abzugeben. Als der Beklagte erkannte, dass dies nicht der Fall war, hob er den Schätzungsbescheid einschließlich des darin festgesetzten Verspätungszuschlag wieder auf.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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