Gerichtsbescheid vom Finanzgericht Düsseldorf - 11 K 378/05 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 27.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2005 und der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 22.11.2004 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2005 wird insoweit geändert, als weitere Werbungskosten der Klägerin aus nichtselbstständiger Tätigkeit im Jahre 2000 in Höhe von 1.532 DM und im Jahre 2002 in Höhe von 767 EUR anerkannt werden.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten auferlegt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1
G r ü n d e:
2- I.
Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Tätigkeit anzuerkennen sind.
4Die Kläger sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
5Die Klägerin hatte in den Streitjahren als Schulleiterin der Schule in A-Stadt eine Unterrichtsverpflichtung von 14 Wochenstunden. Ihr stand in der Schule ein Dienstzimmer zur Verfügung.
6Im Rahmen der Einkommensteuererklärungen 2000 und 2002 machten die Kläger jeweils Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer der Klägerin in Höhe von 1.532 DM für das Jahr 2000 und 767 EUR für das Jahr 2002 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Die Aufwendungen setzen sich aus den Kosten für Hausversicherung, Strom, Heizöl usw. zusammen, die im Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zur Gesamtwohnfläche aufgeteilt wurden. Nähere Einzelheiten sind der Anlage zur Einkommensteuer 2000 (Anlage N, Zeile 47) zu entnehmen, auf die Bezug genommen wird (s. Einkommensteuerakte des Beklagten).
7Der Beklagte erkannte diese Aufwendungen nicht an. Nach Auffassung des Beklagten habe der Klägerin ein anderer Arbeitsplatz in Form des Dienstzimmers zur Verfügung gestanden und die Klägerin habe nicht geltend gemacht, dass sie das häusliche Arbeitszimmer zu mehr als 50 % der gesamten beruflichen Tätigkeit benutze.
8Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2000 mit Bescheid vom 02.07.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.08.2002 auf 28.815,39 EUR und die Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom 13.04.2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.11.2004 auf 36.973 EUR fest.
9Gegen die Bescheide legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein.
10Zur Begründung trugen sie vor, dass das Dienstzimmer lediglich für die allgemeine Verwaltungstätigkeit und als Besprechungszimmer zur Verfügung stehe. Für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die nicht während der üblichen Arbeitszeit erledigt werden könne, sei die Klägerin auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Im Regelfall sei die Klägerin von 7.30 Uhr bis 14.00 Uhr an fünf Wochentagen in der Schule, häufig jedoch auch länger wegen Dienstbesprechungen, Konferenzen und Elterngesprächen. Da nach 17.00 Uhr kein Hausmeister mehr anwesend sei, obliege der Klägerin häufig auch die Kontrolle der Schulräumlichkeiten und das Abschließen der Schule sowie das Scharfschließen der Alarmanlage, die wegen der vielen Einbrüche und Einbruchsversuche angeschafft worden sei. Meldungen der Alarmanlage würden direkt auf das private Telefon in der Wohnung der Kläger geleitet. Das Dienstzimmer in der Schule sei von der Straße und dem Schulhof einsehbar. Es sei der Klägerin deshalb nicht zumutbar, sich abends allein im Schulgebäude aufzuhalten, zumal sich in der Nähe weder die Hausmeisterwohnung noch sonstige Wohngebäude befänden. Lehrerkollegen hielten sich nach Schulschluss im Regelfall nicht mehr in der Schule auf. Darüber hinaus werde während der kalten Jahreszeit die Heizungsanlage, sollte nicht irgendeine Veranstaltung in der Schule stattfinden, ab 13.30 Uhr auf eine niedrigere Temperatur abgesenkt, sodass der Aufenthalt im Dienstzimmer der leeren Schule dann unzumutbar sei. Aus diesen Gründen benutze die Klägerin meist abends oder an den Wochenenden das häusliche Arbeitszimmer zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Die Kläger verwiesen auf die neue Rechtsprechung des BFH, insbesondere die BFH-Urteile vom 07.08.2003 VI R 16/01, vom 07.08.2003 VI R 118/00 und vom 09.12.2003 VI R 150/01.
11Mit Einspruchsentscheidung vom 03.01.2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
12Zur Begründung führte der Beklagte aus, Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin seien nicht als Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen, da der Klägerin in Form des Dienstzimmers in der Schule ein anderer Arbeitsplatz im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zur Verfügung stehe. Das Dienstzimmer könne nach objektiven Kriterien wie Größe, Ausstattung und Nutzung auch für die Vorbereitung des Unterrichts genutzt werden. Subjektive Erwägungen und Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers begründet seien, z. B. persönliche Arbeitsweise, Ansichten und Vorlieben, Gesundheitszustand, familiäre Situation, seien unerheblich, sodass insbesondere die Tatsache, dass die Klägerin zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichtes häufig allein im Schulgebäude wäre, für die steuerliche Anerkennung des häuslichen Arbeitszimmers unmaßgeblich sei. Zudem stehe ein anderer Arbeitsplatz auch dann zur Verfügung, wenn er außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, wie z. B. am Wochenende oder in den Ferien nicht zugänglich sei. Denn nach der gesetzlichen Konzeption des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG solle die steuerliche Anerkennung eines Arbeitszimmers die Ausnahme bleiben, sodass eine zeitlich untergeordnete Einschränkung der Nutzbarkeit "eines anderen Arbeitsplatzes", die im Streitfall in den Wintermonaten in Folge der Temperaturabsenkung vorliegen könnte, nicht dazu führen könne, dass ein häusliches Arbeitszimmer anerkannt werden könne (vgl. insoweit Finanzgericht Münster vom 17.08.1999, 15 K 6627/97 E). Letztlich könne auch der Umstand, dass Meldungen der Alarmanlage an den privaten Telefonanschluss der Kläger weitegeleitet würden, nicht die Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer der Kläger begründen.
13Die Kläger haben fristgerecht Klage erhoben.
14Zur Begründung tragen die Kläger ergänzend vor, der Beklagte sei auf das neuere Urteil des BFH vom 09.12.2003 VI R 150/01 nicht eingegangen. In diesem Urteil habe der BFH ausgeführt, dass einem Schulleiter und Lehrer das Dienstzimmer der Schule regelmäßig nur für die Verwaltungstätigkeit, nicht aber für die Lehrtätigkeit zur Verfügung stehe, und habe festgestellt, dass Schulverwaltung und Unterricht unterschiedliche Aufgabenbereiche seien. Die Überlassung des Dienstzimmers durch den Dienstherren knüpfe an die übertragenen Verwaltungsaufgaben an. Daher seien die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Schulleiters als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.
15Die Kläger beantragen sinngemäß,
16den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 27.08.2002 und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 22.11.2004 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2005 insoweit zu ändern, als weitere Werbungskosten der Klägerin aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1.532 DM für das Jahr 2000 und in Höhe von 767 EUR für das Jahr 2002 anerkannt werden.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung seines Klageabweisungsantrages verweist der Beklagte auf seine in der Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung und führt ergänzend aus, die Frage, ob ein anderer Arbeitsplatz im Sinne des § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 1 EStG zur Verfügung stehe, sei ausschließlich nach objektiven Kriterien zu beantworten. Die Kläger hätten auch im Klageverfahren bisher nur subjektive Erwägungen vorgetragen, die nicht entscheidungsrelevant seien. Das von den Klägern angeführte BFH-Urteil vom 09.12.2003, VI R 150/01 sei nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht, sodass nur die an diesem Rechtsstreit Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger an dieses Urteil gebunden seien. Der Beklagte sei jedoch in Folge der Nichtveröffentlichung im Bundessteuerblatt nicht an dieses Urteil gebunden.
20- II.
Die Klage ist begründet.
22Die Kläger sind durch den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 27.08.2002 und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 22.11.2004 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2005 in ihren Rechten verletzt. Denn die geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen. Der Klägerin steht in Form des Dienstzimmers in der Schule kein anderer Arbeitsplatz im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG zur Verfügung.
23Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 und 3 EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zu maximal 2.400 DM (1.250 EUR) abziehbar, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Er steht allerdings nur dann "für die betriebliche und berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Bei Steuerpflichtigen, die nur einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, ist deshalb zu prüfen, ob der - an sich vorhandene - andere Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit genutzt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 07.08.2003 VI R 17/01, BFH/NV 2003, 1651, VI R 16/01, BFH/NV 2003, 1650, VI R 162/00, BFH/NV 2003, 1649).
24Nach der Rechtsprechung des BFH steht einem Schulleiter und Lehrer das Dienstzimmer in der Schule regelmäßig nur für die Verwaltungstätigkeit, nicht aber für die Lehrtätigkeit zur Verfügung. Schulverwaltung und Unterricht seien unterschiedliche Aufgabenbereiche einer Erwerbstätigkeit. Die Überlassung des Dienstzimmers durch den Dienstherren knüpfe an die übertragenen Verwaltungsaufgaben an (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2003 VI R 150/01, BFH/NV 2004, 412). Die Aufwendungen des Schulleiters und Lehrers für ein Arbeitszimmer sind danach abzugsfähig.
25Darüber hinaus ist zu beachten, dass in dem Dienstzimmer die unterrichtsbegleitende Tätigkeit (Unterrichtsvorbereitung und Unterrichtsnachbereitung usw.) auf Grund der Temperaturabsenkung nach 13.30 Uhr nur in unzumutbarer Weise möglich ist. Hierbei handelt es sich nicht um eine rein subjektive Ansicht der Kläger, sondern um einen objektiven Gesichtspunkt. Denn § 6 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung schreibt zum Schutz von Arbeitnehmern vor, dass in Arbeitsräumen während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung der Beschäftigten und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur besteht. Die Temperaturabsenkung in einer Schule führt zu einer unter 20° C liegenden und damit nicht mehr gesundheitlich zuträglichen Temperatur (vgl. Betriebsanweisung für Heizungsanlagen in Liegenschaften des Landes NRW, MinBl. NW 1981, 1141, die eine Mindesttemperatur von 20° C in Büroräumen und Schulen vorschreibt)(vgl. auch Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.03.1998 4 K 2953/97, EFG 1998, 1054 und vom 28.10.1998 13 K 2819/97 E, EFG 1999, 543). Es ist außerdem nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten als Schulleiterin und die unterrichtbegleitende Tätigkeit in der Zeit von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr erledigt. Dies wird auch vom Beklagten nicht vorgetragen.
26Hiergegen kann, entgegen der Auffassung des Beklagten, auch nicht eingewendet werden, dass zumindest eine zeitweilige Nutzung des Zimmers in der Schule für die Klägerin in der wärmeren Jahreszeit möglich ist. Zum einen sieht § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG - anders als andere Vorschriften des EStG, wie etwa § 33a Abs. 4 EStG für bestimmte Fälle der außergewöhnlichen Belastungen keine zeitanteilige Berücksichtigung von Arbeitszimmerkosten vor. Zum anderen müsste die Klägerin in der kalten Jahreszeit wegen unzureichender Arbeitsbedingungen zunächst eigene Mittel einsetzen und das eingerichtete Arbeitszimmer während der warmen Jahreszeit vorhalten, bekäme ihre Aufwendungen aber nicht ersetzt, wenn ihr das Dienstzimmer in der Schule als Arbeitsplatz i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG angerechnet wird. Dies würde gelten, obwohl das Dienstzimmer für wesentliche Kernbereiche ihrer Tätigkeit tatsächlich nicht zur Verfügung stehe, weil es in der üblichen Arbeitszeit wegen tatsächlichen Verstoßes gegen Arbeitsschutzregelungen nicht jederzeit nutzbar ist.
27Vor diesem Hintergrund sind die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin in Höhe von 1.532 DM im Jahre 2000 und 767 EUR im Jahre 2002 als Werbungskosten anzuerkennen. Gründe, die gegen den Ansatz der Werbungskosten in dieser Höhe sprechen, sind weder aus den Akten ersichtlich noch vom Beklagten vorgetragen worden.
28Die Berechnung der festzusetzenden Steuern wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.
29Die Kostenentscheidung basiert auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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