Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 1516/06 Z
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Beklagte erteilte der Klägerin auf deren Antrag vom 13. Mai 2005 eine verbindliche Zolltarifauskunft vom 27. Juni 2005, mit der Stockschrauben in die Unterpos. 7318 15 30 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht wurden. Bei den Stockschrauben handelt es sich um massive, zylindrische Waren aus nichtrostendem Stahl ohne Kopf in unterschiedlichen Längen und Durchmessern mit einem auf etwa zwei Drittel ihrer Länge gleichbleibenden metrischen Gewinde, einem mittleren glatten Schaftstück und einem dem metrischen Gewinde gegenüberliegenden selbstschneidenden Befestigungsgewinde (Holzgewinde), das zu einer Spitze ausgearbeitet ist.
3Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Stockschrauben seien in die Unterpos. 7318 19 00 KN einzureihen. Sie hätten dieselben Anwendungseigenschaften wie ein Gewindebolzen. Auf beiden Seiten fehle ein auch für Schrauben ohne Kopf typisches Antriebsmerkmal. Es handele sich technisch gesehen daher nicht um eine Schraube.
4Die Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 8. März 2006 zurück und führte aus: Bei den Stockschrauben handele sich zwar nicht um Schrauben, weil sie keinen Kopf hätten. Dennoch seien sie als Bolzen ohne Kopf aus nichtrostendem Stahl in die Unterpos. 7318 15 30 KN einzureihen. Hierfür sei weder ein Anziehen und Lösen mit einem Schraubwerkzeug noch ein Kraftantrieb zum Anziehen und Lösen erforderlich. Eine Einreihung in die Unterpos. 7318 19 00 KN komme nicht in Betracht, weil die vorrangig zu prüfende Unterpos. 7318 15 30 KN einschlägig sei.
5Die Klägerin hat am 6. April 2006 Klage erhoben, mit der sie vorträgt: Die Stockschrauben würden im Handwerk zwar als Schrauben bezeichnet, seien jedoch keine Schrauben, weil ihnen das für eine Schraube typische Antriebsmerkmal fehle. Es handele sich auch nicht um Bolzen. Das Hauptzollamt X habe die Stockschrauben mit einer ihr erteilten Auskunft der Unterpos. 7318 19 00 KN zugewiesen. Ferner habe die niederländische Zollverwaltung mit einer verbindlichen Zolltarifauskunft vom 3. Oktober 2005 und die französische Zollverwaltung mit einer verbindlichen Zolltarifauskunft vom 19. Februar 2002 Gewindestücke in die Unterpos. 7318 19 00 KN eingereiht.
6Die Klägerin beantragt,
7- die Beklagte unter Aufhebung ihrer verbindlichen Zolltarifauskunft vom 27. Juni 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2006 zu verpflichten, die Stockschrauben in die Unterpos. 7318 19 00 KN einzureihen;
- hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung trägt sie vor: Die der Klägerin erteilte Auskunft des Hauptzollamts X sei ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet worden.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12Die Klage ist unbegründet. Die verbindliche Zolltarifauskunft vom 27. Juni 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Beklagte hat die Stockschrauben zu Recht in die Unterpos. 7318 15 30 KN eingereicht. Die Klägerin hat nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl EG Nr. L 302/1) keinen Anspruch darauf, dass die Stockschrauben in die Unterpos. 7318 19 00 KN eingereiht werden.
13Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteile vom 7. Februar 2002 Rs. C-276/00, Slg. 2002, I-1389 Rdnr. 21; vom 4. März 2004 Rs. C-130/02, Slg. 2004, I-2121 Rdnr. 28). Dabei geht die Unterposition mit der genaueren Warenbezeichnung den Unterpositionen mit allgemeinerer Warenbezeichnung vor (3a Satz 1 und 6 Satz 1 der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur - AV -). Die Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens zum Harmonisierten System (Erl(HS)) sowie die Erläuterungen der Kommission zur Kombinierten Nomenklatur (Erl(KN)) stellen ein wichtiges, wenn auch ein nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen dar (EuGH-Urteile in Slg. 2002, I-1389 Rz. 22 sowie in Slg. 2004, I-2121 Rdnr. 28). Demgegenüber können technische Normen, die nur die Definitionen von Waren, unabhängig von ihrer zollrechtlichen Tarifierung betreffen, nicht herangezogen werden (EuGH-Urteil vom 2. August 1993 Rs. C-248/92, Slg. 1993, I-4721 Rdnr. 13).
14Von der Unterpos. 7318 15 30 KN, die im Streitfall in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 (ABl EU Nr. L 301/1) anzuwenden ist, werden andere Schrauben und Bolzen ohne Kopf aus nicht rostendem Stahl erfasst. Wenn auch der Klägerin einzuräumen sein mag, dass die Unterpos. 7318 15 30 KN nicht ausdrücklich Stockschrauben nennt, so ist sie gleichwohl im Vergleich zu der Unterpos. 7318 19 00 KN, die nur andere, und damit nach dem Wortlaut der Pos. 7318 KN den Schrauben und Bolzen ähnliche Waren aus Eisen oder Stahl erfasst, genauer. Die Stockschrauben sind nämlich als eine Kombination aus einer Holzschraube und einem Bolzen der Unterpos. 7318 15 30 KN zuzuweisen. Eine derartige Kombination kann schon deshalb nicht in die Unterpos. 7318 12 KN eingereiht werden, weil es sich nicht nur um eine Holzschraube handelt, wie sie in den Erl(HS) zu Pos. 7318 Rdnr. 07.1 beschrieben wird. Bei den Stockschrauben handelt sich daher um "andere" Schrauben und Bolzen i.S. der Unterpos. 7318 15 KN. Bolzen im zolltariflichen Sinne haben eine zylindrische Form, sind an einem Ende oder in ihrer ganzen Länge mit einem Gewinde versehen und dazu bestimmt, mit einer Mutter verschraubt zu werden (Erl(HS) zu Pos. 7318 Rdnr. 03.1 und 04.1). Diese Begriffsbestimmung erfüllen die Stockschrauben bezüglich ihres auf etwa zwei Drittel ihrer Länge gleichbleibenden metrischen Gewindes. Sie haben eine zylindrische Form, sind überwiegend mit einem Gewinde versehen und auf Grund dieses Gewindes offensichtlich dazu bestimmt, an einem Ende mit einer Mutter verschraubt zu werden. Dass die Stockschrauben selbst kein "für eine Schraube typisches Antriebsmerkmal" haben, sondern an einem Ende mit einer Mutter verschraubt werden müssen, steht ihrer Einreihung in die Unterpos. 7318 15 30 KN nicht entgegen. Ein derartiges "Antriebsmerkmal" erfordert weder der Wortlaut der Unterpos. 7318 15 30 KN noch wird dies nach den Erl(HS) zu Pos. 7318 Rdnr. 03.1 und 04.1 für Schrauben und Bolzen im zolltariflichen Sinne vorausgesetzt. Die Stockschrauben sind in Anbetracht ihres Holzgewindes auch nicht an einem Ende so angespitzt, dass sie wie Nägel eingeschlagen werden können, so dass der Avis (HS) zu Pos. 7318 Rdnr. 02.0, der nur für derartige Waren die Zuweisung zur Unterpos. 7318 19 vorsieht, nicht einschlägig ist. Da mithin die Unterpos. 7318 15 30 KN die vorliegenden Stockschrauben genauer als die Unterpos. 7318 19 00 KN bezeichnet, geht die erstgenannte Unterposition vor (3a Satz 1 und 6 Satz 1 AV).
15Die Klägerin kann sich auf die ihr erteilte Auskunft des Hauptzollamts X schon deshalb nicht berufen, weil diese Auskunft ausdrücklich als unverbindlich bezeichnet worden ist. Auch die verbindlichen Zolltarifauskünfte der niederländischen Zollverwaltung vom 3. Oktober 2005 und der französischen Zollverwaltung vom 19. Februar 2002 können dem Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Die verbindliche Zolltarifauskunft der niederländischen Zollverwaltung bezieht sich auf Rundstahlbügel und damit auf Waren, die den Stockschrauben nicht in jeder Hinsicht entsprechen (Art. 12 Abs. 3 Anstrich 1 ZK). Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte verbindliche Zolltarifauskunft der französischen Zollverwaltung enthält eine derart unbestimmte Warenbeschreibung, dass eine Übereinstimmung mit den in Rede stehenden Stockschrauben nicht festgestellt werden kann. Unbeschadet dessen ist ein erstinstanzliches Gericht nicht verpflichtet, den EuGH um eine Vorabentscheidung nach Art. 234 Unterabs. 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu ersuchen, wenn ihm im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits über die zolltarifliche Einreihung einer bestimmten Ware eine eine ähnliche Ware betreffende verbindliche Zolltarifauskunft vorgelegt wird, die einem an diesem Rechtsstreit nicht Beteiligten von Zollbehörden eines anderen Mitgliedstaats erteilt worden ist (EuGH-Urteil vom 15. September 2005 Rs. C-495/03, Slg. 2005, I-8151 Rdnr. 45). An derartige verbindliche Zolltarifauskünfte von Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten ist ein einzelstaatliches Gericht nicht gebunden. Es ist vielmehr Aufgabe der Europäischen Kommission, etwa durch den Erlass einer Einreihungsverordnung für eine gleichmäßige Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten Sorge zu tragen (EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-8151 Rdnr. 43).
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Dies ist von der Klägerin auch nicht näher dargelegt worden.
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