Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 14 K 3386/08 V
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1990 an die Änderung des Feststellungsbescheides über den gemeinen Wert der Anteile der"A" AG (auch vormals: "B" GmbH) anzupassen, oder ob eine solche Änderung auf Grund einer Festsetzungsverjährung ausscheidet.
3Die Klägerin war zu 55,5 % Anteilseignerin der "A" AG. Diese Gesellschaft war ihrerseits zu 50 % Anteilseignerin an der "C" AG. Die übrigen Anteile an der vorgenannten AG hielt die "D" GmbH. Die "C" AG führte vor dem Finanzgericht Düsseldorf unter dem Az.: 6 K 8485/93 BA ein Verfahren wegen Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile zum 31.12.1989. Im Urteil vom 07.12.1999 hat das Finanzgericht nach dem Tenor des Urteils "in Abänderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des gemeinen Werts der Anteile vom 17.07.1992 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.05.1993 und vom 29.04.1998" den gemeinen Wert der Anteile zum 31.12.1989 auf 509 DM je 100 DM des Grundkapitals festgestellt.
4In Umsetzung dessen erließ der Beklagte am 02.05.2000 bzw. 15.05.2000 geänderte Feststellungsbescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts der Anteile für die beiden Anteilseigner der "C" AG, die "D" GmbH und die "A" AG. Eine Änderung des Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1990 für die Klägerin unter Berücksichtigung des geänderten Feststellungsbescheides betreffend den gemeinen Wert der Anteile an der "A" AG erging in der Folgezeit hingegen nicht.
5Nachdem mit Bescheid vom 27.03.2006 der Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1990 für die "C" AG geändert worden war, beantragte die AG eine Änderung des Bescheides über die Anteilsbewertung zum 31.12.1989. Diesen Antrag lehnte der Beklagte im Bescheid vom 08.10.2007 ab und verwies zur Begründung auf den Ablauf der Feststellungsfrist für die Anteilsbewertung auf den 31.12.1989. Eine Änderung im Rahmen des § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) sei nicht möglich, weil der geänderte Einheitswertbescheid zu keiner Änderung der Anteilsbewertung führe. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die "C" AG die im Verfahren 6 K 3366/08 BA erhobene Klage gegen die Ablehnung der Änderung zurückgenommen, worauf hin das Verfahren mit Beschluss vom 24.09.2010 eingestellt worden ist.
6Mit Schreiben vom 11.01.2008 beantragte die Klägerin, die sich aus dem finanzgerichtlichen Urteil vom 07.12.1999 ergebende Änderung im Rahmen der Vermögensteuerfestsetzung auf den 01.01.1990 vorzunehmen. Der Beklagte lehnte die beantragte Änderung im Bescheid vom 09.07.2008 unter Hinweis auf den Eintritt einer Festsetzungsverjährung ab.
7Zur Begründung ihres Einspruchs sowie nach dessen Zurückweisung in der Einspruchsentscheidung vom 04.08.2008 zur Begründung der dagegen unter dem 29.08.2008 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend: Bezogen auf den geänderten Feststellungsbescheid für die Holding-Gesellschaft sei die Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 AO zur Auswertung des geänderten Feststellungsbescheides ihrerseits durch einen Antrag nach § 171 Abs. 3 AO gehemmt worden. Ein Antrag in Bezug auf die Änderung des Folgebescheides sei im Streitfall zwar nicht ausdrücklich gestellt worden. In diesem Zusammenhang sei jedoch zu berücksichtigen, dass die "C" AG den Rechtsstreit wegen der Anteilsbewertung nicht im eigenen Interesse sondern letztendlich zur Reduzierung der Vermögensteuerbelastung der Anteilseigner als eigentliches materielles Ziel geführt habe. Die Änderung des Feststellungsbescheides sei – für die Finanzverwaltung erkennbar - lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen notwendig gewesen. Auf Grund dessen enthielten der Rechtsbehelf und die Klage gegen die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der "C" AG inzident den Antrag, im Fall des Obsiegens auch alle Folgebescheide zu ändern. Auch ein Dritter könne den Antrag stellen. Daher sei davon auszugehen, dass die "C" AG in verdeckter Stellvertretung den Antrag für die unmittelbar und mittelbar beteiligten Anteilseigner gestellt habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Holding-Gesellschaften Beigeladene im finanzgerichtlichen Verfahren gewesen seien und bei ihrer eigenen Antragstellung zweifellos im Interesse ihrer Gesellschafter gehandelt hätten. Diese hätten deshalb ebenfalls in verdeckter Stellvertretung zu Gunsten ihrer Gesellschafter den Antrag gemäß § 171 Abs. 3 AO gestellt. Für diese Beurteilung seien sowohl Sinn und Zweck des § 171 Abs. 3 AO, der verhindere, dass immer dann, wenn der Steuerpflichtige ein Begehren an die Finanzbehörde gerichtet habe, dieses nicht durch Untätigkeit der Behörde verjähren dürfe, als auch das Zusammenspiel von Grundlagen und Folgebescheid, die Fürsorgepflicht der Finanzverwaltung nach § 89 Abs. 1 AO und verfassungsrechtliche Aspekte in Form des Rechtsstaatsprinzips und des Justizgewährungsanspruchs maßgeblich.
8Die Forderung nach einem gesonderten Antrag auf Änderung des Folgebescheides stelle einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 des Grundgesetzes (GG) dar. Die Verwaltung sei gehalten, gerichtliche Entscheidungen umzusetzen. Demgegenüber könnten dem Steuerpflichtigen keine weiteren Antragspflichten auferlegt werden. Entsprechendes folge aus dem Justizgewährungsanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach der Staat zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes verpflichtet sei. Nach dem Obsiegen im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Grundlagenbescheid könne vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, eine weitere ausdrückliche Initiative zu entfalten und zusätzlich einen Antrag auf Änderung des Folgebescheides zu stellen. Diese Betrachtungsweise gelte jedenfalls dann, wenn der Grundlagenbescheid – wie im Streitfall - durch ein Gerichtsurteil geändert worden sei. Abweichend könne die Rechtslage nur dann beurteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid ohne Zutun des Steuerpflichtigen geändert werde. Hinzu komme, dass dasselbe Finanzamt für die Änderung des Grundlagen- und Folgebescheides zuständig gewesen sei. Schließlich verletze eine Be-
9lastung der Klägerin dahingehend, dass bei ihr die gerichtlich angeordnete Steuerfestsetzung anders als bei den übrigen Beteiligten nicht ordnungsgemäß umgesetzt werde, elementare Grundprinzipien der Steuergerechtigkeit, den Gleichheitssatz des Art. 3 GG und das hieraus entwickelte Gebot einer widerspruchsfreien und folgerichtigen Gesetzesanwendung sowie das Übermaß- und Willkürverbot.
10Die Klägerin beantragt,
11unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 09.07.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.08.2008 den Beklagten zu verpflichten, den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1990 vom 15.12.1998 dahingehend zu ändern, dass die Vermögensteuer unter Auswertung des geänderten Feststellungsbescheides über den gemeinen Wert der Anteile an der "A" AG (vormals "B" GmbH) vom 15.05.2000 neu festgesetzt wird,
12hilfsweise,
13die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er macht geltend: Die Anträge der "C" AG sowie der Beigeladenen im Einspruchs- und Klageverfahren beträfen den gemeinen Wert der Anteile an dieser AG zum 31.12.1989 und könnten nicht zugleich als Anträge gemäß § 171 Abs. 3 AO auf Änderung des Vermögensteuerbescheides der Klägerin gewertet werden. Wie die Klägerin selbst ausführe, sei ein solches Antragsbegehren nicht ausdrücklich in den Rechtsbehelfsanträgen der "C" AG enthalten.
17Das Vorbringen der Klägerin, mit der Anfechtung des Grundlagenbescheides sei eine Reduzierung der Vermögensteuerbelastung der Anteilseigner bezweckt worden, könne keine andere Beurteilung rechtfertigen. Die steuerliche Belastung der Beteiligten dürfte in den meisten Feststellungsverfahren von maßgebender Bedeutung sein. Außerdem ermöglichten die §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 Satz 1 AO die Umsetzung des Regelungsgehalts eines Grundlagenbescheides in den von ihm abhängigen Folgebescheid, selbst wenn die für die Folgesteuer laufende Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei. Dieser Vorschriften würde es nicht bedürfen, wenn bereits im Rechtsbehelfsantrag gegen den Grundlagenbescheid zugleich ein Änderungsantrag betreffend den Folgebescheid zu erblicken wäre. In diesem Zusammenhang sei auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 19.01.2005 X R 14/04 von Bedeutung, wonach eine Anfechtung des Grundlagenbescheides nur zu einer Hemmung der Feststellungsfrist für diesen führe, nicht jedoch eine Hemmung der Frist für die Festsetzung des von ihm abhängigen Folgebescheides auslöse.
18Zudem läge selbst bei einer ausdrücklichen Antragstellung auf Änderung der Folgebescheide für den Fall des Obsiegens in der Feststellungssache kein wirksamer Antrag nach § 171 Abs. 3 AO vor. Denn es fehle an einem hinreichend konkreten Antrag. In der Rechtsprechung werde dementsprechend auch nur die Frage bejaht, ob ein innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 AO gestellter Antrag nach § 175 AO zu den Anträgen im Sinne des § 171 Abs. 3 AO gehören und eine entsprechende Ablaufhemmung auslösen könne. Das Erfordernis eines hinreichend bestimmten Antrages ergebe sich im Übrigen auch daraus, dass die Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO die Ablaufhemmung nur insoweit eintreten lasse, als der Erlass oder die Änderung einer Steuerfestsetzung beantragt werde. Auf Grund dessen müsse sich aus dem Antrag ergeben, inwieweit eine Steuer festgesetzt oder ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden solle.
19Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die Klage ist nicht begründet.
22Die Klägerin ist durch die abgelehnte Änderung des Vermögensteuerbescheides nicht in ihren Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die Möglichkeit einer Änderung des Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1990 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO auf Grund des geänderten Feststellungsbescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile an der "A" AG ist wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist zu verneinen.
23Der Wert der Anteile an der "A" AG musste gemäß §§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO, 11 des Bewertungsgesetzes (BewG) gesondert festgestellt werden. Dies ist durch den Bescheid vom 15.05.2000 geschehen. Dieser Bescheid war im Verhältnis zum Vermögensteuerbescheid der Klägerin Grundlagenbescheid i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
24Der Beklagte hat die begehrte Änderung des Vermögensteuerbescheides als Folgebescheid jedoch zu Recht abgelehnt, da die Festsetzungsfrist hinsichtlich der sich aus dem Feststellungsbescheid für die "A" AG vom 15.05.200 ergebenden Änderungen für die Vermögensteuerfestsetzung der Klägerin bereits abgelaufen war. Nach § 169 Abs. 1 AO ist eine Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
25Die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) für den Erlass eines geänderten Vermögensteuerbescheides auf den 01.01.1990 war im Jahr der Antragstellung 2008 unstreitig bereits beendet. Die Klägerin hat die Vermögensteuererklärung nach dem Akteninhalt im Jahr 1991 abgegeben, sodass eine Anlaufhemmung bis zum 31.12.1991 griff (§§ 170 Abs. 2 Nr. 1, 170 Abs. 4 AO). Damit dauerte die vierjährige Frist lediglich bis zum Ende des Jahres 1995 an.
26Auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO greift nicht ein. Danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach der Bekanntgabe des Grundlagenbescheides. Für den Fristbeginn und das Ende der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sind allein die Bekanntgabe des Grundlagenbescheides (§ 122 AO) an den/die Adressaten und somit das Wirksamwerden des Grundlagenbescheides (§ 124 AO) maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 X R 14/04, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2005, 242). Im Streitfall erstreckte sich die Ablaufhemmung somit nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Änderung des Bescheides über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der "A" AG vom 15.05.2000 und endete damit bereits im Jahr 2002.
27Der Ablauf der zweijährigen Frist nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO ist nicht seinerseits durch einen Antrag nach § 171 Abs. 3 AO gehemmt worden. Nach dieser Vorschrift läuft eine Festsetzungsfrist, soweit vor ihrem Ablauf ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gestellt wird, nicht vor der unanfechtbaren Entscheidung über diesen Antrag ab. Auch ein Antrag auf Anpassung eines Folgebescheides an einen Grundlagenbescheid ist geeignet, die Rechtsfolge des § 171 Abs. 3 AO auszulösen (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2006 I R 93/05, BStBl II 2007, 76 m.w.N.).
28Einen solchen Antrag hat die Klägerin vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 AO aber nicht gestellt. Vielmehr hat die Klägerin ausdrücklich erstmals im Jahr 2008 eine Anpassung des Vermögensteuerbescheides an den geänderten Grundlagenbescheid begehrt.
29Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass eine inzidente Antragstellung durch Dritte bezogen auf den Vermögensteuerbescheid erfolgt ist. Eine solche kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus der Tatsache der Anfechtung und Klage der "C" AG bzw. der Antragstellung der unmittelbar an der AG beteiligten Gesellschafter als Beigeladene im Verfahren gegen den Bescheid über die Anteilsbewertung entnommen werden. Dies gilt sowohl unter Berücksichtigung des Grundsatzes der "rechtsschutzgewährenden Auslegung" (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 08.05.2008 VI R 12/05, BStBl II 2009, 116 m.w.N.) als auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin angeführten Gesichtspunktes, dass die Anfechtung der Anteilsbewertung die "C" AG letztlich auf eine Herabsetzung der vermögensteuerlichen Bemessungsgrundlagen bei der Klägerin als mittelbar Beteiligte abzielte.
30Dieses Ergebnis folgt zunächst daraus, dass es bereits an jeglichem tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Auslegung in dem von der Klägerin geltend gemachten Sinne fehlt.
31Gegen die von der Klägerin vorgenommene Auslegung sprechen darüber hinaus die verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Verhältnis Grundlagen- und Folgebescheid als Ausnahme vom einstufigen Besteuerungsverfahren. Diese bestehen darin, dass die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO im Falle der Anfechtung eines Grundlagenbescheides und daraufhin vorgenommener Änderung antragsunabhängig eine Umsetzung im Folgebescheid durch die Finanzbehörde vorsieht. Der Gesetzgeber hat dem Umstand eines Endes von Feststellungs- und Festsetzungsverjährung zu unterschiedlichen Zeitpunkten und der in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO angeordneten Anpassung des Folgebescheides an den Grundlagenbescheid durch die verjährungsrechtliche Ergänzung des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO hinreichend Rechnung getragen. Die Zwei-Jahres-Frist gewährleistet, dass zu Gunsten wie zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausreichend Zeit für die Auswertung der Feststellungen eines Grundlagenbescheides zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 X R 14/04, BStBl II 2005, 242).
32Wäre demgegenüber bei der Anfechtung eines Grundlagenbescheides auf Grund der letztlich verfolgten Änderung des Folgebescheides zugleich im Wege der Auslegung von einer Antragstellung i. S. des § 171 Abs. 3 AO auszugehen, wären die vorgenannten gesetzlichen Verfahrensvorschriften überflüssig. Dass sich für ein solches Verständnis auch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Gesichtspunkte entnehmen lassen, belegt das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil vom 19.01.2005 X R 14/04 (BStBl II 2005, 242) in dem der BFH auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen für Grundlagen- und Folgebescheid hinweist. Eines solchen Hinweises hätte es nicht bedurft, wenn bei einer Anfechtung des Grundlagenbescheides ein inzident gestellter Antrag nach § 171 Abs. 3 AO hinsichtlich des Folgebescheides vorläge.
33Eine Pflicht des Beklagten zur Änderung der Vermögensteuerfestsetzung unabhängig von dem Eintritt der Festsetzungsverjährung ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben. Die Behörde ist zwar ihrer Verpflichtung zur Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln, das zu einer materiell rechtswidrigen Besteuerung führt, begründet jedoch generell keine Korrekturverpflichtung der Behörde ohne Rücksicht auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.1989 I R 181/85, BStBl II 1989, 990). Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass ein Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.1996 V R 54/94, Sammlung aller nicht amtlich und amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1996, 733 m.w.N.). Ist, wie vorliegend, Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Geltung von Treu und Glauben einerseits nicht dazu führen, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen unabhängig von dessen Verschulden ein erloschener Anspruch des Fiskus wieder auflebt. Andererseits kann ein Verschulden des Finanzamtes nicht dazu führen, dass ein Steuerbescheid nach Eintritt der Verjährung noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu ändern ist (vgl. BFH-Urteil vom 19.08.1999 III R 57/98, BStBl II 2000, 330). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn dieselbe Behörde für den Erlass des Grundlagen- und Folgebescheides zuständig ist.
34Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf Grund der Tatsache gerechtfertigt, dass die Änderung der Anteilsbewertung als Grundlagenbescheid auf der Stufe der "C" AG auf einem Gerichtsurteil beruht. Denn insoweit gilt zum einen, dass der Beklagte dieses Urteil bei der Anteilsbewertung auf der Stufe der Holding-Gesellschaften berücksichtigt hat und lediglich die Folgeänderung auf der Stufe der Klägerin unterblieben ist. Zum anderen findet auch im Falle einer Änderung des Grundlagenbescheides durch eine gerichtliche Entscheidung die Frist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO mit der Besonderheit Anwendung, dass die Änderung eines Grundlagenbescheides mit der Rechtskraft des Urteils wirksam wird (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die Folgeänderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist deshalb erst mit der Rechtskraft des Urteils zulässig, weshalb auch die Frist des insoweit lückenhaft formulierten § 171 Abs. 10 AO erst mit der Rechtskraft des Urteils beginnt (allgemeine Meinung vgl. BFH-Beschluss vom 14.01.2003 VIII B 108/01, BStBl II 2003, 335; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 171 Rz. 119). Mithin bedarf es auch bei der Änderung eines Grundlagenbescheides durch ein Gerichtsurteil einer nachfolgenden Umsetzung durch den Erlass eines insoweit geänderten Folgebescheides innerhalb der Festsetzungsfrist.
35Der Eintritt der Festsetzungsverjährung bewirkt, wie sich aus § 47 AO ergibt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen und dass die Ungewissheit über das Bestehen von Ansprüchen endgültig entfällt (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.1996 VII R 50/95, BStBl II 1997, 112). Daraus folgt, dass nach Ablauf der Festsetzungsfrist eine Änderung der Festsetzung unzulässig ist (§ 169 Abs. 1 AO). Weder kann der Steuergläubiger den Steueranspruch, noch der Steuerpflichtige den Anspruch auf Änderung einer Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten geltend machen. Die Verjährungsvorschriften dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. BFH-Urteile vom 31.01.1989 VII R 77/86, BStBl II 1989, 442 und vom 15.06.1988 I R 68/86, BFH/NV 1990, 128) und zwar in gleicher Weise im Interesse der Steuerpflichtigen als auch im Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Arbeitsablauf bei der Finanzverwaltung. Dieser wäre gestört, wenn Steuerbescheide, die sich nachträglich als unrichtig erweisen, ohne zeitliche Begrenzung geändert werden müssten (vgl. BFH-Urteil vom 19.08.1990 III R 57/98, BStBl II 2000, 330; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., vor § 169 AO Rz. 4). Vor diesem Hintergrund lassen sich Gesichtspunkte für die von der Klägerin gegen die Versagung der Änderung geltend gemachten Verfassungsverstöße, insbesondere unter dem Aspekt des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 GG, nicht ausmachen. Auch der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist durch eine mögliche Ungleichbehandlung der verschiedenen Anteilseigner der "A" AG nicht verletzt. Denn die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO gilt für jeden Folgebescheid gesondert und eine mögliche Ungleichbehandlung der Beteiligten findet hierin ihre Rechtfertigung.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
37Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eines Entscheidung des BFH erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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