Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 15 K 1333/11 F
Tenor
Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-steuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 31. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 11. März 2011 werden dahin geändert, dass der ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust der Klägerin um ./. 2.017.416,94 EUR und des Klägers um ./. 1.978.520,19 EUR erhöht werden. Die Feststellung der Beträge wird auf den Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage (des Klägers) abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der Klägerin trägt der Beklagte. Die Kosten des Verfahrens des Klägers, auf der Grundlage eines Streitwertes von 1.498.074,05 EUR, tragen der Kläger zu 67 % und der Beklagte zu 33 %.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten darüber, ob gemäß § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes –EStG- festgestellte verrechenbare Verluste infolge Betriebsaufgabe in ausgleichsfähige Verluste umgewandelt werden können.
3Die beiden Kläger waren im Streitjahr als Kommanditisten an der „K“ GmbH & Co. KG (im folgenden: KG) beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die „I-GmbH“. Gegenstand des Unternehmens der KG waren Beteiligungen an Textilunternehmen aller Art.
4Die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage der Klägerin betrug 2.814.309,- DM, diejenige des Klägers 4.917.744,22 DM; bis zum Streitjahr (2002) hatten die Klägerin tatsächliche Einlageleistungen von 1.702.976,44 EUR (d.s. 3.330.714,80 DM) und der Kläger von 2.778.436,33 EUR erbracht.
5Über das Vermögen der KG wurde am 29.10.1993 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Betriebsvermögen der KG (insbesondere Betriebsgrundstücke) wurde zu wesentlichen Teilen bis zum Jahr 2002 veräußert. Die Abmeldung des Gewerbes erfolgte zum 14.01.2005. Die KG ist zwischenzeitlich, so auch die ausdrückliche Auffassung des Beklagten, vollbeendet.
6Die vom Insolvenzverwalter der KG am 31. August 2005 beim Beklagten für das Streitjahr eingereichte Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung trug keine Unterschrift. Daraufhin schätzte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2008 die Besteuerungsgrundlagen für 2002 gemäß § 162 der Abgabenordnung –AO-. Hierbei rechnete es der Klägerin einen Anteil am laufenden Gewinn der KG in Höhe von 40.767,54 EUR zu. Darüber hinaus löste der Beklagte infolge der Betriebsbeendigung die negativen Kapitalkonten auf. Hieraus ergab sich für die Klägerin lt. Bescheid ein Aufgabegewinn in folgender Höhe:
7Kommanditkapital 1.702.967,44 EUR
8./. Verlustvortrag 4.853.879,36 EUR
9./. Gesellschafterdarlehen 2.017.416,93 EUR
10Aufgabegewinn 1.133.494,99 EUR
11Nach Verrechnung des steuerpflichtigen Gewinns von 1.174.262,53 EUR (40.767,54 EUR + 1.133.494,99 EUR) mit vortragsfähigen Verlusten der Vorjahre stellte der Be-klagte für die Klägerin einen verrechenbaren Verlust gemäß § 15a Abs. 4 EStG in Höhe von 4.876.381,01 EUR fest.
12Für den Kläger ergaben sich folgende Beträge:
13Kommanditkapital 2.778.436,33 EUR
14+ Sonderkapital 153.387,56 EUR
15./. Verlustvortrag 8.925.136,38 EUR
16./. Gesellschafterdarlehen 1.978.520,19 EUR
17Aufgabegewinn 4.014.792,30 EUR
18Nach Verrechnung des steuerpflichtigen Gewinns von 4.081.313,35 EUR (66.521,05 EUR + 4.014.792,30 EUR) mit vortragsfähigen Verlusten der Vorjahre stellte der Be-klagte für den Kläger einen verrechenbaren Verlust gemäß § 15a Abs. 4 EStG in Höhe von 5.925.774,70 EUR fest.
19Gegen die Bescheide vom 31. Januar 2008 legten die Kläger fristgerecht Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 11. März 2011 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte er aus, der Aufgabegewinn sei zutreffend ermit-telt worden. Dieser umfasse den Gewinn aus der Auflösung des negativen Kapital-kontos. Letzteres unterliege einer gesamtbilanziellen Betrachtung, so dass bei der Berechnung des Aufgabegewinns auch Vorgänge im Sonderbetriebsvermögen eines Kommanditisten einzubeziehen seien. Der Verlust der Darlehensforderung führe zu einer Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin bzw. des Klägers und zu einer Einlage in das Gesamthandvermögen der KG, mithin zu einer entsprechenden Minderung des Verlustvortragskontos. Der Verlust im Sonderbetriebsvermögen sei jedoch nicht ausgleichsfähig i.S. von § 15a EStG. Denn ein derartiger Verlustausgleich sei nur möglich, wenn dem Gesellschaftsvermögen das entsprechende Eigenkapital im Verlustentstehungsjahr tatsächlich zugeflossen sei. Der buchmäßige Verlust im Sonderbetriebsvermögen der beiden Kläger stehe indes tatsächlich geleisteten Einlagen nicht gleich.
20Mit der Klage verfolgen beide Kläger ihr Begehren weiter.
21Die Klägerin hält daran fest, dass für das Streitjahr ein ausgleichs- bzw. abzugsfähiger Verlust in Höhe von ./. 2.017.416,93 EUR, nämlich bis zur Höhe der nachträglichen Einlagen, anzuerkennen sei. Der Ausfall der Darlehensforderung sei wie jeder andere Verlust im Sonderbetriebsvermögen ausgleichs- bzw. abzugsfähig. Bei einer Betriebsaufgabe könne nichts Anderes gelten. Eine andere Sichtweise verletze zudem das Leistungsfähigkeitsprinzip, da endgültig getragene Verluste zu einer steuerlichen Auswirkung führen müssten.
22Der Kläger macht weitergehend geltend, nicht nur das Gesellschafterdarlehen von 1.978.520,19 EUR, sondern auch der bei Betriebsaufgabe verbliebene verrechenbare Verlust von ./. 4.013.776,01 EUR sei als ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust festzustellen. Entsprechend hohe Einlagen des Klägers in die KG seien schon deshalb anzunehmen, weil nach dem System der doppelten Buchführung bei Betriebsaufgabe keine verrechenbaren Verluste übrig bleiben könnten. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH- (etwa mit Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, Bundessteuerblatt –BStBl- II 1996, 226), zumal der verrechenbare Verluste hier nur auf Einlagen des Klägers zurückzuführen sein könne.
23Die Klägerin beantragt,
24den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-steuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 31. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2011 dahin zu ändern, dass ihr ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust um ./. 2.017.416,94 EUR erhöht wird.
25Der Kläger beantragt,
26den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-steuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 31. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2011 dahin zu ändern, dass sein ausgleichs- und abzugsfähiger Verlust auf insgesamt 5.992.296,20 EUR erhöht wird.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Der Beklagte beruft sich auf sein Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, die insolvenzbedingte Wertlosigkeit der beiden Gesellschafterdarlehen stehe nicht einer tatsächlichen, nachträglich „geleisteten“ Einlage i.S. des § 15a EStG gleich, zumal der Haftungsumfang der Kläger als ehemalige Kommanditisten zu keiner Zeit erhöht worden sei.
30Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.
31Das Gericht entscheidet im Einvernehmen mit sämtlichen Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO-.
32Die Klage der Klägerin ist in vollem Umfang begründet, die des Klägers nur teilweise.
33Die Feststellung des ausgleichs- und abzugsfähigen Verlustes der beiden Kläger war insoweit rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als sie von dem o. a. Tenor abwich.
34Der Beklagte hat zwar den Aufgabegewinn der beiden Kläger anlässlich der Betriebsaufgabe der KG – unstreitig - zutreffend ermittelt.
35a) Scheidet ein Kommanditist mit negativem Kapitalkonto aus der Gesellschaft aus, so realisiert er im Zeitpunkt seines Ausscheidens grundsätzlich einen Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, soweit er sein Kapitalkonto nicht ausgleichen muss (BFH-Urteil vom 26. Mai 1981 IV R 47/78, BFHE 134, 15, BStBl II 1981, 795). Dasselbe gilt in den Fällen der Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Annahme eines Gewinns infolge Wegfalls eines negativen Kapitalkontos stellt ein Korrelat zu der zuvor eröffneten (abstrakten) Möglichkeit der Inanspruchnahme von Verlusten dar (BFH-Beschluss vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164). Verlustanteile sind einem Kommanditisten deshalb nicht mehr zuzuweisen, wenn infolge seines Ausscheidens aus der Gesellschaft oder einer Betriebsaufgabe feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kommt. Deshalb ist es gerechtfertigt, spätestens in diesem Zeitpunkt die zuvor gewährten Verlustanteile rückgängig zu machen, was durch den Ansatz eines Veräußerungsgewinns geschieht (BFH-Beschluss vom 10. November 1980 GrS 1/79 a.a.O., BFH-Urteil vom 10. März 1998 VIII R 76/96, BFHE 186, 50, BStBl II 1999, 269).
36aa) Im Streitfall liegt der Tatbestand einer Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG vor. Dieser setzt voraus, dass der Inhaber des Betriebs (hier die KG) seine betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt und alle wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens veräußert oder in das Privatvermögen überführt hat (BFH-Urteil vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456). Diese Voraussetzungen sind – wie auch die Beteiligten übereinstimmend annehmen – im Streitjahr erfüllt. Damit war das negative Kapitalkonto der Klägerin in Höhe von ./. 3.150.911,93 EUR (= ./. 4.853.879,36 EUR + 1.702.967,44 EUR) gewinnerhöhend aufzulösen. Für den Kläger ergab sich ein Betrag von ./. 5.993.312,51 EUR (./. 8.925.136,38 EUR + 2.778.436,33 EUR + 153.387,56 EUR).
37bb) Der Aufgabegewinn wurde jedoch aufgrund des Ausfalls der Darlehensforderungen der Kläger (Gesellschafter) gegenüber der KG in Höhe von 2.017.416,93 EUR (Klägerin) bzw. 1.978.520,19 EUR (Kläger) gemindert.
38Während des Bestehens einer Personengesellschaft folgt aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, dass es zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern in der Regel keine Darlehensforderungen und –verbindlichkeiten, sondern nur Einlagen und Entnahmen gibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1974 IV R 166/70, BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677). Denn ein Darlehen eines Gesellschafters an die Personengesellschaft ist einkommensteuerrechtlich als (weiterer) Beitrag zur Förderung des Gesellschaftszwecks anzusehen und stellt in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft Eigenkapital dar (BFH-Urteil vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594 m.w.N.). Diese „Verwandlung“ einer Darlehensforderung in Eigenkapital wird jedoch in den Fällen einer Aufgabe des Betriebs der Gesellschaft rückgängig gemacht. Es kommt zu einer Entnahme der Darlehensforderung aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters; bei der Ermittlung des Entnahmegewinns bzw. –verlusts ist dem gemeinen Wert der Forderung deren Buchwert gegenüberzustellen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465; vgl. auch BFH-Urteile vom 28. Juli 1994 IV R 53/91, BFHE 175, 353, BStBl II 1995, 112 und vom 5. Juni 2003 IV R 36/02, BFHE 202, 395, BStBl II 2003, 871).
39Nach diesen Grundsätzen wurde der Aufgabegewinn der Kläger mithin um den vollen Buchwert ihrer Darlehensforderungen gegen die KG gemindert, da die Forderungen wegen der Vermögenslosigkeit der KG unstreitig ausfielen und daher wertlos wurden. Die Differenz zwischen gemeinem Wert und Buchwert beläuft sich auf ./. 2.017.416,93 EUR (Klägerin) bzw. 1.978.520,19 EUR (Kläger) und reduziert den jeweiligen Aufgabegewinn entsprechend.
40cc) Der damit dem Grunde nach noch verbleibende Aufgabegewinn der Klägerin von 1.174.262,53 EUR (3.150.911,93 EUR ./. 2.017.416,93 EUR) bzw. des Klägers von 4.014.792,32 EUR (5.993.312,51 EUR ./. 1.978.520,19 EUR) bleibt im Streitfall – wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - im Hinblick auf die Vorschrift des § 15a EStG ohne steuerliche Auswirkung.
41Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht; auch ein Abzug nach § 10d EStG ist ausgeschlossen. Eine Verrechnung der nach Abs. 1 der Vorschrift nicht ausgleichs- und abzugsfähigen Verluste kann nach Abs. 2 nur mit in späteren Wirtschaftsjahren anfallenden Gewinnen aus der Beteiligung an der KG erfolgen. Ein hiernach nicht berücksichtigungsfähiger (sog. verrechenbarer) Verlust ist nach § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG jährlich gesondert festzustellen.
42Nach diesen gesetzlichen Vorgaben hat der Beklagte den Aufgabegewinn der beiden Kläger zutreffend mit den aus dem Vorjahr vorhandenen verrechenbaren Verlusten (Klägerin: 6.050.643,54 EUR; Kläger: 10.007.088,05 EUR) verrechnet. Der durch den Wegfall der negativen Kapitalkonten realisierte Veräußerungsgewinn wurde in dieser Höhe durch den verrechenbaren Verlust kompensiert (§ 15a Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Ergebnis wird hierdurch eine Überbesteuerung der Kommanditisten vermieden, denn da diese die nur buchmäßigen Verluste nach § 15a Abs. 1 EStG nicht geltend machen konnten, wäre es wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, wenn sie den ebenfalls nur buchmäßigen Gewinn aus der Auflösung des Kapitalkontos tragen müssten (vgl. BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BFHE 227, 293, BStBl II 2010, 631; Wacker in Schmidt, EStG, 32. A., § 15a Rz. 243).
43b) Die verbleibenden verrechenbaren Verluste zum 31. Dezember 2008 sind in Höhe von 2.017.416,93 EUR (Klägerin) bzw. 1.978.520,19 EUR (Kläger) jedoch als ausgleichs- oder abzugsfähige Verluste anzuerkennen.
44Entgegen der von der Klägerin im Einspruchsverfahren und vom Kläger noch im vorliegenden Klageverfahren vertretenen Auffassung führt die Betriebsaufgabe der KG als solche zwar nicht zu der beantragten Umwandlung sämtlicher verbleibender verrechenbarer Verluste in ausgleichs- und abzugsfähige Verluste. Denn eine Zurechnung von Verlustanteilen an einen Kommanditisten im Falle eines negativen Kapitalkontos ist nach der gesetzlichen Regelung in § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nur solange zulässig, wie diese mit künftig anfallenden Gewinnanteilen verrechnet werden können. Soweit am Bilanzstichtag feststeht, dass ein solcher Ausgleich mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt, sind die verrechenbaren Verlustanteile nicht mehr anzuerkennen. In einem solchen Fall begründen die verrechenbaren Verlustanteile lediglich einen buchmäßigen Verlust; ein das Vermögen des Kommanditisten tatsächlich belastender Verlust liegt grundsätzlich nicht vor (so schon BFH-Urteil vom 19. November 1964 IV 455/61 U, BFHE 81, 305, BStBl III 1965, 111; BFH-Beschluss vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15a D 61; Wacker in Schmidt, EStG, 32. A., § 15a Rdn. 181).
45Etwas Anderes gilt aber bei Betriebsaufgabe oder Ausscheiden eines Kommanditisten aus der KG jedenfalls dann, wenn dieser nachträglich Einlagen in das Gesellschaftsvermögen geleistet hat; in diesem Fall ist der (verbleibende) verrechenbare Verlust bis zur Höhe der nachträglichen Einlagen in einen ausgleichs- und abzugsfähigen Verlust des Kommanditisten umzuqualifizieren (BFH-Urteile vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226 und vom 14. Oktober 2003 VIII R 32/01, BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359; Wacker in Schmidt, EStG, 32. A., § 15a Rz. 181; Heuermann in Blümich, EStG, 110. Aufl. 2011, § 15a Rz. 119; vgl. jetzt auch § 15a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1a EStG n.F. JStG 2009).
46Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor, weil der Ausfall der Darlehensforde-rungen der beiden Kläger infolge der Betriebsaufgabe der KG als Einlage in das Ge-sellschaftsvermögen anzusehen ist.
47Als Einlagen i.S. von § 15a Abs. 1 EStG können nach der Rechtsprechung nur solche Einlagen in das Gesellschaftsvermögen anerkannt werden, die das Kapitalkonto des Kommanditisten in der Bilanz der Kommanditgesellschaft erhöhen (BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 28/98, BFHE 191, 347, BStBl II 2000, 347). Kapitalkonto i.S. der Vorschrift ist der Anteil des Gesellschafters am Vermögen der Gesellschaft, wie er sich aus deren Steuerbilanz und etwaigen Ergänzungsbilanzen ergibt. Die zum Sonderbilanzvermögen gehörenden Darlehensforderungen gegen die Gesellschaft sind deshalb nicht in das Kapitalkonto i.S. von § 15a EStG einzubeziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1998 VIII R 78/97, BFHE 187, 227, BStBl II 1999, 163); allein die Hingabe der Darlehen durch die Kläger war im Streitfall mithin nicht geeignet, das Entstehen eines negativen Kapitalkontos zu verhindern oder ein solches auszugleichen. Etwas Anderes gilt auch nicht im Hinblick darauf, dass die in der finanziellen Krise der KG gewährten bzw. stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen als eigenkapitalersetzend anzusehen sein dürften (vgl. § 32a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung –GmbHG- a.F.). Denn eigenkapitalersetzende Darlehen sind ebenfalls nicht in das Kapitalkonto nach § 15a EStG einzubeziehen und erhöhen das nach dieser Vorschrift zu berücksichtigende Verlustausgleichsvolumen nicht; sie sind in der Handels- wie in der Steuerbilanz der Gesellschaft als Fremdkapital auszuweisen (Wacker a.a.O. § 15a Rz. 88).
48Nach der Rechtsprechung des BFH hat eine Berücksichtigung der verminderten Werthaltigkeit der Darlehensforderung eines Kommanditisten gegenüber der KG aber dann zu erfolgen, wenn es – wie vorliegend – zur Betriebsaufgabe gekommen ist, da eine Teilwertabschreibung während des Bestehens der Gesellschaft im Hinblick auf den Eigenkapitalcharakter der Darlehensforderung in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft nicht in Betracht kommt (Wacker a.a.O. § 15 Rz. 544 m.w.N.). Denn soweit feststeht, dass der darlehensweise überlassene Betrag weder von der KG noch im Rahmen der Auseinandersetzung von den persönlich haftenden Gesellschaftern zurückerlangt werden kann, wird dieser Verlust im Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten – ebenso wie der Verlust einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen – im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe bzw. Beendigung der Gesellschaft realisiert (BFH-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 28/98, BFHE 191, 347, BStBl II 2000, 347 und vom 5. Juni 2003 IV R 36/02, BFH/NV 2003, 1490). Aus der Gleichbehandlung des Verlustes im Sonderbetriebsvermögen mit dem Verlust einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen folgt, dass der Ausfall der Darlehensforderung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe wie eine zusätzlich geleistete Einlage zu bewerten ist. Denn erst die Realisierbarkeit der Darlehensforderung entscheidet darüber, ob dem Gesellschafter aus seiner Forderung endgültig ein Verlust entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1990 IV R 37/89, BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64). Wirkt sich somit die Uneinbringlichkeit eines Gesellschafterdarlehens in gleicher Weise wie eine über die Kommanditeinlage hinausgehende Einlage aus, so wird in Höhe dieser „Einlage“ ein höheres Verlustausgleichsvolumen i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG begründet.
49Dabei ist davon auszugehen, dass das Darlehen in Höhe des Nennwertes dem Kapitalkonto in der Gesellschaftsbilanz gutgeschrieben wird. Denn es erfolgt keine Einlage i.S. der §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, weil es sich nicht um die Überführung einer Forderung aus dem Privatvermögen des Gesellschafters handelt, so dass eine Bewertung mit dem Teilwert nicht angezeigt erscheint. Vielmehr liegt der Fall einer Ausbuchung der Forderung aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei gleichzeitiger Einbuchung in das Gesamthandsvermögen vor, so dass gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG die Fortführung der Forderung mit dem Buchwert geboten ist. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG erfasst nach seinem Wortlaut zwar ausdrücklich nur den Fall der „Übertragung“ eines zuvor zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsguts, ist auf den hier vorliegenden Fall einer „Umbuchung“ zwischen den verschiedenen Kapitalkonten aber entsprechend anwendbar (Kulosa in Schmidt, EStG, 32. A., § 6 Rz. 699; vgl. auch Bitz in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 15a Rz. 28b).
50Die Behandlung der Uneinbringlichkeit einer Darlehensforderung des Kommanditisten gegenüber seiner KG als nachträgliche Einlage in das Gesellschaftsvermögen ist auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass Forderungen aus einem Gesellschaf-terdarlehen im Falle der Betriebsaufgabe steuerlich nicht anders beurteilt werden können als Forderungen eines Gesellschafters aufgrund von Leistungen aus einem Bürgschaftsverhältnis (so ausdrücklich: BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 28/98, BFHE 191, 347, BStBl II 2000, 347, Rz. 27). Die in Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung geleisteten Zahlungen sind nach der Rechtsprechung des BFH als Einlagen in das Gesellschaftsvermögen anzusehen, die während des Bestehens der Gesellschaft nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden können; erst bei Betriebsaufgabe bzw. Beendigung der Gesellschaft kommt eine Berücksichtigung des Verlusts der Einlage in Betracht, wenn sich der Ausgleichsanspruch des Gesellschafters als uneinbringlich erweist. Fällt der Ausgleichsanspruch des Gesellschafters aus, wirkt sich dies auf ein negatives Kapitalkonto in derselben Weise aus wie eine zusätzlich geleistete Einlage; in Höhe der Einlage entsteht ein abzugsfähiger Verlust (BFH-Urteile vom 4. Juli 1974 IV R 166/70, BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677 und vom 26. September 1997 IV R 105/94, BFHE 182, 33, BStBl II 1997, 277).
51Bei Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Streitfall sind die für das Streitjahr festgestellten verrechenbaren Verluste entsprechend der Höhe des Nominalwerts der ausgefallenen Darlehen der Klägerin und des Klägers mithin als ausgleichs- bzw. abzugsfähig anzuerkennen. Dem steht nicht entgegen, dass diese Verluste vor dem Zeitpunkt angefallen sind, zu dem die Einlage als geleistet anzusehen ist. Zwar führen nachträgliche Einlageleistungen grundsätzlich nicht zu einer Umpolung früherer Verluste in ausgleichs- bzw. abzugsfähige Verlustanteile des Kommanditisten; vielmehr können nur Verluste im oder nach dem Wirtschaftsjahr der Einlage umqualifiziert werden; etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn keine weiteren Verluste mehr entstehen können (Wacker a.a.O. § 15a Rz. 181 m.w.N.). Das war hier im Streitjahr 2002 aufgrund der Betriebsaufgabe der KG der Fall.
52Soweit der Kläger geltend macht, nachträgliche Einlagen i. S. der vorstehenden Grundsätze nicht nur in Gestalt des Gesellschafterdarlehens, sondern insgesamt in Höhe der erklärten verrechenbaren Verluste geleistet zu haben, kann dem nicht gefolgt werden. Entsprechende Einlagen in das Gesellschaftsvermögen sind hier nicht feststellbar, wie auch der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung ausgeführt hat. Dass die Banken einen Verlustausgleich verlangten – wie vom Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 2. Juni 2013 behauptet und unter Beweis gestellt – und die Wirtschaftsprüfer eine Zuführung von 7 Mio. DM durch die Gesellschafter forderten, kann als wahr unterstellt werden. Ob diese Beträge und in welcher Höhe durch welchen Gesellschafter tatsächlich zugeführt worden sind, bleibt offen. Ebenso wenig ist der Charakter von Einlagen i. S. von § 15a EStG festgestellt. Einlagen sind nur Leistungen i. S. effektiver Kapitalaufbringung in das Gesellschaftsvermögen. Nachträgliche Einlagen (vgl. § 15a Abs. 1a Satz 2 EStG n.F.) sind nur solche, die zur Erhöhung des Kapitalkontos nach § 15a EStG führen (von Beckerath in Kirchhof, EstG, 12. A., § 15a Rz. 50). Maßgebend ist die Haftsumme; diese muss i. S. einer Haftungserweiterung dauerhaft erhöht werden (Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 15a Rz. 130a). Das Feststehen verrechenbarer Verluste bei Beendigung der Gesellschaft ersetzt diese Feststellungen zur Überzeugung des Senats nicht - auch wenn, wie vom Kläger beispielhaft aufgeführt, im Einzelfall die Beträge identisch sein mögen.
53Die Übertragung der Berechnung auf den Beklagten folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
54Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 135 Abs. 1 FGO (Klägerin) bzw. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO (Kläger).
55Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten zum Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
56Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
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