Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 5 K 2529/11 U
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das im Rahmen von Postdienstleistungen Transport- und Sortierarbeiten erbringt.
3Auf Grund eines Vertrages mit der Deutschen Post AG (DPAG) über sog. „Teilleistungen BZE gewerbsmäßige Konsolidierung Infopost“ erbringt sie der DPAG gegenüber Leistungen als sog. „Konsolidierer“. In der Präambel dieses Vertrages ist diese Tätigkeit unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundeskartellamts vom 11.02.2005, mit der der Zugang zum Briefnetz der DPAG erweitert worden war, wie folgt beschrieben:
4„Das Amt definiert Konsolidierer als Postdienstleistungsunternehmen, die Sendungen verschiedener Absender bündeln, für diese Sendungen bestimmte Leistungen der Briefbeförderungskette selbst erbringen und diese Sendungen dann in die Beförderungskette der Deutschen Post einspeisen.“
5Hierfür werden dem Konsolidierer – gestaffelt nach dem Umfang der Einlieferungen – Vergütungen gezahlt.
6Mit einer Vielzahl von Kunden (sog. „Kleinkunden“) schloss die Klägerin sog. “Dienstleistungsverträge“ ab, in denen sie sich verpflichtete, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens deren Eingangspost zuzustellen und die Ausgangspost abzuholen. Die Klägerin holte danach die Post (Standardbriefe) bei den Kunden ab, sortierte sie und lieferte sie in die Briefzentren der DPAG ein. Außerdem lieferte sie die für die Kunden bestimmte Eingangspost bei diesen ab. Hierfür war jeweils ein Pauschalfestpreis von ca. 30 bis 50 € pro Woche vereinbart worden.
7Daneben schloss die Klägerin Verträge mit sog. „Großkunden“ ab, die ein bestimmtes Mindestkontingent an Briefaufkommen garantieren mussten. Die Leistungsbeschreibung ist in den Verträgen mit Großkunden wie folgt formuliert:
8„Aufgabe des Auftragnehmers ist die Sortierung der rabattierfähigen Post nach Leitbereichen und die Verarbeitung dieser gemäß den von der DPAG vorgegebenen Kriterien für die Post-Konsolidierung.“
9Die Auftraggeber waren hierbei verpflichtet, der Klägerin die gesamten versandfertigen, frankierten Sendungen, sortiert nach den sog. „Basisprodukten“ der Deutschen Post AG, in jeweils getrennten Behältern zu übergeben. Hierfür zahlte die Klägerin den Kunden „Rückvergütungen“ von in der Regel 27% des Portos (0,55 €) der Standardbriefsendungen.
10Die Klägerin ihrerseits erhielt von der DPAG eine Rückvergütung i.H.v 34% des Standardbriefportos.
11Die DPAG rechnete dabei mit der Klägerin wie folgt ab: Sie unterwarf alle bei ihr von der Klägerin eingelieferten rabattierfähigen Postsendungen der Umsatzbesteuerung und behandelte die auf Grund der Frankierung bereits bezahlten Porti als (Netto-)Entgelte, auf die sie 19% Umsatzsteuer berechnete. Für die Rückvergütungen an die Klägerin erteilte sie dieser gegenüber Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis.
12Die Klägerin selbst rechnete mit den Großkunden in gleicher Weise ab, indem sie diesen Gutschriften über die Rückvergütung erteilte und die von der DPAG in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an die Großkunden weiter berechnete.
13Den „Kleinkunden“ gegenüber rechnete die Klägerin lediglich die vereinbarten Pauschalfestpreise als Entgelt ab.
14Die Klägerin unterhielt auch Geschäftsbeziehungen zu einer A GmbH in (), über die offenbar ebenfalls Postsendungen eingeliefert wurden und die der Klägerin sog. „Konsolidierungsrabatte“ einräumte.
15Auf Grund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Konsolidierer im eigenen Namen Postdienstleistungen von der DPAG bzw. der A GmbH bezogen habe, die sie an ihre Kunden weitergeleistet habe. Sie habe also auch den „Kleinkunden“ gegenüber Postdienstleistungen erbracht, die als steuerpflichtige Umsätze der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen seien.
16Diese steuerpflichtigen Umsätze ermittelte der Prüfer, indem er die von der DPAG und der A GmbH der Klägerin in Rechnung gestellten Umsatzsteuern übernahm und die entsprechenden Umsätze hochrechnete. Während die DPAG und die A GmbH das Porto jedoch als Netto-Bemessungsgrundlage angesehen hatten, behandelte der Prüfer das von den „Kleinkunden“ gezahlte Porto (0,55 € für den Standardbrief) als Bruttoentgelt und rechnete die Umsatzsteuer heraus: Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer dividierte er durch 19, multiplizierte die Ergebnisse mit 100 und dividierte die daraus errechneten Beträge jeweils durch 1,19. So kam er – für die Konsolidierung – auf folgende Gesamtumsätze:
17Juli 2010 |
August 2010 |
September 2010 |
327.147,76 € |
261.827,04 € |
362.583,50 € |
Anders, als es in der Mail des Vorsitzenden vom 25.6.2013 angerissen ist, haben die Beteiligten später in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich erklärt, dass der Prüfer auch sämtliche der Klägerin von der DPAG und der A GmbH in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern anerkannt habe.
19Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen für die streitigen Monate auf der Grundlage der Feststellungen des Prüfers wie folgt fest:
20Juli 2010 |
August 2010 |
September 2010 |
9.469,02 € |
./. 10.278,07 € |
27.226,65 € |
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
22Hiergegen richtet sich die Klage.
23Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Handhabung, was ihre Großkunden angeht. Hier bestehe „Steuerneutralität“. Die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer stelle sie ihrerseits ihren Großkunden in Rechnung. Insoweit werde sie also wirtschaftlich nicht belastet. Soweit sie den ihr bis zu 34 % gewährten Rabatt an ihren Großkunden bis zu 27 % weitergebe, bliebe für sie nur Umsatzsteuer auf die sich daraus ergebende Differenz. Das entspräche ihrer Leistung und werde von ihr auch nicht angefochten.
24Anders sei dies jedoch, was ihre Kleinkunden angehe. Diesen gegenüber gebe sie keine Umsatzsteuern weiter.
25Im Einzelnen macht die Klägerin dazu geltend, sie erbringe gegenüber ihren Kunden keine Postdienstleistungen. Zum einen fehle ihr die hierfür notwendige Lizenz, da sie lediglich eine Lizenz zum Abholen der Postsendungen, deren Vorsortierung und deren Einlieferung bei der DPAG besitze. Zum anderen erbringe sie gegenüber ihren Kunden nur „Abholleistungen“, wobei das Entgelt hierfür ordnungsgemäß versteuert werde.
26Auch gegenüber der DPAG bzw. der A GmbH erbringe sie nur Sortierungs- und Beförderungsleistungen, die durch die „Rückvergütungen“ abgegolten würden. Die DPAG erbringe Postbeförderungsleistungen nicht ihr, sondern allein ihren Kunden gegenüber.
27Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung seien diese Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbefreit. Soweit im BMF-Schreiben vom 21.10.2010 die Steuerfreiheit unter Berufung auf die Neufassung des § 4 Nr. 11b Buchst. a UStG deshalb verneint werde, weil der Konsolidierer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auftrete und durch die nachträglich gewährten Rabatte Postdienstleistungen auf Grund individueller Vereinbarungen anzunehmen seien, sei dem nicht zu folgen, da sie – die Klägerin – lediglich der DPAG gegenüber Leistungen erbringe, nicht aber umgekehrt die DPAG ihr gegenüber.
28Die Klägerin beantragt,
29unter Änderung der Bescheide vom 21. bzw. 22.2.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.6.2011 ihre Umsatzsteuervorauszahlungen wie folgt festzusetzen:
30Juli 2010 |
August 2010 |
September 2010 |
./. 25.394,08 € |
./. 29.374,02 € |
./. 7.474,76 € |
Hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32Das Finanzamt beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die zulässige Klage ist unbegründet.
36Die streitigen Festsetzungen der Umsatzsteuervorauszahlungen gegenüber der Klägerin für Juli – September 2010 sind unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten zu verringern. Dazu kann es offen bleiben, ob die DPAG bzw. die A GmbH an die Klägerin Leistungen erbringen – oder lediglich die Klägerin ihrerseits an die DPAG bzw. die A GmbH.
37Bei der ersten Variante (Annahme einer Leistungskette) wäre vom Ansatz her die vom Prüfer vorgenommene Umsatzhochrechnung zutreffend – konsequenterweise wäre aber das von den „Kleinkunden“ gezahlte Porto nicht als Bruttoentgelt zu behandeln, sondern als Netto-Bemessungsgrundlage. Dies führte aber gar noch zu höheren Umsätzen – und zwar wie folgt
38Juli 2010 |
August 2010 |
September 2010 |
362.010,00 € |
280.923,00 € |
397.285,00 € |
statt bisher:
40Juli 2010 |
August 2010 |
September 2010 |
327.147,76 € |
261.827,04 € |
362.583,50 € |
Oder aber es wäre – zweite Variante – allein auf Leistungen der Klägerin gegenüber der DPAG bzw. der A GmbH abzustellen. Das könnte sein, wenn die Kunden ihrerseits die Postsendungen bereits frankiert hätten und haben.
42Der erkennende Senat braucht sich auf keine dieser beiden Varianten festzulegen – eine geringere Umsatzsteuer als festgesetzt ergäbe sich auch bei der zweiten Variante nicht. Die Leistungen der Klägerin gegenüber der DPAG bzw. der A entsprächen den ihr von diesen gewährten Rabatten. Diese sind vollumfänglich und auch konkret in der jeweiligen Höhe der Rabatte in den von der Klägerin erklärten Umsätzen enthalten. Das bedeutete, dass eine Hochrechnung der Umsätze nicht gerechtfertigt wäre, es also bei den erklärten Umsätzen verbliebe. Hinsichtlich der Rechtsbeziehungen zu den Kleinkunden könnte dann aber auch nicht von einer Weiterleitung von Postdienstleistungen ausgegangen werden, insoweit wären die von der Klägerin angesetzten Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der DPAG bzw. der A GmbH zu kürzen, weil – wie es der Senat bereits im Beschluss vom 13.4.2012 (5 V 3510/11 A (U)) ausgeführt hat – die in Rechnung gestellten Beträge, soweit sie auf die Einlieferungen von „Kleinkunden“ entfallen, eben nicht zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze dienten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) bzw. diese Leistungen nicht für das Unternehmen der Klägerin bestimmt waren (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Die Postsendungen waren bereits frankiert ‑ die Post konnte an die Klägerin keine Leistungen erbringen, welche die Absender der Briefe (= Kunden der Klägerin) bereits durch Entrichten des Portos bei der Post abschließend eingekauft haben.
43Danach wären die Umsatzsteuern wie folgt zu berechnen:
447/2010 |
|||
Umsatz |
143.657,00 € x 19 % |
27.294,83 € |
|
Vorsteuern |
52.688,91 € |
||
./. Vorsteuern „Kleinkunden“ |
41.487,17 € |
||
11.201,74 € |
11.201,74 € |
||
16.093,09 € |
|||
Festgesetzt: |
9.469,02 € |
8/2010 |
|||
Umsatz |
161.322,00 € x 19 % |
30.651,18 € |
|
Vorsteuern |
60.025,20 € |
||
./. Vorsteuern „Kleinkunden“ |
22.724,28 € |
||
37.300,92 € |
37.300,92 € |
||
./. 6.649,74 € |
|||
Festgesetzt: |
./. 10.278,07 € |
9/2010 |
|||
Umsatz |
179.944,00 € x 19 % |
34.189,36 € |
|
Vorsteuern |
41.664,12 € |
||
./. Vorsteuern „Kleinkunden“ |
41.294,84 € |
||
369,28 € |
369,28 € |
||
33.820,08 € |
|||
Festgesetzt: |
27.226,65 € |
Übrigens führen beide Berechnungsmethoden denklogisch zu gleichen Ergebnissen – das eine ist eine Art Bruttobetrachtung (= maßgebend ist ein Gesamtumfang aller denkbaren Leistungen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen), das andere eine Art Nettobetrachtung (= maßgebend ist nur eine bestimmte Leistung mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen). Dies zeigt sich auch durch eine Gegenüberstellung der jeweiligen Beträge an Umsatzsteuern – je nach dem, welche Variante man berechnet:
487/2010 |
8/2010 |
9/2010 |
|
Variante 1: Hochrechnung des Umsatzes |
16.092,85 € |
./. 6.649,84 € |
33.819,94 € |
Variante 2: Kürzung der Vorsteuern |
16.093,09 € |
./. 6.649,74 € |
33.820,08 € |
Die ganz geringen Differenzen erklären sich durch Ungenauigkeiten bei Rundungen.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
51Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Die Klage ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet – gleichgültig, welcher Argumentationskette man folgt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.