Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 1956/13 VSt
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2013 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, deren Aufgaben sich aus § 2 des ihrer Errichtung zu Grunde liegenden Errichtungsgesetzes (EG) ergeben.
3…
4In § 3 EG werden als Unternehmen der Genossenschaft Planung, Bau Betrieb und Unterhaltung der für die Aufgabenerledigung notwendigen Anlagen sowie alle sonstigen für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Ermittlungen und Arbeiten genannt.
5Mit Bescheid vom 08.06.2000 bewilligte der Beklagte der Klägerin die steuerbegünstigte Entnahme von Strom als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für betriebliche Zwecke nach § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (StromStG).
6Auf Anordnung des Beklagten begann am 13.03.2009 bei der Klägerin eine Außenprüfung der Stromsteuer für das Jahr 2007 durch das Sachgebiet Prüfungsdienst des Beklagten, in der die Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom nach § 9 Abs. 3 StromStG als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sowie der Antrag auf Steuervergütung nach § 10 StromStG geprüft wurden. Das Ergebnis wurde im Prüfungsbericht vom 03.09.2009, …, zusammengefasst. Dabei führten die Prüfungsbeamten aus:
7Im Rahmen der Prüfung wurde die Klägerin gebeten, eine neue Zuordnung nach § 15 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung – StromStV) in der seinerzeit geltenden Fassung in die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003) vorzunehmen.
8Die Klägerin hat daraufhin eine Einklassifizierung erstellt und sich selbst – wie bisher – dem Abschnitt F (Baugewerbe) WZ 2003 nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 StromStV auf Grundlage der 2006 vereinnahmen Beiträge zugeordnet.
9Entsprechend ihren gesetzlichen Aufgaben nach dem EG verteilte die Klägerin alle vereinnahmten Beiträge für Unterhaltung und Betrieb, Planung und Bau, Gemeinkosten und sonstige Ausgaben der betriebenen Anlagen anhand der Kostenstellen auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche:
10Abschnitt WZ 2003 |
Beiträge 2006 |
in % |
E |
… |
1,87 |
F |
… |
57,27 |
O |
… |
35,48 |
K |
… |
1,73 |
Nicht zuzuordnen |
… |
3,66 |
Summe: |
… |
100 |
Die ihr gesetzlich nach dem EG zugewiesenen Aufgaben wies die Klägerin folgenden Abschnitten und Unterklassen in der WZ 2003 zu:
12§ 2 Abs. 1 Nr. 1 EG F 45.24.0, 45.11.2
13§ 2 Abs. 1 Nr. 2 EG F 45.24.0
14§ 2 Abs. 1 Nr. 3 EG F 45.24.0, 45.11.2
15§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EG F 45.24.0, 45.11.2
16§ 2 Abs. 1 Nr. 5 EG F 45.24.0
17§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EG E 41.00.2, 45.24.0, 45.11.2
18§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EG O 90.01.1, 90.01.2
19E 40.11.1
20§ 2 Abs. 1 Nr. 8 EG O 90.02.1
21§ 2 Abs. 1 Nr. 9 EG keine Zuordnung möglich
22§ 2 Abs. 1 Nr. 10 EG F 45.24.0
23K
24Die Beiträge für den Bereich Planung und Bau in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung ordnete die Klägerin vollständig dem Anschnitt F zu, und zwar unabhängig davon, ob den Beiträgen Baumaßnahmen im Bereich Entwässerung, Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung zu Grunde lagen, weil die durchgeführten Arbeiten zur Bildung von Anlagevermögen beigetragen hatten.
25Die Arbeiten wurden grundsätzlich von Erfüllungsgehilfen erledigt. Die Klägerin betrachtete sich als Bauherrin und erbrachte wesentliche Teile der Ingenieurleistungen wie Planung und Bauleitung selbst. Ca. 10% des jährlichen Investitionsvolumens von 16 bis 18 Mio. € wurden durch Eigenleistungen erbracht, der Rest durch Fremdfirmen.
26Die Verhältnisse seit 2006 hatten sich nicht wesentlich verändert (Tz. 3.1 des Prüfungsberichts).
27Nach Auffassung der Prüfungsbeamten sei die Klägerin dem Abschnitt F WZ 2003 zuzuweisen. Auf Grund der Komplexität und wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Sachverhalts werde jedoch vorgeschlagen, eine schriftliche Stellungnahme des Statistischen Bundesamtes einzuholen (Tz. 4.1 des Prüfungsberichts).
28Nach Auswertung des Prüfungsberichts übersandte der Beklagte der Klägerin ein Schreiben vom 22.10.2010, in dem er u.a. mitteilte, das statistische Bundesamt beurteile die Tätigkeiten der Klägerin in Teilen anders. Ihre Zuordnung in den Bereich F erfolge unter der Prämisse, dass die Beiträge für Planung und Bau aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen eigenständig als dem Abschnitt F zugehörig erachtet werden könnten.
29Auf ihren Antrag vom 22.09.2011 auf Entlastung von der Stromsteuer in Sonderfällen (§ 10 StromStG) für 2010 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 05.10.2011 die beantragte Vergütung, die er um einen geringfügigen Rechenfehler korrigierte, in Höhe von 373.035,95 €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
30In ihrer Beschreibung der wirtschaftlichen Tätigkeiten für das Kalenderjahr 2010 vom 05.10.2011 bezeichnete die Klägerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit als „Regelung des Wasserabflusses, des Grundwasserstands sowie der Abwasserbeseitigung“ und ihre Haupttätigkeit als „Beseitigung und Ausgleich nachteiliger Veränderungen der Wasserwirtschaft durch Bergbau“. Sie sei der Klasse 45.24 zuzuordnen.
31Mit Schreiben vom 30.10. und 27.11.2012 teilte das Statistische Bundesamt der Bundesfinanzdirektion Südwest mit, Bautätigkeiten von Wasser‑ und Abwasserverbänden und –genossenschaften, die für die Unternehmen Investitionen darstellten, seien aus klassifikatorischer Sicht keine Hilfstätigkeiten. Sie seien dem Baugewerbe zuzuordnen. Das gelte aber nur für selbst ausgeführte Bauarbeiten, was sich aus dem Wortlaut der International Standard Industrial Classification of All Economic Activities (ISIC Rev. 3.1 – ISIC ‑) ergebe. Die ISIC bilde die Grundlage der statistischen Systematik der EU (NACE Rev. 1.1) und in deren Folge der WZ 2003.
32Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Erläuterungen zur Abteilung 45 WZ 2003. Insoweit komme es nur auf selbst ausgeführte Bauarbeiten an.
33Zur Klasse 74.20 (Architektur- und Ingenieurbüros) gehörten nur Planung und Bauaufsicht als Dienstleistung für Dritte.
34Bei Bauherren, den Auftraggebern von Bauvorhaben, seien an Subunternehmer vergebene Bauarbeiten statistisch-klassifikatorisch nicht als Bauarbeiten des Bauherren anzusehen. Sie seien den Bauherren nicht zuzuordnen.
35Dem folgend forderte der Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2012 von der Klägerin die mit Bescheid vom 05.10.2011 gewährte Entlastung wieder zurück, da sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sei.
36Zur Begründung ihres fristgerechten Einspruchs verwies die Klägerin auf das Ergebnis der Außenprüfung und auf Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Abschnitt F WZ 2003, nach der ihre Arbeiten in diesen Abschnitt gehörten.
37Mit Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da die Rückforderung zu Recht erfolgt sei, weil die Antragsvoraussetzungen bei der Klägerin nicht gegeben gewesen seien. Auf Grund der 2009 durchgeführten Außenprüfung ergebe sich nichts anderes, weil die Prüfungsbeamten auf die Komplexität der Materie hingewiesen hätten.
38Nach der nunmehr eingeholten Auskunft des Statistischen Bundesamtes seien Bautätigkeiten, die von Bauträgern oder Bauherren mit eigenem Personal an eigenem Anlagevermögen ausgeführt würden, dem Abschnitt F WZ 2003 zuzuordnen.
39Wie die Klägerin angegeben habe, habe sich ihr Anteil an den Bauarbeiten auf ca. 10% des Investitionsvolumens beschränkt, während der Rest von Erfüllungsgehilfen wahrgenommen worden sei. Als Bauherrin seien ihr die Bauarbeiten der Erfüllungsgehilfen nicht zuzuordnen, auch wenn sie dafür die wirtschaftlichen Kosten trage.
40Weil nur 10% des Investitionsvolumens aus den erhobenen Beiträgen auf Grund eigener Tätigkeit der Klägerin für Planung und Bau zum Abschnitt F gehörten, müsse ihre weitere Tätigkeit dem Abschnitt O WZ 2003 zugewiesen werden. Das gelte auch dann, wenn ihre Tätigkeiten, die zum Abschnitt O gehörten, mit denen, die zum Abschnitt F gehörten, ins Verhältnis gesetzt würden. Dann würde ihr wirtschaftlicher Schwerpunkt zum Abschnitt O gehören. Damit sei sie kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes mehr.
41Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt dazu vor:
42Im Jahr 2009 seien ihre Beiträge wie folgt den Abschnitten der WZ 2003 zuzuordnen:
43Abschnitt WZ 2003 |
Beiträge 2009 |
in % |
A |
… |
7,37 |
E |
… |
1,02 |
Bereich Wasserbau F 45.24, 45.11 |
… |
|
Anlagevermögen |
… |
|
F (Summe) |
… |
53,52 |
Bereich Abwasser, Abfall |
… |
|
Bereich Umweltverschmutzungen |
… |
|
O (Summe) |
… |
38,95 |
K |
… |
1,74 |
Nicht zuzuordnen |
… |
2.59 |
Gesamtsumme: |
… |
Danach sei sie ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Die Bautätigkeit gehöre zu ihren eigenen Aufgaben. Mit diesem Mittel erfülle sie ihren gesetzlich festgelegten Unternehmenszweck.
45Soweit im Rahmen einer Unternehmensbeurteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV für Umsätze verkaufter Waren Baukosten für die Produktionsanlagen in die Kalkulation einbezogen würden, möge dies im Regelfall zutreffen, gelte aber nicht in ihrem Fall, in dem Planung und Bau nach § 3 Abs. 1 EG Gegenstand ihres Unternehmens seien.
46Sie habe zu Recht ihre gegenüber den Genossen erbrachte Bautätigkeit, die bei ihr zu Anlagevermögen führe, dem Abschnitt F WZ 2003 zugeordnet. Der WZ 2003 sei nicht zu entnehmen, dass derartige Bautätigkeiten außer Betracht zu bleiben hätten. Auch Bauleistungen für eigene Zwecke seien Bautätigkeiten.
47Die Erläuterungen zu Abteilung 45, wie auch die den entsprechenden Vorschriften der NACE Rev. 1.1 und der ISIC Rev. 3.1 ließen dann, wenn die Arbeiten auf eigene Rechnung, gegen Entgelt oder auf sonstiger vertraglicher Grundlage durchgeführt würden, auch zu, dass ein Teil der Arbeiten, manchmal auch die gesamte praktische Arbeit, von Subunternehmen ausgeführt würden. Diesen Vorschriften sei auch nicht zu entnehmen, dass dann, wenn die Arbeiten zu eigenem Anlagevermögen führten, vom eigenen Personal des zu beurteilenden Unternehmens auszuführen seien.
48Die Klassifizierung eines Auftraggebers ändere sich auch dann nicht, wenn er Aufgaben an Subunternehmer übertrage. Vielmehr werde der Auftragnehmer so klassifiziert wie der Auftraggeber. Die vom Beklagten zitierten Vorschriften der ISIC ließen nicht den Schluss zu, dass durch Drittunternehmen durchgeführte Tätigkeiten davon nicht umfasst sein sollten.
49Zur Ausführung von Bautätigkeiten durch Dritte werde auf das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 verwiesen.
50Die Erstellung von Anlagen für eigene Rechnung sei keine Hilfstätigkeit, sondern dem Baugewerbe zuzuordnen, VO (EWG) Nr. 696/93 des Rates vom 15.03.1993 betreffend die statistischen Einheiten für die Beobachtung und Analyse der Wirtschaft in der Gemeinschaft – VO 696/93 – Anhang Abschnitt IV A. 4. a).
51Die Nichtzuordnung der durch Subunternehmen erbrachten Bautätigkeit widerspreche der Systematik der Schwerpunktermittlung nach § 15 StromStV.
52In ihrem Fall liege auch keine einmalige Anfangsinvestition in Anlagevermögen vor, auf Grund derer es möglich sei, kurzfristig in den Jahren der Investition zu einem Unternehmen des Baugewerbes zu werden. Die Kosten ihrer Bautätigkeit seien Teil der Beiträge und würden den Genossen ausdrücklich in Rechnung gestellt. Ihre Bautätigkeit sei eine ihr kraft Gesetzes obliegende Aufgabe, die zu einer fortlaufenden Bautätigkeit führe.
53Sie sei auch kein Bauherr, sondern schulde selbst die Bauleistung ihren Genossen.
54Die im Streitfall nicht anwendbare Neuregelung in § 15 Abs. 9 StromStV sei angreifbar. Die zur Begründung der Neuregelung behauptete ständige Verwaltungspraxis habe es nicht gegeben, wie auch ihr Fall zeige. Zudem würde eine andere Zuordnungspraxis zu widersprüchlichen Ergebnissen führen.
55Zudem sei zweifelhaft, ob von der Ermächtigung nach § 11 Nr. 4 StromStG zutreffend Gebrauch gemacht worden sei, wenn das Bundesministerium der Finanzen die Zuordnung von Unternehmen in die WZ 2003 regeln dürfe.
56Ihr Vorflutanlagenbau gehöre selbst nach Auffassung des Beklagten zur Klasse 45.24 des Abschnitts F.
57Die Klägerin beantragt,
58den Bescheid des Beklagten vom 18.12.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 aufzuheben,
59hilfsweise die Revision zuzulassen.
60Der Beklagte beantragt,
61die Klage abzuweisen,
62hilfsweise die Revision zuzulassen.
63Hierzu führt er aus: Die frühere Zuordnung der Klägerin in den Abschnitt F habe unterstellt, dass die Beiträge für Planung und Bau aus den einzelnen Tätigkeitsbereichen eigenständig dem Abschnitt F zugewiesen werden könnten. Das sei unzutreffend.
64Die ISIC Rev. 3.1 gehe bei der Klassifizierung von Bauunternehmen von selbst ausgeführten Bauarbeiten aus, indem von „doing work that is part of fixed capital formation“ und beispielhaft von „doing construction work“ die Rede sei (ISIC Part One, II., B. Absatz 30 Buchst. a) ). Dies belegten die aktiven Verbformen.
65Diese Bestimmungen der ISIC seien auch maßgebend für die Auslegung der Untergruppe 45.2 der WZ 2003.
66Aus der Regelung im Anhang Abschnitt IV. B. 4 Buchst. a VO 696/93 ergebe sich nichts anderes, weil der Frage, ob eine Tätigkeit Haupt-, Neben- oder Hilfstätigkeit sei, die Frage vorgehen müsse, ob diese Tätigkeit dem Unternehmen überhaupt zuzurechnen sei. Dies sei aber bei Tätigkeiten der Subunternehmer der Klägerin im Verhältnis zur Klägerin nicht der Fall.
67Seine Rechtsauffassung werde auch durch die Neufassung des § 15 Abs. 9 StromStV durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (BGBl. I S. 2763) bestätigt, die nur klarstellend die bisherige Praxis des Statistischen Bundesamtes bestätige.
68Bei den Erläuterungen zu Abteilung 45 handele es sich nur um Bestimmungen ausschließlich für Hoch- und Tiefbau, dem schon für 2007 keine der Tätigkeiten der Klägerin vom Statistischen Bundesamt den Aufgaben nach § 2 EG zugeordnet worden seien.
69Zudem habe die Klägerin die für Planung und Bau in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung erhobenen Beiträge vollständig dem Abschnitt F zugeordnet, obwohl den Beiträgen auch Baumaßnahmen im Bereich der Entwässerung, der Abwasserentsorgung oder der Wasserversorgung zu Grunde gelegen hätten. Tatsächlich aber seien die Beiträge für alle gesetzlichen Aufgaben der Klägerin geleistet worden und müssten diesen auch zugeordnet werden.
70Gleiches gelte für Abschreibungen und Zinsen. Nach § 25 Abs. 2 EG könnten bei der Ermittlung der Beitragshöhe Abschreibungen und Zinsen berücksichtigt werden. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass Abschreibungen und Zinsen nur für Bauleistungen der Klägerin gegenüber Genossen anfielen. § 25 Abs. 2 EG bestimme nur, welche Kosten die Klägerin zur Beitragsberechnung berücksichtigen dürfe.
71Dem entspreche auch § 3 EG, der die Bautätigkeit nicht als Aufgabe, sondern als Unternehmen der Genossenschaft bezeichne. Folglich sei die Bautätigkeit keine eigenständige Aufgabe, sondern nur Mittel zum Zweck.
72Die Beitragsanteile der Genossen für die Bautätigkeiten der Klägerin könnten bei der von ihr gewählten Zuordnungsmethode des § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV nicht als steuerbarer Umsatz berücksichtigt werden. Zwar komme es danach auf den höchsten steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an. Als steuerbarer Umsatz gelte auch das den Leistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzurechnende Aufkommen aus Beiträgen. Dadurch solle einerseits deren wirtschaftliche Tätigkeiten auch im Hinblick auf die Regelungen des § 2 Abs. 3 UStG zutreffender abgebildet werden. Andererseits müsse aber die inhaltliche Anwendung der Zuordnungsmethode des § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StromStV beibehalten werden. Dementsprechend stellten die in § 2 EG genannten Aufgaben die zu betrachtenden Leistungen dar, für die die Bauleistungen nur Mittel zum Zweck seien und in die Gesamtkalkulation einzufließen hätten. In Folge dessen müssten die Beitragsanteile prozentual auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgeteilt werden.
73Das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 berücksichtige noch nicht die statistisch-klassifikatorische Sichtweise, dass Bautätigkeiten, die zur Bildung von Anlagevermögen führten, nur dann der statistischen Einheit zuzurechnen seien, wenn sie selbst ausgeführt würden.
74Die von ihm vertretene Zuordnungspraxis führe auch nicht zu unzutreffenden Ergebnissen, da Bauträger zur Klasse 70.11 WZ 2003 gehörten.
75Entscheidungsgründe:
76Die Klage ist begründet.
77Der Bescheid des Beklagten vom 18.12.2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2013 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
78Von der dem Beklagten nach §§ 164 Abs. 2 Satz 1, 155 Abs. 4 AO gegebenen Befugnis, eine nach § 10 StromStG gewährte Steuervergütung für 2010 zurückzufordern und damit auch auf Null festzusetzen, hat er der Klägerin gegenüber zu Unrecht Gebrauch gemacht. Bei der Klägerin handelt es sich nämlich um ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes.
79Nach § 10 Abs. 1 StromStG wird einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes die Steuer für nachweislich versteuerten Strom, den dieses für betriebliche Zwecke entnommen hat, auf Antrag nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 StromStG bis auf einen geringen Sockelbetrag erstattet oder vergütet.
80Als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes werden in § 2 Nr. 3 StromStG im hier interessierenden Zusammenhang u.a. Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes angesprochen, die in der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003 (WZ 2003) dem Abschnitt F zuzuordnen sind.
81Dafür sind nach § 15 Abs. 1 Satz 2 der StromStV die in der WZ 2003 und in deren Vorbemerkungen genannten Abgrenzungsmerkmale maßgebend, soweit in § 15 Abs. 2 bis 8 StromStV nichts anderes geregelt ist.
82Handelt es sich aber wie bei der Klägerin um ein Unternehmen, das mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, die nicht alle dem Produzierenden Gewerbe zuzuordnen sind, ist sie nach dem Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einem Abschnitt der WZ 2003 zuzuordnen, § 15 Abs. 2 Satz 2 StromStV. Der Schwerpunkt wird dabei nach Wahl der Klägerin durch den Abschnitt der WZ 2003 bestimmt, mit dessen Tätigkeiten sie als juristische Person des öffentlichen Rechts im Jahr 2009 das höchste zuzurechnende Aufkommen aus Beiträgen erzielte, § 15 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4, Satz 4 StromStV.
83Ausgehend von dem genannten Maßstab des Beitragsaufkommens sind die Tätigkeiten der Klägerin in Anwendung der Top-down-Methode (Vorbemerkungen 3.3 Abs. 6 WZ 2003) aufzulisten. Dabei sind das der jeweiligen Tätigkeit zuzurechnende Beitragsaufkommen im Jahr 2009 und der der jeweiligen Tätigkeit zuzuordnende Abschnitt der WZ 2003 zu ermitteln.
84Die Klägerin ist im Bereich Wasserbau tätig, wobei sie ihre diesbezüglichen Tätigkeiten den Klassen 45.11 (Abbruch-, Spreng- und Enttrümmerungsarbeiten, Erdbewegungsarbeiten) und 45.24 WZ 2003 (Wasserbau) zuordnet. Weiter ist die Klägerin im Bereich O (Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen), nämlich der Klasse 90.01 (Abwasserbeseitigung) und der Klasse 90.02 (Abfallbeseitigung) tätig. Dies ist zwischen den Beteiligten dem Grundsatz nach unstreitig.
85Bei den weiteren Tätigkeiten der Klägerin in den Klassen A, E und K handelt es sich nur um geringfügige, hier zu vernachlässigende Tätigkeiten.
86Die Bautätigkeit stellt eine der wirtschaftlichen Tätigkeiten der Klägerin dar, denn mit ihr werden durch den kombinierten Einsatz von Produktionsfaktoren wie Betriebsmittel und Werkstoffe, Arbeit, Herstellungsverfahren, Informationsnetze usw. bestimmte Waren produziert (Vorbemerkungen 3.1 Abs. 1 WZ 2003).
87Diese Tätigkeit ist auch keine Hilfstätigkeit im Sinne der Vorbemerkungen 3.1 Abs. 4 WZ 2003, denn sie dient wie z B. Rechnungswesen, Transport, Lagerung, Einkauf, Verkaufsförderung, Reparatur und Wartung usw. nicht nur der Unterstützung einer Haupt- oder Nebentätigkeit. Vielmehr dient sie der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin, wie § 2 Nr. 2 EG zeigt (vgl. BFH Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11, juris).
88Die Annahme des Beklagten, Bauunternehmen seien nur Unternehmen, die selbst bauen, stützt er zu Unrecht auf die Bestimmung in Part One (Introduction to ISIC), II. (The underlying principles of the classification), B. (Principal, secondary and ancillary activities), paragraph 30, letter (a) ISIC. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung, die der Regelung im Anhang Abschnitt IV B. Nr. 4 Buchst. a VO 696/93 entspricht, überhaupt zur Auslegung der WZ 2003, die keine entsprechende Regelung enthält, herangezogen werden kann. Schon nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen ergibt sich nicht, dass eine klassifikatorisch anzuerkennende Bautätigkeit nur selbst bzw. durch eigenes Personal ausgeführt werden muss.
89Im Einzelnen heißt es in der ISIC:
90“Under the definition given in paragraph 27 the following activities are not to be considered ancillary. Therefore, in all these cases … separate units should be distinguished and they should be classified by their own activities.
91(a) Producing goods or doing work which are part of fixed capital formation. The type of units most affected are those doing construction work on the account of their parent unit. This approach is in accordance with the classification in the ISIC of own-account construction units for which data are available, to the construction industry; ...”
92Übersetzt hat die o.a. Regelung des ISIC folgenden Inhalt: „Unter der in Absatz 27 gegebenen Definition sind die folgenden Tätigkeiten nicht als Hilfstätigkeiten anzusehen. Dafür sind in allen Fällen getrennte Einheiten auseinander zu halten und nach ihren eigenen Tätigkeiten zu klassifizieren.
93a) Herstellung von Gütern und Erledigung von Arbeiten, die Teil von Anlageinvestitionen sind. Die Einheiten der am meisten betroffenen Art sind diejenigen, die Arbeiten auf Rechnung ihrer Muttergesellschaft(en) erledigen. Diese Vorgehensweise steht in Übereinstimmung mit der Klassifikation nach der ISIC für auf eigene Rechnung herstellende Einheiten, für die Daten erhältlich sind, mit der Bauindustrie. … „
94Danach ist die Herstellung von Anlageinvestitionen wie die Herstellung dieser Güter selbst zu klassifizieren. Bei der hier interessierenden Herstellung durch die Klägerin handelt es sich um Baumaßnahmen, im Wesentlichen um Erdbewegungsarbeiten und Wasserbau. Zudem sind Planung und Bau nach § 3 Abs. 1 EG Gegenstand des Unternehmens der Klägerin.
95Diese Tätigkeiten erbringt sie nach ihren ‑ vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben ‑ zu 10% mit eigenem Personal.
96Eine Tätigkeit in der Bauindustrie erlaubt den Einsatz von Subunternehmen, s. Absatz 3 der Vorbemerkungen zu Abteilung 45 (Baugewerbe) WZ 2003 bzw. Explanatory Note zu Abteilung 45 ISIC. Anhaltspunkte dafür, dass diese speziellere Bestimmung nicht für die allgemeinere Bestimmung in Part One, II., B., paragraph 30, letter (a) ISIC oder Anhang Abschnitt IV B. Nr. 4 Buchst. a VO 696/93 gelten soll, sind nicht ersichtlich.
97Auch handelt es sich dabei um Regelungen für den Hoch- und Tiefbau der Gruppe 45.2, der auch den Wasserbau (Klasse 45.25) umfasst.
98Dementsprechend berücksichtigt das BFH-Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11 auch nicht die statistisch-klassifikatorische Sichtweise, dass Bautätigkeiten, die zur Bildung von Anlagevermögen führen, nur dann der statistischen Einheit zuzurechnen sind, wenn sie von dieser Einheit selbst ausgeführt worden sind.
99Die Klägerin ist auch nicht als ein Unternehmen, das die Erschließung von Grundstücken zum Gegenstand hat (Klasse 70.11 WZ 2003), anzusehen, da diese Tätigkeit gerade die Abwicklung und Errichtung von Bauprojekten durch Einheiten des Baugewerbes ausschließt (s. Erläuterungen zu den Unterklassen 70.11.1 bis 70.11.3 WZ 2003). Zudem wird die Klägerin nicht zum Zweck des späteren Verkaufs der errichteten Anlagen tätig (s. Anmerkung zu Unterklasse 70.11.2 WZ 2003), was Voraussetzung einer Klassifizierung als Bauträger wäre.
100Auch kann die Bautätigkeit der Klägerin nicht als eine Tätigkeit von Architektur- oder Ingenieurbüros (Gruppe 74.2 WZ 2003) angesehen werden, weil die Klägerin diese Tätigkeiten nicht auf dem Markt anbietet, sondern nur für sich erbringt.
101§ 15 Abs. 9 StromStV, der durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 24.07.2013 (BGBl. I S. 2763) neu gefasst wurde, ist im Streitfall nicht anwendbar, weil diese Verordnung nach ihrem Art. 4 erst zum 01.08.2013 in Kraft getreten ist. Insoweit ist auch unerheblich, ob die damit bewirkte Änderung durch Ergänzung des §15 StromStV mit einem Absatz 9 zu Recht auf die Ermächtigung des § 11 Nr. 4 StromStG, der erlaubt, die Zuordnung von Unternehmen zu einem Abschnitt der WZ 2003 zu regeln, gestützt werden konnte.
102Anhaltspunkte für die in der Begründung der o.a. Änderungsverordnung (s. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen, veröffentlicht in http://www.energiecontracting.de/2-politik-recht/energiepolitik/Kraft-Waerme-Kopplung/ 2012-12-25-ReferentenentwurfEnergie-StromStDV.pdf) enthaltene Behauptung, nach ständiger Zuordnungspraxis des Statistischen Bundesamtes seien die Erläuterungen zu Abteilung 45 zum Einsatz von Subunternehmen nicht zu berücksichtigen, wenn die Baumaßnahmen Investitionen für das zuzuordnende Unternehmen darstellten, sind jedenfalls im Streitfall nicht erkennbar gewesen. Eine derartige Praxis gab es gegenüber der Klägerin nicht.
103Die Bautätigkeit hat die Klägerin zu Recht und in zutreffender Höhe nach dem Aufkommen an Beiträgen ermittelt. Dieser Tätigkeitsbereich, der keine Hilfstätigkeit darstellt, enthält auch Beiträge in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung.
104Anhaltspunkte dafür, dass eine Bautätigkeit auch zu Beiträgen in Form kalkulatorischer Zinsen und Tilgung führt, die für die Tätigkeiten der Klägerin im Sinne des Abschnitts O angefallen sind, sind weder erkennbar noch vom Beklagten substantiiert vorgetragen worden. Gegen eine ausschließliche Zuordnung zum Abschnitt F bestehen daher keine Bedenken.
105Soweit der Beklagte meint, Beiträge für Baumaßnahmen, die Aufgaben der Klägerin nach Abschnitt O dienten, müssten den Tätigkeiten dieses Abschnitts zugeordnet werden, übersieht er, dass die Bautätigkeit keine Hilfstätigkeit ist, die nach dem gewählten Maßstab auf die übrigen Tätigkeiten aufgeteilt werden muss und bei der Berechnung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeiten außer Betracht zu bleiben hat.
106Die Bautätigkeit ist entgegen den Ausführungen des Beklagten nicht nur Mittel zum Zweck, sondern dient unmittelbar der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin, wie sich insbesondere aus § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 und 10 EG ergibt. Für eine Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 4 StromStV ist kein Raum (s. BFH Urteil vom 16.04.2013, VII R 7/11, juris).
107Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
108Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
109Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich war. Der Rechtsstreit betrifft auslaufendes Recht, für das eine ständige andere Verwaltungspraxis der Zollverwaltung gar nicht erst behauptet worden ist und eine solche des Statistischen Bundesamtes nicht feststellbar war.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 10 Abs. 1 StromStG 1x (nicht zugeordnet)
- VII R 7/11 2x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 2 StromStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Nr. 3 StromStG 1x (nicht zugeordnet)
- StromStV § 15 Zuordnung von Unternehmen 2x
- Urteil vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII R 7/11 3x