Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 3885/14 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Sie erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung, aus privaten Veräußerungsgeschäften sowie aus Kapitalvermögen.
3Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2008 stellte der Beklagte verbleibende Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften für den Kläger in Höhe von 349.508 EUR und für die Klägerin von 284.358 EUR fest.
4Auch in den Streitjahren tätigten die Kläger Wertpapiergeschäfte. Sie reichten Steuerbescheinigungen der ausführenden Bank ein, aus denen sich nach Verrechnung der in den jeweiligen laufenden Jahren erzielten Gewinne mit den in diesen Jahren erlittenen Verlusten positive Kapitalerträge ergaben. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 2009 bis 2012, berücksichtigte der Beklagte entsprechend der eingereichten Steuerbescheinigungen die Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hierbei wurden die in den Streitjahren bescheinigten Gewinne aus Wertpapiergeschäften mit den zum 31.12.2008 festgestellten verbleibenden Verlustvorträgen ausgeglichen. Entsprechend wurden die verbleibenden Verlustvorträge jeweils zum 31.12. der jeweiligen Jahre mit ebenfalls unter Nachprüfungsvorbehalt stehenden Feststellungsbescheiden neu festgestellt.
5Die Kläger beantragten unter dem 9.4.2014, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen dergestalt berücksichtigt würden, dass die in den Jahren 2009 bis 2012 erzielten Gewinne nicht mit den in denselben Jahren erlittenen Verlusten, sondern vorrangig mit den gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvorträgen zum 31.12.2008 verrechnet würden. Sie trugen vor, die Regelungen zur Verrechnungsbeschränkung für Aktien seien rechtlich umstritten. Um Ungerechtigkeiten durch den Wegfall von Altverlusten zu vermeiden, müsse der Steuerpflichtige ein Wahlrecht haben, in welcher Reihenfolge die festgestellten Verluste aus Jahren vor 2009 und die in den Jahren danach erzielten Verluste mit den Gewinnen der jeweiligen Jahre nach 2009 zu verrechnen seien.
6Mit Bescheid vom 29.4.2014 lehnte der Beklagte diesen Änderungsantrag ab. Er trug vor, aus § 20 Abs.6 EStG und § 23 EStG ergäbe sich eine eindeutige gesetzliche Regelung zur Verlustverrechnung. Ein Wahlrecht sei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht gegeben. Den hiergegen erhobenen Einspruch vom 19.5.2014 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4.11.2014 als unbegründet zurück.
7Die Kläger haben am 8.12.2014 Klage erhoben zu deren Begründung sie zunächst ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen. Ergänzend tragen sie vor, der Gesetzgeber habe mit der Änderung der Besteuerung der Veräußerung von Wertpapieren zum 1.1.2009 eine grundlegende Änderung der Einordnung der hieraus resultierenden Ergebnisse vorgenommen. Durch die Zuordnung der Veräußerungsgewinne zu den Einkünften aus Kapitalvermögen sei eine Verrechnung der „Altverluste“ grundsätzlich nicht mehr möglich, da Verluste aus Spekulationsgeschäften i.S.d. § 23 EStG nur mit Spekulationsgewinnen und nicht mit Kapitaleinkünften verrechnet werden könnten. Nach § 23 Abs.3 Satz 9 und 10 EStG sei jedoch eine Verrechnung von „Altverlusten“ aus privaten Veräußerungsgeschäften mit später erzielten Veräußerungsgewinnen und Kapiteleinkünften i.S.v. § 20 Abs.2 EStG n.F. ermöglicht worden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sei eine Verrechnung der später entstandenen Kapitaleinkünfte mit den gesondert festgestellten „Altverlusten“ jedoch nur beschränkt möglich, da bereits bei dem Kreditinstitut eine Verrechnung der Gewinne mit den im selben Jahre erzielten Verlusten bereits stattgefunden habe, so das lediglich der danach verbleibende Saldo zur Verrechnung mit den „Altverlusten“ zur Verfügung stehen würde. Der Gesetzgeber habe eine Verrechnung der „Altverluste“ auf der Ebene der Kreditinstitute vermeiden wollen, da diesen die zur Verrechnung stehenden „Altverluste“ des Steuerpflichtigen nicht bekannt seien. Dabei sei jedoch nicht berücksichtigt worden, dass zum einen die Finanzverwaltung eine derartige Verrechnung ohne größeren Aufwand vornehmen könne und das zum anderen Steuerpflichtige, die nicht nur mit einer Bank, sondern mit mehreren derartige Geschäfte abwickeln würden, einen nicht gerechtfertigten Vorteil erlangen würden. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs.1 GG. Ein derartiger Verstoß sei auch nicht gerechtfertigt.
8Die Kläger beantragen,
9die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2012 dahingehend zu ändern, dass seit 2009 eingetretene Gewinne aus Veräußerungsgeschäften vorrangig mit bestehenden Altverlusten aus den Jahren vor 2009 i.S.d. § 23 EStG a.F. verrechnet werden,
10hilfsweise die Revision zuzulassen
11Der Beklagte beantragt,
12die Klagen abzuweisen,
13hilfsweise die Revision zuzulassen.
14Er wiederholt im Wesentlichen die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Gesetzeslage sein eindeutig. Im Steuerabzugsverfahren habe das Kreditinstitut gem. § 43a Abs.3 Satz 2 EStG im jeweiligen Kalenderjahr die negativen Kapitalerträge bis zur Höhe der positiven Erträge auszugleichen. Nach § 20 Abs.6 Satz 1 EStG sind bis einschließlich 2013 die nach dieser Verrechnung verbleibenden positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen, also solche nach § 20 Abs.2 EStG, auf Antrag mit den sogen. Altverlusten zu verrechnen. Eine Verrechnung derartiger Altverluste im Verrechnungstopf auf der Ebene der Kreditinstitute sei nicht vorgesehen. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen bestehe nicht. § 23 Abs.3 Sätze 9 und 10 EStG seien Ausnahmevorschriften, die als solche eng auszulegen seien. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nicht gegeben.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage hat keinen Erfolg.
18Es bestehen bereits erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Die Kläger haben nicht gem. § 40 Abs.2 Finanzgerichtsordnung (FGO) hinreichend geltend gemacht, durch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide in ihren Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kann über einen höheren Verlustabzug nur im Verfahren über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs im Jahr des Abzugs entschieden werden (vgl. BFH Beschluss vom 6.4.2010 IX B 213/09, BFH/NV 2010, 1280). Dies dürfte entsprechend gelten, wenn – wie hier – nicht über die Höhe des Verlustabzugs gestritten wird, sondern über die Frage, ob statt der im Veranlagungszeitraum entstandenen Verluste vorrangig bereits festgestellte Altverluste zur Verrechnung mit laufenden Gewinnen herangezogen werden müssen. Auch in diesem Falle dürften sich für die Einkommensteuerfestsetzungen selbst keine Auswirkungen ergeben, sondern nur hinsichtlich der gesondert festgestellten verbleibenden Verlustabzüge.
19Indes bedarf dies keiner weiteren Vertiefung. Die Klage ist jedenfalls nicht begründet. Die Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Die zum 31.12.2008 gesondert festgestellten Verluste aus Wertpapiergeschäften sind nicht vorrangig mit den in den jeweiligen Kalenderjahren entstandenen Verlusten zu verrechnen.
20Nach § 20 Abs.2 Nr. 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. auch – wie hier - Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Gem. § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG sind verbleibende positive Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der Verrechnung im Sinne von § 43a Abs.3 EStG zunächst mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe der § 23 Abs.3 Satz 9 und 10 EStG zu verrechnen. § 43a Abs.3 Satz 2 EStG bestimmt, dass das Kreditinstitut unter Berücksichtigung des § 20 Abs.6 Satz 5 EStG im Kalenderjahr negative Kapitalerträge einschließlich gezahlter Stückzinsen bis zur Höhe der positiven Kapitalerträge auszugleichen hat. Gem. § 23 Abs.3 Satz 9 EStG können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, auf die § 23 in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung anzuwenden ist, abweichend von Satz 7 auch mit Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs.2 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 14.8.2007 (BGBl I S.1912) ausgeglichen werden. Sie mindern abweichend von Satz 8 nach Maßgabe des § 10d EStG auch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veräußerungszeiträumen aus § 20 Abs.2 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 14.8.2007 (BGBl I S.1912) erzielt. Dabei sind nach § 52a EStG § 23 Abs. 3 Satz 9 und 10 i.d.F. des Gesetzes vom 14.8.2007 (BGBl I S.1912) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 und letztmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden (vgl. auch FG Baden-Württemberg Urteil vom 12.9.2012 1 K 4484/11, EFG 2013, 35). Gemessen hieran sind die zum 31.12.2008 gesondert festgestellten Verluste erst nach der Verrechnung der in den jeweiligen Veranlagungsjahren entstandenen Gewinne und Verluste zu berücksichtigen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig und bietet keinen Raum für eine anderweitige Auslegung (vgl. Ratschow in Blümich, EStG, § 20 Rdz. 465, Weber-Grellet in Schmidt, EStG 33.Aufl, § 20 Rdz.187). Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Philipowski, DStR 2014, 2051) bestehen gegen die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ersichtlich. Die insoweit gebildeten rein theoretischen Sachverhalte sind tatsächlich nicht vergleichbar.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
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