Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 3003/15 AO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin war vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 Mitgesellschafterin der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft A, firmierend mit „B“. Weitere Gesellschafter waren Frau C sowie der am 13.01.2014 verstorbene D. Im Jahr 2014 führte das beklagte Finanzamt bei der Gesellschaft eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2014 durch. Der Prüfungsbericht datiert vom 17.04.2014. Der aufgrund der Prüfung erlassene Nachforderungsbescheid vom 24.04.2014 wurde der empfangsbevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft der Gemeinschaft bekannt gegeben.
3Mit Schreiben vom 11.03.2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Akteneinsicht in die Akte betreffend die Lohnsteueraußenprüfung. Am 19.03.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Lohnsteueraußenprüfung beträfe auch Zeiträume, in denen die Klägerin keine Gesellschafterin gewesen sei. Akteneinsicht sei im Hinblick auf § 30 AO abzulehnen. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte am 09.08.2015 die Anberaumung eines Erörterungstermins nach § 364 a AO. Nach mehreren telefonischen Nachfragen der Klägerin übersandte der Beklagte ihr per Telefax vom 01.09.2015 die an ihren Bevollmächtigten adressierte Einspruchsentscheidung. Der Beklagte führte aus, der Klägerin stehe ein Recht auf Akteneinsicht in die Prüfungsanordnung, den Prüfungsbericht und das Protokoll der Prüfungsbesprechung nicht zu. Ihrem Antrag auf Erörterung sei nicht stattzugeben. Die Klägerin sei an der GbR vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 beteiligt gewesen. Sie sei damit zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung Beteiligte des Verfahrens gewesen. Einwendungen gegen den Erlass der Prüfungsanordnung könne die Klägerin nicht mehr geltend machen. Die mit der Prüfungsanordnung angekündigte Lohnsteueraußenprüfung sei bereits durchgeführt. Die sich aus der Prüfung ergebenden Lohnsteuernachforderungen seien bestandskräftig festgesetzt. Damit bestehe kein berechtigtes Interesse der Klägerin auf Einsicht in die Prüfungsanordnung. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsberichtes sei die Klägerin nicht mehr am Verfahren beteiligt gewesen. Der Prüfungsbericht sei an die GbR gerichtet und sei am 28.04.2014 nach dem Austritt der Einspruchsführerin bekannt gegeben worden. Ein Protokoll über die Schlussbesprechung sei nicht gefertigt worden.
4Hiergegen richtet sich die Klage.
5Die Klägerin trägt vor:
6Sie sei aus der Pathologie … wegen eines Zerwürfnisses mit Frau C ausgeschieden. Hintergrund sei, dass der Steuerberater der Gesellschaft, das Steuerbüro … in …, die Gesellschafterin C bevorzugt informiert habe und allein in deren Interesse tätig gewesen sei. Missstände in der Buchhaltung seien nicht abgestellt worden, erhebliche Vorgänge seien vor der Klägerin geheim gehalten worden. So habe der Steuerberater … den Jahresabschluss für 2013 zu dem die Klägerin wegen erheblicher steuerlicher Falschinformationen und Falschbuchungen die Unterschrift verweigert habe, ohne und gegen den Willen der Klägerin gleichwohl beim Finanzamt eingereicht. Von der Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2014 habe die Klägerin keinerlei Kenntnis gehabt. Erst während des Überreichens des Entwurfs des Jahresabschlusses 2013 im Mai 2014 sei der Klägerin nebenbei mitgeteilt worden, dass es eine Lohnsteueraußenprüfung gegeben habe. Der Klägerin lägen bis heute weder der Bescheid über die Anordnung der Lohnsteueraußenprüfung vor noch das Protokoll der Schlussbesprechung noch Informationen darüber, was geprüft worden sei, noch Informationen darüber, wer seitens der Gesellschaft Auskunft an das Finanzamt erteilt habe. Auch der abschließende Bescheid über das Ergebnis der Prüfung liege ihr nicht vor.
7Die Einspruchsbegründung übersehe, dass der Besteuerungszeitraum 2013 nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, sondern zwischen den Beteiligten hierüber Streit bestehe, ja sogar ein unzutreffender Abschluss 2013 durch den Steuerberater ohne Zustimmung der Klägerin eingereicht worden sei. Gegen den daraus erwachsenen Feststellungsbescheid 2013 habe die Klägerin Einspruch eingelegt, dieser sei noch offen. Hinsichtlich des bekannt gegebenen Prüfungsberichtes behaupte die Rechtsbehelfsstelle, die Klägerin sei bereits vor dem 28.04.2014 aus der GbR ausgeschieden, was offensichtlich unzutreffend sei. In dem Erörterungstermin hätte dem Finanzamt mitgeteilt werden können, dass es kein Steuergeheimnis zwischen Vollhaftern an der GbR gäbe, die Klägerin das gesamte Jahr 2014 vollhaftende Mitgesellschafterin gewesen sei und sie wegen der noch offenen Jahre 2013 und 2014 dringend auf die Akteneinsicht angewiesen sei, um unhaltbare steuerliche Angaben der GbR zu korrigieren, insbesondere hinsichtlich Scheinarbeitsverhältnissen und betriebsfremd genutzter Pkw.
8Die Einspruchsentscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel, da der Beklagte den Sachverhalt fehlerhaft erfasst habe. Die Klägerin sei bis 31.12.2014 Mitgesellschafterin gewesen. Das Steuergeheimnis stehe einer Auskunft nicht entgegen, wenn ein Gesamtschuldner die Erteilung einer Auskunft über Verhältnisse eines anderen Gesamtschuldners begehre, welche im Zusammenhang mit der Gesamtschuldnerschaft bestünden (OFD Niedersachsen vom 11.11.2013). Klägerin und die im Prüfungszeitraum in der GbR als Vollhafter tätigen … hafteten untereinander und füreinander nach § 128 ff. HGB. Dies gelte auch in steuerlicher Hinsicht.
9Zudem bestehe ein Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW. § 30 AO sei keine abschließende Regelung i. S. d. § 4 Abs. 2 IFG (so OVG NRW vom 15.06.2011, AZ 8 AF 150/10).
10Ein Steuergeheimnis gelte zwischen Gesamtschuldnern nicht.
11Die Klägerin beantragt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 19.03.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung ohne Datum, übersandt am 01.09.2015 zu ändern,
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2. den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin vollumfänglich Akteneinsicht in die Akten, Beiakten und sonstigen Aufzeichnungen des Beklagten hinsichtlich der Lohnsteueraußenprüfung zu Steuernummer betreffend die Prüfung des Lohnsteuerzeitraums 01.01.2011 bis 31.03.2014 der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft A zu erteilen,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Akteneinsicht in die Prüfungsanordnung, das Protokoll der Schlussbesprechung sowie den Prüfungsbericht hinsichtlich der Lohnsteueraußenprüfung für den Lohnsteuerzeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2014 zu erteilen.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er trägt vor,
19die Einspruchsentscheidung sei an das Steuerberatungsbüro … bekannt gegeben worden, welche empfangsbevollmächtigt gewesen seien; dort sei die Einspruchsentscheidung am 03.09.2015 eingegangen. Auf Bitten der Klägerin sei am 01.09.2015 eine Kopie der Einspruchsentscheidung per Fax an das Anwaltsbüro … übermittelt worden. Zur Zeit der Bekanntgabe des Prüfungsberichts sei die Klägerin noch an der GbR beteiligt gewesen. Die Lohnsteuer-Außenprüfung umfasse den Zeitraum 01.11.2011 bis 31.12.2014, die Klägerin sei aber erst ab 11.12.2012 an der GbR beteiligt gewesen. Eine Einsichtnahme in den Bericht würde auch Verhältnisse Dritter offenbaren.
20Zwischenzeitlich sei am 28.10.2015 eine Prüfungsanordnung gegenüber der GbR für 2013 und 2014 ergangen, der Klägerin sei diese einzeln bekannt gegeben worden. Die Klägerin habe dem Prüfer von der BP … mehrere Ordner und CD´s mit Unterlagen übergeben, die noch nicht gesichtet seien.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Akteneinsicht in die Akten, Beiakten und sonstigen Aufzeichnungen des Beklagten hinsichtlich der Lohnsteueraußenprüfung zu Steuernummer betreffend die Prüfung des Lohnsteuerzeitraums 01.01.2011 bis 31.03.2014 nicht zu; ebenso hat sie keinen Anspruch auf Akteneinsicht in die Prüfungsanordnung, das Protokoll der Schlussbesprechung sowie den Prüfungsbericht hinsichtlich der Lohnsteueraußenprüfung. Der Beklagte hat die beantragte Akteneinsicht ermessensfehlerfrei abgelehnt.
23Ein Einsichtsrecht in die Akten des Besteuerungsverfahrens ist weder aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen AEAO noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten (BFH, Urteil vom 23. Februar 2010, VII R 19/09, BStBl II 2010, 729). Ein Akteneinsichtsrecht ist darüber hinaus weder aus dem Datenschutzgesetz oder aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes oder eines Landes (FG Münster, Urteil vom 5. November 2002, 1 K 7155/00 S, EFG 2003, 499) noch etwa aus Artikel 12 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 herzuleiten (BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl 2003, 790; FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616). Die AO regelt als spezielle Rechtsmaterie die Frage des Akteneinsichtsrechts abschließend. Die allgemeinen Regelungen der Datenschutzgesetze bzw. der Informationsfreiheitsgesetze treten hinter diese spezielle Negativregelung der AO zurück (BFH, Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl II 2003, 790; FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Dezember 2009, 1 K 1598/08, EFG 2010, 616). Im Übrigen kann Bundesrecht (AO) nicht durch Landesrecht wie das IFG NRW gebrochen werden, Art. 31 GG (vgl. auch FG Berlin-Brandenburg vom 16. 2. 2011 3 K 3086/08 EFG 2011,1582).
24Nach der Rechtsprechung steht allerdings dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zu, weil die Behörde nicht gehindert sei, in Einzelfällen Akteneinsicht zu gewähren (BFH, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552; Beschluss vom 8. Juni 1995, IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64; Urteil vom 23. Februar 2010, VII R 19/09, BStBl II 2010, 729; Beschluss vom 15. September 2010, II B 4/10, BFH/NV 2011, 2). Dabei muss ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht und Auskunftserteilung dargelegt werden (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 17. Dezember 2008, IV A 3-S 0030/08/10001, 2008/0725482, BStBl I 2009, 6; vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 23. August 1996, 18 K 8159/92, EFG 1998, 11).
25Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BFH, Urteil vom 8. Februar 1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552). Die Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Finanzverwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat (§ 102 FGO). Das Gericht ist im Ermessensbereich nicht zur eigenen Ermessensausübung befugt, weil es ansonsten seine Erwägungen letztlich an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzen würde (BFH, Urteil vom 28. Juni 2000, X R 24/95, BStBl II 2000, 514). Der Bundesfinanzhof sieht dementsprechend den Anspruch des um Akteneinsicht Nachsuchenden auf fehlerfreie Ermessensentscheidung als gewahrt an, wenn das Finanzamt im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat (BFH, Beschluss vom 8. Juni 1995, IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64; Beschluss vom 4. Juni 2003, VII B 138/01, BStBl II 2003,790; FG Berlin-Brandenburg vom 16. 2. 2011 3 K 3086/08 EFG 2011,1582). Bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht ist vor allem das Steuergeheimnis nach § 30 AO zu beachten.
26Vorliegend hat der Beklagte bei Erlass der Einspruchsentscheidungen das nötige Ermessen ausgeübt und insbesondere das Interesse der Klägerin auf Akteneinsicht mit den Belangen, die dagegen sprechen, abgewogen. Dabei ist der zugrunde liegende Sachverhalt eingangs der Einspruchsentscheidung zutreffend wiedergegeben worden. Ermessensfehler des Beklagten sind nicht ersichtlich.
27Die Klägerin war vom 01.01.2013 bis 31.12.2014 an der Gesellschaft beteiligt. Die Lohnsteuer-Außenprüfung umfasste den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2014 und damit überwiegend Zeiträume, in denen die Klägerin nicht Beteiligte war. Eine Einsichtnahme in den Bericht würde die Verhältnisse Dritter offenbaren und das Steuergeheimnis verletzen. Soweit die Klägerin beanstandet, ihr liege weder die Anordnung der Prüfung noch das Protokoll der Schlussbesprechung vor noch Informationen, was geprüft worden sei und wer Auskunft erteilt habe, vermag dies ein berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht nicht zu begründen. Die Praxisgemeinschaft wurde im Prüfungszeitraum steuerlich vertreten, was der Klägerin auch bekannt war. Soweit die Klägerin einwendet, der Berater habe gegen ihren Willen den Jahresabschluss 2013 beim Finanzamt eingereicht, ist dies für die Lohnsteueraußenprüfungsvorgänge irrelevant. Soweit sie der Ansicht ist, der Berater sei nur im Interesse der Gesellschafterin C tätig gewesen, hätte sie dies auf zivilrechtlichem Weg durch Entzug der Vollmacht oder im Klageweg gegenüber den anderen Gesellschaftern geltend machen müssen. Zudem ist die Prüfung bereits abgeschlossen und der entsprechende Bescheid im April 2014 ergangen, als die Klägerin noch Gesellschafterin war. Die Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten muss sie gegen sich gelten lassen; soweit sie Einwände gegenüber diesem hat, ist auf das oben Ausgeführte zu verweisen.
28Ein Interesse der Klägerin an der Akteneinsicht kann auch nicht deshalb bestehen, weil ihr nur so Aufzeichnungen des Finanzamtes, insbesondere soweit sie in den Prüferakten vorhanden sind, bekannt werden können. Entscheidend für den Steuerpflichtigen sind die Verwaltungsakte der Finanzbehörde und ihre Begründung. Diese können vom Steuerpflichtigen im Rahmen von Rechtsbehelfsverfahren und Klagen überprüft werden (vgl. auch FG Münster vom 05.11.2002 1 K 7155/00 S EFG 2003,499). Aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung ist hier ein Bescheid an die Gesellschaft ergangen, der aber bereits bestandskräftig ist. Einwendungen gegen diesen Bescheid kann die Klägerin daher ohnehin nicht mehr geltend machen.
29Da der Bescheid bestandskräftig ist, ist das Besteuerungsverfahren insoweit abgeschlossen, so dass schon aus diesem Grund das Finanzamt zu Recht Akteneinsicht abgelehnt hat.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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