Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 2699/15 Erb
Tenor
Der Schenkungsteuerbescheid vom 1. Juni 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2015 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d:
2A war Partner der B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, wo er eine Immobilienwirtschaftsrechtseinheit aufgebaut hatte. Die Klägerin war seit dem Jahr 2008 bei der B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als Rechtsanwältin angestellt. Sie war dort in der von A geleiteten Immobilienwirtschaftsrechtseinheit tätig. Im Jahr 2012 bot sich für A die Möglichkeit, als Partner zur C AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (…) zu wechseln und am Standort D eine Praxisgruppe Immobilienwirtschaftsrecht aufzubauen. Ihm wurde dabei angeboten, die Mitarbeiter der von ihm geleiteten Immobilienwirtschaftsrechteinheit bei der B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ganz oder teilweise mitzubringen. A nahm dieses Angebot an. Er wurde mit Wirkung ab dem 1. Juli 2012 Partner der Praxisgruppe Immobilienwirtschaftsrecht bei C. Die Klägerin wurde als Senior Manager mit Wirkung ab dem 1. Juli 2012 in dieser Praxisgruppe tätig.
3A und die Klägerin schlossen am 20. Juli 2013 einen schriftlichen Vertrag ab, in dem einleitend Folgendes festgehalten wurde:
4„A war und ist überzeugt, dass der Aufbau der Praxisgruppe bei C nur gelingen könne, wenn er und E wie zuvor bei B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH partnerschaftlich zusammenarbeiten. Die Parteien sahen ihre Leistungsbeiträge im Rahmen der Zusammenarbeit bei B stets als gleichwertig an und kamen überein, dass es für das Gelingen des Aufbaus der neuen Praxisgruppe innerhalb von C entscheidend sei, dass sie unabhängig von ihrem Status bei C weiterhin mit dem Verständnis einer vollkommenen Gleichwertigkeit zusammen arbeiten würden. Hintergrund war nicht zuletzt, dass zahlreiche Mandate und Umsätze bei B an die Person von E geknüpft waren und die Überführung dieser Mandantenbeziehung zu C eine wesentliche Grundlage für den Aufbau der neuen Praxisgruppe Immobilienwirtschaftsrecht sein würde. Gleichzeitig war .. von C klar vorgegeben worden, dass der Eintritt bei C so .. gestaltet werden müsse, dass auf Grund der Strukturen des Unternehmens, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Umsatzerwartungen, die an den Eintritt der Parteien bei C geknüpft waren, eine Partnerschaft nur A angeboten werden könne. Nach intensiven Vorgesprächen über den Wechsel zu C entschieden die Parteien daher, dass A die von C angebotene Partnerschaft annimmt und E die Rolle eines Senior Managers bei C übernimmt. Die Parteien waren sich im Innenverhältnis einig, dass sie in ihren jeweiligen Funktionen aufs Engste vertrauensvoll miteinander kooperieren und zusammenarbeiten, um die Praxisgruppe Immobilienwirtschaftrecht gemeinschaftlich zu einem Erfolg zu machen. Da die Positionen eines Partners und eines Senior Managers unterschiedlich vergütet werden, haben die Parteien sich grundsätzlich dahingehend vereinbart, dass sie untereinander einmal jährlich die Einkommensunterschiede aus ihren Vertragsverhältnissen mit C ausgleichen wollen…“
5Unter § 1 Abs. 2 des Vertrags verpflichteten sich A und die Klägerin, „weiterhin vertrauensvoll in ihren jeweiligen Funktionen bei C zusammen zu arbeiten und den Zweck, ein Immobilienwirtschaftsrechtsteam erfolgreich aufzubauen, gegenseitig zu fördern“. Unter § 2 Abs. 1 des Vertrags verpflichteten sich A und die Klägerin in Bezug auf ihr „Einkommen von C einen Ausgleich in der Weise herbeizuführen, dass beide Parteien wirtschaftlich das gleiche Einkommen aus ihrer Tätigkeit für C haben“. Hierzu sollten nach § 2 Abs. 2 des Vertrags halbjährlich nach Eingang von Sonderzahlungen die beiden Einkommen aus dem betreffenden Kalenderjahr zusammengerechnet und alsdann gleichmäßig aufgeteilt werden.
6Demgemäß überwies A am 10. April 2014 40.377 € auf ein für die Klägerin bei der F Bank AG geführtes Konto. Das beklagte Finanzamt sah diese Zahlung als schenkungsteuerpflichtige freigebige Zuwendung an und setzte deshalb gegen die Klägerin mit Bescheid vom 1. Juni 2015 6.090 € Schenkungsteuer fest.
7Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Eine freigebige Zuwendung liege nicht vor, weil A und sie einen gemeinsamen Zweck verfolgt hätten, der zur Gründung einer Innengesellschaft geführt habe. Ihnen habe es frei gestanden, mit ihren jeweiligen in der Vergangenheit aufgebauten Mandantenstämmen außerhalb der C ihre Chancen getrennt zu verfolgen. Sie hätten sich jedoch dafür entschieden, ihre Geschäftschancen in die neu gegründete Praxisgruppe Immobilienwirtschaftsrecht bei der C einzubringen. Sie hätten daher über diese Geschäftschancen im Innenverhältnis Vereinbarungen treffen können. Voraussetzung für einen Einstieg des A als Partner bei C sei es gewesen, dass er bereits im ersten Jahr einen Mindestumsatz erzielen werde. Das habe er nach seiner Einschätzung nur durch eine Mitnahme des gesamten Teams mit allen Mandanten zu C erreichen können. A habe auch keinen Willen zur Unentgeltlichkeit gehabt, weil er die Zahlungen an sie in dem Bewusstsein erbracht habe, sie mit ihren eigenen Mandanten und Geschäftschancen an die gemeinsame Berufsausübung bei C zu binden. Damit habe er sich die Sicherung seines eigenen Gehalts und seiner Stellung als Partner bei C versprochen.
8Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 31. Juli 2015 zurück und führte aus: A sei zur Zahlung des Ausgleichsbetrags an die Klägerin nicht verpflichtet gewesen. Der Zahlung habe auch keine Gegenleistung der Klägerin gegenüber gestanden. Die Klägerin sei bei C angestellt und erziele Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr vereinbarter Bruttoarbeitslohn spiegele den Umfang ihrer Tätigkeit als Senior Manager wider. Im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses habe sie keinen Anspruch auf Zuwendungen ihres Vorgesetzten. Selbst wenn A erwarte, dass ihm die Zahlung an die Klägerin Vorteile bringe, ändere dies nichts an seinem Willen zur Unentgeltlichkeit. Er unterhalte keinen Geschäftsbetrieb und erbringe die Zahlungen deshalb weder aus geschäftlichen noch aus betrieblichen Gründen. Seine Partnerschaft bei C sei auch nicht an die Höhe der Umsätze der Jahre nach seinem Eintritt gebunden gewesen. Seine Position als Partner sei an eine bestimmte Qualifikation gebunden, die sich von derjenigen, über welche die Klägerin verfüge, unterscheide.
9Die Klägerin wiederholt mit ihrer Klage im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
10Die Klägerin beantragt,
111. den Schenkungsteuerbescheid vom 1. Juni 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2015 aufzuheben;
122. hilfsweise die Revision zuzulassen.
13Das beklagte Finanzamt beantragt,
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1. die Klage abzuweisen;
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2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die Klage ist begründet. Der Steuerbescheid vom 1. Juni 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Finanzamt hat die Schenkungsteuer zu Unrecht gegen die Klägerin festgesetzt.
20Nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) unterliegen freigebige Zuwendungen unter Lebenden der Schenkungsteuer, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Im Streitfall fehlt es an einer Bereicherung der Klägerin auf Kosten des A.
21Eine Zuwendung, die in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht, ist nicht als unentgeltlich anzusehen und unterfällt nicht § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (BFH, Urteile vom 17. Oktober 2007 II R 63/05, BFHE 218, 429, BStBl II 2008, 381; vom 20. Januar 2016 II R 40/14, BFHE 252, 453). Unter einem Gemeinschaftszweck ist insbesondere der gesellschaftsvertraglich bestimmte Zweck einer Gesellschaft zu verstehen, zu dessen Erreichung sich die Gesellschafter zusammengeschlossen haben (BFH-Urteil in BFHE 218, 429, BStBl II 2008, 381).
22A und die Klägerin haben am 20. Juli 2013 eine Innengesellschaft errichtet (§ 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Eine Innengesellschaft setzt den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags voraus, mit dem sich die Gesellschafter verpflichten, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und diesen durch vermögenswerte Leistungen zu fördern (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Oktober 2008 II ZR 207/07, JR 2010, 33; Urteil vom 11. Januar 2011 II ZR 187/09, NJW 2011, 921). Unter § 1 Abs. 2 des Vertrags vom 20. Juli 2013 haben sich A und die Klägerin verpflichtet, „weiterhin vertrauensvoll in ihren jeweiligen Funktionen bei C zusammen zu arbeiten und den Zweck, ein Immobilienwirtschaftsrechtsteam erfolgreich aufzubauen, gegenseitig zu fördern“. Die Beiträge der Klägerin und des A bestanden mithin in ihren Arbeitsleistungen für das Immobilienwirtschaftsrechtsteam. Die Klägerin stand zwar im Verhältnis zur C in einem Arbeitsverhältnis und hat dieser gegenüber ihre Arbeitsleistungen erbracht. Dies schloss jedoch nicht aus, dass sich A als Partner der C und die Klägerin als Senior Manager unabhängig von ihren vertraglichen Beziehungen zur C in der Rechtsform einer Innengesellschaft zusammengetan haben, um einen darüber hinausgehenden Zweck in der Gestalt des Aufbaus und der erfolgreichen Führung eines Immobilienwirtschaftsrechtsteams gegenseitig zu verfolgen.
23Grundlage für die in Rede stehende Ausgleichszahlung vom 10. April 2014 war § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 20. Juli 2013. Danach konnte die Klägerin von A als ihren Anteil am Gewinn der Innengesellschaft (§ 722 Abs. 1 BGB) die Hälfte des Einkommensunterschieds einschließlich der Sonderzahlungen verlangen. Die Ausgleichszahlung stand damit in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck. Sie stellte im Hinblick auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis nicht nur eine Zuwendung des Vorgesetzten der Klägerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses mit der C dar. Rechtsgrund für die Zahlung des Ausgleichs war nämlich nicht das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur C, sondern § 2 des mit A abgeschlossenen Gesellschaftsvertrags. Dieser hatte als Partner ein eigenes Interesse daran, dass die Klägerin beim Aufbau des Immobilienwirtschaftsrechtsteams mitwirkte. Von dem wirtschaftlichen Erfolg des Immobilienwirtschaftsrechtsteams hing der von ihm erzielte Umsatz und damit seine Stellung als Partner der C ab. Das gilt auch für die Folgejahre nach dem Eintritt der Klägerin bei der C als Senior Manager. Ausweislich der Präambel zum Vertrag vom 20. Juli 2013 wollten A und die Klägerin „vertrauensvoll miteinander kooperieren und zusammenarbeiten, um die Praxisgruppe Immobilienwirtschaftrecht gemeinschaftlich zu einem Erfolg zu machen“. Die Ausgleichszahlungen dienten daher offensichtlich dazu, die Klägerin längerfristig als Mitarbeiterin für das Immobilienwirtschaftsrechtsteam zu gewinnen.
24Das von der Vertreterin des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung genannte Urteil des BFH vom 15. März 2007 II R 5/04 (BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472) steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Denn in dieser Entscheidung ging es - anders als im Streitfall - um die Frage, ob nicht satzungsmäßig oder allen Vereinsmitgliedern durch entsprechenden Beschluss auferlegte Leistungen des Förderers eines Vereins an einen Sportverein der Schenkungsteuer unterliegen. Das beklagte Finanzamt kann sich auch nicht mit Erfolg auf das von ihrer Vertreterin in der mündlichen Verhandlung genannte Urteil des BFH vom 28. Februar 2013 VI R 58/11 (BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642) berufen, weil diese Entscheidung nur die ertragsteuerrechtliche Frage betrifft, ob die Zuwendung eines Dritten Arbeitslohn sein kann.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
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