Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 2307/15 MOG
Tenor
Der Zinsänderungsbescheid des Beklagten vom 11.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung wird aufgehoben, soweit er
(1) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 30.09.2009 mehr als 19.233,18 € Zinsen festsetzt,
(2) für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 30.09.2010 mehr als 18.255,68 € Zinsen festsetzt,
(3) für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 30.09.2011 mehr als 16.653,40 € Zinsen festsetzt,
(4) für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis zum 30.09.2012 mehr als 14.478,99 € Zinsen festsetzt,
(5) für den Zeitraum vom 01.10.2012 bis zum 30.09.2013 mehr als 12.212,13 € Zinsen festsetzt,
(6) für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 30.09.2014 mehr als 9.947,37 € Zinsen festsetzt,
(7) für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 06.06.2016 mehr als 5.251,22 € Zinsen festsetzt und
(8) für die Zeit nach dem 06.06.2016 Zinsen festsetzt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin lieferte von ihrem Betrieb im Zwölfmonatszeitraum 2007/2008 der Molkerei A GmbH als Käuferin 7.904.267 kg Milch mit einem Fettgehalt von 4,319% an. Aufgrund der ihr zustehenden Anlieferungsreferenzmenge von 77.276 kg mit einem Fettgehalt von 8,020% errechnete die Käuferin eine Überlieferung von 3.371.724 kg und unter Berücksichtigung der Molkerei- und Bundessaldierung eine Abgabe von 938.350,92 €.
3Am 23.07.2008 teilte die Käuferin diese Berechnung der Klägerin mit und meldete am 24.07.2008 dem Beklagten die Abgabe auch für die Klägerin an, wobei sie hinsichtlich der Klägerin von der ihr mitgeteilten Berechnung ausging.
4Gegen die Abgabeanmeldung der Käuferin legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.02.2009 als unbegründet zurückwies. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 25.05.2010, 4 K 1140/09 MOG ab. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
5Der angemeldete Abgabenbetrag wurde von der Molkerei nur in Höhe von 630.196,96 € gezahlt. Hinsichtlich des weiteren Abgabenbetrags untersagte das Landgericht auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 17.11.2008 der Molkerei, den Restbetrag von 308.153,96 € an die zuständige Bundeskasse abzuführen.
6Mit Abgabenbescheid vom 04.12.2008 forderte der Beklagte von der Klägerin den noch offenen Restbetrag in Höhe von 308.153,96 € an. Seit dem 16.07.2009 zahlte die Klägerin im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens monatliche Raten von 2.000 € zur Tilgung der Restschuld. Zum 18.04.2011 wurden die Raten auf monatlich 3.000 € erhöht, aber nur bis zum 18.03.2015 gezahlt, so dass die Milchabgabe noch in Höhe von 122.153,96 € unbeglichen ist. Die jeweiligen Zeitpunkte der Einzahlungen ergeben sich aus der Anlage zum Schreiben des Beklagten vom 01.06.2016.
7Mit Bescheid vom 16.12.2009 setzte der Beklagte der Klägerin gegenüber für Zeit von Oktober 2008 bis zum erwarteten Ende der Zahlungen am 21.05.2022 Zinsen fest, deren Fälligkeit er jeweils zum 01.11. für den zuvor abgelaufenen Jahreszeitraum festlegte. Den Zinssatz bestimmte er für die gesamte Zeit in Höhe des auf dem am 01.10.2008 geltenden und um 1% erhöhten EURIBOR (Euro interbank borrowing offered rate). Als Rechtsgrundlage gab der Beklagte Art. 15 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom 30. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor – VO 595/2004 – an.
8Zur Begründung des gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, sie könne nicht mit Zinsen dafür haften, dass die Molkerei als Verwaltungshelfer die Abgabe pflichtwidrig nicht abgeführt habe.
9Die Zinsforderung beruhe auf Gemeinschaftsrecht, obwohl der Gemeinschaft die Zinsen nicht zugestanden hätten. Auch sei der Gemeinschaft kein Zinsschaden entstanden, weil die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, die Abgabe zu zahlen. Eine Überleitung der Zinsansprüche von der Gemeinschaft auf die Mitgliedstaaten habe nicht stattgefunden.
10Zinsen könnten nur nach ihrer Entstehung berechnet werden. Die Berechnungsmethode des Beklagten berücksichtige keine Änderung im Rahmen der Tilgung. Auch könne der angewandte Zinssatz nicht für spätere Zeiträume ab 2009 gelten.
11Mit Zinsänderungsbescheid vom 11.08.2011 ersetzte der Beklagte den angefochtenen Zinsbescheid und berechnete die Zinsen unter Berücksichtigung der vom 21.04.2011 an erhöhten monatlichen Rate von 3.000 €, aber gleichbleibendem Zinssatz und gleichbleibender Fälligkeit neu. Dadurch ergab sich ein erwartetes Zahlungsende am 21.09.2018.
12Insgesamt berechnete der Beklagte für die jeweils vom 01.10. bis zum 30.09. des Folgejahres dauernde Zeiträume Zinsen, die zu folgenden Zeitpunkte fällig waren:
13Zeitraum |
Zinsbetrag |
Fälligkeit |
2008/2009 |
19.345,07 € |
25.01.2010 |
2009/2010 |
18.278,75 € |
01.11.2010 |
2010/2011 |
16.680,84 € |
01.11.2011 |
2011/2012 |
14.516,73 € |
01.11.2012 |
2012/2013 |
12.251,97 € |
01.11.2013 |
2013/2014 |
9.987,21 € |
01.11.2014 |
2014/2015 |
7.722,45 € |
01.11.2015 |
2015/2016 |
5.457,69 € |
01.11.2016 |
2016/2017 |
3.192,93 € |
01.11.2017 |
2017/2018 |
938,66 € |
01.11.2018 |
Summe: |
108.372,30 € |
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.06.2015 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Zinsbescheid vom 11.08.2011 als unbegründet zurück und führte dazu aus: Die Klägerin schulde die von der Molkerei nicht abgeführte Milchabgabe selbst, habe sie aber nach Fälligkeit nicht, später erst teilweise durch Ratenzahlungen entrichtet.
15Nach Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 seien bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist Jahreszinsen zu erheben. Auf Grund der erst zum 21.07.2009 aufgenommenen Ratenzahlungen, die zum 21.04.2011 erhöht worden seien, seien für die Vergangenheit Zinsen angefallen und würden auch künftig anfallen. Maßgebender Zinssatz sei der um 1% erhöhte EURIBOR, der statisch auf den Zeitpunkt der ersten Fälligkeit anzuwenden sei.
16Die aufgeteilte Zinsberechnung sei nötig geworden, um die Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu vermeiden, die durch die Ratenzahlung hätte entstehen können.
17Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, der Beklagte sei von unrichtigen EURIBOR-Zinsätzen ausgegangen. Zudem müssten die Zinsen auch gegenüber dem Abnehmer geltend gemacht werden.
18Für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit sei nicht das Finanzgericht, sondern das Verwaltungsgericht zuständig.
19Die Klägerin beantragt,
20den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu verweisen;
21den Zinsbescheid des Beklagten vom 11.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2015 aufzuheben.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24und verweist zur Begründung auf seine Verwaltungsentscheidungen.
25Entscheidungsgründe:
26I. Die Klage ist zulässig.
27Für die Klage ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben. Bei der hier anhängigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeit geht es um eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 FGO, die der Gesetzgebung des Bundes unterliegt und von Bundesfinanzbehörden verwaltet wird.
28Hinsichtlich der Frage, ob eine Abgabe der Gesetzgebung des Bundes unterliegt, kommt es ausschließlich auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach dem Grundgesetz (GG) an. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG ist der Bund u.a. zuständig für die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung und die Sicherung der Ernährung. Diese Befugnis umfasst auch Regelungen zur Organisation, Steuerung, Lenkung und Förderung der Agrarwirtschaft einschließlich der Erhebung von Abgaben (BVerfG Beschluss v. 31.05.1990 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159 ff., 182). Dass die Abgaben nicht vom Bund, sondern im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften geregelt wurden, ist insoweit unerheblich. Diese Abgaben, zu denen nicht die jeweils hauptsächlich geregelte Abgabe, hier die Milchabgabe, sondern auch Nebenleistungen wie Zinsen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) gehören, werden aber durch Bundesfinanzbehörden, zu denen der Beklagte gehört, verwaltet, Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG.
29Darüber hinaus ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO gegeben, weil § 34 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Maßnahmen zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation der Finanzrechtsweg gegeben ist, soweit eine Bundesfinanzbehörde für die Maßnahme zuständig ist.
30Zu den Gemeinsamen Marktorganisationen im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 MOG gehört auch die Marktorganisation für Milch, auf Grund derer die Milchabgabe 1984 eingeführt worden ist (s. 1. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 17888/2003 des Rates vom 20.09.2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor – VO 1788/2003 –). Hauptziel der Milchabgabe bei Erlass der VO 1788/2003 war wie schon bei ihrer Einführung 1984, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Milch und Milcherzeugnissen und die daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern und so ein besseres Marktgleichgewicht zu erreichen. Dazu sollte die bestehende Milchabgabenregelung ab dem 01.04.2008 für weitere sieben Zwölfmonatszeiträume beibehalten werden (3. Erwägungsgrund der VO 1788/2003). Die hier streitige Verzinsung beruht auf den in der VO 595/2004 enthaltenen Ausführungsbestimmungen zur VO 1788/2003.
31Für deren Verwaltung ist die Bundesfinanzverwaltung zuständig, Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG zuständig.
32II. Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
33Mit dem Zinsbescheid vom 11.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2015 hat der Beklagte die Klägerin dem Grunde nach zu Recht für die festgesetzten Zinsen in Anspruch genommen. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Hinsichtlich der Zinsberechnung ist der angefochtene Zinsbescheid vom 11.08.2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2015 rechtswidrig und verletzt die Rechte der Klägerin, so dass er nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in dem im Tenor angegebenen Umfang aufzuheben war.
34Die in diesem Verfahren streitigen Zinsen nach Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 sind Abgaben zu Marktordnungszwecken im Sinne des § 12 Abs. 1 MOG, auf die bis auf die durch Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 in Verbindung mit Anhang II VO 595/2004 geregelten Zinssätze die Vorschriften der AO für Säumniszuschläge entsprechend anzuwenden sind. Auf Grund der durch § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG bestimmten Rechtsfolge war die AO im Streitfall bis auf die Zinssätze und die Berechnung der Zinsen in vollem Umfang anzuwenden, da weder das MOG noch die Verordnung zur Durchführung der EG-Milchabgabenregelung (Milchabgabenverordnung – MilchAbgV) abweichende Bestimmungen enthielten.
35Die Zinspflicht für die Milchabgaben ergibt sich aus Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004. Die besonderen, höheren Zinsen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MOG sind nicht anzuwenden, weil Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 den Regelungen des MOG vorgeht, was § 14 Abs. 1 Satz 3 MOG verdeutlicht.
36Die Klägerin schuldet die Zinsen nach Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004, denn für die Milchabgabe des Zwölfmonatszeitraums 2007/2008 hat sie hinsichtlich eines Teilbetrags von 308.153,96 € dafür gesorgt, dass bei diesem von ihr geschuldete Betrag die nach Art. 15 Abs. 1 VO 595/2004 bestimmte Zahlungsfrist vor dem 01.10.2008 nicht einbehalten worden ist.
37Als überliefernder Milcherzeuger ist der Klägerin Schuldnerin der Milchabgabe geworden, denn die Milchabgabe ist nach Art. 4 Absatz 1 VO 1788/2003 vollständig auf die Erzeuger aufzuteilen, die zu der Überschreitung der einzelstaatlichen Quoten beigetragen haben. Auch schulden diese Erzeuger dem Mitgliedstaat ihren Beitrag zur fälligen Überschussabgabe allein auf Grund der Überschreitung ihrer verfügbaren Quoten, Art. 4 Absatz 2 VO 1788/2003.
38Ist wie im Streitfall die Milchabgabe nicht vom Käufer, der Molkerei, die die Klägerin beliefert hatte, einbehalten worden, hatte der Beklagte nach Art. 4 VO 1788/2003 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 MOG und § 85 AO die Abgabe von der Klägerin anzufordern. War nämlich eine Abgabe zu Marktordnungszwecken wie im Streitfall nicht abgeführt worden, hatte der Beklagte als zuständige Finanzbehörde (s. § 31 Abs. 1 Nr. 1 MOG) nach § 85 AO die Abgabe zu erheben, und zwar bei der Schuldnerin der Milchabgabe, hier der Klägerin, da sie es war, die überliefert hatte. Diese Pflicht verdeutlicht auch Art. 13 Abs. 3 VO 1788/2003.
39Die Zinsen sind nicht von der Molkerei als der Käufern der von der Klägerin angelieferten Milch zu erheben, weil die Käuferin nur für die Erhebung der Milchabgabe zuständig ist, sie aber nicht zu tragen hat, Art. 11 Abs. 1 VO 1788/2003.
40Hinzu kommt im Streitfall noch, dass die sich aus der Abgabeanmeldung der Käuferin für die Klägerin ergebende Pflicht der Käuferin, die von der Klägerin geschuldete Milchabgabe bis zum 30.09.2008 unter Anrechnung auf das der Klägerin aus ihren Milchanlieferungen zustehende Milchgeld abzuführen, von der Klägerin vereitelt wurde. Die Klägerin ließ nämlich der Käuferin durch Beschluss des Landgerichts vom 17.11.2008 untersagen, den Teilbetrag von 308.153,96 € Milchabgabe an die zuständige Bundeskasse abzuführen.
41Nach dem ersten Halbsatz des Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 werden bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist gemäß Art. 15 Abs. 1 VO 595/2004 auf die geschuldeten Beträge Jahreszinsen erhoben. Der Zinssatz richtet sich nach dem Bezugssatz zum 01.10. jeden Jahres, der um einen Prozentpunkt erhöht wird, 2. Halbsatz Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004.
42Der Bezugssatz ist der zum 01.10. jeden Jahres gültige dreimonatige Bezugssatz, der für jeden Mitgliedstaat gemäß Anlage II festgesetzt wird. Für die Mitgliedstaaten der Eurozone, zu der Deutschland gehört, ist dies der EURIBOR, so dass der Bezugssatz dem Drei-Monats-EURIBOR zu entnehmen ist. Der Drei-Monats-EURIBOR betrug zum 01.10.2008 5,291 %, so dass der Zinssatz der Jahreszinsen bei 6,291 % lag.
43Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, dass der Satz der Jahreszinsen während der Säumnis dem jeweils zum 01.10. eines jeden Jahres geltenden Drei-Monats-EURIBOR anzupassen ist. Die Jahreszinsen beziehen sich nämlich auf den Tag der ersten Säumnis (s. auch MilchquotenDV Abs. 105).
44Art. 15 Abs. 1 VO 595/2004 bestimmt den Fälligkeitszeitpunkt, hier den 30.09.2008. Wird bis zu diesem Tag nicht gezahlt, entstehen mit dem folgenden Tag die Zinsen, deren Zinssatz sich aus dem um einen Prozentpunkt erhöhten Drei-Monats-EURIBOR für den 01.10 des Jahres ergibt, in dem die Zinsen entstanden sind.
45Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Verzinsung. Diese wurde erstmals in der auch hier vorliegenden Form durch Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1392/2001 der Kommission vom 09.07.2001 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Abl. EG Nr. L 187/19) – VO 1392/2001 – eingeführt. Ihr Zweck war die Sicherung der effektiven Entrichtung der Abgabe durch die überliefernden Erzeuger und bei Nichterfüllung grundlegender Anforderungen die Einführung von Sanktionen (5. Erwägungsgrund der VO 1392/2001).
46Dem Zweck würde es widersprechen, die Zinsen an einen jährlich schwankenden Zinssatz zu koppeln. Vielmehr wird der Zinssatz seiner Funktion, den Abgabenschuldner zur Zahlung der Milchabgabe zu veranlassen, nur dann gerecht, wenn er mit dem Zinssatz der am Tag der ersten Säumnis des Abgabenschuldners angewandt wird. Von diesem Tag an nimmt sich nämlich der Abgabenschuldner allein durch die Nichtzahlung einen Kredit zu Lasten des jeweiligen Mitgliedstaats in Höhe der noch ausstehenden Abgabe.
47Hätte der Abgabenschuldner zur Zahlung der Abgabe einen seinen Verhältnissen entsprechenden Kredit aufgenommen, hätte er im Regelfall gleichfalls einen von vornherein festgelegten Zins zu zahlen und nicht auf dessen jährliche Anpassung bestehen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Abgabenforderung wie im Streitfall verglichen mit den erbrachten und zugesagten Tilgungsleistungen hoch ist und auf eine jahrelange Ratenstundung hinausläuft.
48Der Zinsbescheid ist allerdings aufzuheben, soweit er bei den Zahlungen der Klägerin nicht von den tatsächlichen Zahlungseingängen, wie sie sich aus der in der Anlage zum Schreiben des Beklagten vom 01.08.2016 übersandten Aufstellung ergaben, sondern von den jeweils zum 21. eines Monats zu leisteten Zahlungen der Raten ausgeht.
49Weiter ist der Zinsbescheid aufzuheben, soweit er sich auf Zinsen erstreckt, die in dem für die hier zu beurteilende Anfechtungsklage maßgebenden Zeitpunkt, dem der mündlichen Verhandlung (s. BFH Urteil vom 16.04.2013 VII R 44/12, BFHE 241, 291 m.w.N.) noch nicht entstanden waren.
50Entgegen der Auffassung des Beklagten rechtfertigen die Verjährungsvorschriften der §§ 239 Abs. 1 Satz 1, 169 Abs. 2 AO keine Zinsfestsetzung im Vorgriff auf möglicherweise erst künftig entstehende Zinsen. Auf die Zinsen nach Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 sind nämlich nicht die §§ 233 ff. AO anzuwenden, sondern nur § 240 AO. Da einzige Voraussetzung für die Entstehung des in Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 genannten Zinsanspruchs nur die Nichteinhaltung der Zahlungsfrist ist, regelt die Vorschrift eine den Säumniszuschlägen entsprechende Abgabe, so dass deren Regelungen in der AO zu übernehmen sind, soweit sie nicht durch Art. 15 Abs. 2 VO 595/2004 hinsichtlich der Zinshöhe und seiner Berechnung überlagert werden.
51Die vom Beklagten bestimmten Fälligkeitstermine lassen eine Rechtsverletzung der Klägerin nicht erkennen.
52Im Einzelnen ergibt sich nach den dargestellten Maßstäben Grundsätzen folgende Zinsberechnung:
53()
54Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nicht von einem Zinsschaden der Europäischen Union anhängt.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, die Nichtzulassung der Revision aus § 115 Abs. 2 FGO.
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