Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 13 K 2502/14 E,G,U,F
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 betrifft.
Die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2006 bis 2008 und 2010 vom 6.2.2014 (Einkommensteuer) und vom 19.2.2014 (Gewerbesteuermessbetrag) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.7.2014 werden dahingehend abgeändert, dass der bei der Einkommensteuer und beim Gewerbesteuermessbetrag angesetzte Gewinn des Klägers für 2006 um 4.996,51 €, für 2007 um 3.320,19 €, für 2008 um 7.359,03 € und für 2010 um 7.051,00 € gemindert wird.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2008 und 2010 vom 6.2.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.7.2014 werden dahingehend abgeändert, dass die vom FA festgesetzte Umsatzsteuer für 2006 um 326,87 €, für 2007 um 217,21 €, für 2008 um 481,43 € und für 2010 um 461,28 € herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuer und der Steuermessbeträge wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 83% und der Beklagte zu 17%.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Taxiunternehmer mit einer Taxikonzession. Das Taxi des Klägers wurde in den Streitjahren 2006 bis 2010 im Zweischichtenbetrieb eingesetzt. Die vom Kläger beschäftigten zwei Fahrer fuhren jeweils zwei Mal wöchentlich eine Schicht. In den Streitjahren setzte der Kläger nacheinander zwei Taxis ein. Bei dem ersten Taxi, das bis Mai 2010 genutzt wurde, handelte es sich um einen Pkw des Typs Mercedes-Benz E 200 CDI Classic mit dem Kennzeichen X. Dieser Pkw wurde erstmals am 7.5.2001 zugelassen und seitdem – bis zum Verkauf am 21.5.2010 – ununterbrochen als Taxi genutzt. Im Mai 2010 wurde dem Kläger ein neues Taxi des Typs Mercedes-Benz E 200 CDI Blue Efficiency ausgeliefert. Das Kennzeichen dieses Pkw lautete Y. Laut TÜV-Bericht vom 3.5.2011 waren zu diesem Zeitpunkt mit dem Pkw 91.656 km zurückgelegt worden.
3Neben dem Taxi war auf den Kläger ein weiteres Fahrzeug des Typs VW Passat mit dem Kennzeichen Z zugelassen, das Privatvermögen des Klägers bildete.
4In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 2006 bis 2010 (ab 2010 wurde der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau A veranlagt, die er in 2010 geheiratet hatte) legte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) entsprechend der eingereichten Erklärungen folgende durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Gewinne für den Taxibetrieb des Klägers zugrunde:
52006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Gewinn in € |
16.702 |
13.325 |
15.303 |
20.313 |
20.852 |
Datum ESt-Bescheid |
7.8.2008 |
13.2.2009 |
13.8.2009 |
11.8.2009 |
21.6.2011 |
Am 9.5.2012 erließ das FA eine Prüfungsanordnung betreffend eine Betriebsprüfung (BP) des Taxiunternehmens für die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010. Die BP begann am 9.7.2012. Im Rahmen der BP stellte der Prüfer fest, dass die vom Kläger vorgelegten Einnahmebelege keine Angaben zu den Kilometerständen zu Schichtbeginn und zu Schichtende beinhalteten. Des Weiteren stellte der Prüfer fest, dass sich nach den Angaben des Klägers ein sehr hoher Anteil privater Fahrten von ca. 45% der Gesamtfahrleistung (durchschnittlich 34.000 km im Jahr) ergab.
7Daraufhin leitete das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D am 17.8.2012 gem. § 397 der Abgabenordnung (AO) ein Strafverfahren gegen den Kläger mit der Begründung ein, dass der Verdacht bestehe, dass dieser in den Jahren 2009 bis 2011 durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuererklärungen für 2008 bis 2010 die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer verkürzt habe.
8In der Folgezeit überprüfte der Prüfer auch den vor dem Prüfungszeitraum (PZ) liegenden Veranlagungszeitraum 2007 und kam zu dem Ergebnis, dass auch insoweit Diskrepanzen dergestalt bestünden, dass eine Differenz zwischen der Laufleistung lt. TÜV-Bericht und lt. Taxibetrieb bestehe, dass der Durchschnittsverbrauch vergleichsweise gering und dass nur ein geringer Bruttoerlös pro Kilometer erzielt worden sei. Mit Prüfungsanordnung vom 31.10.2012 erweiterte er daher den PZ auf den Veranlagungszeitraum 2007. Kurze Zeit darauf – am 10.12.2012 – wurde auch das Strafverfahren auf diesen Zeitraum erweitert.
9Im Januar 2013 führte der Kläger das seit Mai 2010 von ihm genutzte Taxi mit dem Kennzeichen Y beim FA vor. Der Taxameter des Taxis wies eine Gesamtkilometerleistung von 234.873 km auf, wovon 115.293 km - also ca. 49,08% - auf die Besetztkilometer entfielen.
10Der Prüfer schloss hieraus, dass bei einer Besetztquote von ca. 50% eine Laufleistung von 230.686 km auf die betriebliche Nutzung hätte entfallen müssen, so dass die vom Kläger behauptete umfangreiche private Nutzung nicht möglich gewesen sein könne. Zudem errechnete der Prüfer, dass sich bei einer betrieblichen Fahrleistung von 230.586 km ein Bruttoerlös von nur 0,59 € je km ergebe, was seines Erachtens als sehr gering anzusehen war.
11Der Kläger äußerte hierzu in einer E-Mail vom 22.1.2013, dass auch bei privaten Beförderungen der Taxameter einzuschalten sei, so dass – entgegen der Auffassung des FA – keinerlei Widersprüchlichkeit bestünde.
12Der Prüfer bat den Kläger daraufhin – ebenfalls per E-Mail – um genaue Darlegung, wie sich die technische Handhabung vollziehe, denn es bestehe ein Unterschied zwischen der Einschaltung des Taxameters und der Einschaltung des Fahrpreisanzeigers. So schalte ein Fahrer morgens bei Schichtbeginn den Taxameter ein und melde sich an. Daran anschließend schalte er zu Beginn einer jeden Beförderung den Fahrpreisanzeiger ein.
13Darauf antwortete der Kläger am 29.1. und am 30.1.2013, dass sich sein Taxameter mit der Zündung des Pkw automatisch einschalte. Ein Anmelden gebe es bei dem von ihm genutzten Gerät nicht. Es gebe in seinem Fall auch keinen Unterschied zwischen Taxameter und Fahrpreisanzeiger. Sobald nicht nur der Fahrer alleine im Fahrzeug sitze, werde der Fahrpreisanzeiger eingeschaltet und zeichne die Besetztkilometer auf. Darüber hinaus werde der Fahrpreisanzeiger auch schon mal eingeschaltet, wenn man nach außen hin nicht vom Dachzeichen als frei angezeigt werden möchte. Fahre er z.B. seine Ehefrau zur Arbeit, schalte er seinen Taxameter auf „besetzt“. Die Rückfahrt mache er dann „frei“, ohne dass der Fahrpreiszähler eingeschaltet sei. Ebenso wie das Vorgängerfahrzeug verfüge das Taxi allerdings nicht über Sitzkontakte. Der Pkw werde von seiner Frau, seinem Vater und seiner Mutter privat genutzt. Darüber hinaus auch noch von Verwandten, Freunden und Bekannten. Den genauen Umfang könne er leider nicht mehr bestimmen.
14Am 1.2.2013 bat der Prüfer den Kläger um Mitteilung, ob es sich bei den von ihm in den Einnahmebelegen getätigten Angaben zu den gefahrenen Kilometern und zu den Besetztkilometern und der hieraus errechneten Besetztquote um eine um die Privatfahrten „bereinigte“ Quote handle. Der Kläger antwortete darauf, dass auf den Schichtzetteln nur betriebliche Fahrten verzeichnet seien.
15Ausgehend hiervon nahm der Prüfer eine Verprobung für das in 2010 genutzte Fahrzeug vor. Mit dem im Mai 2010 neu angeschafften Taxi habe der Kläger 31.677 Taxikilometer bei einer Besetztquote von 48,7% und einer Privatnutzungsquote von 44% zurückgelegt. Hochgerechnet hätte sich daraus – so der Prüfer – ein Stand des Taxameters bei Ablesung am 8.1.2013 von 234.873 Gesamtkilometern bei 64.054 Besetztkilometern und einer Besetztquote von 27,27% ergeben müssen. Tatsächlich habe der Taxameter aber 115.293 Besetztkilometer und eine Besetztquote von 49,09% ausgewiesen. Der Besetztkilometerstand sei daher verglichen mit der Ablesung um 51.238 km geringer als erwartet. Zudem würden die Zahlen keinerlei Spielraum für eine private Nutzung lassen.
16Am 5.2.2013 teilte der Kläger dem Prüfer per E-Mail mit, dass sich in Bezug auf die „Besetztkilometer“ eine „einfache“ private Beförderung in keiner Weise von einer gewerblichen Beförderung unterscheide. Den privat unternommenen Alleinfahrten stünden solche gegenüber, bei denen der oder die Beifahrer auf Hin- und Rückweg mitgefahren seien. Insgesamt sei zu erwarten, dass sich die Besetztquote im Privatbereich bei 50% einpendle. Genau dies sei im Streitfall geschehen. Zudem sei anzumerken, dass die Ablesung des Taxameters zwei Jahre nach dem Ende des PZ nur sehr ungenau auf die sieben Monate im Jahr 2010 schließen lasse.
17Mit Schreiben vom 5.2.2013 forderte der Prüfer – nach einer erneuten Verprobung, auf die wegen ihres Inhalts Bezug genommen wird – den Kläger auf, glaubhaft zu machen, dass er im Jahr 2010 11.570 km private Fahrten als Besetztfahrten erfasst und darauf zehn Touren und 55 km täglich verwendet habe. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.
18Mit Prüfungsanordnung vom 20.3.2013 erweiterte das FA sodann den PZ gem. § 4 Abs. 3 der Betriebsprüfungsordnung auf die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006, da der Verdacht einer Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit bestehe.
19Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23.7.2013, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurückwies. Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG Düsseldorf mit Urteil vom 21.4.2015 13 K 2865/13 AO als unbegründet ab.
20Die Gesamtübersicht der vom Prüfer für die Streitjahre 2006 bis 2010 ermittelten Feststellungen zu den vom Kläger als Taxi genutzten Fahrzeugen stellte sich wie folgt dar:
212006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Km laut Einnahmebelegen |
34.648 |
38.217 |
38.067 |
35.521 |
49.197 |
Km lt. TÜV |
64.060 |
71.799 |
74.065 |
74.487 |
87.054 |
Differenz (privat) |
29.412 |
33.582 |
36.349 |
26.458 |
39.110 |
Nutzung privat in % |
46 |
47 |
49 |
43 |
44 |
Dieselmenge in l |
4.761 |
5.695 |
5.581 |
4.648 |
6.622 |
Durchschnittsverbrauch |
7,4 |
7,9 |
7,5 |
6,2 |
7,6 |
Verbleibende Dieselmenge für Privatnutzung |
1.296 |
1.873 |
1.774 |
1.096 |
1.704 |
Dieselverbrauch auf 100 km für Privatfahrten |
3,9 |
5,7 |
4,9 |
4,1 |
4,4 |
Tägliche Strecke privat |
81 |
92 |
100 |
72 |
107 |
Bruttoumsatz lt. Erklärung |
38.743 |
38.013 |
44.126 |
41.003 |
53.088 |
Bruttoumsatz pro gefahrene Km lt. Aufzeichnung |
1,12 € |
0,99 € |
1,16 € |
1,15 € |
1,08 € |
Besetztquote |
52 |
48 |
51 |
51 |
49 |
Anzahl der Betankungen |
124 |
147 |
151 |
117 |
132 |
Im BP-Bericht für 2002 bis 2010 vom 13.12.2013, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, kam das FA zusammengefasst zu folgenden Feststellungen:
23- 24
Betriebseinnahmen seien auch bei der Einnahmenüberschussrechnung einzeln aufzuzeichnen. Im Bereich des Taxigewerbes würden insoweit allerdings die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Tachometer und auf dem Taxameter ablesen lassen würden, ausreichen. Der Kläger habe keine ordnungsgemäßen Schichtzettel erstellt. Er habe Angaben zum Fahrer, zum Datum der Schicht, zu den Total- und Besetztkilometern, zu den gefahrenen Touren, zu den Fahrpreisen und den Gesamteinnahmen gemacht. Keine Angaben habe er dagegen zum Schichtbeginn/-ende, zu den Tachoständen, zu den Fahrten ohne Uhr, zu den Lohnabzügen, zu den verbleibenden Resteinnahmen und zu den an den Unternehmer abgelieferten Beträgen gemacht. Dies stelle einen schwerwiegenden Mangel dar, der Anlass dazu gebe, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Frage zu stellen. Im Streitfall sei daher eine Schätzung geboten. Dies gelte umso mehr, als der Kläger seine Kassenaufzeichnungen auch – in unzulässiger Weise – mit dem Programm „Excel“ führe.
- 25
Das FA folge dem Kläger zwar darin, dass eine Privatnutzung stattgefunden habe. Der Umfang der vom Kläger behaupteten Privatnutzung könne aber nicht zutreffend sein. Das FA gehe daher davon aus, dass die Fahrtkilometer, auf denen die Fahrzeuge nicht zur Erwirtschaftung von Erlösen verwendet würden, mit jährlich 7.000 km zu schätzen seien. Auch die Angaben zum Kraftstoffaufwand würden als nicht zutreffend angesehen, so dass zusätzlich anfallende Dieselkosten zu schätzen seien.
- 26
Es sei daher von folgenden Schätzungsgrundlagen auszugehen:
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Schätzung Einnahmen |
|||||
Differenzkilometer |
29.412 |
33.582 |
36.349 |
26.458 |
39.110 |
Km ohne Erlöse geschätzt |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
Verbleiben |
22.412 |
26.582 |
29.348 |
19.457 |
32.109 |
Bruttoerlös pro km in € |
1,06 |
1,06 |
1,06 |
1,06 |
1,06 |
Gewinn mehr in € |
23.756,72 |
28.176,92 |
31.109,80 |
22.376,16 |
36.926,12 |
Umsatz mehr in € |
22.202,54 |
26.333,57 |
29.074,58 |
20.912,30 |
34.510,39 |
USt mehr in € |
1.554,18 |
1.843,35 |
2.035,22 |
1.463,86 |
2.415,73 |
Schätzung Ausgaben |
|||||
Benötigte Dieselmenge bei 10l/100 km in l |
6.406 |
7.180 |
7.407 |
7.449 |
8.705 |
Differenz zu Belegen |
1.645 |
1.485 |
1.825 |
2.800 |
2.083 |
Preis pro l im Schnitt in € |
1,10 |
1,16 |
1,32 |
1,07 |
1,21 |
Mehraufwand in € |
1.809,27 |
1.722,48 |
2.409,41 |
2.996,33 |
2.520,61 |
Mehrgewinn lt. Prüfung |
21.947,45 |
26.454,44 |
28.700,39 |
19.379,83 |
34.405,51 |
Ansatz im Bescheid |
|||||
Gewinn vor Prüfung |
16.702 |
13.325 |
15.503 |
20.313 |
20.852 |
Zzgl. Gewinnänderung |
21.947 |
26.454 |
28.700 |
19.379 |
34.404 |
Gewinn nach Prüfung |
38.649 |
39.779 |
44.003 |
39.692 |
55.256 |
Im Anschluss an die BP ergingen am 19.2.2014 geänderte Gewerbesteuermessbescheide und am 6.2.2014 geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 bis 2010. Darüber hinaus erließ das FA am 6.2.2014 einen Bescheid betreffend die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006.
29Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einsprüche ein, die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8.7.2014, auf die wegen ihres Inhalts Bezug genommen wird, als unbegründet zurückwies.
30Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor: Die Schätzung des FA sei dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Er habe mit Hilfe seiner „Einnahmenbelege“ den Anforderungen eines Schichtzettels hinreichend Rechnung getragen. Die Einnahmen in den jeweiligen Schichten seien fortlaufend und über jede Fahrt in einer Schicht erfasst und vorgelegt worden. Die Aufzeichnungen hielten dem Vergleich einer „Kassensturzfähigkeit“ stand. Auch die Mindestanforderungen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien mit der Angabe des Fahrers, des Datums der Schicht, der Total- und Besetztkilometer, der gefahrenen Touren, der Fahrpreise und der Gesamteinnahmen erfüllt. Fahrten ohne Uhr seien nicht Bestandteil der Tätigkeit des Taxiunternehmens des Klägers gewesen, so dass das Fehlen dieser Angabe nicht beanstandet werden könne. Die Verbindung mit dem Kilometerzähler habe der Kläger durch seine fortlaufenden Kontrollen beim TÜV erbracht. Die Angaben aus dem Taxameter ließen sich für 2006 bis 2010 nicht mehr nachvollziehen, da der Taxameter mit dem Verkauf des Taxis im Jahr 2010 auf null gesetzt worden sei.
31Soweit das FA weitere Angaben auf den Schichtzetteln verlange, verkenne es, dass der BFH diese Merkmale lediglich im Tatbestand seines Urteils vom 25.2.2004 XI R 25/02 (Sammlung der Entscheidungen des BFH --BFHE-- 205, 249, Bundessteuerblatt --BStBl-- 2004, 599) nenne. Eine Wertung, ob es sich um Muss-Inhalte handle, sei dem Urteil daher nicht zu entnehmen. Dafür, dass es sich nicht um Muss-Inhalte handle, spreche das BMF-Schreiben vom 26.11.2010 (BStBl 2010, 1342). Darin sei ausgeführt, dass Schichtzettel die betreffenden Merkmale enthalten „können“.
32Auch die hohen Differenzen zwischen den TÜV-Kilometern und den vom Kläger aufgezeichneten Taxi-Kilometern könne nicht als Schätzungsgrundlage herangezogen werden. Bereits während der Prüfung habe der Kläger die Differenz mit dem hohen Anteil an Privatfahrten begründet. Die Mutter des Klägers lebe als Rentnerin alleine in B und werde nahezu täglich vom Kläger besucht. Der Kläger habe nach wie vor seinen Lebensmittelpunkt in B. Seit 2007 lebe die Schwester des Klägers nicht mehr, weshalb der Kläger seiner Mutter besonders verpflichtet sei. Darüber hinaus übernehme der Kläger regelmäßig Fahrten für seine Frau, wie etwa Fahrten zur Arbeitsstätte in C und zurück. Weitere privat veranlasste Fahrten seien durch den Vater bedingt. Im Übrigen erledige der Kläger alle haushaltsbedingten Fahrten. Die Familie habe einen engen Zusammenhalt, weswegen er großzügig seine Hilfe, etwa im Bereich der Beförderung von Personen, anbiete. In den Jahren 2006 und 2007 habe sich weiterer Fahrtbedarf ergeben, da der Kläger seine schwerkranke Schwester in B habe besuchen müssen. Privatfahrten von täglich 90 km bzw. 33.000 km im Jahr seien bei hinreichender Sachverhaltsprüfung plausibel nachzuvollziehen und könnten nicht einfach vom Prüfer nur in Zweifel gezogen werden.
33Dem hohen Anteil an Privatfahrten könne nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger mit dem Passat über einen Zweitwagen verfügt habe. Dieser werde ausschließlich für Urlaubs-, Wochenendfamilienfahrten und Transportfahrten benutzt. Der Pkw habe zum 1.2.2011 einen Kilometerstand von 81.086 km verzeichnet. In den Streitjahren sei dieser Pkw nicht wie vom Prüfer berechnet für Fahrten von 8.100 km Wegstrecke, sondern nur für Fahrten mit einer Wegstrecke von 3.000 km/Jahr gefahren worden. Besonders in 2004 und 2005 habe der Wagen hohe Kilometerzahlen zurückgelegt, da der Kläger ihn aufgrund der Umbaumaßnahme im eigenen Haus angeschafft habe, um Baumaterial und Gegenstände zu transportieren. Mittlerweile werde er nur noch für Wochenendfahrten genutzt. Dass die durchschnittliche betriebliche Fahrleistung des Taxis des Klägers plausibel sei, ergebe sich auch durch einen Vergleich mit der durchschnittlichen betrieblichen Fahrleistung laut dem Gutachten von ().
34Im Übrigen seien die der Schätzung des FA zugrunde gelegten Parameter in Zweifel zu ziehen. Die Kraftstoffmenge sei beispielsweise zu hoch angesetzt. Ein Verbrauch von 10l/100 km im innerstädtischen Verkehr sei fern der Realität. Es sei von einem Verbrauch von ca. 8 l /100 km auszugehen. Des Weiteren sei die Hinzuziehung des Taxameters als Prüfungsparameter fraglich, da das entscheidende Fahrzeug im Zeitraum der Prüfung bereits verkauft worden sei.
35Schließlich habe das FA auch keine Änderungsbescheide auf der Grundlage des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erlassen dürfen. Eine Änderung hiernach setze das Vorliegen einer neuen Tatsache voraus. Tatsachen in diesem Sinne seien von bloßen Schlussfolgerungen und Bewertungen abzugrenzen. Bei der Beurteilung des Prüfers, dass die vom Kläger erstellten Einnahmebelege keine ordnungsgemäßen Schichtzettel seien, handele es sich um eine bloße Schlussfolgerung. Auch die vom Kläger angesetzten Kilometerangaben hinsichtlich der Privatfahrten würden keine Tatsache bilden, da der Prüfer sie ohne konkrete Anhaltspunkte ins Blaue hinein geschätzt habe.
36Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 19.4.2016 ist der Kläger zu den in den Streitjahren unternommenen Privatfahrten befragt worden. Der Kläger hat diesbezüglich ausgeführt, dass die im Rahmen der BP durch seinen Steuerberater erstellte Aufstellung seiner Privatfahrten nicht mit ihm abgestimmt gewesen sei. Es seien lediglich Rahmendaten besprochen worden. Konkrete Angaben zu den Fahrtstrecken nach B oder C habe er gegenüber seinem Steuerberater nicht gemacht. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen.
37Der Kläger beantragt,
38die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 und die Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2010 vom 06.02.2014 sowie die Gewerbesteuermessbescheide für 2006 bis 2010 vom 19.02.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2014 aufzuheben,
39hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
40Das FA beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Soweit der Kläger vortrage, seine Aufzeichnungen der Betriebseinnahmen der Streitjahre seien ordnungsgemäß gewesen, treffe dies nicht zu. Die vom Kläger erstellten „Einnahmenbelege“ hätten nicht die Voraussetzungen erfüllt, die an Schichtzettel zu stellen gewesen seien. Es hätten Angaben zum Schichtbeginn, zum Schichtende, zu den Tachoständen, zu den Fahrten ohne Uhr, zu den Lohnabzügen, den verbleibenden Resteinnahmen und den an den Unternehmer abgelieferten Beträgen gefehlt. Hierbei handele es sich um „Muss-Inhalte“. Insbesondere habe der Kläger den Tachostand nicht in seinen „Einnahmebelegen“ aufgeführt. Eine Verbindung des Kilometerstandes laut Aufzeichnungen zu den Angaben laut TÜV lasse sich daher gerade nicht herstellen.
43Angesichts des darin liegenden schweren Verstoßes gegen die Aufzeichnungspflichten habe die sachliche Richtigkeit der Buchführung nicht vermutet werden können. Der Prüfer sei zu einer Schätzung befugt gewesen.
44Hinzu komme, dass der Kläger seine Behauptung, dass die Differenzkilometer auf Privatfahrten entfallen würden, nicht nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht habe. Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertige die Anwendung der 1%-Regelung nicht die Annahme, dass tatsächlich ein privater Nutzungsanteil von bis zu 49% vorgelegen habe.
45Die Annahme eines Verbrauchs von 10 l Diesel auf 100 km Fahrtstrecke im innerstädtischen Verkehr entspreche den Erfahrungswerten und sei im Taxigewerbe durchaus üblich.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
48Die Einkommensteuerbescheide für 2006 bis 2010 vom 6.2.2014, die Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2010 vom 6.2.2014 und die Gewerbesteuermessbescheide für 2006 bis 2010 vom 19.2.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4.7.2014 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, als der vom FA bei der Einkommensteuer und beim Gewerbesteuermessbetrag angesetzte Gewinn für 2006 um 4.996,51 €, für 2007 um 3.320,19 €, für 2008 um 7.359,03 € und für 2010 um 7.051,00 € und die vom FA festgesetzte Umsatzsteuer für 2006 um 326,87 €, für 2007 um 217,21 €, für 2008 um 481,43 € und für 2010 um 461,28 € zu mindern ist. Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Das FA ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seine im Rahmen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bestehenden Aufzeichnungspflichten verletzt hat und dass aufgrund der Feststellungen im Betrieb des Klägers eine Ermittlung des Gewinns und Umsatzes im Rahmen einer Schätzung gem. § 162 AO geboten war (vgl. I.). Entgegen der Auffassung des Klägers durfte die Änderung der Bescheide, die nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen (vgl. II.).
49I. Die Voraussetzungen einer Schätzung gem. § 162 AO liegen im Streitfall vor, denn die Aufzeichnungen des Klägers können der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.
501. Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gem. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.
512. Im Streitfall folgt die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach daraus, dass der Kläger keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über seine Betriebseinnahmen geführt hat.
52a) Der Kläger war im Rahmen der von ihm zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung ergibt sich für Unternehmen aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen "nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" i.S. des § 140 AO. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.2.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 m.w.N.).
53b) Aus dem Zusammenspiel der §§ 22 UStG, 63 UStDV und 145, 146 AO hat die finanzgerichtliche Rechtsprechung den Grundsatz abgeleitet, dass sich die aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG auswirkt und daher jede Betriebseinnahme grds. einzeln aufzuzeichnen ist. Dies gilt auch für Bareinnahmen. Einzelaufzeichnung in diesem Sinne bedeutet, dass nicht nur die Höhe der Gegenleistung, sondern auch der Gegenstand des Geschäfts sowie der Name und die Anschrift des Kunden bezeichnet werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).
54c) Diese Grundsätze gelten regelmäßig auch für Taxiunternehmen. Für eine Entbindung von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung von Bareinnahmen aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität, wie sie etwa bei Einzelhandelsunternehmen anerkannt wird, hat der BFH ausdrücklich keine Veranlassung gesehen (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 m.w.N).
55d) Aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes erkennt die Rechtsprechung allerdings dann eine Ausnahme von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Betriebseinnahmen an, wenn die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, vorhanden sind und nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahrt werden (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599; BFH-Beschluss vom 18.3.2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978). Dabei verkennt die Rechtsprechung auch nicht, dass ein Taxiunternehmer nicht dazu verpflichtet ist, seine Kilometerleistung oder seine Arbeitszeiten in Form von Schichtzetteln zu dokumentieren (so ausdrücklich der BFH in seinem Beschluss vom 18.3.2015 III B 43/14, BFH/NV 2015, 978 unter Bezugnahme auf das auch vom Kläger angeführte Schreiben der OFD Karlsruhe an den Taxiverband Deutschland e.V.). Es handelt sich lediglich um eine ersatzweise akzeptierte Form von Aufzeichnungen, die - soweit sie ordnungsgemäß geführt sind - an die Stelle der Einzelaufzeichnungen von Betriebseinnahmen treten können.
56e) Die vom Kläger geführten Aufzeichnungen erfüllen die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen nicht. Der Kläger hat keine Einzelaufzeichnungen seiner Einnahmen gefertigt, sondern lediglich sog. Einnahmebelege erstellt, die von ihm als Schichtzettel bezeichnet werden. Auf der Vorderseite der vorgedruckten Einnahmebelege finden sich Angaben zum Datum, zum Namen des jeweiligen Fahrers und zur Summe aller von dem betreffenden Fahrer vereinnahmten Fahrpreise und Trinkgelder, und zwar getrennt nach 7%-iger und 16%-iger Umsatzsteuer. Auf der Rückseite sind handschriftlich mehrere Zahlen notiert. Weitere Erläuterungen finden sich dort nicht. Nach den Angaben des Klägers handelt es sich bei den notierten Zahlen um folgende Angaben: Gesamtkilometer, Besetztkilometer, Anzahl der Touren sowie die Summe der vereinnahmten Fahrpreise, ggf. zuzüglich gezahlter Trinkgelder und abzgl. der Kosten einer Betankung des Fahrzeugs. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Form der Aufzeichnung dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit entspricht. Die fehlende Ordnungsmäßigkeit ergibt sich jedenfalls daraus, dass sich den Aufzeichnungen des Klägers insbesondere nicht die Kilometerstände laut Kilometerzähler zu Beginn und am Ende der jeweiligen Schicht entnehmen lassen. Nach der Auffassung des Senats ist die Angabe der Kilometerstände schon deshalb unentbehrlich, weil sie ein wesentliches Element für eine Überprüfung der Angaben auf ihre Plausibilität hin bildet.
57f) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sich erst in der jüngeren finanzgerichtlichen Rechtsprechung herauskristallisiert habe, dass diese Angaben erforderlich seien. In dem BFH-Urteil vom 26.2.2004 XI R 25/02 (BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599) wird im zweiten Absatz des Urteilstatbestandes ausgeführt (Rn. 6 in der in juris abrufbaren Fassung), dass bei einer Außenprüfung das Fehlen sog. Schichtzettel festgestellt worden sei. Nachfolgend heißt es, dass Schichtzettel Angaben bzgl. der Total- und Besetztkilometer, der Touren, der Fahrten ohne Uhr, des Tachostandes etc. beinhalten. Schon aus diesem Zusammenhang ist zu entnehmen, dass es sich um eine Aufzählung dessen handelt, was zur Erfüllung der Aufzeichnungspflicht bei dieser Form der Aufzeichnung erforderlich ist. Dass gerade die hier aufgeführten Angaben unverzichtbar sind, ergibt sich aber - entgegen der Auffassung des Klägers - auch ausdrücklich aus den Entscheidungsgründen, in denen der BFH ausführt, dass den Mindestanforderungen an die Einzelaufzeichnungspflicht im Bereich des Taxigewerbes durch die „Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen“, genügt wird (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599). Schon vor Beginn des ersten Streitjahres musste daher bekannt sein, dass dann, wenn keine Einzelaufzeichnung jeder Bareinnahme erfolgt, zusammen mit den Aufzeichnungen zur jeweiligen Schicht zumindest auch die Angaben des Kilometerzählers und des Taxameters festgehalten werden müssen.
583. Was die Höhe der Schätzung angeht, macht das FG von der ihm zustehenden Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 AO Gebrauch. Das FG folgt dabei der Auffassung des FA, dass auf Grund des Fehlens ordnungsgemäßer Aufzeichnungen den vorgelegten Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG keine Aussagekraft und kein Wert beigemessen werden kann, mit der Folge, dass eine Vollschätzung der Einnahmen und des Umsatzes sowie eine Teilhinzuschätzung von Betriebsausgaben erforderlich ist.
59a) Der Senat legt seiner Schätzung des Gewinns und des Umsatzes folgende Berechnungsgrundlagen zugrunde, die dem Kläger bereits mit Schriftsatz vom 20.4.2016 übermittelt worden sind:
602006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
I. Fahrleistung: |
|||||
Ermittelte Fahrleistung lt. TÜV-Berichten |
64.060 |
71.799 |
74.065 |
74.487 |
87.054 |
Abzgl. Fahrten zur Tankstelle//TÜV/Standort in km |
1.000 |
1.000 |
1.000 |
1.000 |
1.000 |
Privatfahrten geschätzt in km |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
7.000 |
Bereinigte Fahrleistung in km |
56.060 |
63.799 |
66.065 |
66.487 |
79.054 |
Besetztfahrten in % lt. Auslesung am 08.01.2013 |
49% |
49% |
49% |
49% |
49% |
Besetztfahrten in km |
27.469 |
31.262 |
32.372 |
32.579 |
38.736 |
II. Kalkulation: |
|||||
Fahrlänge je Besetztfahrt in km lt. Auslesung |
5,62 |
5,62 |
5,62 |
5,62 |
5,62 |
Anzahl der durchgeführten Besetztfahrten |
4.888 |
5.563 |
5.760 |
5.797 |
6.893 |
Grundgebühr je Besetztfahrt (ab 25.11.2008 inkl. 2 km) |
2,40 |
2,40 |
2,40 |
5,50 |
5,50 |
Einnahmen Grundgebühr |
11.730,70 |
13.350,11 |
13.824,28 |
31.883,00 |
37.909,35 |
Bruttoentgelt je Zielfahrtbesetztkilometer (ab 25.11.2008 ab dem 3 km) |
1,46 |
1,46 |
1,46 |
1,70 |
1,70 |
Einnahmen Fahrgeld |
40.105,32 |
45.641,80 |
47.262,90 |
35.674,18 |
42.417,11 |
(in 2009 und 2010 inkl. Abzug von 2 km je Besetztfahrt) |
|||||
Wartezeitgebühr i. H. v. 12 % bzw. 7 %, d. h. durchschnittlich ca. 10 %, der Summe aus Grundgebühr und Bruttoentgelt je Zielfahrtbesetztkilometer |
6.220,32 |
7.079,03 |
7.330,46 |
2.889,64 |
3.435,83 |
(in 2009 und 2010 inkl. Abzug von 0,90 € je Besetztfahrt) |
|||||
Einnahmen Grundgebühr |
11.730,70 |
13.350,11 |
13.824,28 |
31.883,00 |
37.909,35 |
Einnahme Wartezeit |
6.220,32 |
7.079,03 |
7.330,46 |
2.889,64 |
3.435,83 |
Einnahme Fahrtgeld |
40.105,32 |
45.641,80 |
47.262,90 |
35.674,18 |
42.417,11 |
Gesamteinnahme (brutto) |
58.056,35 |
66.070,95 |
68.417,64 |
70.446,82 |
83.762,29 |
Bruttoeinnahme je km der bereinigten Fahrleistung |
1,04 |
1,04 |
1,04 |
1,06 |
1,06 |
Umsatzsteuer i. H. v. 7 % |
3.798,08 |
4.322,40 |
4.475,92 |
4.608,67 |
5.479,78 |
Nettoumsatz lt. Kalkulation |
54.258,27 |
61.748,55 |
63.941,72 |
65.838,15 |
78.282,51 |
Nettoumsatz lt. G&V des Klägers |
36.725,37 |
38.517,96 |
41.744,74 |
38.825,75 |
50.361,84 |
Kalkulationsdifferenz (netto) lt. FG |
17.532,90 |
23.230,59 |
22.196,98 |
27.012,40 |
27.920,67 |
Streitige Kalkulationsdifferenz (netto) lt. Bekl. |
22.202,54 |
26.333,57 |
29.074,58 |
20.912,30 |
34.510,39 |
Differenz (netto) |
4.669,64 |
3.102,98 |
6.877,60 |
-6.100,10 |
6.589,72 |
Minderung der Umsatzsteuer lt. FG |
326,87 |
217,21 |
481,43 |
461,28 |
|
Gewinnminderung lt. FG |
4.996,51 |
3.320,19 |
7.359,03 |
7.051,00 |
|
Gewinn lt. Bekl. Bisher |
38.648,23 |
39.779,00 |
44.004,15 |
39.692,42 |
55.256,30 |
Gewinn lt. FG |
33.651,72 |
36.458,80 |
36.645,12 |
39.692,42 |
48.205,29 |
Die in der vorstehenden Berechnung im jeweiligen Streitjahr zugrunde gelegte Gesamtfahrleistung hat der Senat entsprechend der Kilometerstände in den vorgelegten TÜV-Berichten geschätzt. Die durch Abzug von 7.000 km Privatfahrten und 1.000 km sonstige Fahrten ohne Uhr bereinigte Fahrleistung hat der Senat mit der Besetztquote von 49% multipliziert, um die Besetztfahrten zu ermitteln. Diese Besetztquote wurde zwar bei einer Auslesung des Taxameters am 8.1.2013 und damit zu einem Zeitpunkt nach den Streitjahren ermittelt. Sie kann aber für sämtliche Streitjahre als repräsentativ angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst im Rahmen seines E-Mail-Verkehrs mit dem FA auf die Frage des Prüfers, ob die beispielhaften Besonderheiten in seinem privaten Umfeld nicht nur in den Streitjahren 2007 bis 2010, sondern auch in den Jahren 2002 bis 2006 vorgelegen hätten, geantwortet hat, dass auch in diesem Zeitraum private Personenbeförderungen als Besetztfahrten erfasst worden seien. Auf die ermittelten Besetztfahrten wurden die in dem jeweiligen Streitjahr geltenden Taxitarife der Stadt D angewendet. Auf Ausgabenseite wurde an das vom FA ermittelte Ergebnis einschließlich der geschätzten zusätzlichen Ausgaben für Kraftstoff angeknüpft. Nach Maßgabe der hier vorgenommenen Schätzung würde sich für 2008 ein höherer Gewinn und ein höherer Umsatz als vom FA angenommen ergeben. Ursache hierfür ist der Umstand, dass dem FA bei seiner Schätzung ein Rechenfehler unterlaufen ist, mit der Folge, dass eine deutlich zu niedrige Kilometerzahl zugrunde gelegt wurde. Aufgrund des im Finanzgerichtsprozess geltenden Verböserungsverbots bleibt es daher insoweit bei dem vom FA angesetzten Gewinn und Umsatz.
62b) Bei seiner Schätzung geht der Senat davon aus, dass der Kläger die von ihm behaupteten Privatfahrten tatsächlich nicht in dem behaupteten Umfang durchgeführt hat, sondern dass er einen erheblichen Teil der als Privatfahrten deklarierten Fahrtstrecke in Wirklichkeit im Taxibetrieb zurückgelegt hat, ohne die hierauf entfallenden Einnahmen bzw. Umsätze zu erklären. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund folgender Tatsachenfeststellungen fest: Auf der Basis der vom Kläger vorgelegten Einnahmebelege lassen sich die Fahrtkilometer errechnen, die der Kläger im betrieblichen Bereich zurückgelegt haben will. Zieht man diese erklärten Taxikilometer von der Jahresfahrleistung ab, die sich anhand der vorgelegten TÜV-Berichte schätzen lässt, ergeben sich Differenzen, die zwischen 29.412 km (2006) und 38.966 km (2010) liegen. Sowohl im Rahmen der BP als auch im Klageverfahren hat der Kläger behauptet, dass es sich insoweit um Privatfahrten gehandelt habe. Dieser Vortrag ist nach der Überzeugung des Senats unwahr. Er wird durch die bei der Auslesung des Taxameters festgestellte Besetztquote widerlegt. Bei der Auslesung des Taxameters des ab dem 21.5.2010 eingesetzten Fahrzeugs wurde festgestellt, dass sich die Besetztquote (diese ermittelt sich aus dem Verhältnis zwischen den Besetztkilometern und den Gesamtkilometern laut Taxameter) auf ca. 49% belief. Dieser Wert entspricht der Untergrenze, den die Finanzverwaltung bei Taxiunternehmen im städtischen Bereich zugrunde legt. Nach den Prüfungserfahrungen der Finanzämter (vgl. die Abhandlung der OFD Münster vom 1.12.2010 („Die Taxibranche“), abrufbar in juris, unter II.1.4) liegt die Besetztquote in diesem Bereich zwischen 50% und 60%.
63Nicht erklärlich ist jedoch, wie sich die im Streitfall festgestellte Besetztquote von annähernd 50% ergeben soll, wenn das Taxi für Privatfahrten in einem Umfang eingesetzt worden sein soll, der fast die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke ausmacht. Ginge man davon aus, dass für Privatfahrten der Fahrpreisanzeiger nicht aktiviert wird, müsste sich die Besetztquote in diesem Fall bei ca. 25% einpendeln. Der Kläger hat hingegen, wie sich seinem E-Mail-Verkehr mit dem FA entnehmen lässt, behauptet, dass er auch bei Privatfahrten dann den Fahrpreisanzeiger aktiviert habe, wenn sich eine weitere Person mit ihm im Auto befunden habe. Selbst wenn man diese Behauptung als wahr unterstellt, ist sie nicht geeignet, eine Besetztquote von 49% zu erklären. Im Rahmen der BP wurde zunächst eine Berechnung ("Aufstellung Berechnungen Betriebsprüfung") vorgelegt, wonach der der Kläger in den Jahren 2008 bis 2010 Privatfahrten in einem Umfang von ca. 32.380 absolviert haben will. Davon sollen ca. 16.380 km auf Besuchsfahrten zu seiner in B lebenden Mutter und zur Uni B entfallen sein, 10.800 km auf Fahrten mit seiner Frau zur Arbeitsstätte in C und ca. 5.200 km zwecks betrieblicher/privater Besorgungen im Raum D. Insoweit hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 21.4.2015 13 K 2865/13 AO darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag unplausibel sei, da der Anteil der Privatfahrten, bei denen sich keine weitere Person im Auto befunden habe, etwa 67% ((16.380 km + 5.200 km)/32.380 km) der insgesamt absolvierten Privatfahrten ausgemacht habe und die Besetztquote daher auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers deutlich unter 50% gelegen haben müsse.
64In einem am 19.4.2016 durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger sodann behauptet, dass diese Berechnung ohne sein Wissen von seinem damaligen Steuerberater gefertigt und ihm erst nach dem Senatsurteil vom 21.4.2015 im Verfahren 13 K 2865/13 AO bekannt geworden sei. Er habe mit seinem Steuerberater nur über Rahmenangaben, nicht jedoch über konkrete Kilometerzahlen gesprochen. Unterstellt man diese Behauptung als wahr, besteht allerdings aufgrund der weiteren Angaben des Klägers im Erörterungstermin erst recht keine tragfähige Erklärung mehr dafür, wieso sich die tatsächlich ermittelte Besetztquote auf 49% beläuft. Denn wie der Kläger ebenfalls in diesem Termin ausgeführt hat, traf auch die Darstellung seines Steuerberaters, dass er seine Frau täglich zur Arbeit nach C gefahren hat, nicht zu. Solche Fahrten seien vielmehr nur nach Absprache durchgeführt worden (). Unterstellt man diese Behauptung als wahr, folgt hieraus, dass der Anteil der Fahrten, die mit einem weiteren Insassen im Auto und damit - jedenfalls nach dem Vortrag des Klägers - mit aktiviertem Fahrpreisanzeigen durchgeführt worden sind, deutlich geringer als ursprünglich veranschlagt anzusetzen ist. Die Besetztquote hätte nach dem neuen Vortrag des Klägers daher noch geringer ausfallen müssen.
65c) Vor diesem Hintergrund legt der Senat bei seiner Schätzung - ebenso wie das FA - Privatfahrten von 7.000 km zugrunde. Zusätzlich hierzu sind nach Auffassung des Senats zu Gunsten des Klägers weitere Fahrten im betrieblichen Bereich zu Werkstätten, Tankstellen etc. von 1.000 km im Jahr zu berücksichtigen. Bei seiner Schätzung unterstellt der Senat zwar den Vortrag des Klägers als wahr, dass in den Streitjahren Privatfahrten mit dem Taxi durchgeführt wurden, z.B. nach B zu seiner Mutter oder nach C aufgrund zusammen mit seiner Frau unternommener Fahrten. Zugleich geht der Senat aber davon aus, dass diese einen deutlich geringeren Umfang an den Gesamtfahrten als behauptet gehabt haben müssen. Hierfür spricht aus Sicht des Senats zum einen, dass der Kläger letztlich keinerlei tragfähige Angaben dazu gemacht hat, wie er auf den von ihm behaupteten Umfang an Privatfahrten gekommen sein will. Die Angaben, die von Seiten seines Steuerberaters im Rahmen der BP in der „Aufstellung Berechnungen Betriebsprüfung“ gemacht worden sind, hat der Kläger im Erörterungstermin vom 19.4.2016 ausdrücklich als nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend charakterisiert. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Fahrten nach C (s.o.), sondern auch für die Fahrten nach B. Auch insoweit hat der Kläger die Darstellung seines Steuerberaters, der von drei bis vier Fahrten pro Woche nach B ausgegangen war, dahingehend relativiert, dass er (jedenfalls) Fahrten dorthin unternommen habe. Zum anderen spricht hierfür, dass sich bei Annahme der hier zugrunde gelegten Fahrtstrecke für private Fahrten und betriebliche "Fahrten ohne Uhr" kein Widerspruch zu der festgestellten Besetztquote ergibt. Geht man entsprechend der Prüfungserfahrungen der Finanzverwaltung davon aus, dass sich die Besetztquote im innerstädtischen Bereich i.d.R. auf einen Prozentwert zwischen 50% und 60% beläuft und legt einen Mittelwert von 55% zugrunde, wird, wie sich aus der nachfolgenden Tabelle ergibt, die im Streitfall festgestellte Besetztquote von 49% bei einer Privatfahrtstrecke von 8.000 km in allen Streitjahren näherungsweise erreicht:
662006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Jahreskilometer lt. TÜV |
64.060 |
71.799 |
74.065 |
74.487 |
87.054 |
Abzgl. geschätzte Privatnutzung |
8.000 |
8.000 |
8.000 |
8.000 |
8.000 |
Fahrleistung im Taxibereich |
56.060 |
63.799 |
66.065 |
66.487 |
79.054 |
Multipliziert mit Besetztquote 55% |
30.833 |
35.089 |
36.335 |
36.567 |
43.479 |
Verhältnis Besetztfahrten / Gesamtfahrleistung (= Besetztquote gesamt) |
48,13 |
48,87 |
49,06 |
49,09 |
49,95 |
Die vom Senat für den Privatbereich angenommene Fahrleistung von 7.000 km ist auch vor dem Hintergrund plausibel, dass dem Kläger in den Streitjahren noch der Pkw des Typs Passat für weitere Privatfahrten zur Verfügung stand. Ausweislich der vorgelegten TÜV-Berichte und Werkstattrechnungen wurden mit diesem Pkw in den Jahren 2007 bis 2010 Privatfahrten in einem Umfang von ca. 3.000 bis 6.000 km zurückgelegt, so dass sich insgesamt für den Haushalt des Klägers eine Privatfahrleistung zwischen 10.000 km und 13.000 km pro Jahr ergibt, was nach Auffassung des Senats im Bereich des Üblichen liegt.
68Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 23.5.2016 geltend gemacht hat, dass die Anrechnung der Kilometer des von seiner Ehefrau gefahrenen Pkw ungerechtfertigt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Kläger selbst vorgetragen hat, dass seine Ehefrau eine ungeübte Autofahrerin sei und der Passat ausschließlich von ihm genutzt werde. Im Schriftsatz vom 25.2.2015 wird etwa explizit darauf verwiesen, dass er seiner Ehefrau "aufgrund bestehender Ängste beim Autofahren" die Autofahrten fast vollumfänglich abnehme. Weiter heißt es in diesem Schriftsatz, dass die Ehefrau des Klägers keinerlei Fahrpraxis habe und daher den Wagen nicht nutze; er werde nur noch für private Wochenendfahrten genutzt. Im Übrigen hat der Senat ohnehin eine haushaltsbezogene Betrachtung angestellt. Die sich hier insgesamt für beide Fahrzeuge zusammen ergebende private Fahrleistung entspricht nach der Auffassung des Senats durchaus derjenigen, die für einen Zweipersonenhaushalt ohne Kinder typisch ist.
69II. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte das FA die ergangenen Änderungsbescheide auf die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Eine solche neue Tatsache liegt hier vor. Dem FA war zum einen bei Erlass der ursprünglich ergangenen Steuer- und Steuermessbescheide nicht bekannt, dass die vom Kläger geführten Aufzeichnungen nicht den steuerlichen Mindestanforderungen genügen, weil insbesondere keine Kilometerstände bei Schichtbeginn und Schichtende festgehalten wurden. Auch eine solche nachträgliche Feststellung der Ordnungswidrigkeit kann eine neue Tatsache bilden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 158 AO Rz. 26 unter Hinweis auf das Urteil des FG Münster vom 8.5.2012 1 K 602/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1894). Zum anderen hatte das FA auch keine Kenntnis davon, dass die Angaben des Klägers in seinen Einnahmebelegen im Widerspruch zu der durch die BP festgestellten Besetztquote standen.
70Die vom FA vorgenommene Änderung durfte auch in Bezug auf die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 2006 erfolgen, für die der Kläger seine Erklärungen im Jahr 2007 abgegeben hatte. Zwar war insoweit bereits vor Erlass der Prüfungsanordnung am 20.3.2013 die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO abgelaufen (Fristende = 31.12.2011), so dass keine Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO eintreten konnte. Es greift jedoch die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, da im Streitfall die hierfür erforderliche vorsätzliche Steuerhinterziehung verwirklicht wurde. Nach Würdigung aller Umstände des Streitfalles steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger bewusst nicht alle Fahrtstrecken im Taxibereich und die durch diese Fahrten erzielten Einnahmen aufgezeichnet und in seinen Steuererklärungen angegeben hat. Wie bereits ausgeführt, sieht der Senat die Behauptung des Klägers, dass er in großem Umfang Privatfahrten getätigt habe, als bloße Schutzbehauptung an, die durch die festgestellte Besetztquote widerlegt wird.
71III. Das Verfahren war einzustellen, soweit es die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 betraf. Insoweit hat der Kläger – auf einen entsprechenden Hinweis des Senats hin – seine Klage nicht mehr aufrechterhalten.
72IV. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer- und Steuermessbeträge erfolgt gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da das FG die Berechnung der festzusetzenden Steuern und Steuermessbeträge auf das FA übertragen hat, hat es die Quote des Obsiegens anhand des Verhältnisses der im Tenor ausgesprochenen Minderung zur angefochtenen Änderung der Bemessungsgrundlage geschätzt. Soweit der Kläger allerdings die Klage zurückgenommen hat, fallen ihm die Kosten kraft Gesetzes zur Last (§ 136 Abs. 2 FGO).
73V. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
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