Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 13 K 2791/15 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, einschließlich des Revisionsverfahrens.
1
Tatbestand:
2Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Nachdem der BFH – für den Senat bindend – das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht Deutschlands festgestellt hat, ist nun streitig, ob die Tagegelder, die die Klägerin im Rahmen einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erhielt, nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.
3Die Kläger sind Eheleute, die im Jahr 2009 (Streitjahr) im Inland wohnten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin ist … und … Staatsangehörige und war seit dem 01.11.2008 als abgeordnetes Missionsmitglied der … Regierung im Rahmen einer Mission der OSZE im Kosovo tätig. Sie hielt sich im Streitjahr bis zum 09.04.2009 im Kosovo und anschließend in Deutschland auf. Hierzu ließ sie sich vom 10.04. bis zum 08.07.2009 zunächst unbezahlt beurlauben und befand sich ab dem 09.07.2009 im Mutterschutz. Im Anschluss daran nahm sie den ihr zustehenden Resturlaub und schied danach aus dem Dienst der OSZE-Mission im Kosovo aus. Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin von der OSZE-Mission im Kosovo in den Monaten Januar bis April und Juli bis November 2009 sogenannte Tagegelder für die Kosten von Unterkunft und Verpflegung i.H. von insgesamt 24.237 Euro.
4In ihrer Einkommensteuererklärung gab die Klägerin die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Abzug von Werbungskosten i.H. von 3.801 Euro für Flugkosten, Telefonkosten und Verpflegungsmehraufwendungen im Kosovo mit 20.436 Euro an. Sie wies darauf hin, dass dieser Betrag nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts der Besteuerung in Deutschland unterliege. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) ging hingegen von einem deutschen Besteuerungsrecht aus und legte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H. von 20.436 Euro zu Grunde.
5Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab der Senat der Klage mit Urteil vom 11.10.2013 (Az.: 13 K 4428/12 F) statt.
6Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) das erstinstanzliche Urteil jedoch auf und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) Düsseldorf zurück (BFH-Urteil vom 15.04.2015 I R 73/13, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2015, 1674). Zu Unrecht habe das FG ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht Deutschlands an den Tagegeldern verneint. Die Sache sei jedoch nicht spruchreif, da nicht entschieden werden könne, ob sich im Streitfall auf Grund von § 3 Nr. 12, 13 oder 16 EStG – unter Berücksichtigung von § 3c Abs. 1 EStG – ein für die Kläger steuerlich günstigeres Ergebnis ergeben könnte. Dies aufzuklären sei Aufgabe des FG.
7Im zweiten Rechtsgang führen die Kläger aus, die in Rede stehenden Einkünfte seien der Klägerin seitens der OSZE-Mission für Unterkunft und Verpflegung gezahlt worden. Die Beträge hätten zumindest teilweise die Lebenshaltungskosten der internationalen Missionsmitglieder decken sollen. Darüber hinausgehende Zahlungen habe sie nicht – auch nicht von der ... Regierung – erhalten. Dauerhaft im Gastland ansässige Missionsmitglieder hätten diese Tagegelder nicht bekommen. Dies verdeutliche, dass es um Mehrkosten gehe, die den internationalen Missionsmitgliedern durch die Entsendung entstünden. Es handele sich somit um eine Aufwandsentschädigung, die nach § 3 Nr. 12, 13 oder 16 EStG steuerfrei zu stellen sei.
8Die Kläger beantragen,
9unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 29.09.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.11.2012 die Einkommensteuer 2009 in der Weise festzusetzen, dass die Tagegelder i.H. von 24.237 Euro als nach § 3 Nr. 12, 13 oder 16 EStG steuerfreie Einnahmen behandelt werden.
10Das FA beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung trägt es vor, es sei davon auszugehen, dass die Zahlungen der OSZE an die Klägerin i.H. von 24.237 Euro der Entlohnung für geleistete Dienste und nicht der Vergütung von entstandenen Kosten gedient hätten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Kosovo Reise- oder Umzugskosten oder Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung entstanden seien, die von der OSZE erstattet worden seien. Solche Aufwendungen habe die Klägerin weder im Veranlagungs- noch im Einspruchsverfahren oder im Klageverfahren geltend gemacht.
13Aber auch wenn es sich um Aufwandsentschädigungen i.S. des § 3 Nr. 12 EStG handeln sollte, seien die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt. Die Vergütungen seien nicht aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlt worden und auch nicht an Personen, die öffentliche Dienste für einen inländischen Träger öffentlicher Gewalt leisteten.
14Die Tagegelder seien ferner nicht nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei, da zu den dort genannten öffentlichen Kassen nur Kassen inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts gehörten oder Kassen, die einer Dienstaufsicht und Prüfung der Finanzgebarung durch die inländische öffentliche Hand unterlägen. Kassen einer internationalen Organisation wie der OSZE im Rahmen ihrer Mission gehörten nicht dazu.
15Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 3 Nr. 16 EStG nicht erfüllt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Klägerin höhere Reise- oder Umzugskosten entstanden seien, als sie bereits als Werbungskosten geltend gemacht habe.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist unbegründet.
181. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin sind mit keinem niedrigeren Betrag als 20.436 Euro der Einkommensteuer zu unterwerfen.
19Zu Recht hat das FA ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht Deutschlands an den Tagegeldern bejaht (BFH-Urteil vom 15.04.2015 I R 73/13, BFH/NV 2015, 1674). Entgegen der Ansicht der Kläger im zweiten Rechtsgang ergibt sich auch unter Berücksichtigung von § 3 Nr. 12, 13 und 16 EStG kein Ergebnis, dass bei Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG günstiger als ein Ansatz der Einkünfte i.H. von 20.436 Euro wäre.
20a) Die Tagegelder sind nicht nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei.
21aa) Gem. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sind Bezüge, die in bestimmter Weise als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind, unter weiteren Voraussetzungen steuerfrei, wenn sie „aus einer Bundeskasse oder Landeskasse“ gezahlt werden. Bereits an dem letztgenannten Erfordernis scheitert eine Steuerbefreiung der hier in Rede stehenden Tagegelder, da es sich bei der OSZE-Mission weder um eine Bundes- noch um eine Landeskasse handelt.
22bb) § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG erfasst Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen (soweit es sich nicht um Bundes- oder Landeskassen handelt) an Personen gezahlt werden, die öffentliche Dienste leisten, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen.
23Nach der BFH-Rechtsprechung handelt es sich um eine öffentliche Kasse, wenn diese „einer dienstaufsichtlichen Prüfung der Finanzgebarung durch die öffentliche Hand unterliegt“ (BFH-Urteil vom 07.08.1986 IV R 228/82, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1986, 848, unter 1.b). Die Rechtsprechung beschränkt das Tatbestandsmerkmal „öffentliche Kasse“ zu Recht auf inländische Kassen, da nur bei ihnen Staatsaufsicht und Prüfung des Finanzgebarens eine Gewähr oder wenigstens Vermutung dafür begründen, dass die Aufwandsentschädigungen Werbungskostenersatz bilden (BFH-Urteil vom 03.12.1982 VI R 84/79, BStBl II 1983, 219; FG Bremen, Urteil vom 22.06.1990 I 134, 163/89, EFG 1991, 519, unter 1.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 12 EStG Anm. 13; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, EStG, § 3 Nr. 13 Rz. 4; Levedag in Schmidt, EStG, 35. Auflage, § 3 Rz. 52). Keine inländischen Kassen sind Kassen der inländischen Vertretungen fremder Staaten (Botschaften, Gesamtschaften, Konsulate) und ausländische Organisationen (FG Bremen, Urteil vom 22.06.1990 I 134, 163/89, EFG 1991, 519, zu Zahlungen des Europäischen Parlaments).
24Die von der OSZE-Mission im Kosovo an die Klägerin gezahlten Bezüge stammen, unabhängig von der Frage, ob es sich um Aufwandsentschädigungen handelt, die den der Klägerin entstandenen Aufwand nicht offenbar (deutlich) übersteigen, und unabhängig davon, dass die Klägerin nicht in einem Dienstverhältnis zu einem inländischen Träger öffentlicher Gewalt gestanden hat (siehe dazu BFH in BStBl II 1986, 848), nicht aus einer „öffentlichen Kasse“. Die OSZE-Mission im Kosovo ist keine inländische Kasse, die einer Dienstaufsicht und Prüfung der Finanzgebarung durch inländische Organe der öffentlichen Hand unterliegt.
25b) Ferner sind die Tagegelder nicht nach § 3 Nr. 13 EStG von der Einkommensteuer befreit.
26Nach dieser Vorschrift sind aus öffentlichen Kassen gezahlte Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder unter weiteren Voraussetzungen steuerfrei. Der Begriff der öffentlichen Kasse i. S. des § 3 Nr. 13 EStG ist identisch mit dem i. S. des § 3 Nr. 12 EStG (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 3 Nr. 13 Anm. 10).
27Die Voraussetzungen von § 3 Nr. 13 EStG sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Zahlungen nicht aus einer „öffentlichen Kasse“ im Sinne dieser Regelung, sondern von der OSZE-Mission im Kosovo erfolgten (siehe unter 1.a).
28c) Schließlich ergibt sich – unter Berücksichtigung von § 3c Abs. 1 EStG – auch aus § 3 Nr. 16 EStG nicht, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin niedriger sind als bislang vom FA mit 20.436 Euro angesetzt.
29aa) Die Tagegelder, die die Klägerin von der OSZE-Mission im Kosovo erhalten hat, sind zwar i.H. von 2.818 Euro nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei.
30Gem. § 3 Nr. 16 EStG sind Vergütungen steuerfrei, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihren Arbeitgebern zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, soweit sie die beruflich veranlassten Mehraufwendungen, bei Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht übersteigen; Vergütungen zur Erstattung von Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung sind nur insoweit steuerfrei, als sie die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und Abs. 5 sowie § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG abziehbaren Aufwendungen nicht übersteigen.
31Die Tagegelder, die die Klägerin für ihre Tätigkeit im Kosovo für die Monate Januar bis April und Juli bis November 2009 i. H. von insgesamt 24.237 Euro erhalten hat, übersteigen nur i.H. von 2.818 Euro nicht die nach den o.g. Regelungen abziehbaren Aufwendungen. Die Kläger haben in ihrer Einkommensteuererklärung Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung der Klägerin i. H. von insgesamt 3.801 Euro als Werbungskosten geltend gemacht. Diese setzen sich aus Aufwendungen für Familienheimfahrten mit dem Flugzeug i.H. von 1.619,72 Euro, Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen i.H. von 1.996,80 Euro und Telefonkosten für Ferngespräche i.H. von 183,83 Euro zusammen. Hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen hat die damalige Berichterstatterin bereits in einem Erörterungstermin vom 19.09.2013 darauf hingewiesen, dass sie nur für die ersten drei Monate der seit dem 01.11.2008 andauernden doppelten Haushaltsführung berücksichtigungsfähig seien. Die Kläger hatten daraufhin auch nur noch Mehraufwendungen für Verpflegung für den Monat Januar 2009 geltend gemacht (1.014 Euro statt 1.996,80 Euro laut Steuererklärung). Dass der Klägerin weitere – über 2.818 Euro (1.619,72 Euro für Flugkosten, 1.014 Euro für Verpflegungsmehraufwendungen und 183,83 Euro für Telefonkosten) hinausgehende – nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und Abs. 5 sowie § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG abziehbare Aufwendungen entstanden sind, haben die Kläger weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
32Soweit die von der OSZE-Mission gezahlten Tagegelder die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen übersteigen, sind sie nicht nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei.
33bb) Hinsichtlich der steuerfrei gezahlten Tagegelder i.H. von 2.818 Euro kommt jedoch gem. § 3c Abs. 1 EStG in nämlicher Höhe kein Abzug der Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten (mehr) in Betracht. Das FA hat im angefochtenen Einkommensteuerbescheid die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen i.H. von insgesamt 3.801 Euro als Werbungskosten berücksichtigt. Diese sind nun, unabhängig davon, dass sie ohnehin bezüglich der Verpflegungsmehraufwendungen für die Monate Februar bis April 2009 nicht anzusetzen sind, um den Betrag von 2.818 Euro zu kürzen. Somit sind die für die Klägerin zu erfassenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit jedenfalls nicht niedriger, als bislang vom FA erfasst (20.436 Euro).
342. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
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